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[AZA 7] 
I 520/99 Vr 
 
II. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 20. Juli 2000 
 
in Sachen 
 
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, Bern, 
Beschwerdeführer, 
gegen 
 
W.________, 1995, Beschwerdegegner, vertreten durch seine Eltern, 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
Mit Verfügung vom 25. März 1999 lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich gestützt auf ein Schreiben des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) vom 1. März 1999 ein Gesuch um Ergotherapie ab, weil W.________ (geboren 1995) weder an einem Geburtsgebrechen leide noch die Voraussetzungen für medizinische Massnahmen im Allgemeinen erfülle. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 17. August 1999 in dem Sinne gut, dass es die Sache zu näheren Abklärungen an die IV-Stelle zurückwies. 
Das BSV führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. 
Die IV-Stelle schliesst sich dem BSV an, während die Eltern von W.________ sich nicht vernehmen lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Hinsichtlich der massgebenden gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf medizinische Massnahmen der Invalidenversicherung im Allgemeinen (Art. 12 Abs. 1 IVG) und bei Geburtsgebrechen (Art. 13 IVG; Art. 1 GgV) kann auf die zutreffenden Erwägungen des kantonalen Entscheides verwiesen werden. Zu ergänzen ist, dass die IV- Stellen nach Art. 57 Abs. 1 lit. b IVG in Verbindung mit Art. 69 Abs. 2 IVV verpflichtet sind, u.a. die Eingliederungsfähigkeit der Versicherten abzuklären und sich die hiezu erforderlichen Unterlagen, insbesondere über den Gesundheitszustand, zu beschaffen. Das sozialversicherungsrechtliche Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren ist somit vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach haben Verwaltung und Sozialversicherungsgericht von sich aus für die richtige und vollständige Abklärung des Sachverhaltes zu sorgen. Die behördliche und richterliche Abklärungspflicht umfasst aber nicht unbesehen alles, was von einer Partei behauptet oder verlangt wird. Vielmehr bezieht sie sich nur auf den im Rahmen des streitigen Rechtsverhältnisses (Streitgegenstand) rechtserheblichen Sachverhalt. Rechtserheblich sind alle Tatsachen, von deren Vorliegen es abhängt, ob über den streitigen Anspruch so oder anders zu entscheiden ist (Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. , S. 43 und 273). In diesem Rahmen haben Verwaltungsbehörden und Sozialversicherungsgericht zusätzliche Abklärungen stets vorzunehmen oder zu veranlassen, wenn hiezu aufgrund der Parteivorbringen oder anderer sich aus den Akten ergebenden Anhaltspunkte hinreichender Anlass besteht (BGE 117 V 282 Erw. 4a mit Hinweis). 
 
2.- Streitig ist, ob die IV-Stelle den Gesundheitszustand ausreichend abgeklärt hat. 
 
a) aa) Laut Bericht der Abteilung Wachstum und Entwicklung am Kinderspital X.________ vom 19. Mai 1998 bestand Verdacht auf einen leichten, allgemeinen Entwicklungsrückstand sowie eine Spracherwerbsverzögerung bei starkem Verdacht auf Hörstörung. Zur Aetiologie sei noch keine Stellungnahme möglich. Als erste und dringende Massnahme sei eine Gehörsabklärung in der Pädoaudiologie des Kinderspitals vorzunehmen. "Wenn das Gehör in Ordnung wäre, müsste eine heilpädagogische Frühförderung erwogen werden. " Die hierauf durchgeführte pädoaudiologische Abklärung ergab gemäss Bericht der erwähnten Klinik vom 5. Juni 1998 keinen Verdacht auf Schallempfindungsschwerhörigkeit und keine Schallleitungsstörung. 
 
bb) Frau Dr. med. Z.________, Fachärztin FMH für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, diagnostizierte im Bericht vom 8. November 1998 eine expressiv-rezeptive Spracherwerbsverzögerung bei unauffälligem Gehör, Verhaltensauffälligkeiten im Sinne von autistischen Zügen und einen Verdacht auf leichten Entwicklungsrückstand. Der Knabe werde möglicherweise auf Sonderschulmassnahmen angewiesen sein. Im Schreiben vom 29. Januar 1999 führt Dr. Z.________ u.a. aus, sie habe die initial völlig ausgebliebene Sprachentwicklung und die Auffälligkeiten im Bereich der Beziehungsanbahnung bei der Invalidenversicherung anmelden wollen, obwohl im Moment keine Ziffer der GgV zutreffe. Die medizinischen Massnahmen (Ergotherapie und psychiatrische Betreuung) hätten altersmässig früh eingesetzt. Dies sei eine Chance für die Förderung. Zur Zeit werde geprüft, ob das inzwischen einsetzende Lautieren und Bilden einzelner Wörter schon genügend fortgeschritten sei, um logopädisch behandelt zu werden. 
 
cc) Dr. med. S.________, Arzt der IV-Stelle, hielt das Geburtsgebrechen Ziff. 401 (frühkindliche primäre Psychosen, infantiler Autismus) in einer Aktennotiz vom 4. Januar 1999 als nicht ausgewiesen, da autistische Züge dem frühkindlichen Autismus nicht gleichgesetzt werden dürften. Es sehe aber aus, als ob die Sprachverzögerung und -störung ohne Ergotherapie nicht zu beheben sei. In einer weiteren Notiz vom 17. Februar 1999 fragt sich der Arzt, ob die Ergotherapie unter Art. 2 Abs. 1 IVV zugesprochen werden könne. Es gebe aber keine Diagnose. Dazu wären eine spezialärztliche Abklärung an der Neurologie des Kinderspitals und eine Sprachheilabklärung notwendig. Für Letztere sei das Kind mit einem Alter von 3 ½ Jahren noch sehr klein. Es gehe darum, ein neurologisches Leiden als Ursache des Entwicklungsrückstandes auszuschliessen. Möglicherweise liege ein degeneratives Leiden vor, was kinderneurologisch abgeklärt werden müsste. 
 
b) Aus den medizinischen Akten ergibt sich, dass die behandelnden Ärzte zunächst eine Gehörstörung als Ursache für den festgestellten Entwicklungsrückstand vermutet haben. Dieser Verdacht bestätigte sich in der Folge nicht. Dr. S.________ Notizen ist anderseits zu entnehmen, dass eine Diagnose nur mit einer neurologischen Abklärung zu gewinnen ist, deren Durchführung anders als bei einer logopädischen Untersuchung keine altersmässigen Gründe entgegenstehen. Es steht somit nicht fest, ob ein degeneratives Leiden vorliegt. Insbesondere ist ein allfälliges Geburtsgebrechen weder nachgewiesen noch ausgeschlossen. Im Bericht vom 8. November 1998 weist Dr. Z.________ sodann darauf hin, dass der Knabe möglicherweise auf Sonderschulmassnahmen angewiesen sein werde. Auch im Bericht vom 29. Januar 1999 betont die Ärztin, dass die gegenwärtigen Fortschritte einer späteren Schulung zugute kämen. Demnach fragt sich, ob allenfalls medizinische Massnahmen nach Art. 12 IVG im Sinne von Rz 53 der Kreisschreibens über die medizinischen Massnahmen KSME (in der seit 1. Januar 1994 geltenden Fassung; vgl. BGE 105 V 20) angezeigt sind. Somit bestehen, entgegen den Vorbringen des BSV, bezüglich beider in Betracht kommender Ansprüche auf medizinische Massnahmen sehr wohl konkrete Hinweise auf abklärungsbedürftige Sachverhaltselemente, wie auch der letzte Satz im bundesamtlichen Schreiben vom 1. März 1999 zeigt. Mit den vorhandenen Akten ist nicht rechtsgenüglich abgesichert, ob die von der Vorinstanz angeordneten Abklärungen ohnehin zu keinem Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung führen würden und daher von vornherein zwecklos wären. Die Rückweisung zu näheren Abklärungen hält somit stand. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und der IV-Stelle des Kantons Zürich zugestellt. 
 
Luzern, 20. Juli 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: