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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_210/2008 /hum 
 
Urteil vom 5. August 2008 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Parteien 
M.P.________ 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Eric Stern, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Kosten- und Entschädigungsregelung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 12. Februar 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
R.H.________ stellte am 22. März 2006 Strafantrag gegen M.P.________ wegen Zechprellerei. 
Das Bezirksamt Aarau verurteilte M.P.________ am 5. Oktober 2006 wegen Zechprellerei und geringfügiger Sachentziehung zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 3 Tagen und Fr. 100.-- Busse. 
 
Gegen diesen Strafbefehl erhob der Verurteilte am 14. Dezember 2006 Einsprache. Am 4. Oktober 2007 zog der geschädigte Gastwirt seinen Strafantrag zurück. 
 
B. 
Der Präsident I des Bezirksgerichts Aarau stellte das Verfahren am 5. Oktober 2007 ein und auferlegte M.P.________ die Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 367.50. Dessen Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau am 12. Februar 2008 ab. 
 
C. 
M.P.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, im Zeitpunkt, als der Gastwirt den Strafantrag gestellt habe, sei die dreimonatige Antragsfrist verwirkt gewesen, und bezüglich geringfügige Sachentziehung habe jener gar keinen Strafantrag gestellt. Vor Einleitung einer Strafuntersuchung hätte das Bezirksamt von Amtes wegen prüfen müssen, ob die Prozessvoraussetzungen, d.h. ein rechtzeitig eingegangener Strafantrag, erfüllt gewesen seien. Weil es dies nicht getan und so unnötige Verfahrenskosten verursacht habe, hätten ihm keine Verfahrenskosten auferlegt werden dürfen. Vielmehr wäre ihm eine Prozessentschädigung zugestanden. Der gegenteilige Entscheid der Vorinstanz verletze Bundesrecht (Art. 30 und 31 StGB). 
 
1.1 Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird auf Antrag wegen Zechprellerei bestraft (Art. 149 StGB). 
 
Art. 31 StGB (der sich inhaltlich mit Art. 29 aStGB deckt) bestimmt, dass das Antragsrecht nach Ablauf von drei Monaten erlischt. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird. 
 
Dass die antragsberechtigte Person nicht nur den Täter, sondern auch die Tat kennen muss, ist unbestritten. Unklar ist jedoch, ob die Kenntnis der Tat bloss die objektiven Tatbestandsmerkmale oder auch die subjektiven umfassen muss. Die herrschende Lehre verlangt auch letzteres. Das Bundesgericht spricht in den Entscheiden aus den letzten Jahren von der "Kenntnis der Tatbestandselemente" respektive "des éléments constitutifs de l'infraction" (Urteil 6S.185/2003 vom 4. Februar 2004, E. 1.2; Urteil 6S.244/2003 vom 6. Oktober 2003, E. 2; Urteil 6S.179/2000 vom 29. Juni 2000, E. 2; BGE 126 IV 131, E. 2; zum Ganzen: Christof Riedo, Der Strafantrag, Basel 2004, S. 453 ff.; ders., Strafgesetzbuch, Basler Kommentar, Art. 31 N 12 ff. je mit Hinweisen). 
 
1.2 Gemäss dem verbindlichen Sachverhalt reservierte der Beschwerdeführer im August 2005 ein Zimmer im Hotel des Geschädigten für den Monat September. Sie waren übereingekommen, dass der Beschwerdeführer für den ganzen Monat einen Pauschalpreis von Fr. 500.-- bezahlen und allenfalls auch noch im Oktober dort logieren würde. 
 
Der Beschwerdeführer gab später zu Protokoll, aufgrund seiner tatsächlichen (kurzen) Anwesenheit im reservierten Hotelzimmer habe er dem Geschädigten gesagt, er werde nie den ganzen Preis von Fr. 1'000.-- bezahlen, er solle ihm einen annehmbaren Preis machen. Im September 2005 habe er eine Rechnung an seine Geschäftsadresse in Bern erhalten, welche als Rechnungsadresse vereinbart worden sei. Er habe diese Rechnung noch nicht bezahlt, weil er es mit der Rechnung vom Oktober habe bezahlen wollen. Er sei bereit gewesen, Fr. 600.-- zu bezahlen. Im November 2005 habe er dann eine Mahnung für den Oktober über Fr. 500.-- erhalten und er habe dem Geschädigten zurückgefaxt, dass er am 14. Dezember 2005 Fr. 300.-- überweisen werde. Da er keinen Einzahlungsschein gehabt und auch auf Telefonanruf hin keinen bekommen habe, habe er nicht einzahlen können. Er habe dem Geschädigten kurz vor Ende Dezember 2005 einen entsprechenden Brief geschrieben. Seither habe er aber keine Reaktion mehr von ihm erhalten (angefochtener Entscheid S. 5 Ziff. 2.2). 
 
Am 22. März 2006 reichte der Geschädigte Strafantrag gegen den Beschwerdeführer ein. Dieser überwies am 9. April 2006 Fr. 600.-- an den Geschädigten. 
 
1.3 Aus diesen Angaben wird deutlich, dass der Beschwerdeführer dem Geschädigten immerhin eine Rechnungsadresse angegeben hatte und ihm bis Ende Dezember 2005 wiederholt eine Zahlung in Aussicht stellte. Bei dieser Sachlage durfte der Geschädigte bis zum erwähnten Zeitpunkt in guten Treuen davon ausgehen, der Beschwerdeführer werde ihm die Inanspruchnahme bzw. die Reservierung des Hotelzimmers entgelten. Folglich waren ihm vor Ende Dezember nicht alle Tatbestandselemente der Zechprellerei bekannt. Jedenfalls fehlte ihm die von der Rechtsprechung geforderte sichere, zuverlässige Kenntnis, die ein Vorgehen gegen den Täter als aussichtsreich erscheinen lässt (BGE 126 IV 131, E. 2a). 
 
Im Lichte dieser Erwägungen ist der Vorwurf gegenüber der Untersuchungsbehörde unbegründet, die dreimonatige Strafantragsfrist sei am 22. März 2006 offensichtlich verpasst gewesen, was von Amtes wegen hätte berücksichtigt werden müssen. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf BGE 75 IV 15 geht an der Sache vorbei, weil der Zechpreller in jenem Fall den Gasthof verliess, ohne seine Adresse anzugeben. Übrigens wird bereits in jenem Entscheid erwähnt, dass der Wirt frühestens ab dem Zeitpunkt, als der Täter den Gasthof verliess, Kenntnis von der Zechprellerei erhielt. 
 
Solange ein Betriebsinhaber aufgrund konkreter Anhaltspunkte in guten Treuen davon ausgehen darf, er werde für seine Dienstleistungen entschädigt, hat er auch noch keine (ausreichende) Kenntnis von der Tat. Die Dreimonatsfrist des Art. 31 StGB beginnt in solchen Fällen erst, wenn sich die Anzeichen verdichten, dass der Täter nicht zahlen will. 
 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, in der Eingabe vom 3. Oktober 2007 an das Bezirksgericht habe er dargelegt, dass er sich mit dem Gastwirt geeinigt und diesem die vereinbarten Fr. 600.-- am 3. April 2006 überwiesen habe, dieser den Strafantrag aber nicht vereinbarungsgemäss umgehend zurückgezogen, sondern bis zum 4. Oktober 2007 zugewartet habe. Selbst wenn der Strafantrag vom 22. März 2006 noch als rechtzeitig eingereicht erachtet werden sollte, sei es unstatthaft, dem Beschwerdeführer Verfahrenskosten für den Zeitraum April bis Oktober 2006 aufzuerlegen und ihm eine Prozessentschädigung vorzuenthalten. 
 
Wenn die Vorinstanz ausführe, aus den Akten sei eine Willensäusserung des Geschädigten nicht ersichtlich, dass er im Gegenzug für die Bezahlung eine Zusicherung auf Rückzug des Strafantrags gemacht habe, so hätte eben aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers eine entsprechende Abklärung vorgenommen werden müssen, beispielsweise durch Befragung des Geschädigten oder des sachbearbeitenden Polizeibeamten. Jedenfalls gehe es nicht an, zu Lasten des Beschwerdeführers zu unterstellen, die im Rahmen einer Vereinbarung nahe liegende Zusicherung, den Strafantrag zurückzuziehen und mithin die Sache definitiv zu bereinigen, sei nicht erfolgt. Wenn aber der Geschädigte entgegen seiner Zusage das Strafverfahren habe weiterlaufen lassen, so habe er schuldhaft unnötige Kosten verursacht und nicht der Beschwerdeführer (Beschwerdeschrift S. 6 f. Ziff. 3). 
 
Im Rahmen dieser Rüge nennt der Beschwerdeführer weder kantonale Verfahrensbestimmungen, die willkürlich angewandt worden wären, noch Verfassungsbestimmungen, die angeblich verletzt sein sollen. Damit genügt er aber seiner Begründungspflicht nicht, weshalb auf die Rüge nicht einzutreten ist (BGE 133 IV 286 E. 1.4). 
 
3. 
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 5. August 2008 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Borner