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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1A.106/2005 /ggs 
 
Urteil vom 17. November 2005 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Parteien 
Erbengemeinschaft X.________, nämlich: 
1. A.________, 
2. B.________, 
3. C.________, 
4. D.________, 
Beschwerdeführer, alle vertreten durch 
Rechtsanwalt Andreas Laki, 
 
gegen 
 
Swisscom Mobile AG, Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Raetus Cattelan, 
Stadtrat von Zug, 6300 Zug, vertreten durch das Baudepartement der Stadt Zug, St.-Oswald-Gasse 20, Postfach 1258, 6301 Zug, 
Regierungsrat des Kantons Zug, Regierungsgebäude, Postfach, 6301 Zug, 
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, verwaltungsrechtliche Kammer, An der Aa 6, Postfach 760, 6301 Zug. 
 
Gegenstand 
Mobilfunkanlage auf dem Postgebäude, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, verwaltungsrechtliche Kammer, vom 1. März 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Swisscom Mobile AG, plant den Umbau einer Mobilfunkanlage, die sich auf der zentralen Dachkuppel des Postgebäudes der Stadt Zug befindet. Diese soll für UMTS mit drei Antennen ausgerüstet werden. Die Nebenkuppel aus Glas soll erneuert und das Dach inklusive Rundkuppel mit einer NIS-Abschirmung aus Metallgewebe versehen werden. Die Liegenschaft befindet sich in der Zone des öffentlichen Interesses für Bauten und Anlagen. 
 
Am 20. Januar 2004 erteilte der Stadtrat Zug der Swisscom Mobile AG die Baubewilligung mit der Auflage, die Einhaltung der Grenzwerte und die Abschirmung des Dachgeschosses durch Abnahmemessungen nachzuweisen. Die gegen das Bauvorhaben eingegangenen Einsprachen, u.a. der Erbengemeinschaft X.________, wies er ab. 
B. 
Gegen die Baubewilligung erhob die Erbengemeinschaft X.________ Verwaltungsbeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Zug. Dieser wies die Beschwerde am 31. August 2004 ab, soweit er darauf eintrat. 
C. 
Daraufhin erhob die Erbengemeinschaft X.________ Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug. Dieses wies die Beschwerde am 1. März 2005 ab. 
D. 
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid erhebt die Erbengemeinschaft X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Inbetriebnahme der streitbetroffenen Antenne sei solange zu verweigern, als nicht von der Beschwerdegegnerin die Unbedenklichkeit der Anlage wissenschaftlich nachgewiesen worden sei. Eventualiter sei die angefochtene Bewilligung insoweit aufzuheben, als sie Immissionen mit einer elektrischen Feldstärke von mehr als 1 V/m an Orten mit empfindlicher Nutzung gestatte. 
E. 
Das Verwaltungsgericht und das Baudepartement Zug beantragen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Swisscom Mobile AG und die Baudirektion des Kantons Zug schliessen auf Abweisung der Beschwerde. 
F. 
Das BUWAL äussert sich in seiner Vernehmlassung zu den von der Beschwerde aufgeworfenen umweltschutzrechtlichen Fragen. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äussern. 
G. 
Mit Verfügung vom 23. Mai 2005 wurde der Beschwerde insoweit aufschiebende Wirkung auferlegt, als die Inbetriebnahme der Antennen während des bundesgerichtlichen Verfahren zu unterbleiben habe. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, der sich u.a. auf die Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV; SR 814.710) und damit auf Bundesverwaltungsrecht stützt. Dagegen steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht grundsätzlich offen, soweit, wie hier, die Verletzung von Bundesverwaltungsrecht geltend gemacht wird (Art. 97 ff. OG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. 
2. 
Die Beschwerdeführer rügen vor Bundesgericht nur noch, das streitbetroffene Vorhaben verstosse gegen das Vorsorgeprinzip (Art. 74 Abs. 2 Satz 1 BV; Art. 1 Abs. 2 und 11 Abs. 2 USG). 
 
Hierfür stützen sie sich auf die vom niederländischen TNO Physics and Electronics Laboratory in Den Haag im September 2003 vorgelegte Studie (Zwamborn et al., Effects of global communication system radio-frequency fields on well being and cognitive functions of human subjects with and without subjective complaints), die erstmals konkrete Zusammenhänge zwischen hochfrequenter nicht ionisierender Strahlung im Niedrigdosisbereich und negativen gesundheitlichen Wirkungen nachgewiesen habe. Es sei unzulässig, trotz ernst zu nehmender Hinweise auf eine Gefährdung einzig und allein auf die Einhaltung der Anlagegrenzwerte abzustellen. Vielmehr müssten die Immissionen gestützt auf das Vorsorgeprinzip solange untersagt werden, als nicht ihre Unbedenklichkeit nachgewiesen sei. 
Eventualiter sei die Inbetriebnahme nur mit reduzierter Leistung zu bewilligen, so dass die durch die Anlage verursachten Immissionen unter der Schwelle liegen, welche nach neuesten Erkenntnissen Gesundheit und Wohlbefinden beeinträchtigen können. Diese Schwelle liege laut TNO-Bericht bei max. 1 V/m. 
 
Es gehe nicht an, weitere Studien, insbesondere die von der Forschungsstiftung Mobilkommunikation durchgeführte TNO-Replikationsstudie, abzuwarten, die schätzungsweise noch ein Jahr in Anspruch nehmen werde. Es sei für die Beschwerdeführer nicht zumutbar, die Gefährdung oder Beeinträchtigung ihrer Gesundheit ein weiteres Jahr lang hinzunehmen. 
3. 
In der TNO-Studie wurde der Einfluss von GMS- und UMTS-Strahlung auf das subjektive Wohlbefinden und die kognitiven Funktionen bei zwei Versuchsgruppen von je 36 Personen untersucht: Eine Gruppe bestand aus Personen, die sich selbst als elektrosensibel bezeichnete; die andere Gruppe (Referenzgruppe) aus nicht-elektrosensiblen Personen. Die Testpersonen mussten in einem Strahlungsraum Aufgaben betreffend Gedächtnis, Konzentration und Reaktionszeit ausführen und einen Fragebogen über das Wohlbefinden ausfüllen. Dabei wurde entweder das Signal einer GSM- oder einer UMTS-Basisstationen simuliert (mit einer elektrischen Feldstärke von 1 V/m) oder der Sender blieb abgestellt. Weder die Testpersonen noch die Forscher wussten jeweils, ob die Sendeanlage eingeschaltet war oder nicht und ob der GSM- oder der UMTS-Strahler aktiviert war (sog. Doppelblind-Versuch). 
 
Die Auswertung der Testergebnisse zeigte eine statistisch relevante Beziehung zwischen der UMTS-Bestrahlung und dem Wohlbefinden der Testpersonen, das bei der UMTS-Exposition geringer war als bei der Exposition mit GSM-Strahlen oder bei abgestelltem Sender. 
 
Die gefundenen Effekte bezüglich des Wohlbefindens waren allerdings vergleichsweise schwach: Den Testpersonen wurden 23 Fragen zum Wohlbefinden mit Antworten in einer 4-stufigen Skala gestellt ("gar nicht" (0), "etwas" (1), "ziemlich stark" (2) oder "extrem stark" (4)). Die Referenzgruppe hatte im durchschnittlichen Summentotal 0,5 Punkte mehr bei der UMTS- als bei der Nicht-Exposition, d.h. jede zweite Person hatte im Schnitt eine Frage des ganzen Fragebogens um eine Stufe schlechter beantwortet. Bei der Gruppe der Elektrosensiblen betrug die Differenz 3 Punkte (Gregor Dürrenberger, Diskussionsstand zur TNO-Studie, S. 3 [http://www.mobile-research.ethz.ch]). 
Diese Ergebnisse sind bedeutsam, weil erstmals in einem Laborexperiment Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Fernfeldexposition gegenüber schwachen, UMTS-ähnlichen Feldern und dem Auftreten von unspezifischen Symptomen gefunden wurden. Die Ergebnisse sind jedoch wissenschaftlich nicht gesichert, solange sie nicht durch weitere Studien reproduziert werden konnten. Bislang handelt es sich um einen Einzelbefund, auf den weder ein vorsorgliches Verbot von UMTS-Antennen noch eine Senkung der NISV-Grenzwerte gestützt werden kann. 
 
Derzeit läuft eine von der Forschungsstiftung Mobilkommunikation in Auftrag gegebene TNO-Anschlussstudie, welche die Ergebnisse der TNO-Studie verifizieren und, aufgrund einer verbesserten Methodik, zuverlässigere Resultate erzielen soll (vgl. Peter Achermann/Niels Kuster/Martin Röösli; Welche Resultate können von der TNO-Anschlussstudie erwartet werden? [http://www.mobile-research.ethz.ch]). Die Ergebnisse dieser Studie werden voraussichtlich im Jahr 2006 veröffentlicht. 
4. 
Der von den Beschwerdeführern verlangte wissenschaftliche Nachweis der Unbedenklichkeit von Mobilfunkanlagen ist aus prinzipiellen Gründen nicht möglich, wie das BUWAL in seiner Vernehmlassung darlegt: 
 
Dazu müsste jeder nur denkbare biologische Effekt wissenschaftlich untersucht werden, was aufgrund der Vielfalt der möglichen Effekte und der Vielfalt von Expositionen nicht möglich erscheint. Wissenschaftlich gesicherte Aussagen können nur zum Vorhandensein von Effekten gemacht werden, während zur Abwesenheit von Effekten nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich sind, basierend auf der Häufigkeit von Studien, in denen kein biologischer Effekt gefunden werden konnte. Eine 100-prozentige Sicherheit ist jedoch nie möglich. 
 
Hinzuweisen ist immerhin auf den Umstand, dass die TNO-Studie keine Zusammenhänge zwischen der kurzfristigen Bestrahlung mit GSM-Mobilfunkstrahlung und dem subjektiven Wohlbefinden der Testpersonen feststellen konnte; auch die anderen, bisher durchgeführten Studien haben keinen derartigen Zusammenhang belegt (vgl. Übersicht bei Martin Röösli und Heike Seitz/Doris Stinner/Thomas Eickmann, Befindlichkeitsstörungen, 2005 [http://www.emf-risiko.de/ projekte/ergeb_bewlit.html]). 
Der Vorwurf der Beschwerdeführer, die Bevölkerung sei nunmehr schon seit sieben Jahren einer gesundheitsschädlichen Strahlung ausgesetzt worden, entbehrt daher der Grundlage. 
5. 
Wie das Bundesgericht mehrfach festgehalten hat, müssen die Grenzwerte der NISV periodisch überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Dabei steht dem Bundesrat jedoch ein erheblicher Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu, den das Bundesgericht aufgrund der bundesrechtlichen Zuständigkeitsordnung zu respektieren hat. Derzeit liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die bisherige Einschätzung, wonach die NISV die durch die Bundesgesetzgebung und die Verfassung vorgegebenen Grenzen einhält, zu revidieren wäre. 
6. 
Nach dem Gesagten erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 156 OG) und müssen die anwaltlich vertretene Beschwerdegegnerin für die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens entschädigen (Art. 159 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt. 
3. 
Die Beschwerdeführer haben die Swisscom Mobile AG für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Stadtrat von Zug, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, verwaltungsrechtliche Kammer, sowie dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 17. November 2005 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: