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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 4/03 
 
Urteil vom 6. Mai 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin Hofer 
 
Parteien 
M.________, 1976, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Amt für Arbeit, Unterstrasse 22, 9001 St. Gallen, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 18. November 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 14. November 2000 forderte die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen von M.________ (geb. 1976) von Juni bis August 2000 zu Unrecht ausgerichtete Taggelder in Höhe von Fr. 5234.20 zurück. Ein Erlassgesuch lehnte das Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen mit Verfügung vom 11. April 2002 ab, da dem Versicherten die Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug nicht zugebilligt werden könne. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 18. November 2002 ab. 
C. 
M.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben, und es sei ihm die Rückforderungsschuld zu erlassen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. 
 
Das Amt für Arbeit und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Stellungnahme. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Streitig und zu prüfen ist, ob dem Beschwerdeführer die rechtskräftig festgestellte Rückerstattungsschuld über Fr. 5234.20 erlassen werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung geht es dabei nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG (BGE 122 V 223 Erw. 2, 136 Erw. 1, 112 V 100 Erw. 1b, je mit Hinweisen). Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat daher lediglich zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
2. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Bestimmung über den Erlass der Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Art. 95 Abs. 2 AVIG) zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Dasselbe gilt hinsichtlich der bei der Beurteilung der Erlassvoraussetzung des guten Glaubens zu beachtenden Kriterien (BGE 122 V 223 Erw. 3, 112 V 103 Erw. 2c, 110 V 180 f. Erw. 3c). 
 
Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 11. April 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
3. 
3.1 Hinsichtlich der Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts ist praxisgemäss zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann oder ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen. Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und ist daher Tatfrage, die nach Massgabe von Art. 105 Abs. 2 OG von der Vorinstanz verbindlich beurteilt wird. Demgegenüber gilt die Frage nach der gebotenen Aufmerksamkeit als frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit es darum geht, festzustellen, ob sich jemand angesichts der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse auf den guten Glauben berufen kann (BGE 122 V 223 Erw. 3; ARV 1998 Nr. 41 S. 237 Erw. 3, je mit Hinweisen). 
 
Das kantonale Gericht hat die Frage nach einem allfälligen Unrechtsbewusstsein des Beschwerdeführers anlässlich des Bezugs der nunmehr zurückgeforderten Taggelder nicht klar beantwortet. Vielmehr hat es das Vorliegen des guten Glaubens unter dem Aspekt der groben Fahrlässigkeit untersucht. Lässt sich die Verneinung der Erlassvoraussetzung der Gutgläubigkeit beim Leistungsbezug in diesem Sinne bestätigen, kann die Frage des Unrechtbewusstseins dahingestellt bleiben. 
3.2 Der Beschwerdeführer bezog ab 1. Juni 2000 Arbeitslosenentschädigung. Gemäss Bestätigungsschreiben des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons St. Gallen vom 8. Mai 2000 musste er zudem bis 24. September 2000 eine 60-tägige Gefängnisstrafe in Form gemeinnütziger Arbeit absolvieren, deren Aufschub er bis zum Beginn seiner Arbeitslosigkeit Anfang Juni beantragt hatte. Bis zu jenem Zeitpunkt hatte er 13 der erforderlichen 228 unentgeltlich zu leistenden Stunden verrichtet. Im Antrag auf Arbeitslosenentschädigung vom 7. Juni 2000 gab der Versicherte an, er könne vollzeitlich arbeiten und sei in vollem Ausmass arbeitsfähig. Gemäss telefonischer Auskunft des Heimes L.________ vom 18. Oktober 2000 konnte der gemeinnützige Dienst flexibel gestaltet und von der betroffenen Person weitgehend selber bestimmt werden. Anpassungen waren innert Wochenfrist möglich. Die Einsatzplanung des Beschwerdeführers sei auf dessen eigenen Wunsch erfolgt. Als der Versicherte mit Verfügung des Amtes für Arbeit vom 4. August 2000 zur Teilnahme an einem vom 14. August bis 10. November 2000 dauernden Beschäftigungsprogramm angewiesen wurde, lehnte er dies wegen der zu verrichtenden gemeinnützigen Arbeit ab. Wie den Akten zu entnehmen ist, wollte die zuständige Kontaktperson des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums in Sargans mit dem Versicherten bereits im Juni und im Juli 2000 die Teilnahme an einem Einsatzprogramm abklären. Gemäss einer Aktennotiz vom 21. Juli 2000 wurde dies schliesslich auf Wunsch des Beschwerdeführers bis Mitte August verschoben, damit er zuerst die gemeinnützige Arbeit abschliessen könne. Aus den Stundenabrechnungen über den Arbeitseinsatz ergibt sich, dass zwar an einzelnen Tagen die Strafe abgearbeitet wurde, der Versicherte sich jedoch Zeit liess, bis er die erforderliche Stundenzahl beisammen hatte. Anstalten, die Arbeitszeiten dem Beschäftigungsprogramm anzupassen, traf er keine, obwohl ihm dies ohne weiteres möglich gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hätte indessen erkennen müssen, dass es nicht angeht, sich bei der Arbeitslosenkasse voll vermittlungsfähig zu erklären und gleichzeitig keine Bereitschaft zu zeigen, eine andere Tätigkeit zu Gunsten von arbeitsmarktlichen Massnahmen der Arbeitslosenversicherung zu verschieben. Mit seinem Vorgehen nahm er die Möglichkeit einer künftigen Rückforderung leichtfertig in Kauf. Keinesfalls durfte er davon ausgehen, dass die zu leistende strafrechtliche Sanktion anderen Verpflichtungen vorgehen und ihn von der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Arbeitslosenversicherung entbinden würde, ergibt sich doch gerade aus Sinn und Zweck der Strafersatzmassnahme, dass sie den Betroffenen durch eine flexible Ausgestaltung erlaubt, den weiteren Verbindlichkeiten nachzukommen. Dass eine konkrete Auskunft des zuständigen Mitarbeiters des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums für das Verhalten des Beschwerdeführers ursächlich gewesen wäre, ist nicht erstellt, wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat. 
3.3 Ist somit zumindest eine grobe Pflichtverletzung anzunehmen, welche eine Berufung auf den guten Glauben ausschliesst, braucht die Frage, ob die Rückforderung für den Beschwerdeführer allenfalls eine grosse Härte darstellt, nicht geprüft zu werden. 
4. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig, weil nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen streitig war (Umkehrschluss aus Art. 134 OG; Erw. 1). Die Gerichtskosten wären vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Diesem kann jedoch die beantragte unentgeltliche Prozessführung gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist und die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung werden sie einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Kantonalen Arbeitslosenkasse St. Gallen und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
 
Luzern, 6. Mai 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: