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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_289/2022  
 
 
Urteil vom 5. August 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch AXA-ARAG Rechtsschutz AG, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Einspracheverfahren; Prozessvoraussetzung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. März 2022 (UV.2022.00018). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1962 geborene A.________ war über seine Arbeitgeberin bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (nachfolgend: Suva) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert, als er sich am 13. Februar 2021 bei einem Sturz mit dem Velo eine Rotatorenmanschettenruptur zuzog. Die Suva erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Per 15. Mai 2021 stellte sie diese wieder ein (Verfügung vom 16. Juli 2021). Mit Eingabe vom 14. September 2021 liess A.________ durch seinen bei einer Rechtsschutzversicherung angestellten Rechtsvertreter, unter Hinweis auf die per 14. September 2021 ablaufende Einsprachefrist, um Verlängerung der Einsprachefrist um zehn Tage ersuchen. Die Suva setzte mit Schreiben vom 15. September 2021 Frist zur Einsprachebegründung bis zum 26. September 2021 (Sonntag). Auf die am 27. September 2021 der Post übergebene begründete Einsprache trat die Suva mit Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2021 nicht ein. 
 
B.  
In Gutheissung der dagegen geführten Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2021 auf und wies die Sache an die Suva zurück, damit sie über die Leistungsansprüche des A.________ materiell befinde (Urteil vom 22. März 2022). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Suva, das kantonalgerichtliche Urteil vom 22. März 2022 sei aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2021 sei zu bestätigen. 
 
Die Vorinstanz und das Bundesamt für Gesundheit haben auf eine Stellungnahme verzichtet. Dem verspätet der Post übergebenen Fristerstreckungsgesuch des Rechtsvertreters von A.________ zur Einreichung einer Vernehmlassung konnte das Bundesgericht mit Verfügung vom 4. Juli 2022 nicht stattgeben. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 II 153 E. 1.1 mit Hinweis; Urteil 8C_770/2020 vom 21. September 2021 E. 1). 
 
1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG). Gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.2. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die vorinstanzliche Rückweisung der Sache an die Suva, damit sie über die Leistungsansprüche des Beschwerdegegners materiell befinde. Ein Rückweisungsentscheid schliesst das Verfahren nicht ab und ist somit kein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG. Mit der angefochtenen Rückweisung hat das kantonale Gericht die Streitsache in Bezug auf die Versicherungsleistungen weder materiell entschieden noch formell abschliessend behandelt. Vielmehr bleibt die Rechtshängigkeit durch die Rückweisung erhalten und die Suva, an welche die Sache zurückgewiesen wird, muss das Einspracheverfahren wieder aufnehmen und mit einem neuen Einspracheentscheid abschliessen. Sie hat sich auf Anordnung des kantonalen Gerichts inhaltlich mit dem Anspruch auf Versicherungsleistungen zu befassen. Die Suva wird damit trotz der aus ihrer Sicht im Nachgang zur Verfügung vom 16. Juli 2021 verpassten Einsprachefrist gezwungen, materiell über ihre Leistungseinstellung zu befinden.  
 
1.3. Der nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist rechtlicher Natur, wobei die blosse Möglichkeit genügt, dass ein solcher besteht (BGE 137 V 314 E. 2.2.1). Dies setzt voraus, dass er durch ein späteres günstiges Urteil nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann. Vorliegend wird im Ergebnis - vom Standpunkt der Suva aus gesehen - mit der Rückweisung die Rechtskraft der (nicht rechtzeitig angefochtenen) Verfügung vom 16. Juli 2021 missachtet. Könnte die Verwaltung die kantonalgerichtliche Rückweisung vom 22. März 2022 nicht anfechten, wäre sie also gezwungen, einen ihres Erachtens rechtswidrigen Einspracheentscheid über die Einstellung der Versicherungsleistungen zu erlassen. Diesen Verwaltungsakt könnte die Suva in der Folge nicht selber anfechten und der Beschwerdegegner wird kein Interesse haben, sich in einem weiteren Rechtsmittelverfahren gegen die materielle Prüfung an sich zu wehren. Die Rückweisung bewirkt damit einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil für den Versicherer (vgl. BGE 133 V 477 E. 5.2).  
 
1.4. Neben dem nicht wieder gutzumachenden Nachteil sind auch die weiteren formellen Voraussetzungen erfüllt, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis).  
 
