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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_500/2021  
 
 
Urteil vom 31. Januar 2022  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin May Canellas, 
Gerichtsschreiber Stähle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ and Company, 
vertreten durch 
Rechtsanwalt Dr. Simon Holzer und Rechtsanwältin Louisa Galbraith, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch 
Rechtsanwälte Dr. Christian Hilti und 
Dr. Demian Stauber, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Patentverletzung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundespatentgerichts vom 9. Juni 2021 (O2020_001). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die A.________ and Company (Klägerin, Beschwerdeführerin) ist eine Gesellschaft mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika. Sie ist Inhaberin des schweizerischen/liechtensteinischen Teils des europäischen Patents EP xxx B1 (nachfolgend: Streitpatent), das am 15. März 2012 angemeldet und dessen Erteilung am 1. Mai 2019 veröffentlicht wurde.  
Das Patent betrifft einen Medikamenteninjektionspen. Gemäss der Beschreibungseinleitung war es bekannt, dass solche Pens die Möglichkeit bieten, eine zu hoch eingestellte Medikamentendosis zu korrigieren (sog. "dial back") oder eine letzte Dosis so zu kontrollieren, dass der Benutzer keine Dosis einstellen kann, die höher ist als die verbleibende Medikamentenmenge in einer Kartusche (sog. "last dose management" oder "last dose control"). Das Streitpatent setzt sich zur Aufgabe, gleichzeitig eine verbesserte Funktionalität des "dial back" wie auch des "last dose control management" vorzusehen. Ausserdem sollte ein Pen mit einer unkomplizierten Anordnung geschaffen werden, die einfach anpassbar ist. 
 
A.b. Die B.________ AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz.  
 
B.  
 
B.a. Am 10. Januar 2020 reichte die Klägerin beim Bundespatentgericht eine Patentverletzungsklage gegen die Beklagte ein. Sie warf ihr vor, Medikamenteninjektionspens herzustellen, anzubieten und in Verkehr zu setzen, welche in den Schutzbereich des Streitpatents fielen. Die Beklagte bestritt eine Verletzung des Streitpatents.  
 
B.b. Am 7. September 2020 erstattete die Klägerin die Replik und änderte darin ihre materiellen Rechtsbegehren. Sie verteidigte das Streitpatent in einer verbal eingeschränkten Version (Hauptantrag, Ziffer 1) und eventualiter in fünfzehn weiteren verbal eingeschränkten Fassungen (Hilfsanträge, Ziffern 1a-1.o). Der von der Klägerin in Hilfsantrag 1f geltend gemachte Anspruch 1 des Streitpatents lautet - nach der Merkmalsgliederung der Klägerin - wie folgt:  
 
" 1. A medication injection pen, comprising: 
 
1.1 a housing (1); 
1.2 a dose set knob (2) rotatable with respect to said housing (1); 
1.5 a dose stop member (71) to prevent the setting of a dose that is larger than the remaining amount of medication; 
1.3 a brake assembly (36) 
1.3.1 disposed in said housing (1) and 
1.3.2 having a ratchet member (43); and 
1.4 a driver (21); and 
1.8 a setback member (9) provided co-axially around said driver that is rotatably fixed to the setback member (9) and axially movable relative to the setback member (9), wherein the setback member (9) is coaxial with and surrounded by the dose set knob (2); 
1.4.1 characterized in that said driver (21) includes external teeth (57) engaging said ratchet member (43); 
1.6 wherein said external teeth (57) extend axially and said ratchet member (43) extends axially; 
1.11 wherein said driver teeth (57) have sloped surfaces (58) and stop ping surfaces (59) and wherein said ratchet member (43) has teeth (46) having sloped surfaces (48) and stopping surfaces (49) 
1.7 wherein a spring member (41) biases said ratchet member (43) into said engagement with said external teeth (57); 
1.4.2 wherein during dose setting and dose correcting, stopping sur faces (59) of said external teeth (57) of said driver (21) engage stopping surfaces (49) of teeth (46) of ratchet member (43) to substantially prevent said driver (21) from rotating with respect to said dose set knob (2), and 
1.4.3 during an injection, said driver (21) moves into locking en gagement with said dose set knob (2) by said setback member (9) thereby overcoming friction between said ratchet member (43) and said driver (21) to allow said driver (21) and said set back member (9) to rotate with said dose set knob (2)." 
Die Klägerin begehrte zusammengefasst, der Beklagten sei unter Androhung einer Ordnungsbusse sowie unter Strafandrohung zu verbieten, in der Schweiz einen Medikamenteninjektionspen mit diesen (im Hauptantrag und in den Hilfsanträgen genannten) Merkmalen herzustellen, zu lagern, anzubieten, zu verkaufen, zu exportieren oder anderweitig in Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken zu besitzen. Ferner verlangte sie von der Beklagten Auskunft und Rechnungslegung, namentlich über den mit dem Verkauf entsprechender Medikamenteninjektionspens erzielten Bruttoumsatz und Nettogewinn sowie die Namen und Adressen der Käufer. 
Ferner beantragte die Klägerin, die Beklagte sei zu verurteilen, ihr nach erfolgter Auskunftserteilung und Rechnungslegung entweder den Schaden aus entgangenem Gewinn, den erzielten Nettogewinn oder eine angemessene Lizenzgebühr für die Nutzung des Streitpatents, mindestens aber Fr. 1'000'000.-- und jeweils nebst Zins, zu bezahlen und überdies die entsprechenden, sich noch in deren Besitz befindlichen Medikamenteninjektionspens auf eigene Kosten zu vernichten. 
 
B.c. Am 3. März 2021 erstattete Fachrichter Christoph Müller sein Fachrichtervotum. In der zu diesem Fachrichtervotum eingereichten Stellungnahme vom 3. Mai 2021 stellte die Klägerin den Antrag, das Verfahren "bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt betreffend [EP xxx B1] auszusetzen".  
 
B.d. Am 4. Juni 2021 fand die Hauptverhandlung statt. An dieser wiederholte die Klägerin ihren Sistierungsantrag. Ausserdem ersuchte sie darum, die Verletzung des Streitpatents gemäss Hilfsantrag 1f zuerst, das heisst als Hauptantrag, zu prüfen.  
 
B.e. Mit Urteil vom 9. Juni 2021 wies das Bundespatentgericht sowohl den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens als auch die Klage ab.  
Es kam unter Hinweis auf Art. 123 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens, revidiert in München am 29. November 2000 (EPÜ; SR 0.232.142.2), zum Schluss, dass die Gegenstände, die in Anspruch 1 gemäss Hauptantrag wie auch den Hilfsanträgen beansprucht werden, über den Inhalt der Patentanmeldung hinausgingen. Das Streitpatent sei daher in sämtlichen geltend gemachten Fassungen nicht rechtsbeständig. Bereits aus diesem Grund sei die Klage abzuweisen. Ob sie auch deshalb nicht zu schützen wäre, weil die Gegenstände der geltend gemachten Ansprüche weder neu seien noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten, wie dies die Beklagte ferner behaupte, könne bei diesem Ergebnis offengelassen werden. 
 
C.  
Die Klägerin verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Bundespatentgerichts sei aufzuheben und die Sache sei "zu neuer Beurteilung der Rechtsbeständigkeit und der Verletzung des schweizerischen Teils des EP xxx im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen", eventualiter ohne derartige "materiell-rechtliche Anweisungen", an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem sei das Bundespatentgericht anzuweisen, das Verfahren zu sistieren, "mindestens bis im parallelen Einspruchsverfahren beim Europäischen Patentamt betreffend das EP xxx eine Entscheidung der zuständigen Einspruchsabteilung ergangen und bekannt ist, ob diese Entscheidung bei der zuständigen Beschwerdekammer angefochten wird". 
Das Bundespatentgericht verzichtete auf Vernehmlassung. Die Beschwerdegegnerin begehrt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Beschwerdeführerin replizierte, worauf die Beschwerdegegnerin eine Duplik eingereicht hat. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde betrifft eine Zivilsache (vgl. Art. 72 BGG) und richtet sich gegen einen Endentscheid (vgl. Art. 90 BGG) des Bundespatentgerichts (vgl. Art. 75 Abs. 1 BGG). Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in Zivilsachen offen, gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. e BGG unabhängig vom Streitwert. 
Die Beschwerdeführerin stellt vor Bundesgericht - allenfalls abgesehen vom Sistierungsantrag - kein materielles Begehren. Nachdem aber die Vorinstanz die Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nicht beantwortet hat, könnte das Bundesgericht im Falle der Gutheissung nicht selbst in der Sache entscheiden. Der Rückweisungsantrag ist zulässig. 
Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
Die Beschwerdeführerin ist mit der vorinstanzlichen Abweisung ihres Sistierungsbegehrens nicht einverstanden. Darauf ist zunächst einzugehen (Erwägung 3). Sodann bemängelt sie das Urteil in der Sache und bekräftigt ihre Auffassung, das Streitpatent sei rechtsbeständig. Diese Rüge ist in einem zweiten Schritt zu behandeln (Erwägungen 4-7). 
 
3.  
 
3.1. Soweit im angefochtenen Urteil das Sistierungsbegehren abgewiesen wurde, erhebt die Beschwerdeführerin in zweierlei Hinsicht Kritik: Sie tadelt zunächst Verfahrensfehler und moniert eine Verletzung des Anspruchs auf ein unabhängiges sowie unparteiisches Gericht, auf ein faires Verfahrens und auf rechtliches Gehör (dazu Erwägung 3.2). Sodann beanstandet sie den Sistierungsentscheid auch inhaltlich (dazu Erwägung 3.3).  
Die Beschwerdegegnerin erwidert, der Entscheid über die Sistierung könne mangels selbständiger Eröffnung nicht angefochten werden, geht damit aber fehl (vgl. Urteil 5A_453/2021 vom 26. Juli 2021 E. 3.2.2 mit Hinweis). Sie führt weiter ausführlich aus, weshalb es entgegen den in der Beschwerde formulierten Rechtsbegehren nicht am Bundesgericht sei, über die Sistierung zu befinden. Diesen Bedenken ist unter dem Gesichtspunkt der bundesgerichtlichen Zurückhaltung bei der Überprüfung von Ermessensentscheiden Rechnung zu tragen (Erwägung 3.3.4). 
Anlass zu Diskussion könnte die Frage geben, welche Beschwerdegründe in diesem Zusammenhang zulässig sind. Nach der Praxis der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts stellt die auf Art. 126 ZPO gestützte Abweisung eines Sistierungsantrags einen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG dar, mit der Folge, dass letztinstanzlich einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte vorgebracht werden kann (Urteile 5A_49/2020 vom 6. Mai 2020 E. 3; 5A_719/2019 vom 23. März 2020 E. 3.4; 5A_520/2019 vom 27. Januar 2020 E. 3.1; 5A_966/2018 vom 28. November 2018 E. 3.2; je mit weiteren Hinweisen; siehe demgegenüber beispielsweise Urteil 4A_683/2014 vom 17. Februar 2015 E. 2). Wie es sich hiermit im Einzelnen verhält, kann indes dahingestellt bleiben. Die Rügen der Beschwerdeführerin erweisen sich ohnehin als unbegründet: 
 
3.2. (Formelle Kritik)  
 
3.2.1. Die Beschwerdeführerin stört sich an folgendem Verfahrensablauf:  
In ihrer Stellungnahme zum Fachrichtervotum vom 3. Mai 2021 stellte sie den Antrag, das Verfahren auszusetzen. Im ersten Parteivortrag anlässlich der Hauptverhandlung vom 4. Juni 2021 wiederholte sie dieses Begehren. 
Nach diesem ersten Parteivortrag der Beschwerdeführerin ersuchte die Beschwerde gegnerin das Bundespatentgericht, "vorab" über die Aussetzung des Verfahrens zu entscheiden, da dies ihren Parteivortrag gegebenenfalls "abkürze". 
Nach einer Verhandlungspause teilte der Präsident des Bundespatentgerichts mit, das Gericht "werd[e] den Aussetzungsantrag ablehnen". Die Begründung hierfür folge "im Urteil". Damit - so stellte der Präsident fest - "dürfte sich der Vortrag der Beklagten verkürzen". 
Die Beschwerdegegnerin plädierte entsprechend nicht zum Sistierungsbegehren. 
In der Replik monierte die Beschwerdeführerin, dass es nicht angehe, "heute" den Aussetzungsantrag abzuweisen, diesen Entscheid aber erst im Endurteil zu begründen. Das Gericht habe einen selbständig eröffneten Zwischenentscheid zu erlassen. 
In der Folge betonte der Präsident, dass die Abweisung des Sistierungsantrags auch im Endurteil begründet werden könne. Er liess ferner "klarstellen", dass das Gericht die Parteien "heute darüber informiert, dass es den Aussetzungsantrag ablehnen wird, [...] damit der Vertreter der Beklagten sich die entsprechenden Ausführungen sparen kann. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wird abgewiesen werden." 
 
3.2.2. Die Beschwerdeführerin schliesst daraus, dass die Abweisung des Sistierungsantrags "rechtswidrig" zustandegekommen sei. Das Bundespatentgericht habe - so führt sie nun vor Bundesgericht aus - bereits anlässlich der Hauptverhandlung den "endgültigen Entscheid" getroffen, das Aussetzungsbegehren abzulehnen, diesen jedoch in Verletzung von Art. 112 Abs. 1 BGG nicht separat schriftlich eröffnet. Indem der Präsident mitgeteilt habe, wie über den Antrag im Endurteil entschieden werde, habe er einen Befangenheitsgrund gesetzt. Die Ausgangslage hinsichtlich der Frage der Verfahrensaussetzung sei im damaligen Zeitpunkt nicht mehr offen und insgesamt "kein faires Verfahren mehr gewährleistet" gewesen.  
 
3.2.3. Die Ausführungen in der Beschwerde erschöpfen sich in allgemeiner Kritik an der vorinstanzlichen Prozessführung, ohne dass ersichtlich wäre, welche konkrete Folgerungen die Beschwerdeführerin für das vorliegende Verfahren gezogen haben möchte. Sie stellte jedenfalls weder an der Hauptverhandlung vom 4. Juni 2021 noch nachher ein Ausstandsbegehren gegen den Präsidenten oder andere Mitglieder des Bundespatentgerichts. Auch ist nicht erkennbar, inwiefern ihr aus der nachträglichen Begründung (erst) im Urteil in der Sache ein Nachteil erwachsen sein sollte. Der pauschal erhobene Vorwurf, der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, wird in der Beschwerde nicht weiter begründet. Ohnehin ist aber zu beachten, dass die Wahrung des rechtlichen Gehörs keinen Selbstzweck darstellt (im Einzelnen: zur Publikation vorgesehenes Urteil 4A_166/2021 vom 22. September 2021 E. 5.2.1), wie dies die Beschwerdeführerin aber anzunehmen scheint.  
 
3.3. (Materielle Kritik)  
 
3.3.1. Nach Art. 128 lit. b PatG (SR 232.14) kann das Patentgericht das Verfahren, insbesondere das Urteil, aussetzen, wenn die Gültigkeit des europäischen Patents streitig ist und eine Partei nachweist, dass beim Europäischen Patentamt (EPA) ein Einspruch noch möglich oder über einen Einspruch noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Darüber hinaus sieht Art. 126 Abs. 1 ZPO vor, dass das Gericht das Verfahren sistieren kann, wenn dies die Zweckmässigkeit verlangt, so namentlich dann, wenn der Entscheid vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängig ist.  
 
3.3.2. Die Beschwerdeführerin machte vor Vorinstanz darauf aufmerksam, dass zum Patent EP xxx B1, dessen schweizerischer/ liechtensteinischer Teil Gegenstand dieses Prozesses ist, ein Einspruchsverfahren beim EPA hängig sei. Sie brachte vor, dass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bestehe, im Speziellen weil "die vorläufige Beurteilung der Einspruchsabteilung und das Fachrichtervotum teilweise zu unterschiedlichen Auffassungen" gelangt seien.  
 
3.3.3. Das Bundespatentgericht verwarf diese Argumentation. Es wies darauf hin, dass nicht vor dem ersten Halbjahr 2023 mit einem rechtskräftigen Abschluss des europäischen Einspruchsverfahrens zu rechnen sei. Die hängige Patentverletzungsklage behindere die Beschwerdegegnerin in ihrer wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit, da sie bis zum Abschluss des Verletzungsverfahrens nicht wisse, ob sie die angegriffene Ausführungsform weiter herstellen und vertreiben dürfe. Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen sei demgegenüber moderat. Hinzu komme, dass es die Beschwerdeführerin als Klägerin sei, die noch während laufender Einspruchsfrist eine Patentverletzungsklage eingereicht habe. Wäre es ihr tatsächlich daran gelegen, widersprüchliche Urteile zu vermeiden, hätte sie mit der Klage zuwarten können. Insgesamt überwiege das von Art. 29 Abs. 1 BV geschützte Interesse der Beschwerdegegnerin an einer beförderlichen Verfahrensführung.  
 
