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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_357/2019  
 
 
Urteil vom 6. November 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Muschietti, 
Gerichtsschreiber Baur. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach 1348, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; vorzeitige Verwertung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, vom 11. Juni 2019 (BES.2019.67). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG; SR 812.121). Er wurde am 20. November 2018 verhaftet und befindet sich seither in Haft. Im Zusammenhang mit seiner Verhaftung wurde am gleichen Tag unter anderem ein Porsche Cayenne beschlagnahmt. Mit Verfügung vom 15. März 2019 ordnete die Staatsanwaltschaft dessen vorzeitige Verwertung und die ersatzweise Beschlagnahme des Nettoerlöses an. 
 
B.   
Gegen diese Anordnung gelangte A.________ an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Am 11. Juni 2019 wies dieses sein Rechtsmittel ab, soweit es darauf eintrat. Zudem auferlegte es ihm unter Abweisung seines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege die Verfahrenskosten. 
 
C.   
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 15. Juli 2019 an das Bundesgericht beantragt A.________, den Entscheid des Appellationsgerichts aufzuheben und von der vorzeitigen Verwertung des Autos abzusehen. Ausserdem sei die Beschlagnahme aufzuheben und der Porsche seinem Vater herauszugeben, der dessen rechtmässiger Eigentümer sei. Eventuell sei die Angelegenheit zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen, subeventuell der Kostenentscheid aufzuheben und ihm für das Verfahren vor dem Appellationsgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Die Staatsanwaltschaft hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Appellationsgericht beantragt unter Verweis auf seinen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. A.________ hat sich nicht mehr geäussert. 
 
D.   
Mit Verfügung vom 19. August 2019 erteilte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 140 I 90 E. 1 S. 92; 140 IV 57 E. 2 S. 59). 
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher (Art. 80 BGG) Entscheid über die vorzeitige Verwertung eines beschlagnahmten Autos und damit über eine Strafsache im Sinne von Art. 78 Abs. 1 BGG. Der Beschwerdeführer hatte unbestritten ein weitreichendes Nutzungsrecht am fraglichen Fahrzeug und war zumindest dessen (Mit-) Besitzer. Obschon er bestreitet, Eigentümer des Autos zu sein, erscheint seine Eigentümerschaft unter den gegebenen Umständen zudem zumindest als möglich. Damit ist bereits aus diesem Grund davon auszugehen, dass die strittige vorzeitige Verwertung einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG für ihn zur Folge haben könnte (vgl. Urteile 1B_125/2019 vom 26. April 2019 E. 1.2; 1B_461/2017 vom 8. Januar 2018 E. 1.2) und er ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (vgl. Urteil 1B_461/2017 vom 8. Januar 2018 E. 1.1). Auch sonst steht einem Eintreten auf die Beschwerde in Bezug auf die vorzeitige Verwertung des Autos grundsätzlich nichts entgegen. Dasselbe gilt, soweit sich die Beschwerde gegen den vorinstanzlichen Kostenentscheid richtet.  
 
1.2. Soweit die Vorinstanz dem Gehalt (aber nicht dem Entscheiddispositiv) nach in Bezug auf die Beschlagnahme und die Herausgabe des Autos nicht auf das Rechtsmittel eingetreten ist, hat der Beschwerdeführer ebenfalls ein Rechtsschutzinteresse an der Überprüfung ihres Entscheids. Erweist sich seine Beschwerde in diesem Punkt als begründet, ist die Angelegenheit insoweit zu inhaltlicher Prüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen, da keine materielle Eventualbegründung vorliegt; andernfalls hat es mit dem vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid sein Bewenden (vgl. BGE 144 II 184 E. 1.1 S. 186 f.; 135 II 38 E. 1.2 S. 41). Auf die vor Bundesgericht wiederholten Anträge des Beschwerdeführers auf Aufhebung der Beschlagnahme und Rückgabe des Fahrzeugs an seinen Vater ist deshalb nicht einzugehen.  
 
2.   
Mit der Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, die vom Beschwerdeführer geltend gemacht und begründet werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz hätte auch in Bezug auf die Beschlagnahme und die Herausgabe des Autos an seinen Vater auf seine Beschwerde eintreten müssen. Zur Begründung verweist er auf Art. 267 Abs. 1 StPO, wonach die Staatsanwaltschaft oder das Gericht die Beschlagnahme aufhebt und die Gegenstände oder Vermögenswerte der berechtigten Person aushändigt, wenn der Grund für die Beschlagnahme weggefallen ist.  
 
3.2. Diese Rüge ist unbegründet. Gegenstand der vom Beschwerdeführer bei der Vorinstanz angefochtenen Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 15. März 2019 bildeten einzig die vorzeitige Verwertung des Autos und die ersatzweise Beschlagnahme des Verkaufserlöses. Die Beschlagnahme des Fahrzeugs erfolgte dagegen bereits am 20. November 2018 und blieb unangefochten. Mit den Begehren auf Aufhebung der Beschlagnahme und Herausgabe des Autos an den Vater ging der Beschwerdeführer demnach über den Gegenstand der angefochtenen Verfügung und damit den zulässigen Streitgegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens hinaus. Daran ändert Art. 267 Abs. 1 StPO nichts. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hatte die Hängigkeit der Beschwerde gegen die verfügte vorzeitige Verwertung des Autos nicht zur Folge, dass die Zuständigkeit für den Entscheid über die Aufhebung der Beschlagnahme auf die Vorinstanz überging. Vielmehr verblieb sie bei der weiterhin verfahrensleitenden Staatsanwaltschaft (vgl. Art. 61 lit. a StPO), bei welcher der Beschwerdeführer jedoch kein entsprechendes Gesuch eingereicht hatte. Der Streitgegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens blieb demzufolge auf die Frage beschränkt, über welche die Staatsanwaltschaft entschieden hatte, das heisst jene der vorzeitigen Verwertung. Die Vorinstanz brauchte deshalb einzig insoweit auf die Beschwerde einzutreten.  
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt im Weiteren, die vorzeitige Verwertung des beschlagnahmten Autos sei unzulässig. 
 
4.1. Gemäss Art. 266 Abs. 5 StPO können unter anderem beschlagnahmte Gegenstände, die einer schnellen Wertverminderung unterliegen oder einen kostspieligen Unterhalt erfordern, nach den Bestimmungen des SchKG sofort verwertet werden (Satz 1). Der Erlös wird (ersatzweise) mit Beschlag belegt (Satz 2). Die vorzeitige Verwertung solcher Gegenstände dient der Erzielung eines möglichst hohen Erlöses und damit sowohl den Interessen des Beschuldigten als auch denjenigen des Staates. Angesichts des damit einhergehenden schweren Eingriffs ins Eigentum (Art. 26 BV) ist davon jedoch zurückhaltend Gebrauch zu machen (zum Ganzen: Urteile 1B_125/2019 vom 26. April 2019 E. 5.2; 1B_461/2017 vom 8. Januar 2018 E. 2.1; BGE 130 I 360 E. 14.2 S. 363; je mit Hinweisen).  
 
4.2. Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen der schnellen Wertverminderung und des kostspieligen Unterhalts nach Art. 266 Abs. 5 StPO als erfüllt erachtet. Der Beschwerdeführer stellt diese Beurteilung zu Recht weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht in Frage, ist sie doch angesichts der vorliegenden Umstände und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht zu beanstanden (vgl. Urteile 1B_125/2019 vom 26. April 2019 E. 5.3; 1B_461/2017 vom 8. Januar 2018 E. 2.2). Er bringt jedoch vor, die vorzeitige Verwertung des Autos komme deshalb nicht in Betracht, weil nicht er, sondern sein Vater dessen Eigentümer sei. Nach Art. 71 Abs. 3 StGB könnten im Hinblick auf die Durchsetzung einer Ersatzforderung gegen ihn nur Vermögenswerte von ihm mit Beschlag belegt werden, mithin nicht das Auto. Dieses könne demzufolge auch nicht vorzeitig verwertet werden.  
Dieser Einwand geht an der Sache vorbei. Auch im vorliegenden Verfahren bildet Streitgegenstand einzig die Frage, ob die Voraussetzungen von Art. 266 Abs. 5 StPO für die vorzeitige Verwertung des Autos erfüllt sind; die Beschlagnahme ist dagegen nicht zu überprüfen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers vermag deshalb den angefochtenen Entscheid von vornherein nicht in Frage zu stellen. Seine Beschwerde erweist sich demnach ungeachtet seiner ausführlichen Kritik an der das Eigentum am Auto betreffenden Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auch hinsichtlich der vorzeitigen Verwertung als unbegründet. Erwähnt sei im Übrigen, dass der ersatzweise mit Beschlag belegte Nettoverkaufserlös gegebenenfalls vom Vater des Beschwerdeführers herausverlangt werden kann, sollte er tatsächlich Rechte am Auto haben. 
 
5.  
 
5.1. Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, die Vorinstanz habe zu Unrecht sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen und ihm die Verfahrenskosten auferlegt. Entgegen ihrer Beurteilung sei seine Beschwerde nicht aussichtslos und der Beizug eines Anwalts nicht unnötig gewesen, auch wenn er zusätzlich zu dessen Rechtsschriften ebenfalls eine Beschwerdeschrift und eine Replik eingereicht habe. Seine Bedürftigkeit werde von der Vorinstanz zudem nicht in Abrede gestellt und sei aktenkundig.  
 
5.2. Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Die Bestimmung kommt als verfassungsrechtliche Minimalgarantie neben der StPO, insbesondere deren Art. 132, zur Anwendung (Urteile 6B_1144/2016 vom 15. Juni 2017 E. 1.3; 1B_103/2017 vom 27. April 2017 E. 4 mit Hinweisen).  
 
5.3. Soweit die Vorinstanz die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels des Beschwerdeführers bejaht hat, ist dies im Ergebnis zutreffend. Der Beschwerdeführer selbst wie auch sein Anwalt äusserten sich in ihren Rechtsschriften im vorinstanzlichen Verfahren in erster Linie zur Frage des Eigentums am beschlagnahmten Auto, ausserdem zur Aufhebung der Beschlagnahme und zur Herausgabe des Fahrzeugs. Mit den für die Frage der vorzeitigen Verwertung massgeblichen Voraussetzungen von Art. 266 Abs. 5 StPO setzten sie sich hingegen nicht oder nicht ernsthaft auseinander. Ebenso wenig stellten sie in Abrede, dass diese erfüllt sind, obschon genau dies erforderlich gewesen wäre, um die angeordnete vorzeitige Verwertung des Autos bzw. die Verfügung der Staatsanwaltschaft in Zweifel zu ziehen. Auch sonst brachten sie keine wesentlichen Gründe für die Beschwerdebegehren vor. Deren Gewinnaussichten waren demzufolge beträchtlich geringer als die Verlustgefahren und deshalb kaum als ernsthaft zu bezeichnen, mithin aussichtslos im Sinne der Rechtsprechung (BGE 142 III 138 E. 5.1 S. 139 f. mit Hinweisen). Die Vorinstanz durfte daher das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abweisen, weshalb ihr Entscheid auch insoweit nicht gegen Bundesrecht verstösst.  
 
6.   
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Zwar stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Dieses ist jedoch abzuweisen, da seine Rechtsbegehren auch im vorliegenden Verfahren mangels massgeblicher Vorbringen als aussichtslos zu beurteilen sind. Für das bundesgerichtliche Verfahren sind somit keine Parteientschädigungen auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. November 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Baur