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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1A.162/2006 /ggs 
 
Urteil vom 8. Februar 2007 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Untersuchungsrichterin 8 des Untersuchungsrichteramtes III Bern-Mittelland, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern, 
Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Beschluss der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 11. Juli 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Staatsanwaltschaft Hamburg führt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen X.________ wegen des Verdachts der Herstellung von Betäubungsmitteln und des Handels damit. X.________ wird dringend verdächtigt, im März 2006 und zuvor unter Beteiligung mindestens zweier Mittäter Marihuana-Aufzuchtanlagen betrieben und die daraus in nicht geringer Menge gewonnenen Betäubungsmittel über zwei "Head-Shops" an eine Vielzahl unbekannt gebliebener Abnehmer gewinnbringend verkauft zu haben. 
 
Mit Schreiben vom 6. Juni 2006 an das Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland ersuchte die Staatsanwaltschaft Hamburg um Rechtshilfe. Sie bat darum, die Akten des beim Kreisgericht VIII Bern-Laupen gegen X.________ geführten Strafverfahrens in Kopie zu übersenden. Sie ersuchte um bevorzugte Bearbeitung, da sich X.________ in Hamburg in Untersuchungshaft befinde. 
B. 
Mit Eintretens- und Schlussverfügung vom 20. Juni 2006 entsprach die Untersuchungsrichterin 8 des Untersuchungsrichteramtes III Bern-Mittelland dem Rechtshilfeersuchen. Sie ordnete die Herausgabe eines Auszugs aus den Akten des beim Kreisgericht hängigen Strafverfahrens gegen X.________ an die ersuchende Behörde an, nämlich: 
- Anzeige der Stadtpolizei Bern vom 12. Februar 2004; 
- Ermittlungsbericht der Stadpolizei Bern; 
- Anzeige der Kantonspolizei Bern vom 21. Februar 2005. 
Die Untersuchungsrichterin erwog, die Rechtshilfe sei grundsätzlich zulässig. Da es sich gemäss Auskunft der Kreisgerichts um sehr umfangreiche Akten handle, welche insbesondere auch Unterlagen betreffend den Geheimbereich von Mitangeschuldigten enthielten, und im Rechtshilfeersuchen nicht dargetan werde, weshalb die gesamten Akten von Interesse sein sollen, rechtfertige es sich, beim Kreisgericht nur Kopien der Anzeigen betreffend Matthias Kühl zu erheben und der ersuchenden Behörde zuzustellen. Sollten weitere Unterlagen benötigt werden, wäre dies durch die ersuchende Behörde zu begründen und die Art der gewünschten Unterlagen näher zu bezeichnen. Der Weiterleitung der vom Kreisgericht vorgelegten Kopien der Anzeigen in Sachen X.________ an die ersuchende Behörde stehe nichts entgegen. 
C. 
Mit Beschluss vom 11. Juli 2006 wies die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern die von X.________ gegen die Verfügung der Untersuchungsrichterin erhobene Beschwerde ab. 
D. 
X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag (sinngemäss), den Beschluss der Anklagekammer aufzuheben. 
E. 
Die Anklagekammer und das Bundesamt für Justiz beantragen unter Hinweis auf den angefochtenen Beschluss die Abweisung der Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Für die Rechtshilfe zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz sind in erster Linie die Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR, SR 0.351.1), dem beide Staaten beigetreten sind, und der zwischen ihnen abgeschlossene Zusatzvertrag vom 13. November 1969 (Zusatzvertrag; SR 0.351.913.61) massgebend. Soweit diese Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, kommt das schweizerische Landesrecht - namentlich das Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (Rechtshilfegesetz, IRSG, SR 351.1) und die dazugehörige Verordnung (IRSV, SR 351.11) - zur Anwendung (Art. 1 Abs. 1 IRSG). 
1.2 Das Rechtshilfegesetz ist mit Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 geändert worden. Gemäss Art. 110b nIRSG richten sich Beschwerdeverfahren gegen Verfügungen, die in erster Instanz vor dem Inkrafttreten dieser Änderung - am 1. Januar 2007 - getroffen worden sind, nach dem bisherigen Recht. 
 
Die Eintretens- und Schlussverfügung der Untersuchungsrichterin wurde vor dem 1. Januar 2007 erlassen. Das vorliegende Verfahren richtet sich deshalb nach dem bisherigen Recht. 
1.3 Die Beschwerdefrist für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde beträgt 30 Tage (Art. 80k IRSG, Art. 106 Abs. 1 OG). 
 
Vieles spricht dafür, dass der Beschwerdeführer die Frist nicht gewahrt hat. Die Anklagekammer hat den angefochtenen Beschluss der amtlichen Verteidigerin des Beschwerdeführers, Fürsprecherin Matter, zugesandt. Diese hat den Beschluss am 13. Juli 2006 in Empfang genommen. Da in der Rechtshilfe der Fristenstillstand nicht gilt (Art. 12 Abs. 2 IRSG), fiel der letzte Tag der Frist auf den 12. August 2006. Bei diesem Tag handelt es sich um einen Samstag. Die Frist verlängerte sich somit bis zum Montag, 14. August 2006. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, welche vom 11. August 2006 datiert, ist beim Bundesgericht am 17. August 2006 eingegangen. Der Beschwerdeführer hat sie der deutschen Post übergeben. Wann er das getan hat, ist unklar, da der Poststempel auf dem Briefumschlag unleserlich ist. Die Frist könnte höchstens dann als gewahrt angesehen werden, wenn davon auszugehen wäre, dass die deutsche Post die Beschwerde der schweizerischen Post bis zum 14. August 2006 übergeben hat (BGE 92 II 215). Wie es sich damit verhält, braucht nicht näher abgeklärt zu werden. Selbst wenn man die Beschwerde als rechtzeitig erachten wollte, würde das dem Beschwerdeführer nicht helfen. Sie wäre aus den folgenden (summarischen) Erwägungen jedenfalls abzuweisen. 
1.4 Die Beschwerdebefugnis nach Art. 80h lit. b IRSG ist zu bejahen (BGE 121 II 38). 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Beschluss sei ihm nicht vollständig zur Kenntnis gelangt. Es fehle die Seite 4. Diese sei ihm von Fürsprecherin Matter nicht nach Hamburg übersandt worden. 
 
Der Einwand ist unbehelflich. Wie der Beschwerdeführer selber darlegt, hat er den angefochtenen Beschluss - angeblich ohne die Seite 4 - am 17. Juli 2006 erhalten. Sollte tatsächlich eine Seite gefehlt haben, hätte der Beschwerdeführer bis zum Ablauf der Beschwerdefrist genügend Zeit gehabt, die fehlende Seite - gegebenenfalls unter Vermittlung seines Verteidigers im deutschen Strafverfahren - bei Fürsprecherin Matter oder der Anklagekammer nachzufordern. Der Beschwerdeführer tut in der Beschwerde nicht dar, dass er die ihm insoweit zumutbaren Schritte unternommen hätte. Da die Anklagekammer den angefochtenen Beschluss Fürsprecherin Matter unstreitig vollständig zugestellt hat, ist ein Eröffnungsmangel jedenfalls zu verneinen. 
2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, Fürsprecherin Matter, die ihn im Berner Strafverfahren vertreten habe - er soll sie nach seinen Angaben inzwischen "entpflichtet" haben -, sei im Rechtshilfeverfahren nicht förmlich als amtliche Verteidigerin beigeordnet worden. 
 
Fürsprecherin Matter vertrat den Beschwerdeführer unstreitig im Berner Strafverfahren. Damit ist das Rechtshilfeverfahren - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers - eng verknüpft. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, wenn die Untersuchungsrichterin ihre Verfügung und die Anklagekammer den angefochtenen Beschluss Fürsprecherin Matter zugestellt haben. Darin kann konkludent ihre Einsetzung als Verteidigerin durch die Berner Behörden auch für das Rechtshilfeverfahren erblickt werden. Dass dem Beschwerdeführer aus der Beiordnung auch für das Rechtshilfeverfahren ein Nachteil entstanden sein soll, ist im Übrigen nicht ersichtlich. 
2.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Staatsanwaltschaft Hamburg hätte das Rechtshilfeersuchen nicht direkt dem Untersuchungsrichteramt III Bern-Mittelland zustellen dürfen; sie hätte es vielmehr an das Bundesamt für Polizei (recte: Bundesamt für Justiz) senden müssen. 
Der Einwand ist unbegründet. Gemäss Art. VIII Abs. 1 des Zusatzvertrages können, soweit dieser nichts anderes bestimmt, die Justizbehörden der beiden Staaten unmittelbar miteinander verkehren. 
2.4 Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf ein der Beschwerde beigelegtes Schreiben des Gerichtspräsidenten 11 des Kreisgerichtes an das Landeskriminalamt Hamburg vom 2. Juni 2006 vor, die von der Staatsanwaltschaft Hamburg im Rechtshilfeersuchen verlangten Unterlagen befänden sich bereits in Deutschland; dies, obwohl die Schlussverfügung noch nicht rechtkräftig sei. 
 
Auf das Schreiben des Gerichtspräsidenten 11 hat sich der Beschwerdeführer vor der Anklagekammer nicht berufen. Entsprechend hat sich diese dazu nicht geäussert. Bei der Anklagekammer handelt es sich um eine richterliche Behörde im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG. Nach der Rechtsprechung ist daher die Möglichkeit, im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde neue Tatsachen oder Beweismittel vorzubringen, stark eingeschränkt. Zulässig sind lediglich Beweise, welche das kantonale Gericht von Amtes wegen hätte erheben müssen und deren fehlende Berücksichtigung eine Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen darstellt (BGE 121 II 97 E. 1c S. 99). 
 
 
 
Das Schreiben vom 2. Juni 2006 hätte die Anklagekammer nicht von Amtes wegen erheben müssen. Es handelt sich daher um ein unzulässiges Novum. 
3. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. 
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Untersuchungsrichterin 8 des Untersuchungsrichteramtes III Bern-Mittelland und der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern sowie dem Bundesamt für Justiz, Abteilung internationale Rechtshilfe, Sektion Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 8. Februar 2007 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: