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Urteilskopf

148 II 378


29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Gemeinde St. Moritz und Steuerverwaltung des Kantons Graubünden (Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten)
2C_730/2021 vom 19. Mai 2022

Regeste

Art. 16 Abs. 1, Abs. 3 und Art. 21 Abs. 1 DBG; Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG; Steuerfolgen einer Entschädigung für die Eintragung einer Bauhöhenbeschränkung; Begriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" und des "Aktiventauschs".
Wird ein Grundstück mit einer Dienstbarkeit belastet, beurteilen sich die Einkommenssteuerfolgen dieses Geschäfts aufgrund des Gebots der vertikalen Steuerharmonisierung im Lichte von Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG (E. 3.1-3.4). Für die Frage, ob eine Grunddienstbarkeit eine wesentliche Beeinträchtigung i.S.v. Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG bewirkt, ist die Höhe des dafür bezahlten Entgelts ein starker Anhaltspunkt (E. 3.5-3.7). Der steuerneutrale Aktiventausch setzt den Tausch eines Vermögenswerts gegen einen anderen und damit eine Veräusserung voraus. Die Belastung eines Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit, die unter der Wesentlichkeitsschwelle von Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG bleibt, stellt keine Veräusserung dar. Dafür erhaltenes Entgelt unterliegt nach Art. 16 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 DBG der Einkommenssteuer (E. 4.1-4.3). Abgrenzung von BGE 139 II 363 (E. 4.4).

Sachverhalt ab Seite 379

BGE 148 II 378 S. 379

A. A., wohnhaft in U., Slowenien, ist Eigentümerin des überbauten Grundstücks Nr. x in der Gemeinde V. Mit Dienstbarkeitsvertrag vom 20. Dezember 2018, eingetragen am 21. Dezember 2018 im Grundbuchamt der Region Maloja, vereinbarten A. und B. als Gegenleistung für eine vereinbarte Grunddienstbarkeit (Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkung) zulasten des Grundstücks Nr. x bzw. zugunsten des Nachbargrundstücks Nr. y die Summe von Fr. 1'000'000.-.

B. Die Steuerverwaltung des Kantons Graubünden besteuerte diese Leistung mit definitiven Veranlagungsverfügungen vom 16. Januar 2020 für die Kantons- und Gemeindesteuern 2018 sowie für die direkte Bundessteuer 2018 gestützt auf Art. 22 des Steuergesetzes für den Kanton Graubünden vom 8. Juni 1986 (StG/GR; BR 720.000) resp. Art. 21 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) als Einkommen aus unbeweglichem Vermögen. Die kantonalen Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg (Einspracheentscheide der Steuerverwaltung des Kantons Graubünden vom 14. Oktober 2020; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 24. Juni 2021).

C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 14. September 2021 beantragt A. die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 24. Juni 2021
BGE 148 II 378 S. 380
und der Einspracheentscheide der Steuerverwaltung des Kantons Graubünden vom 14. Oktober 2020 sowie die Festsetzung des steuerpflichtigen Einkommens auf Fr. 113'000.- (satzbestimmend Fr. 811'300.-) für die direkte Bundessteuer 2018 und auf Fr. 144'000.- (satzbestimmend Fr. 844'200.-) für die Kantons- und Gemeindesteuer 2018. (...)
(Auszug)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:
II. Direkte Bundessteuer

3. Strittig ist vorliegend einzig die steuerliche Erfassung des Entgelts, welches die Beschwerdeführerin für die Einräumung der Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkung auf ihrem Grundstück (Nr. x) zugunsten des Nachbargrundstücks (Nr. y) erhalten hat.

3.1 Art. 16 DBG bringt im Bereich der Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen das Konzept der Reinvermögenszugangstheorie ("concept de l'accroissement du patrimoine" bzw. "imposition du revenu global net") zum Ausdruck. Danach unterliegen aufgrund der Generalklausel von Art. 16 Abs. 1 DBG und des nicht abschliessenden Positivkatalogs (Art. 17-23 DBG) alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte der direkten Bundessteuer. Vorbehalten bleiben die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen (Art. 16 Abs. 3 DBG) und die im Negativkatalog von Art. 24 DBG abschliessend aufgezählten Fälle (BGE 146 II 6 E. 4.1; BGE 139 II 363 E. 2.1 mit zahlreichen Hinweisen).

3.2 Der Reinvermögenszugang, wie er Art. 16 Abs. 1 DBG zugrunde liegt, besteht in einer Nettogrösse. Er entspricht dem Überschuss aller Vermögenszugänge gegenüber den Vermögensabgängen derselben Steuerperiode. Im konkreten Einzelfall ergibt sich ein für steuerliche Zwecke massgeblicher Reinvermögenszugang, sobald der Vermögenszugang den realisierten Vermögensabgang der Höhe nach übersteigt. Im Umfang, in welchem sich Vermögenszugang und Vermögensabgang der Höhe nach entsprechen, bleibt es bei einem steuerfreien Aktiventausch. Stellt sich darüber hinaus im konkreten Einzelfall tatsächlich ein Reinvermögenszugang ein, bleibt im Privatvermögen zu prüfen, ob der Überschuss - der realisierte konjunkturelle Mehrwert - als steuerbarer Vermögens- bzw. Kapitalertrag (Art. 16 ff. DBG) oder aber als steuerfreier Vermögens- bzw. Kapitalgewinn (Art. 16 Abs. 3 DBG) zu erfassen sei (BGE 143 II 402 E. 5.2; BGE 139 II 363 E. 2.2 mit zahlreichen Hinweisen).
BGE 148 II 378 S. 381

3.3 Gemäss Art. 16 Abs. 3 DBG sind Gewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen steuerfrei. Als Kapitalgewinne gelten nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Nettovermögenszugänge, welche als natürliche und typische (adäquate) Folge eines Vermögensabganges erscheinen (BGE 143 II 402 E. 5.3; BGE 141 II 326 E. 7; BGE 139 II 363 E. 2.4). Unerlässliche Voraussetzung des steuerfreien Kapitalgewinns ist mithin das Vorliegen einer Gesamt- oder Teilveräusserung von dinglichen oder obligatorischen Rechten. Diese verlassen das Eigentum der veräussernden Person und schmälern vorübergehend, bis zum Eintreffen der Gegenleistung, die Substanz (BGE 141 II 326 E. 7; BGE 139 II 363 E. 2.3). Die Steuerfreiheit der Kapitalgewinne stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und von der daraus abgeleiteten Reinvermögenszugangstheorie dar. Sie ist eng zu verstehen (BGE 146 II 6 E. 4.1; BGE 142 II 197 E. 5.6; BGE 139 II 363 E. 2.2 S. 367; je mit Hinweisen).

3.4 Zu beurteilen ist vorliegend zunächst, ob die Errichtung der Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkung als Grunddienstbarkeit eine Veräusserung im Sinne von Art. 16 Abs. 3 DBG darstellt, aus der die Beschwerdeführerin einen Kapitalgewinn erzielt hat. Gemäss der Rechtsprechung erfordert das Gebot der vertikalen Steuerharmonisierung, bei der Auslegung von Art. 16 Abs. 3 DBG die Praxis zu den (sinngemäss) entsprechenden Bestimmungen des Harmonisierungsrechts analog heranzuziehen (BGE 139 II 363 E. 3.2; vgl. auch Urteil 2C_902/2013 / 2C_903/2013 vom 11. Juli 2014 E. 4.3, in: RtiD 2015 I S. 853). Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Grundstücken im Privatvermögen unterstehen nach dem Harmonisierungsrecht der Grundstückgewinnsteuer (vgl. Art. 12 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]). Es drängt sich deshalb auf, den Begriff des (steuerfreien) Kapitalgewinns aus der Veräusserung von Grundstücken im Privatvermögen auch für die direkte Bundessteuer im Lichte von Art. 12 StHG auszulegen, um Konkordanz zwischen den verschiedenen föderalen Besteuerungsebenen zu erreichen (vgl. BGE 139 II 363 E. 3.2; NICOLAS MERLINO, in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2. Aufl. 2017, N. 29 zu Art. 21 DBG; THIERRY OBRIST, Note sur l'arrêt 2C_902/2013, RDAF 2015 II S. 15, S. 18; ANDREA PEDROLI, Novità giurisprudenziali nel campo del diritto tributario, RtiD 2014 II S. 581, 617).
BGE 148 II 378 S. 382

3.5 Nach Art. 12 StHG sind Gewinne aus Veräusserungen (Abs. 1) sowie aus gewissen veräusserungsähnlichen Vorgängen (Abs. 2) der Grundstückgewinnsteuer unterworfen. Zu den veräusserungsähnlichen Vorgängen gehört insbesondere die Belastung eines Grundstücks mit privatrechtlichen Dienstbarkeiten oder öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen, wenn diese die unbeschränkte Bewirtschaftung oder den Veräusserungswert des Grundstücks dauernd und wesentlich beeinträchtigen und dafür ein Entgelt entrichtet wird (Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG; BGE 139 II 363 E. 3.2).
Die Entgeltlichkeit sowie die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung sind im vorliegenden Fall gegeben: Die Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkung unterliegt keiner zeitlichen Begrenzung (vgl. zur Frage der Dauerhaftigkeit eines Baurechts BGE 141 II 326 E. 7) und wurde per Vertrag gegen ein Entgelt eingeräumt.

3.6 Näher zu prüfen ist hingegen die Frage, ob die eingeräumte Dienstbarkeit eine wesentliche Beeinträchtigung der unbeschränkten Bewirtschaftung oder des Veräusserungswerts des Grundstücks darstellt.

3.6.1 Das Bundesgericht hatte bislang keine Veranlassung, allgemein gültig zu klären, was unter der wesentlichen Beeinträchtigung der unbeschränkten Bewirtschaftung eines Grundstücks zu verstehen ist. Aufgrund der Vielzahl der möglichen Inhalte von Dienstbarkeiten fällt es denn auch schwer, eine klare Linie zwischen wesentlichen und unwesentlichen Beeinträchtigungen der unbeschränkten Bewirtschaftung des Grundstücks zu ziehen. Jedenfalls stellen vollständige Bau- oder andere Nutzungsverbote wesentliche Beeinträchtigungen dar (vgl. ATF 139 II 363 E. 3.2, wo die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung durch ein Bauverbot implizit vorausgesetzt wurde). Die hier streitbetroffenen Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkungen werden in der Literatur mehrheitlich als unwesentlich betrachtet, wobei die Ansichten zum Teil nuanciert ausfallen. KLÖTI-WEBER erachtet Pflanzenhöhenbeschränkungen regelmässig als nicht wesentlich, einschneidende Baubeschränkungen hingegen als wesentlich (MARIANNE KLÖTI-WEBER, in: Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Klöti-Weber/Siegrist/Weber [Hrsg.], 4. Aufl. 2015, N. 44 zu § 96 StG/AG). OBRIST spricht sich dagegen aus, die Dienstbarkeiten in feste Kategorien wesentlicher und unwesentlicher Beeinträchtigungen einzuteilen, und befürwortet stattdessen eine Einzelfallbeurteilung (OBRIST, a.a.O., S. 19). RICHNER/FREI/KAUFMANN/ROHNER halten Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkungen bloss dann für wesentlich,
BGE 148 II 378 S. 383
wenn diese einschneidend seien (RICHNER/FREI/KAUFMANN/ROHNER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 4. Aufl. 2021, N. 128 zu § 216 StG/ZH). Laut SEILER erreichen bloss die besonders gravierenden Grunddienstbarkeiten, namentlich Bau- und Nutzungsverbote, sowie gewisse unbefristete Personaldienstbarkeiten die Schwelle der Wesentlichkeit (MORITZ SEILER, Grenzen des kantonalen Gestaltungsspielraums bei der Grundstückgewinnsteuer, StR 75/2020 S. 725 ff., 734). VERREY ist der Auffassung, dass neben dem Bauverbot auch andere Beschränkungen der Überbaubarkeit des Grundstücks die Bewirtschaftung wesentlich beeinträchtigen können (BASTIEN VERREY, Note sur ATF 139 II 363, RDAF 2014 II S. 614, 616). ZWEIFEL/HUNZIKER/MARGRAF/OESTERHELT sind der Ansicht, dass die Begrenzung der Bauhöhe gleich wie ein Bauverbot eine wesentliche Beeinträchtigung darstelle (ZWEIFEL/HUNZIKER/MARGRAF/OESTERHELT, Schweizerisches Grundstückgewinnsteuerrecht, 2021, § 6 Rz. 138).

3.6.2 Auch in Bezug auf die Frage, wie gross die erlittene Werteinbusse sein muss, damit der Veräusserungswert als wesentlich beeinträchtigt erscheint, hat sich noch keine eigentliche Praxis herausgebildet. Immerhin wertete das Bundesgericht aber die geringe Höhe der Entschädigung (u.a.) für die Einräumung eines Wegrechts von 5 % (Fr. 20'000.-) des Erwerbspreises des Grundstücks (Fr. 490'000.-) als starkes Indiz dafür, dass die Werteinbusse - und die Beeinträchtigung überhaupt - nicht wesentlich war (Urteil 2C_902/2013 / 2C_903/2013 vom 11. Juli 2014 E. 5.4, in: RtiD 2015 I S. 853). Auch nach der Lehre ist die Höhe des Entgelts für eine Dienstbarkeit ein Indiz für die Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung (vgl. KLÖTI-WEBER, a.a.O., N. 42 zu § 96 StG/AG; OBRIST, a.a.O., S. 19; RICHNER/ FREI/KAUFMANN/ROHNER, a.a.O., N. 127 zu § 216 StG/ZH).

3.6.3 Die Vorinstanz ging davon aus, dass die Pflanzen- und Bauhöhenbeschränkung im vorliegenden Fall keine wesentliche Beeinträchtigung darstelle. Die Beschwerdeführerin habe keine wesentlichen oder sogar die hauptsächlichen Eigentümerbefugnisse preisgegeben und die Entschädigung für die Einräumung der Grundienstbarkeit von Fr. 1 Mio. mache nicht einmal 2 % des Verkehrswerts des Grundstücks (Fr. 52'511'000.-) aus. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, dass die Bauhöhenbeschränkung praktisch einen Drittel der Baulandfläche belaste und insoweit einem "beschränkten Bauverbot" gleichkomme.

3.6.4 Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich eine Bauhöhenbeschränkung in einem Einzelfall wie ein Bauverbot auswirken und darin
BGE 148 II 378 S. 384
eine wesentliche Beeinträchtigung seiner unbeschränkten Bewirtschaftung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG liegen könnte, falls dadurch wesentliche Teile des Grundstücks faktisch unüberbaubar werden. Allerdings zeigt das im Vergleich zum Wert des Grundstücks geringe Entgelt, das die Beschwerdeführerin für die Errichtung der Dienstbarkeit empfangen hat, dass die Parteien selbst nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung ausgegangen sind. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung bestimmt sich die Höhe des Entgelts, das ein Eigentümer für die Errichtung einer Dienstbarkeit verlangen wird, im Wesentlichen nach der Schwere der Beeinträchtigung der Nutzung und des Werts des Grundstücks. Dies gilt jedenfalls solange, als ihm die berechtigte Person nicht nahesteht oder sonst besondere Verhältnisse herrschen, welche die Preisgestaltung zwischen den Parteien beeinflussen könnten. Für solche besonderen Verhältnisse gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Wie schon im Urteil 2C_902/2013 / 2C_903/2013 vom 11. Juli 2014 ist die relativ geringe Höhe des Entgelts daher auch im vorliegenden Fall als starker Anhaltspunkt dafür zu werten, dass es an der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung nach Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG fehlt. Die entsprechende Würdigung der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden.

3.7 Somit ist zusammenfassend festzuhalten, dass es sich bei der vorliegend eingeräumten Dienstbarkeit nicht um eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG handelt. Das Entgelt, welches die Beschwerdeführerin für die Einräumung der Dienstbarkeit erhalten hat, steht nicht im Zusammenhang mit einer (teilweisen) Veräusserung des Grundstücks oder eines sonstigen Vermögenswerts. Von einem Kapitalgewinn kann damit nicht gesprochen werden; Art. 16 Abs. 3 DBG fällt ausser Betracht.

4. Ist eine Beeinträchtigung durch eine Dienstbarkeit nicht wesentlich und kann die Belastung daher nicht der Veräusserung gleichgestellt werden, unterliegt dafür erhaltenes Entgelt - wie Entgelte für alle anderen Arten rechtlicher Verschlechterungen eines Grundstücks (vgl. BGE 139 II 363 E. 2.5: Entgelt für Rückzug oder Nichterhebung einer Baueinsprache) - auf Bundesebene kraft Art. 16 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 DBG grundsätzlich der Einkommenssteuer.

4.1 Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang vor, bei der Zahlung aus dem Dienstbarkeitsvertrag handle es sich um eine Entschädigung als Ausgleich eines zukünftigen Minderwerts des Grundstückes, womit kein Reinvermögenszugang vorliege. Vielmehr
BGE 148 II 378 S. 385
handle es sich um einen Aktiventausch, zumindest bis zu der Höhe des tatsächlichen Wertverlusts des Grundstücks aufgrund der Dienstbarkeit, welcher gutachterlich zu ermitteln sei.

4.2 Unter einem "reinen Aktiventausch" versteht die Rechtsprechung den Eintausch eines Vermögenswerts gegen einen anderen Vermögenswert (z.B. Geld), dessen Geldwert den Gestehungskosten des eingetauschten Vermögenswerts entspricht. Im Unterschied zu einer Veräusserung, aus welcher der Steuerpflichtige einen Kapitalgewinn erzielt, schichtet der Steuerpflichtige beim "reinen Aktiventausch" sein Vermögen lediglich um (vgl. BGE 139 II 363 E. 2.6; Urteile 2C_1155/2014 vom 1. Februar 2016 E. 3.2.6, in: StE 2016 B 23.43.2 Nr. 19 und StR 71/2016 S. 612; 2C_368/2013 / 2C_369/2013 vom 2. Februar 2014 E. 6.2.2). Aber auch der "reine Aktiventausch" setzt begrifflich voraus, dass ein Vermögenswert gegen einen anderen eingetauscht, mithin also im Sinne von Art. 16 Abs. 3 DBG veräussert wird. Die entgeltliche Eintragung einer Dienstbarkeit, die keine dauerhafte und wesentliche Beeinträchtigung gemäss Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG bewirkt, stellt jedoch bei einer harmonisierungskonformen Auslegung keine Veräusserung eines Vermögenswerts (vgl. oben E. 3.7) und damit - entgegen gewissen Lehrmeinungen (vgl. SIBILLA CRETTI, Note sur l'arrêt 2C_902/2013 et 2C_903/2013, RDAF 2014 II S. 485; MERINO, a.a.O., N. 34 zu Art. 21 DBG; ähnlich wie hier dagegen OBRIST, a.a.O., S. 19) - auch keine Realisation dar, die der Einkommenssteuer entzogen wäre. Sie kann demgemäss auch nicht als "reiner Aktiventausch" betrachtet werden, selbst wenn sie mit einer Werteinbusse auf dem Grundstück einhergeht.