2.2. In der vorliegend zu beurteilenden Frage, ob die Unfallversicherung zu Recht unter Hinweis auf mangelnde formelle Voraussetzungen nicht auf die Einsprache des Beschwerdegegners eingetreten ist, kommt ungeachtet dessen, dass von der Beurteilung der Streitfrage letztlich auch Ansprüche auf Geldleistungen der obligatorischen Unfallversicherung abhängen können, die Ausnahmeregelung des Art. 105 Abs. 3 (in Verbindung mit Art. 97 Abs. 2) BGG nicht zur Anwendung. Das Bundesgericht kann somit die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen nur im Rahmen von Art. 105 Abs. 1 und 2 (in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1) BGG überprüfen (SVR 2021 UV Nr. 41 S. 183, 8C_217/2021 E. 1.2 mit Hinweisen). Demnach legt es seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG) und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
3.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den Nichteintretensentscheid der Beschwerdeführerin vom 14. Dezember 2021 aufhob und die Sache zur materiellen Beurteilung der Leistungspflicht im Einspracheverfahren an die Suva zurückwies. 
 
4.  
 
4.1. Gemäss Art. 52 Abs. 1 Satz 1 ATSG kann gegen Verfügungen innerhalb von 30 Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden. Eine gesetzliche Frist kann nicht erstreckt werden (Art. 40 Abs. 1 ATSG). Ist die gesuchstellende Person oder ihre Vertretung unverschuldeterweise abgehalten worden, binnen Frist zu handeln, so wird diese wiederhergestellt, sofern sie unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachholt (Art. 41 ATSG).  
 
4.2. Art. 52 Abs. 1 ATSG stellt in formeller Hinsicht keinerlei Anforderungen an die Einsprache. Der Bundesrat hat jedoch in Art. 10 bis 12 ATSV (SR 830.11) Bestimmungen zu Form und Inhalt der Einsprache sowie zum Einspracheverfahren erlassen. Gemäss Art. 10 Abs. 1 ATSV müssen Einsprachen ein Rechtsbegehren und eine Begründung enthalten. Genügt die Einsprache den Anforderungen nach Abs. 1 nicht oder fehlt die Unterschrift, so setzt der Versicherer eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels an und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Einsprache nicht eingetreten wird (Art. 10 Abs. 5 ATSV). Das Einspracheverfahren wird mit einem Nichteintretensentscheid abgeschlossen, wenn die Eintretensvoraussetzungen nicht erfüllt sind (BGE 142 V 152 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
4.3. Nach dem für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren massgebenden Art. 61 lit. b ATSG muss die Beschwerde eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird. Nach der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung hat im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren die Ansetzung einer Nachfrist zur Verbesserung einer mangelhaften Beschwerdeschrift nicht nur bei Unklarheit des Rechtsbegehrens oder der Begründung, sondern ganz allgemein immer dann zu erfolgen, wenn eine Beschwerde den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt; also auch dann, wenn ein Rechtsbegehren und/oder eine Begründung überhaupt fehlen. Es handelt sich bei der erwähnten Bestimmung um eine formelle Vorschrift, die das erstinstanzliche Gericht stets verpflichtet, eine Frist zur Verbesserung der Mängel anzusetzen, sofern dadurch nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise eine Verlängerung der Beschwerdefrist erreicht werden soll (BGE 142 V 152 E. 2.3 mit Hinweisen). Der Anwendungsbereich der Nachfrist erstreckt sich über die in Art. 61 lit. b ATSG ausdrücklich erfassten Bereiche hinaus. Eine solche Nachfrist ist auch anzusetzen, wenn weitere formelle Eintretensvoraussetzungen, die nachträglich erfüllt werden können, nicht erfüllt sind. Aufgrund der grammatikalischen Identität von Art. 61 lit. b Satz 2 ATSG und Art. 10 Abs. 5 ATSV gilt diese Auslegung auch für das Einspracheverfahren. Der Bezug liegt darin begründet, dass für das Einspracheverfahren nicht strengere formelle Anforderungen gelten können als für das nachfolgende Gerichtsverfahren (BGE 142 V 152 E. 2.3 mit Hinweisen; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 4. Aufl. 2020, N. 37 zu Art. 52 ATSG).  
 
4.4. Der Sinn der Nachfrist nach Art. 61 lit. b Satz 2 ATSG besteht im Schutz der rechtsunkundigen Partei, die erst kurz vor Ablauf der Anfechtungsfrist in Unkenntnis der formellen Anforderungen eine namentlich ungenügend begründete Beschwerdeschrift einreicht. Diese soll - bei klar bekundetem Anfechtungswillen - nicht deshalb um die Rechtsmittelmöglichkeit gebracht werden (BGE 134 V 162 E. 5.1; Urteil 9C_191/2016 vom 18. Mai 2016 E. 4.1). Eine Nachfrist zur Beschwerdeverbesserung ist daher grosszügig zu gewähren, wenn es um den Schutz rechtsunkundiger Parteien geht (vgl. SUSANNE BOLLINGER, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialver-sicherungsrechts, 2020, N. 33 zu Art. 61 ATSG). Nach der Rechtsprechung ist jedoch ein offenbarer Missbrauch, der einen Verzicht auf die gesetzlich vorgesehene Nachfrist rechtfertigt, zu bejahen, wenn ein Anwalt oder eine sonstige rechtskundige Person eine bewusst mangelhafte Rechtsschrift einreicht, um damit eine Nachfrist zur Begründung zu erwirken. Das formelle Erfordernis der Begründung des Rechtsbegehrens gemäss Satz 1 von Art. 61 lit. b ATSG würde sonst seines Sinnes entleert, wenn jede Beschwerde führende Person dadurch, dass sie die Anträge nicht oder nicht rechtsgenüglich begründet, über die Nachfrist von Satz 2 zusätzlich Zeit für die Begründung erwirken könnte (BGE 142 V 152 E. 4.5; 134 V 162 E. 4.1; je mit Hinweisen). Hingegen liegt in der Regel kein die Anwendung von Art. 10 Abs. 5 ATSV bzw. Art. 61 lit. b zweiter Satz ATSG ausschliessender Rechtsmissbrauch vor, wenn aufgrund der Sachlage eine rechtsgenügliche Einsprache- oder Beschwerdebegründung praktisch nicht ohne Aktenkenntnis möglich ist, die nicht rechtskundige versicherte Person, welche selber die Akten nicht besitzt, in gutem Glauben erst kurz vor Ablauf der Anfechtungsfrist einen Rechtsvertreter mandatiert, und diesem weder eine rechtzeitige Aktenbeschaffung noch eine sonstige hinreichende Beurteilung des Sachverhalts (z.B. aufgrund eines Instruktionsgesprächs mit dem Klienten) möglich ist. In solchen Fällen muss es als genügend erachtet werden, wenn der Anwalt oder die rechtskundige Person unverzüglich die Akten einholt und nach deren Eingang die innert Frist vorsorglich eingereichte Beschwerde mit einer Begründung ergänzt (BGE 134 V 162 E. 5.2). Ausschlaggebend für die Beantwortung der Frage, ob der Rechtsvertretung ein rechtsmissbräuchliches Verhalten anzulasten sei, sind die konkreten Umstände (SVR 2021 UV Nr. 41 S. 183, 8C_217/2021 E. 3.4 mit Hinweisen).  
 
5.  
Gemäss den verbindlichen, unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) endete die 30-tägige Einsprachefrist gegen die Verfügung der Beschwerdeführerin vom 16. Juli 2021 nach Art. 52 Abs. 1 ATSG unter Berücksichtigung des Fristenstillstands vom 15. Juli bis 15. August 2021 (Art. 38 Abs. 1 und 4 ATSG) am 14. September 2021. Am 14. September 2021 und somit am letzten Tag der Frist ersuchte der Rechtsvertreter des Beschwerdegegners unter Hinweis auf die per 14. September 2021 ablaufende Einsprachefrist um deren Verlängerung um 10 Tage. Zur Begründung gab er eine längere krankheitsbedingte Abwesenheit der das Gesuch unterzeichnenden Person sowie die Kumulation fristgebundener Geschäfte an. Die Beschwerdeführerin räumte ihm mit Schreiben vom 15. September 2021 eine Frist bis 26. September 2021 ein, um die Einsprache zu begründen. 
 
6.  
 
6.1. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, das in der Eingabe an die Suva vom 14. September 2021 gestellte Gesuch um Verlängerung der Einsprachefrist lasse zumindest die Möglichkeit eines Anfechtungswillens erkennen. Für dieses Auslegungsergebnis spreche auch, dass die betreffende Sachbearbeiterin der Suva den Erhalt einer Einsprache mit Schreiben vom 15. September 2021 ausdrücklich bestätigt habe. Der Eingabe fehle es allerdings unbestrittenermassen an einem Rechtsbegehren und einer Begründung. Die Suva sei in einer für den Beschwerdegegner erkennbaren Art von einem bestehenden Einsprachewillen und einer fristgerechten Einsprache ausgegangen. Es vermöge nicht zu überzeugen, dass sie den Erhalt einer Einsprache im Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2021 wieder ausgeschlossen habe. Zwar liege zwischen der Aktenedition vom 6. August 2021 an den Rechtsvertreter und dem Ablauf der Einsprachefrist am 14. September 2021 eine geraume Zeit. Die angeführte längere krankheitsbedingte Abwesenheit des Rechtsvertreters stelle aber zumindest einen möglichen Entschuldigungsgrund dar. Damit habe der Beschwerdegegner auf das Schreiben der Suva vom 15. September 2021 und die ihm darin bis zum 26. bzw. 27. September 2021 gewährte Frist zur Einsprachebegründung vertrauen dürfen. Das Schreiben des Rechtsvertreters vom 14. September 2021 könne zudem alternativ als Gesuch um Wiederherstellung der ablaufenden Rechtsmittelfrist nach Art. 41 ATSG verstanden werden, da darin eine längere Erkrankung angegeben werde. Der Rechtsvertreter sei zusammenfassend nicht gehalten gewesen, die ihm gewährte Nachfrist anzuzweifeln, auch wenn ihm habe bekannt sein müssen, dass die gesetzliche Einsprachefrist von 30 Tagen nach Art. 40 Abs. 1 ATSG nicht erstreckt werden könne. Die Sache gehe folglich an die Suva zurück, damit sie materiell über die Ansprüche des Beschwerdegegners entscheide.  
 
6.2.  
 
6.2.1. Die Suva weist in ihrer Beschwerdeschrift zutreffend darauf hin, dass dem in SVR 2021 UV Nr. 41 S. 183 publizierten Urteil 8C_217/2021 vom 7. Juli 2021 ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde liegt. Das Bundesgericht stellte dort fest, ein Rechtsanwalt, der nach direkter Zustellung einer Verfügung an ihn am letzten Tag der Einsprachefrist vorsorglich eine unbegründete Einsprache ohne Rechtsbegehren einreiche und um Aktenzustellung sowie Fristerstreckung zur Einreichung einer Begründung ersuche, handle rechtsmissbräuchlich (E. 6.2).  
 
Für die Beantwortung der Frage, ob auch hier ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt, ist relevant, dass die Rechtsschutzversicherung, bei welcher der Rechtsvertreter angestellt ist, unbestrittenermassen nicht erst kurz vor Ablauf der Rechtsmittelfrist, sondern bereits am 2. August 2021 mandatiert worden war, und ihr die Akten auf das Akteneinsichtsgesuch vom 4. August 2021 hin schon mit Mail vom 6. August 2021 zugegangen waren (vgl. E. 4.4 hiervor). Es hätte dem Rechtsvertreter daher genügend Zeit zur Verfügung gestanden, bis zum Ablauf der Einsprachefrist am 14. September 2021 eine rechtsgenügliche Einsprache zu verfassen und einzureichen. Die Einräumung einer Nachfrist bis 26. September 2021 lief deshalb auf eine unzulässige Verlängerung der gemäss Art. 40 Abs. 1 ATSG nicht erstreckbaren Einsprachefrist hinaus. 
 
6.2.2. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin stellt die Eingabe vom 14. September 2021 nicht einmal eine Einsprache dar, weshalb gar nicht hätte geprüft werden müssen, ob eine Nachfrist zur Verbesserung von Mängeln anzusetzen war. Lasse die Formulierung des Rechtsvertreters - nach der Argumentation der Vorinstanz - bloss die Möglichkeit eines Anfechtungswillens erkennen, so liege von vornherein keine rechtsgültige Einsprache vor.  
 
Wie erwähnt, ist unter anderem ein innert Frist klar bekundeter Anfechtungswille gefordert, damit eine Nachfristansetzung überhaupt in Betracht fällt (vgl. E. 4.4 hiervor). Im vorliegenden Fall ist der Suva insoweit beizupflichten, dass durchaus fraglich ist, ob aufgrund der Eingabe vom 14. September 2021 überhaupt von einem (rechtzeitig bekundeten) Anfechtungswillen ausgegangen werden kann. Wie es sich damit verhält, kann an dieser Stelle offen bleiben. Denn der Rechtsvertreter hätte so oder anders nicht auf die Nachfristansetzung der Suva vertrauen dürfen. 
 
6.2.3. Namentlich kann entgegen der sinngemässen Argumentation des kantonalen Gerichts unter den gegebenen Umständen Treu und Glauben (Art. 9 BV) nicht Grundlage für die Rechtzeitigkeit der innerhalb der (zu Unrecht gewährten) Nachfrist eingereichten Einsprache vom 27. September 2021 bilden. In Bezug auf Treu und Glauben als Grundlage für eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung (BGE 121 V 65 E. 2a) kann die Rechtsprechung im Zusammenhang mit einer unrichtigen Belehrung über den Rechtsmittelweg oder die Rechtsmittelfrist analog herangezogen werden. Danach wird das Vertrauen einer anwaltlich vertretenen Partei in eine diesbezüglich fehlerhafte Angabe nicht geschützt, wenn eine "Grobkontrolle" durch Konsultierung der anwendbaren Verfahrensbestimmungen oder eine systematische Lektüre des Gesetzes genügte, um den Fehler zu erkennen. Dagegen wird nicht verlangt, dass neben den Gesetzestexten auch noch die einschlägige Rechtsprechung oder Literatur nachgeschlagen wird (vgl. BGE 141 III 270 E. 3.3; 138 I 49 E. 8.3.2 mit Hinweisen; SVR 2021 UV Nr. 41 S. 183, 8C_217/2021 E. 6.1).  
 
Rein nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 5 ATSV waren die Voraussetzungen für die Einräumung einer Nachfrist hier zwar gegeben, falls man von einem innert der Einsprachefrist genügend manifestierten Anfechtungswillen ausgeht. Der Rechtsvertreter des Beschwerdegegners musste aber wissen, dass die Einsprachefrist als gesetzliche Frist nicht erstreckbar ist (Art. 40 Abs. 1 ATSG). Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz (KATHRIN AMSTUTZ/PETER ARNOLD, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 4 zu Art. 47 BGG; UELI KIESER, a.a.O., N. 2 zu Art. 40 ATSG). So gewährte das Bundesgericht keinen Schutz aus Treu und Glauben im Falle einer anwaltlich vertretenen Person, der von der Verwaltung offensichtlich zu Unrecht eine Nachfrist zur Einreichung einer Einspracheergänzung eingeräumt worden war, weil der Rechtsvertreter aufgrund seiner Rechtskenntnisse nicht auf die unzulässige Nachfrist bzw. Fristverlängerung hätte vertrauen dürfen (vgl. Urteil 9C_191/2016 vom 18. Mai 2016 E. 4.3). Daraus folgt mit der Beschwerdeführerin, dass der Beschwerdegegner bzw. sein über einen juristischen Studienabschluss verfügender Rechtsvertreter auch im vorliegenden Fall in seinem Vertrauen in die gesetzwidrige Einräumung einer Nachfrist nicht zu schützen ist. Wie die Suva zu Recht geltend macht, wurde der Beschwerdegegner durch die von ihr mit Schreiben vom 15. September 2021 gewährte Fristerstreckung und ihre Bezeichnung des Fristerstreckungsgesuchs als "Einsprache" nicht zu nachteiligen Dispositionen verleitet, da die Einsprachefrist bei Erhalt dieses Schreibens bereits abgelaufen war (vgl. SVR 2021 UV Nr. 41 S. 183, 8C_217/2021 E. 6.2 in fine). 
 
6.2.4. Schliesslich rügt die Suva, das Fristverlängerungsgesuch des Rechtsvertreters vom 14. September 2021 könne entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen auch nicht alternativ als Gesuch um Wiederherstellung der ablaufenden Rechtsmittelfrist nach Art. 41 ATSG (vgl. E. 4.1 hiervor) verstanden werden. Die Uminterpretation des Fristerstreckungsgesuchs vom 14. September 2021 durch das kantonale Gericht scheitert in der Tat bereits am Umstand, dass der Beschwerdegegner bzw. sein Vertreter nicht unverschuldeterweise davon abgehalten worden war, fristgerecht zu handeln, zumal die Einsprachefrist am 14. September 2021 noch lief, bzw. erst an diesem Tag ablief. War der Rechtsvertreter folglich gesundheitlich (wieder) in der Lage, seine Fristen zu verwalten, wäre es ihm auch möglich gewesen, die begründete Einsprache innert Frist einzureichen oder zumindest rechtzeitig vor Fristablauf eine andere Person mit dieser Aufgabe zu betrauen. Denn bevollmächtigt war die Rechtsschutzversicherung, so dass es auch anderen Mitarbeitern offen gestanden hätte, die begründete Einsprache anstelle des Rechtsvertreters fristgerecht einzureichen.  
 
6.3. Zusammenfassend erweist sich das vorinstanzliche Urteil als bundesrechtswidrig, weshalb es antragsgemäss aufzuheben ist.  
 
7.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. März 2022 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt vom 14. Dezember 2021 bestätigt. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. August 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz