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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_353/2018  
 
 
Urteil vom 30. Mai 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, 
nebenamtliche Bundesrichterin Griesser, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Leo Sigg, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Entschädigung des amtlichen Verteidigers; Willkür, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 19. Februar 2018 (UH170311-O/U/BUT). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland führte gegen A.________ u.a. wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung eine Strafuntersuchung z.N. der B.________ GmbH, deren Geschäftsführer er war. In der Einvernahme vom 30. August 2017 teilte ihm die Staatsanwaltschaft in Anwesenheit seines amtlichen Verteidigers mit, dass eine Anklageerhebung bezüglich der vorgeworfenen Veruntreuung, die Abtrennung und Sistierung bezüglich des Betrugs und die Einstellung bezüglich der Vorwürfe betreffend die B.________ GmbH beabsichtigt werde. Sie forderte ihn gleichzeitig auf, allfällige Beweisanträge und "allfällige Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche" bis zum 10. September 2017 einzureichen. 
 
A.________ kam der Aufforderung bis zum 10. September 2017 nicht nach. 
 
B.   
Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren z.N. der B.________ GmbH am 21. September 2017 ein, verwies die Zivilklage auf den Zivilweg, nahm die Verfahrenskosten auf die Staatskasse, sprach A.________ für die rund 11-stündige Haft sowie die Hausdurchsuchung eine Genugtuung von Fr. 200.-- und keine Entschädigung zu. 
 
A.________ beantragte in seiner Beschwerde, ihm für die amtliche Verteidigung eine Entschädigung von Fr. 3'500.-- und nebst der zugesprochenen Genugtuung mindestens Fr. 15'000.-- zuzusprechen. 
 
Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde am 19. Februar 2018 ab. 
 
C.   
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, den vorinstanzlichen Beschluss aufzuheben, ihm eine Entschädigung von Fr. 15'000.-- und dem "vorinstanzlichen amtlichen Verteidiger" ein Honorar von Fr. 3'500.-- "für das Ermittlungsverfahren im eingestellten Verfahren zuzusprechen", eventualiter die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen sowie ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 429 Abs. 2 StPO
 
1.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, aus den Akten sei ersichtlich, dass er alleine aus dem Vertrag mit der C.________ einen Umsatz von Fr. 457'727.73 gehabt habe. Diese Umsätze seien weggebrochen und seine Firma habe aufgrund des Strafverfahrens liquidiert werden müssen. Die geforderte Entschädigung von Fr. 15'000.-- stelle nur etwa 3,3 % des weggebrochenen Umsatzes dar. Die Vorinstanz verweigere ihm die Entschädigung mit der Begründung, er habe sie vor der Staatsanwaltschaft weder beantragt noch begründet. Sein Anspruch wäre aber von Amtes wegen zu prüfen gewesen. Daher könne ihm kein Nachteil daraus erwachsen, dass er trotz Aufforderung der Staatsanwaltschaft keine Entschädigung beantragt habe. Die Staatsanwaltschaft hätte abklären müssen, ob die aktenkundige Erwerbseinbusse durch das Strafverfahren verursacht worden sei.  
 
1.2. Die Vorinstanz hält fest, der Beschwerdeführer habe seine Entschädigungs- und Genugtuungsansprüche trotz Aufforderung nicht angemeldet. Der Hinweis auf eine Prüfung von Amtes wegen helfe nicht weiter. Er sei zur Anmeldung, Bezifferung und Belegung seiner Ansprüche aufgefordert worden und habe keine Ansprüche geltend gemacht. Es sei nicht erkennbar und werde vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt, woraus die Staatsanwaltschaft von sich aus auf einen Schadenersatzanspruch gemäss Art. 429 StPO hätte schliessen sollen.  
 
1.3. Wird das Verfahren eingestellt, so hat die beschuldigte Person Anspruch auf Entschädigung der wirtschaftlichen Einbussen, die ihr aus ihrer notwendigen Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind (Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO).  
 
Die Strafbehörde ist nicht verpflichtet, alle für die Beurteilung des Entschädigungsanspruchs bedeutsamen Tatsachen von Amtes wegen abzuklären. Gestützt auf Art. 429 Abs. 2 StPO hat sie die beschuldigte Person mindestens anzuhören und gegebenenfalls aufzufordern, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen. Es obliegt der beschuldigten Person, ihre Ansprüche zu begründen und auch zu belegen, d.h. zu beweisen ("prouver"; Urteil 6B_118/2016 vom 20. März 2017 E. 5.1). Dies entspricht der zivilrechtlichen Regel (Art. 42 Abs. 1 OR), wonach wer Schadenersatz beansprucht, den Schaden zu beweisen hat (BGE 142 IV 237 E. 1.3.1 S. 239). Art. 429 Abs. 2 StPO dispensiert die beweispflichtige Person nicht von ihrer Mitwirkungspflicht (Urteil 6B_740/2016 vom 2. Juni 2017 E. 3.1). Reagiert die beweispflichtige Person auf die behördliche Aufforderung nicht, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen (Art. 429 Abs. 2 StPO), lässt sich auf ihren Verzicht auf eine Geltendmachung schliessen (Urteil 6B_472/2012 vom 13. November 2012 E. 2.4; SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 1819; WEHRENBERG/FRANK, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 31a und 31b zu Art. 429 StPO). 
 
1.4. Unbestritten stellte der Beschwerdeführer trotz Aufforderung gemäss Art. 429 Abs. 2 StPO weder Entschädigungsanträge noch machte er aufgrund des Strafverfahrens zu ersetzenden Schaden geltend. Die Vorinstanz stellt willkürfrei fest, die Staatsanwaltschaft habe weder Anhaltspunkte für einen adäquaten Schaden (vgl. BGE 142 IV 237 E. 1.3.3 S. 242) noch auch einen Anlass gehabt, von Amtes wegen Abklärungen vorzunehmen. Die Rüge ist unbegründet.  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, entgegen Art. 135 Abs. 2 StPO habe die Staatsanwaltschaft dem amtlichen Verteidiger kein Honorar zugesprochen. Die Zusprechung der Genugtuung belege, dass es sich nicht um eine Teilerledigung des Verfahrens handelte.  
 
Die Vorinstanz nimmt an, die Einstellung des Verfahrens betreffend ungetreue Geschäftsbesorgung sei lediglich eine Teilerledigung, das Verfahren gehe weiter und die Staatsanwaltschaft habe es stillschweigend dem Bezirksgericht überlassen, über die Entschädigung des amtlichen Verteidigers zu befinden (Urteil S. 6). 
 
2.2. Die Berechtigung zur Beschwerde vor Bundesgericht setzt ein rechtlich geschütztes Interesse voraus (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Der Beschwerdeführer muss ein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der Beschwerde haben. Mit diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass das Gericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet. Es dient damit der Prozessökonomie (BGE 136 I 274 E. 1.3 S. 276). Die in Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG beispielhaft aufgeführten Personen, die in der Regel beschwerdebefugt sind, haben im Einzelfall ein Rechtsschutzinteresse nachzuweisen (BGE 133 IV 121 E. 1.1 S. 123). Ein bloss tatsächliches Interesse genügt nicht (BGE 133 IV 228 E. 2.3 S. 230 f.).  
 
Die amtliche Verteidigung zählt nicht zu den Verfahrensparteien (Art. 104 Abs. 1 StPO). Ihre Rechtsmittellegitimation ergibt sich aus Art. 135 Abs. 3 StPO. Sie muss in eigenem Namen Beschwerde führen (BGE 140 IV 213 E. 1.4; 139 IV 199 E. 5.6 S. 204). 
 
Gegen den Entschädigungsentscheid der Staatsanwaltschaft kann die "amtliche Verteidigung Beschwerde führen" (Art. 135 Abs. 3 Ingress StPO). Die Festsetzung der Höhe der Entschädigung der amtlichen Verteidigung betrifft grundsätzlich nur die eigenen Interessen des amtlichen Verteidigers. Er ist selber zur Beschwerde befugt. Die amtlich verteidigte Person ist durch die behaupteterweise zu tief festgesetzte Entschädigung nicht in ihren eigenen Rechten betroffen, weshalb es ihr an einem rechtlich geschützten Interesse an der Erhöhung der Entschädigung fehlt. Sie ist nicht zur Rüge legitimiert, das dem amtlichen Verteidiger zugesprochene Honorar sei zu niedrig bemessen (Urteil 6B_762/2016 vom 13. September 2016 E. 8.2; vgl. Urteile 6B_429/2017 vom 14. Februar 2018 E. 4.1 und 6B_551/2016 vom 14. Dezember 2016 E. 2). Insoweit nicht anders verhält es sich, wenn dem amtlichen Verteidiger keine Entschädigung zugesprochen wurde. 
 
2.3. Der Beschwerdeführer ist nicht beschwert und entsprechend zur Rüge, seinem früheren Verteidiger sei zu Unrecht keine Entschädigung zugesprochen worden, nicht legitimiert. Es kann daher offenbleiben, wie der Sachverhalt zu beurteilen ist, dass vor der Staatsanwaltschaft trotz Aufforderung überhaupt keine Honorarforderung des amtlichen Verteidigers geltend gemacht worden war (soweit die beschuldigte Person beschwert ist, vgl. zur Veröffentlichung vorgesehenes Urteil 6B_1099/2017 vom 1. Mai 2018 E. 1.9).  
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (und Verbeiständung) ist wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f.; 140 V 521 E. 9.1 S. 537; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.). Dem Beschwerdeführer sind die Gerichtskosten aufzuerlegen. Sie sind angesichts seiner finanziellen Lage herabzusetzen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Dem Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 30. Mai 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Briw