3.3.4. Bei Art. 128 PatG und Art. 126 ZPO handelt es sich um "Kann-Bestimmungen". Sie räumen dem Gericht ein erhebliches Ermessen ein (vgl. Urteile 4A_249/2018 vom 12. Juli 2018 E. 3; 4A_307/2016 vom 8. November 2016 E. 2.4; 4A_409/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 4; 4A_683/2014 vom 17. Februar 2015 E. 2.1; ferner Urteil 4A_386/2020 vom 17. August 2020 E. 6). Entsprechend schreitet das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung ein (BGE 143 III 261 E. 4.2.5; 140 III 159 E. 4.2).  
Art. 128 lit. b PatG soll namentlich verhindern, dass der vom Patentinhaber Beklagte im schweizerischen Patentverletzungsprozess zu Unterlassung oder Schadenersatz verurteilt, das europäische Patent nachträglich im Einspruchsverfahren indes ganz oder teilweise widerrufen wird (Botschaft vom 24. März 1976 über drei Patentübereinkommen und die Änderung des Patentgesetzes, BBl 1976 II 109 zu Art. 127-129 PatG; MARK SCHWEIZER, in: Schweizer/Zech [Hrsg.], Patentgesetz [PatG], Handkommentar, 2019, N. 2 zu Art. 128 PatG). Die Norm ist denn auch auf den Fall zugeschnitten, in dem der Beklagte den Sistierungsantrag stellt und dem regelmässig das Interesse des klägerischen Patentinhabers gegenüberzustellen ist, sein Patentrecht effektiv und zeitnah durchzusetzen (siehe PETER HEINRICH, PatG/EPÜ, Kommentar, 3. Aufl. 2018, N. 6 f. zu Art. 128 PatG). 
Im vorliegenden Fall ist es nun aber die Beschwerdeführerin, welche als Klägerin um Aussetzung des Verfahrens ersucht. Sie begründet diese besondere Konstellation im Wesentlichen wie folgt: Sollte das EPA das Patent in einer (bloss) eingeschränkten Fassung für rechtsbeständig erachten, gelte es in dieser Fassung auch für die Schweiz. Werde dem Sistierungsantrag nun stattgegeben, könne sie die vom EPA (gegebenenfalls) aufrechterhaltene Version als echtes Novum im Sinne von Art. 229 Abs. 1 lit. a ZPO in das laufende schweizerische Patentverletzungsverfahren einbringen. Werde das Verfahren indes nicht ausgesetzt, verwehre ihr der Grundsatz der materiellen Rechtskraft, eine neue Verletzungsklage gestützt auf das Patent in der vom EPA eingeschränkten Fassung zu erheben. 
Dies trifft indes nicht zu. Die Einschränkung der Patentansprüche - ob verbal im Prozess vor Bundespatentgericht oder mit erga-omnes-Wirkung durch das EPA beziehungsweise das IGE - führt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nämlich zu einem neuen (technischen) Sachverhalt und folglich zu einer neuen Anspruchsgrundlage (BGE 146 III 416 E. 4.1, 4.3 und 5.3 S. 422, 55 E. 2.5.1; Urteil 4A_543/2017 vom 8. Mai 2018 E. 2.2). Damit ist der Argumentation der Beschwerdeführerin der Boden entzogen. Ihre Ansicht liefe ausserdem darauf hinaus, dass bei Rechtshängigkeit eines Einspruchsverfahrens vor dem EPA quasi voraussetzungslos die Aussetzung des innerstaatlichen Patentverletzungsverfahrens begehrt werden könnte. Dies lehnt das Schrifttum indes ab (HEINRICH, a.a.O., N. 6 zu Art. 128 PatG; SCHWEIZER, a.a.O., N. 9 zu Art. 128 PatG; HANS PETER WALTER, Die Aussetzung des Verletzungs- oder Nichtigkeitsprozesses wegen eines vor dritten Instanzen anhängigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens nach schweizerischem Recht, GRUR Int. 1989 S. 442). Mit Grund: Das EPÜ lässt die einklagbaren Ansprüche aus dem Patent mit der Erteilung entstehen, nicht erst mit der rechtskräftigen Abweisung eines Einspruchs. Die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Lösung hätte zur Folge, dass der Einspruch die Rechtswirksamkeit eines Patents stets hemmen würde, ohne dass das EPÜ eine solche allgemeine Suspensivwirkung vorsähe. Art. 128 lit. b PatG bietet dafür denn auch keine Grundlage, sondern fordert eine Abwägung der Interessen im Einzelfall. 
 
3.3.5. Im Übrigen beschränkt sich die Beschwerdeführerin darauf, die mögliche Dauer und die denkbaren Ergebnisse des Einspruchsverfahrens vor dem EPA zu schildern. Es gelingt ihr nicht, einen vom Bundesgericht korrigierbaren Fehler in der vorinstanzlichen Ermessensausübung aufzuzeigen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Bundespatentgericht dem Beschleunigungsgebot (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 124 Abs. 1 Satz 2 ZPO) Gewicht beigegeben hat. Auch das Anliegen der Beschwerdegegnerin, nicht über längere Zeit mit einer Patentverletzungsklage mit ungewissem Ausgang konfrontiert zu sein, hat sie in zulässiger Weise in ihre Erwägungen miteinbezogen. An diesen Überlegungen ändert auch die Anregung der Beschwerdeführerin nichts, das Verfahren "immerhin" bis zum Entscheid der Einspruchsabteilung des EPA auszusetzen, das europäische Beschwerdeverfahren (vgl. Art. 106 ff. EPÜ) mithin nicht abzuwarten.  
 
3.3.6. Die Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin haben sich in einer Publikation (HILTI/STAUBER, in: Christian Hilti und andere [Hrsg.], Schweizerisches und europäisches Patent- und Patentprozessrecht, 4. Aufl. 2021, S. 466) auf den Standpunkt gestellt, dass die Sistierung des Patentverletzungsverfahrens in jedem Fall ausscheidet, wenn das Streitpatent - wie vorliegend - nach Auffassung des Bundespatentgerichts ohnehin nicht rechtsbeständig ist. Wie es sich hiermit verhält, braucht nach dem Gesagten nicht entschieden zu werden. Ebenso wenig ist zu klären, welche Bedeutung dem zwischenzeitlich ergangenen Widerrufsentscheid der Einspruchsabteilung des EPA zuzumessen ist.  
 
3.3.7. Der von der Beschwerdeführerin geübten Kritik, die Vorinstanz habe Art. 128 lit. b PatG und Art. 126 ZPO verletzt, ist nicht zu folgen. Dementsprechend ist nun das Urteil in der Sache zu prüfen, konkret den in der Beschwerde erhobenen Vorwurf, das Bundespatentgericht habe die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents unrichtig beurteilt.  
 
4.  
 
4.1. Nach Art. 26 Abs. 1 lit. c PatG stellt das Gericht die Nichtigkeit des Patents fest, wenn der Gegenstand des Patents über den Inhalt des Patentgesuchs in der für das Anmeldedatum massgebenden Fassung hinausgeht. Damit wurde der Nichtigkeitsgrund gemäss Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ in das nationale Recht überführt (BGE 147 III 337 E. 7.1.1 E. 340; 146 III 177 E. 2.1.1).  
Diese beiden Bestimmungen knüpfen ihrerseits - soweit es um das europäische Erteilungsverfahren geht - an Art. 123 Abs. 2 EPÜ an, worin die Zulässigkeit von Änderungen im Anmeldeverfahren eingeschränkt wird. Demgemäss dürfen die europäische Patentanmeldung und das europäische Patent nicht in der Weise geändert werden, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (vgl. auch Art. 58 Abs. 2 PatG). Mit dieser Regelung soll ausgeschlossen werden, dass der Patentinhaber seine Position verbessert, indem er für Gegenstände Schutz beansprucht, die in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart worden sind. Dem Anmelder soll es verwehrt sein, nachträgliche Änderungen oder Weiterentwicklungen in das Anmeldeverfahren einzubringen und damit ein Schutzrecht zu erlangen, das am Stand der Technik zur Zeit der Anmeldung gemessen wird. Auch wird darauf hingewiesen, dass dieses Änderungsverbot im Dienst der Rechtssicherheit stehe: Die Öffentlichkeit soll nicht durch Patentansprüche überrascht werden, welche aufgrund der ursprünglich eingereichten Fassung nicht zu erwarten waren (BGE 147 III 337 E. 7.1.1; 146 III 177 E. 2.1.1 und 2.1.2). 
Dabei ist unter dem "Gegenstand des Patents" nicht der "Schutzbereich" nach Art. 69 EPÜ zu verstehen, wie er durch die Patentansprüche bestimmt wird. Vielmehr geht es um den "Gegenstand" im Sinne von Art. 123 Abs. 2 EPÜ, also einschliesslich der gesamten Offenbarung in der Beschreibung und in den Zeichnungen. Gemäss der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des (EPA) erlaubt diese Bestimmung eine Änderung nach der Anmeldung nur im Rahmen dessen, was der Fachmann der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig entnehmen kann. Dieser Prüfmassstab wird als "Goldstandard" bezeichnet (BGE 147 III 337 E. 7.1.1 S. 341; 146 III 177 E. 2.1.3 mit Hinweisen). 
 
4.2.  
 
4.2.1. Das unzulässige Hinausgehen über den Offenbarungsgehalt kann sowohl im Hinzufügen als auch im Weglassen von Informationen bestehen. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA ist es in der Regel nicht zulässig, bei der Änderung eines Anspruchs ein isoliertes Merkmal aus einer Reihe von Merkmalen herauszugreifen, die ursprünglich nur in Kombination miteinander (zum Beispiel in einer bestimmten Ausführungsform in der Beschreibung) offenbart wurden. Eine derartige Änderung stellt eine sogenannte Zwischenverallgemeinerung dar, indem sie zwar den beanspruchten Gegenstand an sich weiter einschränkt, aber dennoch auf eine nicht offenbarte Kombination von Merkmalen gerichtet ist, die breiter ist als der ursprünglich offenbarte Kontext (BGE 147 III 337 E. 7.1.2 mit Hinweisen).  
Eine solche Zwischenverallgemeinerung ist nach dieser Rechtsprechung nur zu rechtfertigen, wenn keinerlei eindeutig erkennbare funktionale oder strukturelle Verbindung zwischen den Merkmalen der spezifischen Kombination besteht beziehungsweise das herausgegriffene Merkmal nicht untrennbar mit diesen Merkmalen verknüpft ist. Sie ist mithin nur zulässig, wenn der Fachmann aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zweifelsfrei erkennen kann, dass das herausgegriffene Merkmal keinen engen Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen des Ausführungsbeispiels aufweist, sondern sich unmittelbar und eindeutig auf den allgemeineren Kontext bezieht (BGE 147 III 337 E. 7.1.2 S. 342). 
 
4.2.2. Die Beschwerdeführerin kritisiert in der Replik, der "Tatbestand" der Zwischenverallgemeinerung habe "innert kurzer Zeit ein problematisches Eigenleben angenommen", und verweist auf STEPHAN FREISCHEM, Zwischenverallgemeinerung oder die schleichende Enteignung der Erfinder, GRUR 2021 S. 188-191. In der Tat scheinen gewisse nationale Gerichte diese Frage unter einem anderen Blickwinkel anzugehen (siehe etwa die von KLAUS BACHER, Die Rechtsprechung des BGH in Patentsachen im Jahr 2020, GRUR 2021 S. 1343 referierte Praxis des deutschen Bundesgerichtshofs). Allein, daraus folgt nicht, dass die erst kürzlich (in BGE 147 III 337) höchstrichterlich festgelegten, durch die etablierte Praxis der Rechtsprechungsorgane des EPA und durch das Schrifttum gestützten Grundsätze zur Zulässigkeit von Zwischenverallgemeinerungen aufzugeben wären. Die Beschwerdeführerin und gleichermassen der von ihr zitierte Autor befürchten denn auch in erster Linie, die vorstehend wiedergegebene Praxis zu Zwischenverallgemeinerungen schliesse sachlich sinnvolle Generalisierungen selbst dann aus, wenn diese keine neue technische Lehre vermittelten. Diese Sorgen sind unbegründet. Massgebend ist nach wie vor, welche technischen Informationen der ursprünglichen Anmeldung aus der Perspektive des Fachmanns zweifelsfrei entnommen werden können (Erwägung 4.2.1).  
 
4.3. Die auf Art. 26 PatG gestützte Nichtigkeit kann nicht nur mit Klage, sondern auch als Einwendung im Patentverletzungsprozess geltend gemacht werden (Urteil 4A_109/2011 / 4A_111/2011 vom 21. Juli 2011 E. 4.2).  
 
5.  
Strittig ist vor Bundesgericht, ob Anspruch 1 des Streitpatents in der in Hilfsantrag 1f geltend gemachten Fassung (siehe zur Merkmalsgliederung Sachverhalt Bst. B.b) im Vergleich zur ursprünglichen Anmeldung unzulässig geändert worden ist. Das Patent in der erteilten Fassung sowie in der Fassung der übrigen Hilfsanträge verteidigt die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht nicht mehr. 
Die Vorinstanz erkannte eine unzulässige Änderung in Bezug auf vier Merkmale, nämlich die Merkmale 1.5, 1.8, 1.4.2 und 1.4.3 von Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag 1f. Die Beschwerdeführerin vertritt dagegen die Meinung, die technische Information des geltend gemachten Anspruchs lasse sich hinsichtlich aller dieser Merkmale direkt und eindeutig aus der ursprünglichen Anmeldung ableiten. Sie wirft dem Bundespatentgericht vor, Art. 51 Abs. 3 und Art. 69 PatG, Art. 123 Abs. 2 EPÜ, das Protokoll über die Auslegung des Art. 69 EPÜ sowie Art. 9 BV verletzt zu haben. 
 
6.  
Die Vorinstanz hielt zur Definition des massgebenden Fachmanns fest, dieser verfüge über einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss und habe mehrjährige Berufserfahrung in der "Entwicklung, Konstruktion und Fertigung im Bereich der Konstruktion von Injektionsvorrichtungen" unter Berücksichtigung der Anforderungen der Grossserienfertigung. Er sei speziell mit den Erfordernissen einer spritzgussgerechten Konstruktion vertraut, besitze in diesem Bereich fundierte Anwenderkenntnisse und kenne die für Injektionspens geltenden Sicherheitsanforderungen sowie ihre regulatorischen Grundlagen. 
 
7.  
Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag 1f enthält Merkmal 1.5 mit folgendem Wortlaut: 
 
"a dose stop member (71) to prevent the setting of a dose that is larger than the remaining amount of medication" 
 
7.1. Das Bundespatentgericht erwog, dieses Dosis-Stopp-Element werde in der ursprünglichen Anmeldung ausschliesslich in Abs. [0066] und [0067] offenbart. Dort werde folgende Ausführungsform beschrieben:  
 
"A dose stop member 71 (Figs. 2 and 4) can be provided for last dose management, to prevent the setting of a dose that is larger than the remaining amount of medication in the cartridge 18. The dose stop member 71 is axially slidable but rotationally fixed with respect to the setback member 9 by being positioned between a pair of splines 63 provided on an outer surface 64 of the setback member 9, as shown in Figs. 2, 5A and 5B. The dose stop member 71 is preferably a half-nut like element that is threaded on its outer surface with a plurality of threads 72." [Hervorhebung hinzugefügt]  
Das Dosis-Stopp-Element sei somit nicht als solches - in seiner Allgemeinheit - offenbart worden, sondern nur insoweit, als es axial verschiebbar und drehfest zum Rücksetzelement sei. Mit anderen Worten weise das Dosis-Stopp-Element gemäss der ursprünglichen Anmeldung eine untrennbare "funktionale und strukturelle Verbindung" mit den Eigenschaften der axialen Verschiebbarkeit und der Drehfestigkeit auf. Indem nun in Merkmal 1.5 generell ein Dosis-Stopp-Element - ohne weitere Einschränkungen - aufgenommen worden sei, liege eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor. 
 
