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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_798/2021  
 
 
Urteil vom 11. Mai 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Donzallaz, Beusch, Hartmann, Bundesrichterin Ryter, 
Gerichtsschreiber Seiler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Edgar H. Paltzer, 
 
gegen  
 
Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit, Direktionsbereich Strafverfolgung, 
Taubenstrasse 16, 3003 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einfuhrsteuer; Beschlagnahme, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 24. August 2021 (A-584/2020). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Gemäss den Beschlagnahmeprotokollen bzw. Beschlagnahmeverfügungen vom 28. Februar 2017 und vom 12. Dezember 2018 beschlagnahmte die damalige Sektion Zollfahndung der Zollkreisdirektion Genf unter anderem die archäologischen Objekte Nr. vvv, xxx, yyy und zzz am Domizil des Restaurators B.________ (nachfolgend: Restaurator).  
Laut einem Gutachten vom 5. Juli 2017 von C.________ (nachfolgend: der Gutachter) sind die Objekte Nr. vvv, xxx und yyy römischen Ursprungs und bilden gemeinsam einen silbernen Skyphos. Dabei handle es sich um ein aussergewöhnliches Stück, das dem Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über den internationalen Kulturgütertransfer (KGTG, SR 444.1) unterstehe. Dem Gutachten nach spricht der Zustand des Skyphos, welcher nicht oder teilweise restauriert sei, klarerweise für eine illegale Herkunft im Sinne des KGTG. Die Objekte Nr. vvv bis yyy hätten einen Wert zwischen Fr. 600'000.-- und Fr. 800'000.--. Gemäss dem Gutachten untersteht das Objekt Nr. zzz, eine bronzene Situla, ebenfalls dem KGTG. Es handle sich um ein äusserst seltenes Gut auf dem Markt. Sein Wert wird auf Fr. 100'000.-- bis Fr. 150'000.-- geschätzt. 
Mit Schreiben vom 22. November 2018 verlangte Rechtsanwalt Paltzer im Namen und im Auftrag von A.________ bei der damaligen Sektion Zollfahndung der Zollkreisdirektion Genf die Freigabe der beschlagnahmten Objekte Nr. vvv, xxx, yyy und zzz, da sein Mandant deren Eigentümer sei, für diese Objekte keine Zollabgaben zu entrichten seien und sie auch nicht dazu gedient hätten, zollrechtliche Erlasse oder nicht-zollrechtliche Erlasse des Bundes, bei deren Vollzug die Eidgenössische Zollverwaltung EZV mitwirkt, zu verletzen (u.a. mit Verweis auf Art. 82 Abs. 1 des Zollgesetzes vom 18. März 2005 [ZG, SR 631.0]). 
 
A.b. Mit Verfügung vom 18. Dezember 2018 wurden die Objekte Nr. vvv, xxx, yyy und zzz (auch) von der Staatsanwaltschaft Genf gestützt auf Art. 263 StPO beschlagnahmt. Grund der Beschlagnahme sei der Verdacht, dass die Objekte illegaler Herkunft seien (Verstoss gegen Art. 24 KGTG und Art. 160 StGB) und mittels Restauration weissgewaschen und auf den Markt gebracht hätten werden sollen. Mit der Beschlagnahme soll eine eventuelle Konfiskation bzw. Freigabe an den Eigentümer-Staat sichergestellt werden.  
 
B.  
Mit Verfügung vom 9. Dezember 2019 entschied die damalige Hauptabteilung Zollfahndung auf Grundlage von Art. 82 Abs. 1 ZG im Wesentlichen Folgendes: 
 
1. Vu les considérants exposés ci-dessus, les objets repris sous n° vvv, xxx, yyy et zzz des procès-verbaux de séquestre de gage douanier du 28 février 2017 sont maintenus sous séquestre douanier.  
2. Les objets n° vvv, xxx, yyy et zzz font partie du cercle des objets concernés par l'enquête. Vous pouvez verser une caution de CHF 56'000.-- (base de calcul de la TVA: CHF 600'000.-- [objets n° vvv, xxx, yyy] + CHF 100'000.-- [objet n° zzz] * 8%) sur notre compte (...). Cas échéant, la libération de ces objets s'effectuera après paiement de cette caution. Ces objets n° vvv, xxx, yyy et zzz feront ultérieurement l'objet d'une décision, les voies de recours usuelles vous seront données à cette occasion. 
3. Lesdits objets devront également être libérés par le Ministère public genevois. 
Eine Beschwerde gegen diese Verfügung wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 24. August 2021 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 11. Oktober 2021 beantragt A.________ die Aufhebung des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 2021. 
Die Eidgenössische Zollverwaltung EZV (seit 1. Januar 2022: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG) beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werde. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2021 sowie mit Schreiben vom 27. Dezember 2021 nimmt der Beschwerdeführer erneut Stellung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betreffend eine einfuhrsteuer- bzw. zollrechtliche Beschlagnahme (Art. 50 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer [MWSTG; SR 641.20] i.V.m. Art. 83 ZG und Art. 215 der Zollverordnung vom 1. November 2006 [ZV; SR 631.01]). Dabei handelt es sich um eine grundsätzlich beschwerdefähige öffentlich-rechtliche Angelegenheit (Art. 82 lit. a und Art. 83 BGG).  
 
1.2. Die vorliegend streitbetroffene Beschlagnahme bezweckte, das Zollpfandrecht nach Art. 82 Abs. 1 lit. a ZG durchzusetzen. Das Zollpfand dient unter anderem dazu, die Einbringlichkeit von Einfuhrsteuerforderungen sicherzustellen (Art. 212 Abs. 1 i.V.m. Art. 200 lit. b ZV). Insoweit dient die Beschlagnahme also letztlich der Sicherstellung der Zollforderung (vgl. Urteil 2C_415/2013 vom 2. Februar 2014 E. 6.1). Diese Sicherstellungsmassnahme kann unabhängig vom Veranlagungs- bzw. vom Nachleistungsverfahren nach Art. 12 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) und auch vor dem bzw. ausserhalb des Veranlagungs- bzw. des Nachleistungsverfahrens angeordnet werden. Ob der gesicherte Anspruch besteht, ist im separaten Beschlagnahmeverfahren nur provisorisch und vorfrageweise zu untersuchen. Die nähere Abklärung der Zahlungspflicht und die Festsetzung der Abgaben bleiben dem Hauptverfahren vorbehalten (vgl. zur analogen Situation bei der [altrechtlichen] Sicherstellungsverfügung BGE 73 I 422 E. 3; Urteil 2A.606/1999 vom 22. Mai 2000 E. 4b). Die vorliegende Beschlagnahme erfolgte in einem vom Veranlagungs- oder Nachleistungsverfahren getrennten, akzessorischen Verfahren. Der angefochtene Entscheid ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG, da er das Verfahren über die Beschlagnahme zwecks Sicherstellung beendet (vgl. zur analogen Frage betreffend die Sicherstellungsverfügung bei den direkten Steuern BGE 134 II 349 E. 1.4; Urteile 2C_815/2021 vom 23. Dezember 2021 E. 1.1; 2C_523/2020 vom 4. November 2020 E. 1.1, in: StE 2021 B 99.1 Nr. 18). Da die streitbetroffene Beschlagnahme die vorsorgliche Sicherstellung von Einfuhrsteuerforderungen bezweckt, handelt es sich um eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG, ungeachtet dessen, dass sie in einem separaten Verfahren angeordnet worden ist (vgl. BGE 134 II 349 E. 3).  
 
1.3. Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Er hat seine Beschwerde form- und fristgerecht eingereicht (Art. 42 und 100 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. In Verfahren gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen sind die Beschwerdegründe auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte beschränkt (Art. 98 BGG). Diesbezüglich gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.1; 139 I 229 E. 2.2; 136 II 304 E. 2.5).  
 
2.2. Seinem Urteil legt das Bundesgericht den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). In Verfahren gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann es die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder soweit die Unrichtigkeit auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 98 BGG beruht (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 147 I 73 E. 2.2; 140 III 115 E. 2).  
 
