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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_297/2007 
 
Urteil vom 4. Dezember 2007 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio, 
Gerichtsschreiberin Scherrer. 
 
Parteien 
Allgemeine Plakatgesellschaft, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Peter Gysi, 
 
gegen 
 
Stadtrat Luzern, Hirschengraben 17, 6002 Luzern, Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Bewilligung einer Plakatstelle, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 20. August 2007 
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Baugesuch vom 22. April 2002 beantragte die Allgemeine Plakatgesellschaft beim Stadtrat Luzern die Bewilligung für eine freistehende Reklameanschlagstelle (Typ: F12 Soleil, 268,5 x 128 cm, unbeleuchtet) auf Parzelle Nr. 1347 GB Luzern, linkes Ufer, Fruttstrasse (Liegenschaft Industriestrasse 6). Mit dem Einverständnis der Gesuchstellerin wurde das Verfahren am 2. September 2003 sistiert. 
 
B. 
Nach Aufhebung der Sistierung wies der Stadtrat Luzern das Baugesuch mit Entscheid vom 20. Dezember 2006 ab. Der Stadtrat befand, in unmittelbarer Umgebung des geplanten Reklamestandorts befänden sich bereits 14 Reklameanschlagstellen (fünf des Formats F12 und neun des Formats F4). Das Ortsbild, welches bereits mit den bestehenden Plakaten "überinstrumentiert" in Erscheinung trete, verschlechtere sich zunehmend. Weiter zog der Stadtrat sinngemäss in Erwägung, die Normhöhe von Reklameanschlagstellen betrage ab Boden 67 cm bis zur Unterkante und 197,2 cm bis zur Oberkante der Reklameanschlagstelle. Das Projekt solle jedoch, wie sich aus der Fotomontage ergebe, in Überhöhe erstellt werden und wirke aufgrund der Überhöhe und der Fläche sehr dominant. Dies möge aus werbetechnischen Gründen sinnvoll sein; unter Rücksichtnahme auf das Ortsbild könne eine derart grossflächig in Erscheinung tretende Werbetafel nicht gutgeheissen werden. 
 
C. 
Gegen diesen Entscheid gelangte die Gesuchstellerin ans Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, welches die Beschwerde mit Urteil vom 20. August 2007 abwies. 
 
D. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Allgemeine Plakatgesellschaft die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 20. August 2007 und die Rückweisung zu neuem Entscheid an die Vorinstanzen. Sie macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts geltend. 
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Der Stadtrat hat sich nicht geäussert. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Der angefochtene Entscheid ist nach Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) ergangen. Die vorliegende Beschwerde ist danach zu behandeln (Art. 132 Abs. 1 BGG). Gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig, da kein Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG zum Zuge kommt. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten. 
 
1.2 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. In Ergänzung zu den Rügen, die sich auf Art. 95 f. BGG stützen, sind unter den engen Voraussetzungen von Art. 97 Abs. 1 BGG auch Vorbringen gegen die Sachverhaltsfeststellung zulässig. Ein solcher Einwand kann nach der letztgenannten Bestimmung jedoch nur erhoben werden, wenn die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. Die Rüge, im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung sei der grundrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, kann jedoch uneingeschränkt erhoben werden (vgl. Regina Kiener, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis, BTJP 2006, Bern 2007, S. 277; Urteil 1C_14/2007 des Bundesgerichts vom 9. Oktober 2007, E. 3). 
 
2. 
Die Beschwerdeführerin rügt in erster Linie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das Verwaltungsgericht von der Durchführung eines Augenscheins abgesehen und gestützt auf die Akten resp. die darin enthaltenen Fotos entschieden hat. 
 
2.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 127 V 431 E. 3d/aa S. 437; 126 I 19 E. 2d/bb S. 24; 125 I 113 E. 3 S. 118). Deshalb ist diese Rüge vorab zu behandeln. 
 
2.2 Das rechtliche Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines solchen Entscheides zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (BGE 132 II 485 E. 3.2 S. 494; 127 I 54 E. 2b S. 56; 126 I 15 E. 2a/aa S. 16; 124 I 49 E. 3a S. 51, 241 E. 2 S. 242, je mit Hinweisen). Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt auch, dass der Richter rechtzeitig und formrichtig angebotene erhebliche Beweismittel abzunehmen hat (BGE 122 I 53 E. 4a mit Hinweisen). Dies verwehrt ihm indessen nicht, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn er ohne Willkür in freier, antizipierter Würdigung der beantragten zusätzlichen Beweise zur Auffassung gelangen durfte, dass weitere Beweisvorkehren an der Würdigung der bereits abgenommenen Beweise voraussichtlich nichts mehr ändern würden (BGE 130 II 425 E. 2.1 S. 429; 125 I 127 E. 6c/cc S. 135, 417 E. 7b S. 430; 124 I 208 E. 4a S. 211; 122 II 464 E. 4a S. 469, je mit Hinweisen). 
 
2.3 Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, sich vor Ort einen Eindruck vom vorgesehenen Standort des umstrittenen Plakats zu verschaffen. Es befand, der entscheidwesentliche Sachverhalt ergebe sich hinlänglich aus den Akten. Es hat dabei insbesondere auf den Grundbuchplan 1:500 vom 14. April 2003 und das Fotoblatt vom 14. August 2003 abgestellt. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, aus den Akten lasse sich weder das Ortsbild noch die Wirkung der Überhöhe der nachgesuchten Plakatstelle, noch die angebliche Häufung mit bestehenden Plakatstellen bzw. deren Ortsbildverträglichkeit schlüssig beurteilen. 
 
Dem ist zu widersprechen. Einerseits liegt den Akten ein Situationsplan bei, auf welchem sämtliche (damaligen) Plakatanschlagstellen in der näheren Umgebung des nachgesuchten Standortes eingezeichnet sind (act. 3 der stadträtlichen Belege, S. 9). Desgleichen ist die Situation fotografisch dokumentiert (act. 3 S. 10 der stadträtlichen Belege). Aufgrund der zusätzlichen Fotomontage (act. 4.2 der stadträtlichen Belege), welche aufzeigt, wo und wie die geplante Plakatstelle der Beschwerdeführerin zu stehen kommen sollte, durfte das Verwaltungsgericht willkürfrei davon ausgehen, dass die Akten ein aussagekräftiges Bild von der rechtlich relevanten Situation vermittelten. Es ist ihm in diesem Zusammenhang auch nicht vorzuwerfen, wenn es sich aufgrund des weiten Ermessens, welches dem Stadtrat bei der Beurteilung von Ästhetikvorschriften zukommt, bei der Würdigung der örtlichen Verhältnisse eine gewisse Zurückhaltung auferlegt hat. Daran ändert nichts, dass das Verwaltungsgericht gemäss § 161a des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG/LU; SRL Nr. 40) auch das Ermessen prüft, wenn es einzige kantonale Rechtsmittelinstanz ist. Diese Berücksichtigung des stadträtlichen Beurteilungsrahmens entspricht der bundesgerichtlichen Praxis, wenn es um ausgesprochene Ermessensfragen geht (BGE 119 Ia 348 E. 2a S. 353, 445 E. 3c S. 451, mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung hat auch eine Rechtsmittelbehörde, der volle Kognition zusteht, in Ermessensfragen einen Entscheidungsspielraum der Vorinstanz zu respektieren. Sie hat eine unangemessene Entscheidung zu korrigieren, kann aber der Vorinstanz die Wahl unter mehreren angemessenen Lösungen überlassen (BGE 133 II 35 E. 3 S. 39; 127 II 238 E. 3b/aa S. 242; 123 II 210 E. 2c S. 212 f.). 
 
2.4 Demzufolge hat das Verwaltungsgericht das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin nicht verletzt, indem es auf einen Augenschein verzichtet hat. 
 
3. 
3.1 Des Weitern wirft die Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgericht eine willkürliche Feststellung des Sachverhaltes vor. Sie macht sinngemäss geltend, anlässlich der Einreichung der Beschwerde beim Verwaltungsgericht am 12. Januar 2007 hätten schräg gegenüber der beantragten Stelle in etwa 30 m Entfernung neun F4-Formate (89,5 x 128 cm, zusammengefasst an drei F12-Trägern) gestanden. Diese Plakatstelle habe einer anderen Plakatgesellschaft gehört. Im Rahmen eines Augenscheins, welche die Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre Beschwerdeführung ans Bundesgericht vorgenommen habe, habe sie festgestellt, dass die erwähnten Plakate inzwischen vollständig entfernt worden seien. Gemäss ihrer Erkundigung sei dies am 17. Januar 2007 geschehen, zu einem Zeitpunkt also, als das Verfahren bereits beim Verwaltungsgericht hängig gewesen sei. 
 
3.2 Das Verwaltungsgericht nimmt in seiner Vernehmlassung ans Bundesgericht zu diesem Vorhalt nicht Stellung. Die Beschwerdeführerin indes legt ihren Ausführungen die schriftliche Bestätigung der X.________ AG, Bern, vom 14. September 2007 bei, wonach deren Plakatstelle mit neun F4-Flächen (auf drei F12-Trägern) auf der Westseite der Fruttstrasse am 17. Januar 2007 definitiv entfernt worden sei. 
Demnach ist davon auszugehen, dass die neun Plakate (auf drei F12-Trägern), welche sich in unmittelbarer Nähe des umstrittenen Standortes (schräg versetzt auf der gegenüberliegenden Strassenseite, ca. 20-30 m entfernt) befanden, im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids geräumt waren. Dies ist insofern relevant, als das Verwaltungsgericht die Argumentation des Stadtrates geschützt hatte, welcher seinerseits eine unerwünschte Reklamehäufung auf dem entsprechenden Strassenabschnitt bemängelt hatte. Das Verwaltungsgericht zitiert dazu § 140 Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes vom 7. März 1989 (PBG/LU; SRL Nr. 735), gemäss welchem sich Bauten und Anlagen in die bauliche und landschaftliche Umgebung einzugliedern haben. Sie sind zu untersagen, wenn sie durch ihre Grösse, Proportion, Gestaltung, Bauart, Dachform oder Farbe das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigen. Nach dem ebenfalls vom Verwaltungsgericht genannten § 15 Abs. 1 lit. b der Reklameverordnung vom 3. Juni 1997 (SRL Nr. 739) sind Reklamen verboten, wenn sie durch ihre Ausgestaltung oder Häufung das Orts- oder Landschaftsbild beeinträchtigen. Die Vorinstanzen haben denn ihren abschlägigen Entscheid auch massgeblich auf diese Bestimmungen gestützt und unter anderem die "verpönte Reklamehäufung" als Argument gegen das Vorhaben der Beschwerdeführerin ins Feld geführt. Steht nun fest, dass drei F12-Träger mit insgesamt neun Plakaten des Formats F4 in unmittelbarer Nähe der von der Beschwerdeführerin beantragten Anschlagstelle entfernt worden sind, kann dies allenfalls zu einer anderen Beurteilung der Bewilligungsfähigkeit führen. Auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass die übrigen vom Verwaltungsgericht in Erwägung gezogenen Ablehnungsgründe wie die Überhöhe und die Anordnung (quer zur Strasse) der Reklametafel wiederum zu einer Ablehnung des Gesuchs führen können, stellt die unrichtige Sachverhaltsfeststellung vorliegend doch einen Mangel dar, welcher die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge haben muss. 
 
4. 
Demzufolge ist die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Angelegenheit ist an das Verwaltungsgericht zu einem neuen Entscheid im Lichte der geänderten Ausgangslage zurückzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Indes hat die Stadt Luzern die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 20. August 2007 aufgehoben. Die Angelegenheit wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zurückgewiesen. 
 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3. 
Die Stadt Luzern hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 4. Dezember 2007 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Féraud Scherrer