7.2. Diesen Ausführungen hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass Merkmal 1.5 "funktioneller" Natur sei: Es beschreibe die Funktion des Dosis-Stopp-Elements und nicht dessen "strukturelle Ausgestaltung", was an der Formulierung "to prevent" erkennbar sei. Ein Fachmann wisse, dass es sich beim Dosis-Stopp-Element um ein "im Stand der Technik bereits bekanntes Element" handle [Hervorhebung im Original], das eine bestimmte Funktion erfülle, aber "auf unterschiedliche Arten bzw. im Stand der Technik bereits bekannte Arten ausgestaltet" sein könne. Lese ein Fachmann die ursprüngliche Anmeldung, beschränke er diese nicht auf die in Abs. [0066] offenbarte konkrete Ausführungsform, sondern sehe sich allgemein angeleitet, die Funktion eines Dosis-Stopp-Elements in die patentgemässen Injektionspens aufzunehmen.  
 
7.3. Es steht fest, dass das Dosis-Stopp-Element nur in einer bestimmten Ausführungsform in der Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung konkret offenbart wurde, und zwar als axial verschiebbar sowie drehfest zum Rücksetzelement angeordnet. Die Beschwerdeführerin greift im geltend gemachten Anspruch ein Merkmal heraus (das Dosis-Stopp-Element an sich), lässt dabei aber die genannten Einschränkungen weg. Der geänderte Anspruch gemäss Hilfsantrag 1f liefert insofern die technische Lehre, ein Dosis-Stopp-Element beliebiger Beschaffenheit einzusetzen. Damit wird der Gegenstand des Patents (zwischen-) verallgemeinert. Die Beschwerdeführerin hält dies für zulässig, weil das Dosis-Stopp-Element als solches bereits aus dem Stand der Technik bekannt sei. Darauf kommt es aber gerade nicht an (so ausdrücklich die Technische Beschwerdekammer des EPA, etwa in der Entscheidung T 0555/16 vom 30. Januar 2020 Punkt 2.8 S. 7). Entscheidend ist allein, ob der Fachmann ausgehend von den ursprünglichen Anmeldeunterlagen zweifelsfrei hätte erkennen können, dass das Dosis-Stopp-Element nicht in engem Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen des Ausführungsbeispiels (axiale Verschiebbarkeit, Drehfestigkeit) steht, sich mithin unmittelbar und eindeutig auf den allgemeinen Kontext bezieht (vgl. BGE 147 III 337 E. 7.2). Derartiges zeigt die Beschwerdeführerin mit dem blossen Hinweis auf die "Funktion" dieses neu (da isoliert) eingeführten Merkmals nicht auf. Sie tut auch nicht dar, dass die Merkmale der Verschiebbarkeit in axialer Richtung und der Drehfestigkeit - für den Fachmann auf Anhieb erkennbar - in den ursprünglichen Unterlagen als nicht erfindungswesentlich dargestellt worden wären. Das Bundespatentgericht legte dagegen nachvollziehbar dar, dass der Fachmann der geänderten Fassung zusätzliche technisch relevante Information entnehmen kann, die Änderung durch die technische Lehre in der Anmeldung mithin nicht gestützt ist. Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe eine "unzulässig formalistische Betrachtungsweise" vorgenommen und fälschlicherweise für jede Änderung eine "wortwörtliche Stütze" in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen gesucht, geht fehl.  
 
7.4. Der vorinstanzliche Schluss, der Gegenstand des geltend gemachten Anspruchs gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und verstosse somit gegen Art. 26 Abs. 1 lit. c PatG (in Verbindung mit Art. 123 Abs. 2 EPÜ), hält bereits aus diesem Grund der bundesgerichtlichen Überprüfung stand. Wie es sich mit der Änderung der übrigen von der Beschwerdegegnerin beanstandeten Merkmale (1.8, 1.4.2 und 1.4.3) verhält, kann offenbleiben.  
 
8.  
 
8.1. Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (siehe Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).  
 
8.2. Die Beschwerdegegnerin beantragt eine "Entschädigung der notwendigen patentanwaltlichen Zusatzkosten". Sie habe für die Abfassung der Beschwerde an das Bundesgericht die "patentanwaltliche Unterstützung durch Patentanwalt Dr. C.________" benötigt. Es sei ein Aufwand von 13 Stunden à Fr. 450.-- entstanden, der durch den Parteientschädigungstarif im bundesgerichtlichen Verfahren "nicht gedeckt" sei.  
Das Bundesgericht hat in BGE 147 III 337 E. 8 entschieden, dass der Aufwand für einen allfälligen Beizug eines Patentanwalts im bundesgerichtlichen Verfahren als durch den reglementarischen Tarif für die Parteientschädigung abgegolten gelte. Die Parteientschädigung ist daher praxisgemäss in Abstimmung auf die erhobene Gerichtsgebühr, hier Fr. 15'000.--, festzusetzen und beträgt damit Fr. 17'000.--. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 15'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 17'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundespatentgericht schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 31. Januar 2022 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Stähle