3.  
Der Beschwerdeführer rügt, dass die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt habe. Er beanstandet, die Vorinstanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Zollschuld (recte: Einfuhrsteuerschuld) ausstehe. Namentlich sei sein ausländischer Wohnsitz kein genügend starkes Indiz, um die Ausfuhr nach dem Kauf im Jahr 2007 und die spätere Wiedereinfuhr der beschlagnahmten Objekte anzunehmen. 
Diese Rüge ist offensichtlich unbegründet. Die Vorinstanz hatte einzig zu beurteilen, ob ein hinreichender Verdacht dafür besteht, dass die Objekte in die Schweiz verbracht wurden, ohne dass dafür Einfuhrabgaben entrichtet worden wären. Diese Würdigung kann das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der offensichtlichen Unrichtigkeit bzw. der Willkür prüfen (vgl. oben E. 2.1). Obschon nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass die Objekte tatsächlich seit dem Kauf im Jahr 2007 (Objekte Nr. vvv, xxx und yyy) bzw. seit 1999 (Objekt Nr. zzz) in der Schweiz lokalisiert gewesen sein könnten, ist es jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich, wenn die Vorinstanz aufgrund des ausländischen Wohnsitzes und des fehlenden Bezugs des Beschwerdeführers zur Schweiz einen hinreichenden Verdacht dafür angenommen hat, dass der Beschwerdeführer die Objekte erst kürzlich in die Schweiz verbracht habe. 
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz habe den Sicherstellungsbetrag falsch bemessen. Darin sieht er eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung. Zum Beweis legt er seiner Beschwerde eine Verfügung der EZV vom 12. August 2021 bei, worin die - vom Beschwerdeführer weiterhin bestrittenen - Einfuhrabgaben (einschliesslich Verzugszinsen) auf insgesamt Fr. 32'506.65 festgesetzt werden. 
Die Rüge ist offensichtlich unbegründet. Es ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargetan, inwiefern die Schätzung des Gutachters, auf welcher die Bemessung des Sicherstellungsbetrag beruhte, offensichtlich unrichtig sein soll. Die Verfügung der EZV vom 12. August 2021 lag der Vorinstanz offenkundig nicht vor. Da es sich bei dieser Verfügung um ein Novum handelt, kann sie vom Bundesgericht nicht berücksichtigt werden (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
5.  
In (materiell) verfassungsrechtlicher Hinsicht beanstandet der Beschwerdeführer, dass die Beschlagnahme das Willkürverbot (Art. 9 BV), sein Recht auf Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 BV) und die Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV) verletze. Diese Rügen substanziiert er allesamt nicht näher. Darauf ist folglich nicht näher einzugehen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Stattdessen fokussiert der Beschwerdeführer auf diverse strafprozessuale und zollrechtliche Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen. Deren Verletzung kann im vorliegenden Verfahren jedoch nicht überprüft werden (Art. 98 BGG; vgl. oben E. 2.1). 
 
6.  
Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 9 BV). Konkret beanstandet er, dass das Dispositiv der Verfügung der EZV vom 9. Dezember 2019 widersprüchlich und der Erlass der Verfügung im Allgemeinen rechtsmissbräuchlich sei. Es werde fälschlicherweise der Anschein erweckt, dass er durch die Bezahlung einer Kaution von Fr. 56'000.-- die Freigabe der beschlagnahmten Objekte erwirken könne. 
Diese Rüge ist offensichtlich unbegründet. Aus Ziff. 3 der Verfügung der EZV vom 9. Dezember 2019 geht in der gebotenen Deutlichkeit hervor, dass die Bezahlung der Kaution nicht die unmittelbare Freigabe zur Folge hätte, da auch die Genfer Staatsanwaltschaft die Objekte beschlagnahmt habe. Der Beschwerdeführer macht denn auch gar nicht erst geltend, dass er tatsächlich geglaubt habe, mit Bezahlung der Kaution die Freigabe erwirken zu können. Eine Verletzung von Art. 9 BV ist nicht ersichtlich. 
 
7.  
Zusammengefasst ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid keines der rechtsgenüglich gerügten verfassungsmässigen Rechte im Sinne von Art. 98 BGG verletzt. 
 
8.  
Die Beschwerde ist unbegründet und abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. Mai 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Seiler