4.3 Damit steht in Einklang, dass Art. 21 Abs. 1 DBG verschiedene Einkünfte, die mit rechtlichen (z.B. Baurecht, Nutzniessung) oder tatsächlichen (z.B. Ausbeutung von Kies, Sand und anderen Bestandteilen des Bodens) Verschlechterungen des Grundstücks zusammenhängen, als Erträge aus unbeweglichem Vermögen der Einkommenssteuer unterwirft, ungeachtet dessen, dass sich diese Verschlechterungen in der Regel ebenfalls negativ auf den Wert auswirken, den der Eigentümer bei einer späteren Veräusserung erzielen kann. Dies ist steuersystematisch durchaus folgerichtig. Aufgrund des Minderwerts aus einer entschädigten Verschlechterung wird nämlich dereinst der Veräusserungserlös und damit die Bemessungsgrundlage für die Grundstückgewinnsteuer nach Art. 12 Abs. 1 StHG tiefer ausfallen. Bliebe das für die Verschlechterung empfangene Entgelt einkommenssteuerfrei, drohte mithin also eine doppelte
BGE 148 II 378 S. 386
Nichtberücksichtigung von Steuersubstrat bei der Einkommens- und der Grundstückgewinnsteuer. Dies widerspräche ebenso der Steuersystematik wie die doppelte Belastung desselben Vermögenszugangs bei derselben Person mit der (allgemeinen) Einkommens- und der Grundstückgewinnsteuer als Spezialeinkommenssteuer (vgl. dazu Urteile 2C_719/2017 vom 26. April 2019 E. 2.5.2; 2C_906/ 2010 vom 31. Mai 2012 E. 7.4, in: RDAF 2012 II S. 342; vgl. auch zum Verhältnis der beiden Steuern zueinander BGE 145 II 206 E. 2.2.2; BGE 131 II 722 E. 2.2).

4.4 Abzugrenzen ist die vorliegende Konstellation schliesslich von derjenigen, die das Bundesgericht in BGE 139 II 363 zu beurteilen hatte. Dort erwog das Bundesgericht, dass das Entgelt für die Nichterhebung oder den Rückzug einer Einsprache gegen ein Bauprojekt auf einem Nachbarschaftsgrundstück steuerlich nicht zu privilegieren ist (BGE 139 II 363 E. 2.5). Ein solches Entgelt kann jedoch einen (steuerfreien) Ersatz des positiven Schadens bzw. objektiven Wertverlusts darstellen, wenn damit tatsächlich ein Minderwert des (eigenen) Grundstücks einhergeht (BGE 139 II 363 E. 2.6). Anders als hier ging es dort jedoch nicht um eine unmittelbare Einkunft aus dem Grundstück, sondern um ein Entgelt aus einem privatrechtlich eigenständigen Geschäft, nämlich aus dem Rückzug einer Baueinsprache betreffend ein Nachbargrundstück (vgl. BGE 139 II 363 E. 2.5 und 3.5). Gegenstand des streitbetroffenen Rechtsgeschäfts war dort damit nicht das Grundstück der steuerpflichtigen Person, sondern ihre Rechtsposition als Einsprecher im Baueinspracheverfahren. Die steuerliche Freistellung des Gewinns aus der Verfügung über diese Rechtsposition lehnte das Bundesgericht unter anderem auch deshalb ab, weil der entgeltliche Verzicht auf ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf sittenwidrig (Art. 20 Abs. 1 OR) sein kann und deshalb steuerlich nicht privilegiert werden soll (vgl. BGE 139 II 363 E. 2.5). Vorliegend sprechen demgegenüber bereits die Auslegung von Art. 16 Abs. 3 DBG im Lichte von Art. 12 Abs. 2 lit. c StHG und die Steuersystematik dagegen, die Einkunft aus der Eintragung der Dienstbarkeit einkommenssteuerlich freizustellen, und zwar auch insoweit, als damit bloss der Minderwert auf dem Grundstück ausgeglichen wird (vgl. oben E. 4.2 und 4.3).

4.5 Vor diesem Hintergrund hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, indem sie das Entgelt von Fr. 1'000'000.-, welches die Beschwerdeführerin für die Einräumung der Pflanzen- und
BGE 148 II 378 S. 387
Bauhöhenbeschränkung auf ihrem Grundstück erhalten hat, für die direkte Bundessteuer vollständig als Ertrag aus unbeweglichem Vermögen der Einkommenssteuer unterworfen hat.

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Erwägungen 3 4

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