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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess {T 7} 
C 324/05 
 
Urteil vom 2. Juni 2006 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ursprung, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Parteien 
Unia Arbeitslosenkasse, Zentralverwaltung Zürich, Strassburgstrasse 11, 8004 Zürich, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
B.________, 1944, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Dr. Christoph Noelpp, St. Jakobs-Strasse 30, 4052 Basel 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel 
 
(Entscheid vom 7. November 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügung vom 16. Dezember 2004 verneinte die Unia Arbeitslosenkasse den Anspruch des B.________ (geb. 1944) auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. September 2004. Daran hielt die Kasse mit Einspracheentscheid vom 26. Juli 2005 fest. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 7. November 2005 gut. Es wies die Sache zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Kasse zurück. 
C. 
Die Unia Arbeitslosenkasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
B.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Laut Art. 31 Abs. 1 AVIG haben Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn sie bestimmte, in lit. a-d näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen. Kurzarbeit setzt u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer einen Arbeitsausfall erleidet (Art. 31 Abs. 1 lit. b AVIG), welcher - um anrechenbar zu sein - seinerseits gewisse Voraussetzungen erfüllen muss (Art. 32 f. AVIG). Die Einführung von Kurzarbeit liegt in der unternehmerischen Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers. Er allein bestimmt, ob, wann und für wie lange er Kurzarbeit einführen will. Weil es in der Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers liegt, Kurzarbeit einzuführen und - bei Erfüllen der einschlägigen Voraussetzungen - den anspruchbegründenden Sachverhalt für eine Kurzarbeitsentschädigung zu verwirklichen, ist er von vornherein vom Anspruch auf Entschädigung ausgeschlossen. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 31 Abs. 1 AVIG ausschliesslich Arbeitnehmer als anspruchsberechtigt erklärt. Je nach der Rechtsform, in der sich ein "Arbeitgeber" konstituiert hat, sind jedoch auch andere Personen an dessen Dispositionen beteiligt. Aus diesem Grunde nimmt das Gesetz auch "arbeitgeberähnliche Personen" vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung aus. Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben gemäss Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten. Nach der Rechtsprechung ist der Ausschluss der in Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG genannten Personen vom Entschädigungsanspruch absolut zu verstehen. Amtet ein Arbeitnehmer als Verwaltungsrat, so ist eine massgebliche Entscheidungsbefugnis im Sinne der betreffenden Regelung ex lege gegeben, und zwar selbst dann, wenn seine Kapitalbeteiligung klein ist und er nur über die kollektive Zeichnungsberechtigung verfügt (BGE 123 V 236 Erw. 7a mit Hinweisen). 
2. 
Vorliegend geht es jedoch nicht um Kurzarbeitsentschädigung, sondern um Arbeitslosenentschädigung nach Art. 8 ff. AVIG. Aus dem Umstand, dass die Art. 8 ff. AVIG keine entsprechende Norm für den Bereich der Arbeitslosenentschädigung kennen, lässt sich indes nicht folgern, die in Art. 31 Abs. 3 lit. c (und Art. 51 Abs. 2) AVIG genannten arbeitgeberähnlichen Personen hätten in jedem Fall Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bei Ganzarbeitslosigkeit. Kurzarbeit kann nicht allein in einer Reduktion der täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeit, sondern auch darin bestehen, dass ein Betrieb (bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis) für eine gewisse Zeit vollständig stillgelegt wird. In einem solchen Fall ist ein Arbeitnehmer mit arbeitgeberähnlicher Stellung nicht anspruchsberechtigt. Wird das Arbeitsverhältnis jedoch gekündigt, liegt Ganzarbeitslosigkeit vor, und es besteht unter den Voraussetzungen von Art. 8 ff. AVIG grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung. Dabei kann nicht von einer Gesetzesumgehung gesprochen werden, wenn der Betrieb geschlossen wird, das Ausscheiden des betreffenden Arbeitnehmers mithin definitiv ist. Entsprechendes gilt für den Fall, dass das Unternehmen zwar weiterbesteht, der Arbeitnehmer aber mit der Kündigung endgültig auch jene Eigenschaft verliert, deretwegen er bei Kurzarbeit aufgrund von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung ausgenommen wäre. Eine grundsätzlich andere Situation liegt jedoch dann vor, wenn der Arbeitnehmer nach der Entlassung seine arbeitgeberähnliche Stellung im Betrieb beibehält und dadurch die Entscheidungen des Arbeitgebers weiterhin bestimmen oder massgeblich beeinflussen kann (BGE 123 V 237 Erw. 7b/bb mit Hinweisen). 
3. 
Der Beschwerdegegner wurde von seiner Arbeitgeberfirma W.________ am 31. August 2004 auf Ende Januar 2005 entlassen. Die Firma fiel am 2. September 2004 in Konkurs, weshalb der Versicherte bereits ab diesem Monat Arbeitslosenentschädigung verlangte. Er war seinerzeit in der genannten Unternehmung als technischer Direktor tätig gewesen. Im Handelsregister blieb er bis 20. Dezember 2004 (Anmeldung im Tagebuch) als Präsident des Verwaltungsrates mit Kollektivunterschrift zu zweien eingetragen. Die Verwaltung kam daher zum Schluss, dass der Beschwerdegegner wegen seiner nach dem Konkurs andauernden arbeitgeberähnlichen Stellung erst nach der Löschung im Handelsregister Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe. 
4. 
Auch nach der Eröffnung des Konkurses verblieb der Beschwerdegegner in arbeitgeberähnlicher Stellung in der erwähnten Firma. Indessen werden die Befugnisse der Gesellschaftsorgane nach Eröffnung des Konkurses eingeschränkt (Art. 740 Abs. 5 OR). Die Liquidation wird von der Konkursverwaltung durchgeführt, und die Organe behalten ihre Vertretungsbefugnis nur, soweit sie notwendig ist. Im Unterschied zu den von der Verwaltung zitierten Fällen (ARV 2002 S. 183 [Urteil S. vom 19. März 2002, C 373/00], Urteile M. vom 20. Mai 2005, C 248/04, L. vom 14. Juli 2004, C 19/04) war der Beschwerdegegner nicht als Liquidator der Firma eingesetzt worden. Damit behielt er die für Liquidatoren typischen gesetzlichen und statutarischen Befugnisse nicht bei, welche diese in der Regel vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausschliessen. Vielmehr führt im vorliegenden Fall das zuständige Konkursamt das Konkursverfahren zu Ende. Damit konnten keine durch das Konkursverfahren eingeschränkten Befugnisse vom Konkursamt auf den Beschwerdegegner zurückfallen (ARV 2002 S. 185 Erw. 3b). Unter solchen Gegebenheiten bestand hinsichtlich des Versicherten im Unterschied zu den erwähnten Urteilen kein Risiko eines Missbrauchs mehr. Im Weiteren hat dieser sich auf ersten Hinweis durch die Verwaltung hin (Verfügung vom 16. Dezember 2004) sofort im Handelsregister löschen lassen. Gestützt auf Art. 27 Abs. 1 ATSG hätte die Kasse ihn bereits bei der Anmeldung zum Leistungsbezug auf die mit der arbeitgeberähnlichen Stellung zusammenhängende Problematik hinweisen müssen (Urteil W. vom 28. Oktober 2005, C 157/05). Nach dem Gesagten besteht daher kein Grund, dem Versicherten den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung wegen der arbeitgeberähnlichen Stellung zu verweigern. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Unia Arbeitslosenkasse hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Entschädigung von Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung, Basel, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 2. Juni 2006 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: