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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 1/2} 
1E.2/2004 /grl 
 
Urteil vom 21. April 2004 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio, 
Gerichtsschreiberin Schilling. 
 
Parteien 
Einwohnergemeinde Baar, 6341 Baar, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Martin Neese, 
 
gegen 
 
Nordostschweizerische Kraftwerke AG (NOK), 
Parkstrasse 23, Postfach, 5401 Baden, 
Schweizerische Bundesbahnen (SBB), 
Division Infrastruktur, Geschäftsbereich Energie, Energieproduktion Netz, 3052 Zollikofen, vertreten 
durch Nordostschweizerische Kraftwerke AG (NOK), Parkstrasse 23, Postfach, 5401 Baden, 
Beschwerdegegnerinnen, 
Vizepräsident der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 9, Dr. Thomas Willi, Sonnenplatz 1, 6020 Emmenbrücke 2. 
 
Gegenstand 
Bewilligung des abgekürzten Verfahrens 
nach Art. 33 EntG
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Vizepräsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 9, vom 19. Januar 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Eidgenössische Starkstrominspektorat genehmigte am 21. April 1997 die ihm von der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK) und den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) vorgelegten Detailprojekte für zwei teilweise gemeinsam geführte Hochspannungsleitungen, nämlich die 110 kV-Leitung "Altgass - Horgen" der NOK und die 132 kV-Leitung "Rotkreuz - Sihlbrugg" der SBB. Gegen die Plangenehmigungsverfügung führten verschiedene Anwohner beim Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (heute: Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation [UVEK]) mit einer gemeinsamen Eingabe Verwaltungsbeschwerde. Das Departement wies die Beschwerde am 26. April 2001 ab, soweit auf sie einzutreten und sie nicht gegenstandslos geworden war. Gegen den Beschwerdeentscheid reichten die Anwohner der Rechtsmittelbelehrung entsprechend beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Diese wurde schliesslich an den gemäss altem Verfahrensrecht zuständigen Bundesrat überwiesen. Der Bundesrat wies die Beschwerde der Anwohner mit Entscheid vom 29. Mai 2002 ab. 
Auf eine von den Anwohnern gegen den Bundesratsentscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde trat das Bundesgericht am 19. Juli 2002 nicht ein (1A.144/2002). 
B. 
Mit Eingabe vom 22. Oktober 2003 ersuchten die NOK und die SBB die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 9, um Eröffnung des Enteignungsverfahrens zum Erwerb der für den Bau der Gemeinschaftsleitung benötigten Rechte. Die Enteignerinnen stellten zugleich Antrag auf Durchführung eines abgekürzten Verfahrens im Sinne von Art. 33 lit. a des Bundesgesetzes über die Enteignung. Der stellvertretende Schätzungskommissions-Präsident gab diesem Gesuch mit Verfügung vom 19. Januar 2004 statt und ordnete an, dass die öffentliche Planauflage durch persönliche Anzeigen ersetzt werde. Die Verfügung wurde den Enteignerinnen sowie den ins Verfahren einbezogenen Grundeigentümern, darunter die Einwohnergemeinde Baar, eröffnet. 
C. 
Gegen die Verfügung des stellvertretenden Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 9, hat die Einwohnergemeinde Baar Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Entscheides verlangt. 
Die NOK ersucht im Namen der Enteignerinnen um Abweisung der Beschwerde. Der stellvertretende Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 9, beantragt ebenfalls, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Entscheide der Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommissionen über Gesuche um Durchführung des abgekürzten Verfahrens gemäss Art. 33 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG; SR 711) sind mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar (BGE 112 Ib 417 E. 2c S. 421 f. mit Hinweisen, Art. 77 Abs. 1 EntG). Die innert der zehntägigen Frist eingereichte Beschwerde ist daher zulässig. 
1.2 Die Einwohnergemeinde Baar ist als Grundeigentümerin und Enteignete zur Beschwerdeerhebung ohne weiteres legitimiert. Es kann daher offen bleiben, ob und inwieweit sie aufgrund von Art. 7 Abs. 3 EntG befugt sei, die Missachtung von Parteirechten allfälliger Drittbetroffener zu rügen. 
2. 
Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die Voraussetzungen für ein abgekürztes Verfahren seien schon deshalb nicht gegeben, weil nicht nur die in der angefochtenen Verfügung genannten neun Grundstücke, sondern weitere Parzellen für den Leitungsbau beansprucht würden. Da deren Eigentümer zu einer gütlichen Rechtsabtretung nicht bereit seien, treffe nicht zu, dass sich die Enteignung im Sinne von Art. 33 lit. a EntG nur gegen "verhältnismässig wenige" Enteignete richte. 
Diese Einwendung erweist sich als offensichtlich unbegründet. Nach den Ausführungen der Enteignerinnen haben ihnen die Grundeigentümer, die nicht in das Enteignungsverfahren einbezogen worden sind, die für den Leitungsbau nötigen Servituten vertraglich eingeräumt. Es besteht kein Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln. Selbst wenn aber der Kreis der bisher sieben Enteigneten noch erweitert werden müsste, könnte von einer Missachtung der in Art. 33 lit. a EntG vorgeschriebenen zahlenmässigen Beschränkung nicht die Rede sein. Es spielt daher auch keine Rolle, ob der Kanton Zug, mit dem die Enteignerinnen in Verhandlung stehen, als Eigentümer des für die Gemeinschaftsleitung beanspruchten Nationalstrassenareals in die Liste der Enteigneten aufgenommen werden müsse oder nicht. Die Wahrung der kantonalen Interessen kann jedenfalls nicht Sache der Beschwerdeführerin sein. 
3. 
In der Beschwerde wird weiter geltend gemacht, das Bundesgericht habe im Urteil vom 19. Juli 2002 den durch den Leitungsbau betroffenen Anwohnern in Aussicht gestellt, sie könnten ihre nachbarlichen Abwehrrechte im Rahmen des enteignungsrechtlichen Einspracheverfahrens verfechten. Es gehe daher nicht an, diesen Nachbarn nunmehr durch Bewilligung des abgekürzten Verfahrens das rechtliche Gehör zu verweigern. 
Hierzu ist klarzustellen, dass die seinerzeitigen Beschwerdeführer und Nachbarn der projektierten Hochspannungsleitung im noch nach altem Recht durchgeführten Plangenehmigungsverfahren, das bis zum Bundesrat weitergezogen werden konnte, gestützt auf Art. 6 EMRK richterliche Beurteilung verlangten. Zu diesem Begehren hat das Bundesgericht mit Hinweis auf die Rechtsprechung festgestellt, die altrechtliche Regelung über die Planung von Starkstromanlagen sei entgegen der Meinung der Beschwerdeführer mit den Anforderungen von Art. 6 EMRK vereinbar. Die vom Vorhaben in ihren Rechten Betroffenen (oder möglicherweise Betroffenen) könnten nämlich ihre Anliegen im enteignungsrechtlichen Einspracheverfahren wahren, das bis ans Bundesgericht führt. Nach bundesgerichtlicher Praxis könne die Befugnis zur enteignungsrechtlichen Einsprache nur jenen abgesprochen werden, die für das Werk mit Sicherheit keine Rechte, auch keine nachbarlichen Abwehrrechte, abzutreten hätten. Enteignungsrechtliche Einspracheverfahren seien daher nicht nur durchzuführen, wenn für den Bau oder Betrieb einer Hochspannungsleitung Grundeigentum beansprucht werde oder Baurechte und andere Dienstbarkeiten zwangsweise eingeräumt werden sollten, sondern auch, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass in nachbarrechtliche Abwehransprüche eingegriffen werde. Seien dagegen übermässige Beeinträchtigungen durch die Leitung von vornherein auszuschliessen, so falle die Durchführung eines Enteignungsverfahrens ausser Betracht (vgl. Urteil 1A.144/2002 vom 19. Juli 2002 E. 2.2 und 3 mit Hinweisen auf weitere Entscheide). 
Nun hat sich im fraglichen Plangenehmigungsverfahren für das vorliegende Projekt aufgrund der Ausführungen des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) und des Gutachtens der Fachkommission für Hochspannungsfragen (FKH) ergeben, dass die massgeblichen Belastungsgrenzwerte eingehalten und von der Leitung keine oder höchstens geringfügige Störungen zu erwarten sind. Der Bundesrat hat die Beschwerde der Nachbarn dementsprechend mit Entscheid vom 29. Mai 2002 abgewiesen. Können somit nach den Feststellungen der Fachbehörden im Plangenehmigungsverfahren jedenfalls übermässige Einwirkungen ausgeschlossen werden, so kann auch im enteignungsrechtlichen Verfahren mit der erforderlichen Sicherheit verneint werden, dass nachbarrechtliche Abwehransprüche verletzt werden könnten. Der Präsident der Schätzungskommission ist demnach bei seinem Entscheid zu Recht davon ausgegangen, dass nur von den ins Enteignungsverfahren einbezogenen Privaten Rechte (zwangsweise) beansprucht werden sollen und in keine anderen Rechtsansprüche eingegriffen wird. Die angefochtene Bewilligung zur Durchführung des abgekürzten Verfahrens erweist sich als mit dem Bundesrecht vereinbar. 
4. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. 
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind gemäss der Regel von Art. 116 Abs. 1 EntG den Enteignerinnen aufzuerlegen. Von der Zusprechung einer Parteientschädigung an die Enteignete ist mit Hinblick auf den Ausgang des Verfahrens abzusehen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdegegnerinnen unter solidarischer Haftbarkeit je zur Hälfte auferlegt. 
3. 
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Vizepräsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 9, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 21. April 2004 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: