Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_694/2011 
 
Urteil vom 23. Januar 2012 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiberin Pasquini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch 
Advokat Dr. Andreas Noll, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Hauptabteilung Arlesheim, Kirchgasse 5, 4144 Arlesheim, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einfache Verletzung der Verkehrsregeln (Beweisverwertungsverbot), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 2. August 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ lenkte am 8. Januar 2009 sein Taxi auf dem Überholstreifen der Autobahn H18 in Fahrtrichtung Delémont. Als er auf zwei vor ihm fahrende Fahrzeuge aufschloss, wechselte er auf den Normalfahrstreifen und fuhr an beiden rechts vorbei. 
 
B. 
Das Bezirksstatthalteramt Arlesheim verurteile X.________ mit Strafbefehl vom 15. Juni 2009 wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln zu einer Busse von Fr. 200.--. 
Auf Einsprache von X.________ hin bestätigte das Strafgerichtspräsidium Basel-Landschaft am 21. Januar 2011 diesen Strafbefehl. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies die Berufung von X.________ mit Urteil vom 2. August 2011 ab. 
 
C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft sei aufzuheben, und er sei freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung mit der Anweisung, das Verfahren mit neu besetztem Spruchkörper durchzuführen, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Des Weiteren stellt er die prozessualen Anträge, die Sequenz der Videoaufnahme nach Überfahren der Sicherheitslinie (recte: Sperrfläche) durch die Polizeibeamten, das Einvernahmeprotokoll vom 19. Februar 2009 und der Polizeirapport vom 15. Januar 2009 seien aus dem Recht zu weisen. Diese Verfahrensanträge seien in anderer Besetzung des bundesgerichtlichen Spruchkörpers zu entscheiden. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 141 Abs. 2 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0). Er macht im Wesentlichen geltend, die Polizeibeamten hätten das ihm angelastete Fahrmanöver mit der Videokamera erst aufgezeichnet, nachdem sie von der Ausfahrt Münchenstein auf den Normalfahrstreifen der Autobahn gewechselt und dabei eine Sicherheitslinie (recte: Sperrfläche) überfahren hätten. Bei der ihm vorgeworfenen Tat handle es sich nur um eine Übertretung, weshalb es nicht um die Aufklärung einer schweren Straftat gehe. Sein Fehlverhalten wiege sogar leichter als die Verkehrsregelverletzung der Polizeibeamten. Die Videosequenz ab Überfahren der Sperrfläche sei ein rechtswidrig erlangter Beweis im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO, der nicht verwertet werden dürfe (Beschwerde S. 8 f. N. 15 f.). 
Sodann wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz einen Verstoss gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) und den Grundsatz "in dubio pro reo" (Art. 10 Abs. 3 StPO und Art. 32 Abs. 1 BV) sowie eine Überschreitung ihres Ermessens bei der freien Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO) vor. Die Vorinstanz stütze ihr Urteil lediglich auf eine Mutmassung. Sie nehme an, die Polizeibeamten hätten sein strafbares Verhalten bereits beobachtet, als sie die Sicherheitslinie (recte: Sperrfläche) überfuhren, weil sie sich zu seiner Verfolgung entschieden hätten. Aus dem Polizeirapport gehe aber nur hervor, dass sich sein Rechtsüberholen auf der Höhe Ausfahrt Münchenstein (km 37.000) ereignet habe. Es sei möglich, dass die Polizeibeamten das ihm angelastete Manöver erst nach Überfahren der Sicherheitslinie (recte: Sperrfläche) beobachtet hätten. Angesichts des verwertbaren Teils der Videoaufzeichnung sei anzunehmen, die Beamten hätten vor Überfahren der Sicherheitslinie (recte: Sperrfläche) nur gesehen, dass er auf den Normalfahrstreifen gewechselt, die Fahrzeuge indes noch nicht überholt oder höchstens zum Überholen angesetzt habe (Beschwerde S. 10 ff. N. 19 ff.). 
 
2. 
Die Vorinstanz erwägt, die Videoaufnahme der Polizei sei entgegen der Auffassung der ersten Instanz verwertbar. Der entsprechende Entfernungsantrag des Beschwerdeführers sei abzuweisen. Die entscheidende Videosequenz sei nicht ohne begründete Veranlassung aufgezeichnet worden. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers erscheine zu Beginn der Aufnahme zufällig im Bild. Videoaufzeichnungen zum Zweck der allgemeinen Verkehrskontrollen durch die Polizei seien grundsätzlich zulässig. Gemäss der weiteren Videoaufnahme hätten die Polizeibeamten, als sie sich auf der Ausfahrt in Richtung Münchenstein befunden hätten, unvermittelt die Ausfahrt verlassen, eine Sperrfläche überfahren und seien auf den Normalfahrstreifen der Autobahn gefahren. Erst ab diesem Zeitpunkt hätten sie den Beschwerdeführer (neben anderen Verkehrsteilnehmern) mit der Kamera eingefangen. Demnach hätten sie zuerst das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers wahrgenommen und hätten erst danach die auf ihn bezogene Videoüberwachung begonnen. Weil sie die Sperrfläche erst überfuhren, nachdem sie das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erkannt hätten, sei ihr Vorgehen eine zulässige polizeiliche Nachfahrt. Deshalb sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Beobachtungen der Beamten im Polizeirapport nicht als Beweis zuzulassen seien (angefochtenes Urteil S. 7 f. E. 2.4). 
Die Vorinstanz führt weiter aus, der Polizeirapport vom 15. Januar 2009 und die Aussagen des Beschwerdeführers an der Einvernahme vom 19. Februar 2009, belegten ohne weiteres dessen Rechtsüberholen auf der Autobahn. Weil die Videoaufzeichnung verwertbar sei, bleibe ohne Folgen, dass der Beschwerdeführer damit bereits zu Beginn seiner Einvernahme konfrontiert worden sei (angefochtenes Urteil S. 8 Mitte). 
 
3. 
3.1 Gemäss Art. 141 Abs. 2 StPO dürfen Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. 
Strafprozessuale Zwangsmassnahmen sind Verfahrenshandlungen der Strafbehörden, die in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen und die unter anderem dazu dienen, Beweise zu sichern (Art. 196 lit. a StPO). Sie können nach Art. 197 Abs. 1 StPO nur ergriffen werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind (lit. a), ein hinreichender Tatverdacht vorliegt (lit. b), die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können (lit. c) und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (lit. d). 
 
3.2 Gemäss Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Kontrolle des Strassenverkehrs vom 28. März 2007 (SKV; SR 741.013) obliegt die Kontrolle des Verkehrs auf öffentlichen Strassen der nach kantonalem Recht zuständigen Polizei. Die Kontrollen sind schwerpunktmässig unter anderem nach sicherheitsrelevantem Fehlverhalten auszurichten und erfolgen stichprobenweise, systematisch oder im Rahmen von Grosskontrollen (Art. 5 Abs. 1 und 2 SKV), wobei nach Möglichkeit technische Hilfsmittel einzusetzen sind (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 SKV). Nach § 3 Abs. 1 lit. a und b des Polizeigesetzes des Kantons Basel-Landschaft vom 28. November 1996 (GS 32.778; SG 700) hat die Polizei unter anderem die Aufgabe, Massnahmen zu ergreifen, um unmittelbar drohende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren sowie Vorkehrungen zur Verhinderung und Bekämpfung von Straftaten zu treffen. 
 
3.3 Für einen hinreichenden Tatverdacht, die zweite Voraussetzung einer strafprozessualen Zwangsmassnahme, genügt der Nachweis konkreter Verdachtsmomente, wonach das inkriminierte Verhalten den fraglichen Tatbestand erfüllen könnte. Dabei muss sich der Tatverdacht aus konkreten Tatsachen ergeben, die eine vorläufige Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand erlauben (Urteil 1B_516/2011 vom 17. November 2011 E. 2.1 mit Hinweisen). 
 
4. 
Die Rüge der Verletzung von Art. 141 Abs. 2 StPO ist unbegründet, da die Videoaufnahme vom 8. Januar 2009 nicht in strafbarer Weise gemacht wurde. Die zivile Verkehrspatrouille erfüllte vielmehr eine ihr vom Gesetz auferlegte Aufgabe. Entgegen der Beschwerde ist die vorinstanzliche Feststellung, die Polizeibeamten hätten das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers vor Überfahren der Sperrfläche beobachtet, weder eine Mutmassung noch eine Annahme, sondern geht aus den Akten hervor. Gemäss Videoaufzeichnung vom 8. Januar 2009 richteten die Beamten das Aufnahmegerät gezielt auf das Taxi des Beschwerdeführers, als sie ihr eigenes Fahrzeug von der Ausfahrt Münchenstein über die Sperrfläche wieder auf die Autobahn lenkten (kantonale Akten act. 49). Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Fahrzeug des Beschwerdeführers auf dem Normalfahrstreifen bereits auf der Höhe des zweiten ihm ursprünglich auf dem Überholstreifen vorausfahrenden Fahrzeugs. Demzufolge hatten die Polizeibeamten das erste Rechtsüberholmanöver des Beschwerdeführers schon beobachtet, als sie die Sperrfläche überfuhren. Dessen Vorbringen sind nicht geeignet offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an dieser tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz darzutun (siehe BGE 134 I 140 E. 5.4 mit Hinweisen). Sie begründen auch keine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (Art. 10 Abs. 2 StPO und Art. 249 aBStP), wonach das Gericht frei von Beweisregeln und nur nach seiner persönlichen Ansicht aufgrund gewissenhafter Prüfung darüber entscheidet, ob es eine Tatsache für erwiesen hält. Dieser Grundsatz will sicherstellen, dass das Gericht nicht durch starre Beweisregeln gebunden ist, etwas als erwiesen zu erachten, was es nach seiner Überzeugung nicht ist, oder umgekehrt etwas als unbewiesen anzusehen, über dessen Nachweis seiner Auffassung nach kein Zweifel besteht. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung wird etwa verletzt, wenn bestimmten Beweismitteln im Voraus in allgemeiner Weise die Beweiseignung abgesprochen wird, oder wenn das Gericht bei der Würdigung der Beweise im Ergebnis nicht seiner eigenen Überzeugung folgt (BGE 133 I 33 E. 2.1 mit Hinweisen). 
Die Vorinstanz geht zu Recht von der Verwertbarkeit der Videoaufzeichnung aus. Demgemäss ist auf die weiteren Anträge und Ausführungen des Beschwerdeführers nicht mehr einzugehen, zumal sie die Unverwertbarkeit der Aufnahme ab Überfahren der Sperrfläche voraussetzen. Dies ist z.B. der Fall wenn er vorbringt, seine Aussagen an der Einvernahme vom 12. Februar 2009 seien gemäss Art. 140 Abs. 1 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht verwertbar. Sie seien nur wegen der Täuschung über die Verwertbarkeit der Videoaufzeichnung erfolgt (Beschwerde S. 9 N. 17 f.). 
 
5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 23. Januar 2012 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini