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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
4A_116/2020  
 
 
Urteil vom 3. April 2020  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Advokat Prof. Dr. Pascal Grolimund und Rechtsanwalt Dr. Bernhard Berger, 
 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Versicherung B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Dörig und Rechtsanwältin Stefanie Theiler, 
 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Versicherungsvertrag; Zwischenentscheid, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 28. Januar 2020 (HG 16 11). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin war ab dem Jahr 2000 bis am 30. Juni 2015 bei der Beschwerdegegnerin gegen Sach- und Betriebsunterbrechungsschäden versichert. Am 29. Dezember 2013 kam es bei der C.________ SA, einer Tochtergesellschaft der Beschwerdeführerin, zu einem Brand. Am folgenden Tag fand eine gemeinsame Begehung der Brandstelle in Anwesenheit der D.________ SA, vertreten durch E.________, statt.  
Unbestritten ist, dass der Brand und die Sachschäden einen Produktionsausfall der C.________ SA zur Folge hatten und die Vornahme von Schadenminderungsmassnahmen erforderlich machten. Die Klägerin macht insgesamt einen Betriebsunterbrechungsschaden von Fr. 110'264'427.-- geltend. Sie stützt sich dabei auf den Schlussbericht der D.________ SA vom 10. Juni 2015. Die Beschwerdegegnerin bestreitet gestützt auf ein von ihr eingeholtes Gutachten, dass ein Schaden in der geltend gemachten Höhe vorliegt. 
 
1.2. Mit Klage vom 28. Januar 2016 stellte die Beschwerdeführerin beim Handelsgericht des Kantons Bern folgende Rechtsbegehren:  
 
"1. Es sei festzustellen, dass die D.________ SA von den Parteien im Brandfall C.________ SA, als gemeinsame Expertin für die Feststellung des Betriebsunterbrechungsschadens eingesetzt wurde und dass ihr Schadensbericht vom 10. Juni 2015 den der Klägerin durch den Brand entstandenen Betriebsunterbrechungsschaden im Betrag von Fr. 110'264'427.00 verbindlich und abschliessend feststellt. 
 
2. Es sei festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin aus dem in Rechtsbegehren 1 aufgeführtem Betriebsunterbruch ohne Zinsen und unter Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts von Fr. 130'000.00 einen Betrag von Fr. 110'134'427.00 schuldet. 
 
3. Es sei festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin Akontozahlungen in der Höhe von Fr. 40'000'000.00 geleistet hat, die an den in Rechtsbegehren 2 aufgeführten Betrag anzurechnen sind und definitiv der Klägerin verfallen. 
 
4. Demnach sei die Klägerin (recte wohl: Beklagte) zur Zahlung des Differenzbetrages von Fr. 70'134'427.00 an die Beklagte (recte wohl: Klägerin), nebst Zins zu 5 % seit dem 9. August 2015, zu verurteilen. 
 
5.  Eventualiter [Durchführung eines vertraglich vorgesehenen Sachverständigenverfahrens zur Feststellung des von D.________ SA nicht verbindlich und abschliessend festgestellten Betriebsunterbrechungsschadens].  
 
6.  Subeventualiter [Durchführung einer gerichtlichen Expertise zur Feststellung des von D.________ SA nicht verbindlich und abschliessend festgestellten Betriebsunterbrechungsschadens]  
7. [Weitere Feststellungsbegehren für den Fall einer Gutheissung der Rechtsbegehren 6 und 7] 
 
8. (...)." 
 
Mit Beschluss vom 27. März 2019 wurde das handelsgerichtliche Verfahren auf die Frage beschränkt, ob die D.________ SA mit ihrem Schlussbericht vom 10. Juni 2015 den Schaden aus dem Brandfall C.________ SA vom 29. Dezember 2013 für die Verfahrensparteien verbindlich festgestellt hat. 
Das Handelsgericht stellte mit Entscheid vom 28. Januar 2020 fest, dass die D.________ SA mit ihrem Schlussbericht vom 10. Juni 2015 den Schaden aus dem Brandfall C.________ SA vom 29. Dezember 2013 für die Verfahrensparteien  nicht verbindlich festgestellt hat (Ziffer 1 des Entscheids).  
 
1.3. Die Beschwerdeführerin erhob mit Eingabe vom 2. März 2020 Beschwerde in Zivilsachen mit dem Begehren, der Entscheid vom 28. Januar 2020 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die D.________ SA mit ihrem Schlussbericht vom 10. Juni 2015 den Betriebsunterbruchsschaden der Beschwerdeführerin aus dem Brandfall C.________ SA vom 29. Dezember 2013 für die Verfahrensparteien verbindlich festgestellt hat. Eventualiter sei die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
 
2.  
Die Beschwerde in Zivilsachen ist zulässig gegen Endentscheide, worunter solche Entscheide zu verstehen sind, die den Prozess beenden, sei es insgesamt (Art. 90 BGG), sei es hinsichtlich eines Teils der gestellten Begehren, die unabhängig von den anderen beurteilbar sind (Art. 91 lit. a BGG), sei es nur für einen Teil der Streitgenossen (Art. 91 lit. b BGG). Ebenfalls zulässig ist die Beschwerde gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide, welche die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG). Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die sofortige Beschwerde nur unter den alternativen Voraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG zulässig (BGE 144 III 475 E. 1 mit Hinweisen). 
 
2.1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich unbestrittenermassen nicht um einen Endentscheid, der den Prozess vor der Vorinstanz abschliesst. Die Beschwerdeführerin vertritt indessen die Auffassung, der angefochtene Entscheid sei inhaltlich ein Teilentscheid, welcher der Beschwerde an das Bundesgericht unterliege, und nicht ein Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG, wie in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Entscheids vermerkt werde. Denn mit Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids werde das Rechtsbegehren 1 der Klage abschliessend beurteilt, womit die Vorinstanz nicht über eine Vor- sondern über eine Teilfrage entschieden habe.  
 
2.1.1. Ein Teilentscheid ist eine Variante des Endentscheids. Mit ihm wird über eines oder einige von mehreren Rechtsbegehren (objektive oder subjektive Klagenhäufung) abschliessend befunden. Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche Teilfragen eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren (BGE 141 III 395 E. 2.2 S. 397 f.; 135 III 212 E. 1.2.1, je mit Hinweisen).  
Bei rein formeller Betrachtung trifft es zu, dass die Vorinstanz mit dem angefochtenen Entscheid über eines von mehreren seitens der Beschwerdeführerin gestellten Rechtsbegehren befunden hat. 
 
2.1.2. Der Entscheid, der nur einen Teil der gestellten Begehren behandelt, ist indes nur dann ein vor Bundesgericht anfechtbarer Teilentscheid, wenn diese Begehren unabhängig von den anderen beurteilt werden können. Die Unabhängigkeit ist zum einen so zu verstehen, dass die gehäuften Begehren auch Gegenstand eines eigenen Prozesses hätten bilden können. Zum anderen erfordert die Unabhängigkeit, dass der angefochtene Entscheid einen Teil des gesamten Prozessgegenstandes abschliessend beurteilt, so dass keine Gefahr besteht, dass das Schlussurteil über den verbliebenen Prozessgegenstand im Widerspruch zum bereits rechtskräftig ausgefällten Teilurteil steht (BGE 141 III 395 E. 2.4 S. 398; 135 III 212 E. 1.2.2 und E. 1.2.3 S. 217).  
Die Beschwerdeführerin äussert sich nicht zur Voraussetzung für die Qualifikation des angefochtenen Entscheids als Teilentscheid im Sinne von Art. 91 lit. a BGG, dass das Klagebegehren 1 unabhängig von den anderen gestellten Begehren beurteilt werden kann, namentlich auch zum Gegenstand eines eigenen Prozesses hätte gemacht werden können. Sie legt insbesondere nicht dar, weshalb sie ein schutzwürdiges Interesse an der blossen, mit ihrem Klagebegehren 1 beantragten Feststellung haben soll, dass die D.________ SA mit ihrem Schlussbericht vom 10. Juni 2015 den Schaden aus dem Brandfall C.________ SA vom 29. Dezember 2013 für die Verfahrensparteien verbindlich festgestellt habe, weshalb mithin die Klagevoraussetzung eines Feststellungsinteresses für eine entsprechende Klage zu bejahen wäre (Art. 88 i.V.m. Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO; vgl. BGE 141 III 68 E. 2.3; 135 III 378 E. 2.2 S. 380, je mit Hinweisen). 
Entsprechendes ist denn auch nicht ersichtlich, fehlt der Beschwerdeführerin doch offensichtlich ein schutzwürdiges Interesse an einer entsprechenden selbständigen Feststellung. Mit einer solchen würde ihr kein vollstreckbarer Anspruch auf Leistungen oder Unterlassungen der Beschwerdegegnerin verschafft. Ebensowenig geht es um eine Ungewissheit der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien, die durch die richterliche Feststellung behoben werden könnte und deren Fortdauer der Beschwerdeführerin nicht zumutbar wäre. Die Beschwerdeführerin hat ihr Klagebegehren 1 denn auch in ihrem Klageantrag 4 mit einem Leistungsbegehren verbunden, mit dem sie die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Erbringung von Versicherungsleistungen für den erlittenen Betriebsunterbrechungsschaden fordert. Das Klagebegehren 1 betrifft nur die Teilfrage nach der Festsetzung der Höhe des Schadens, für den die Beschwerdegegnerin bei weiteren gegebenen Voraussetzungen Ersatz zu leisten hat. 
Damit fehlt es bereits an der ersten der vorgenannten zwei Voraussetzungen für eine unabhängige Beurteilbarkeit des Klagebegehrens 1, dass es Gegenstand eines eigenen Prozesses hätte bilden können. Der vorinstanzliche Entscheid darüber stellt entsprechend keinen Teilentscheid im Sinne von Art. 91 BGG, sondern einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG dar (BGE 141 III 395 E. 2.2 S. 397 f.); eine Qualifikation als Zwischenentscheid nach Art. 92 BGG fällt vorliegend ausser Betracht. 
 
2.2.  
 
2.2.1. Ein Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG kann nur direkt mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden, wenn er entweder einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).  
Die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen Gründen bildet eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 144 III 475 E. 1.2; 141 III 80 E. 1.2 S. 81; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1). Diese Ausnahme ist restriktiv zu handhaben, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn sie einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG nicht selbständig anfechten, können sie ihn doch mit dem Endentscheid anfechten, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 144 III 475 E. 1.2; 138 III 94 E. 2.2 S. 95; 135 I 261 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1; 133 IV 288 E. 3.2). Dementsprechend obliegt es der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen springt (BGE 142 III 798 E. 2.2 S. 801; 141 III 80 E. 1.2 S. 81; 137 III 324 E. 1.1 S. 329; 134 III 426 E. 1.2 in fine; 133 III 629 E. 2.3.1 und 2.4.2). 
 
2.2.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, falls der angefochtene Entscheid als Zwischenentscheid zu qualifizieren sein sollte, sei die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG zulässig. Bei Gutheissung der Beschwerde könne das Bundesgericht unmittelbar einen "Endentscheid über eine Teilfrage von Rechtsbegehren 1 der Klage" herbeiführen, namentlich ob D.________ SA mit ihrem Schlussbericht vom 10. Juni 2015 den Betriebsunterbruchsschaden verbindlich festgestellt hat, so dass die Beschwerdegegnerin (recte wohl: Beschwerdeführerin) gestützt darauf die Ausrichtung der Versicherungsleistung einfordern könne. Damit hätte die Vorinstanz unter Rechtsbegehren 1 der Klage nur noch über die inhaltlichen Einwände der Beschwerdegegnerin gegenüber der Schadensfeststellung der D.________ SA zu entscheiden. Unter Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG sei es nach dem Urteil des Bundesgerichts 4A_7/2007 vom 18. Juni 2007 ausreichend, dass das Bundesgericht eine Teilfrage endgültig entscheiden könne.  
 
2.2.3. Die Beschwerdeführerin irrt zunächst, wenn sie ausführt, nach dem Urteil 4A_7/2007 sei es ausreichend, wenn das Bundesgericht eine Teilfrage endgültig entscheiden könne. Im genannten Urteil (E. 2.1.1) führte das Bundesgericht aus, die Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG, wonach die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen kann, sei als erfüllt zu betrachten, wenn das Bundesgericht bei einer Gutheissung der Beschwerde einen Teilentscheid im Sinne von Art. 91 lit. a BGG herbeiführen, mithin einen Teil der im Verfahren gestellten Rechtsbegehren endgültig behandeln könnte, die unabhängig von den anderen beurteilt werden, mithin Gegenstand eines selbständigen Verfahrens hätten bilden können. Dass die endgültige Beurteilung einer blossen Teilfrage einen Endentscheid im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG darstellt, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.  
 
Vorliegend könnte das Bundesgericht bei einer Gutheissung der Beschwerde, d.h. einer Gutheissung des Klagebegehrens 1, jedenfalls keinen Teilentscheid im Sinne von Art. 91 BGG fällen, wozu auf die Ausführungen in der vorstehenden Erwägung 2.1.2 verwiesen werden kann. 
 
2.2.4. Ist damit die erste kumulative Voraussetzung nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG, wonach das Bundesgericht bei Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen könnte, nicht erfüllt, fällt eine ausnahmsweise Zulassung der Beschwerde aus prozessökonomischen Gründen ausser Betracht. Es kann damit offen bleiben, wie es sich mit den weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin verhält, dass sich mit einem Entscheid des Bundesgerichts über die Beschwerde ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen liesse.  
 
2.3. Die Beschwerde erweist sich demnach als offensichtlich unzulässig, weshalb darauf im Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG nicht einzutreten ist.  
 
3.  
Diesem Verfahrensausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
Die Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da ihr aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand entstanden ist (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. April 2020 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer