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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_435/2020, 6B_436/2020  
 
 
Urteil vom 23. Juli 2020  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
6B_435/2020 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
6B_436/2020 
B.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (Amtsmissbrauch), 
 
Beschwerden gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 19. März 2020 (BK 20 38 + 39). 
 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:  
 
1.   
Die Regionale Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland nahm die von den Beschwerdeführern angestrebte Strafuntersuchung gegen einen Gerichtspräsidenten eines Regionalgerichts im Kanton Bern wegen Amtsmissbrauchs am 24. Januar 2020 nicht an die Hand. Die dagegen gerichteten Beschwerden wies die Vorinstanz mit Beschluss vom 19. März 2020 ab, soweit darauf einzutreten war bzw. soweit nicht gegenstandslos geworden. Auf das Ausstandsbegehren wurde nicht eingetreten. 
Dagegen erheben die Beschwerdeführer je eine 183 bzw. 184 Seiten lange Beschwerde in Strafsachen. Nach der Aufforderung des Bundesgerichts zu deren Änderung/Verbesserung im Sinne von Art. 42 Abs. 2, 5 und 6 BGG wegen übermässiger Weitschweifigkeit, unter gleichzeitiger Androhung des Nichteintretens, reichen sie am 24. April 2020 je eine Beschwerde von 99 Seiten und am 5. Mai 2020 eine von je 40 Seiten ein. 
 
2.   
Die gleich gelagerten Verfahren 6B_435/2020 und 6B_436/2020 sind zu vereinigen und gemeinsam zu beurteilen. 
 
3.   
Anfechtungsobjekt ist alleine der vorinstanzliche Beschluss (Art. 80 Abs. 1 BGG). Soweit sich die Beschwerdeführer nicht dazu äussern, sondern sich mit anderen Verfahren befassen (so z.B. mit Urteilen des Obergerichts des Kantons Bern in zivilrechtlichen Angelegenheiten und in diesem Zusammenhang Berichtigungen und den generellen Ausstand einer Oberrichterin der Zivilabteilung verlangen), ist auf die Beschwerden von vornherein nicht einzutreten. 
 
4.   
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt, wobei für die Rüge der Verletzung von Grundrechten qualifizierte Begründungsanforderungen gelten (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
5.   
Der vorinstanzliche Beschluss vom 19. März 2020 umfasst eine Begründung von rund 7 Seiten. Ob die eingereichten übermässig weitschweifigen Rechtsschriften hinreichend gekürzt wurden, kann offenbleiben, weil sie sich aus anderen Gründen als offensichtlich unbegründet erweisen, soweit sie den Begründungsanforderungen überhaupt zu genügen vermögen. 
 
6.   
Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Als Zivilansprüche im Sinne dieser Bestimmung gelten solche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. Nicht in diese Kategorie gehören Ansprüche, die sich aus öffentlichem Recht ergeben. Öffentlich-rechtliche Ansprüche, auch solche aus Staatshaftungsrecht, können nicht adhäsionsweise im Strafprozess geltend gemacht werden und zählen nicht zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (BGE 131 I 455 E. 1.2.4; 128 IV 188 E. 2.2 f.; Urteil 6B_519/2019 vom 2. Mai 2019 E. 2). 
Die Person, die einen Strafantrag stellt, ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht (Art. 81 Abs. 1 lit b Ziff. 6 BGG). 
 
7.   
Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf des Amtsmissbrauchs richtet sich gegen einen Gerichtspräsidenten eines Regionalgerichts im Kanton Bern. Der Kanton Bern regelt die Haftung für Schädigungen durch seine Mitarbeiter im Personalgesetz vom 16. September 2004 (PG/BE; BSG 153.01). Gemäss Art. 100 Abs. 1 PG/BE haftet der Staat für den Schaden, den Mitarbeiter in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zugefügt haben. Die verantwortlichen Personen können von Dritten nicht belangt werden (Art. 102 Abs. 1 PG/BE). Allfällige Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüche im Zusammenhang mit der Amtstätigkeit des beschuldigten Gerichtspräsidenten beurteilen sich folglich ausschliesslich nach dem kantonalen Personalgesetz und wären demnach öffentlich-rechtlicher Natur. Die Nichtanhandnahme kann sich in diesem Fall nicht auf die Beurteilung von Zivilansprüchen auswirken. Die Beschwerdeführer sind in der Sache gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG folglich nicht zur Beschwerde befugt. 
Beim zur Anzeige gebrachten Vorwurf des Amtsmissbrauchs handelt es sich nicht um ein Antragsdelikt. Eine Beschwerdelegitimation gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG fällt daher ausser Betracht, da es nicht um das Strafantragsrecht als solches geht bzw. gehen kann. Die Berufung der Beschwerdeführer auf aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 BGG geht an der Sache vorbei. Die fragliche Bestimmung sah vor, dass die Privatstrafklägerschaft zur Beschwerde berechtigt war, wenn sie nach dem kantonalen Recht die Anklage ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers vertreten hatte. Indes wurde aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 BGG, was die Beschwerdeführer offenbar übersehen, mit dem Inkrafttreten der eidgenössischen Strafprozessordnung aufgehoben, da diese das sog. Privatstrafklageverfahren nicht kennt (siehe Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1336). 
Ebenso wenig ergibt sich eine Beschwerdelegitimation aus Art. 10 Abs. 3 BV, Art. 3 und Art. 13 EMRK. D ie Beschwerdeführer, die behaupten Opfer eines staatlichen Übergriffs geworden zu sein, scheinen eine Verletzung dieser Normen in der Verfahrensleitung des beschuldigten Gerichtspräsidenten in einer zivilrechtlichen Angelegenheit zu erblicken. Soweit dieses Verhalten überhaupt Verfahrensgegenstand bildet, genügt es offensichtlich nicht, um unter Art. 3 und 13 EMRK zu fallen. Dazu müsste die Behandlung ein Mindestmass an Schwere erreichen und körperliche Verletzungen oder intensive physische oder psychische Leiden mit sich bringen (BGE 134 I 221 E. 3.2.1; 124 I 231 E. 2b; Urteil 6B_507/2017 vom 8. September 2017 E. 2.3 mit Hinweisen), was die Beschwerdeführer nicht darzutun vermögen und zudem auch nicht ersichtlich ist. 
 
8.   
Ungeachtet der fehlenden Legitimation in der Sache selbst kann die Privatklägerschaft mit Beschwerde in Strafsachen eine Verletzung ihrer Parteirechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind nur Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das geforderte rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 5 mit Hinweisen). Soweit eine Rüge zulässig ist, ist klar und detailliert darzulegen, inwieweit das angerufene Recht verletzt worden sein soll. 
Die Vorinstanz ist auf die nicht zum Verfahrensgegenstand gehörenden Rügen und Vorbringen der Beschwerdeführer nicht eingetreten. Inwiefern sie damit Recht im Sinne von Art. 95 BGG verletzt haben könnte, ergibt sich aus der Beschwerde nicht in einer den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügenden Weise. 
Die Vorinstanz ist auf die diversen Feststellungsbegehren der Beschwerdeführer nicht eingetreten (vgl. hierzu BGE 137 IV 87 E. 1 S. 89). Was daran gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen soll, vermögen die Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Sie behaupten zwar ein Feststellungsinteresse, setzen sich aber mit den Erwägungen im vorinstanzlichen Beschluss zur Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber den Leistungsbegehren nicht auseinander und zeigen auch nicht auf, dass und inwiefern die Vorinstanz zu Unrecht ein besonderes Feststellungsinteresse verneint haben könnte. 
Die Beschwerdeführer rufen zahlreiche Bestimmungen der EMRK, der BV und der StPO an, die verletzt sein sollen. Soweit sie die angeblichen Konventions-, Verfassungs- und Bundesrechtsverletzungen auf die - aus ihrer Sicht - unrichtige Sachverhaltsfeststellung und die gestützt darauf erfolgte Nichtanhandnahme ihrer Strafanzeige zurückführen, geht es bei ihrer Kritik nicht um eine formelle Rechtsverweigerung, sondern um eine materielle Überprüfung, ob die Nichtanhandnahme gerechtfertigt war, was unzulässig ist. 
Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, die Vorinstanz habe ihren Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht anerkannt. Sie rügen eine Verletzung ihrer Teilnahmerechte. Bei der vorliegenden Nichtanhandnahme lag es in der Natur der Sache, dass keine Untersuchung eröffnet wurde und folglich auch keine staatsanwaltschaftlichen Parteibefragungen durchgeführt resp. keine Beweise erhoben wurden. Folglich ist auch nicht ersichtlich, inwiefern den Beschwerdeführern ein Teilnahmerecht zugestanden haben soll, gegen welches die Vorinstanzen hätten verstossen können. Das Bundesgericht entschied zudem wiederholt, Art. 318 Abs. 1 StPO sei nicht anwendbar, wenn die Staatsanwaltschaft eine Nichtanhandnahme verfüge; die Parteien haben vor dem Erlass einer Nichtanhandnahmeverfügung daher keinen Anspruch auf rechtliches Gehör (BGE 144 IV 81 E. 2.3.3 S. 86; Urteile 6B_290/2017 vom 27. November 2017 E. 2.4; 6B_276/2017 vom 12. Juli 2017 E. 4; je mit Hinweisen). Inwiefern die diesbezüglichen Erwägungen der Vorinstanz gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen könnten, vermögen die Beschwerdeführer nicht darzulegen und ist auch nicht ersichtlich. 
Dass die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen und den Beschwerdeführern deswegeneine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Beschlusses nicht möglich gewesen sein soll, ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich. Die Beschwerdeführer verkennen im Übrigen, dass sich Gerichte nicht mit sämtlichen Parteistandpunkten befassen müssen, sondern sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken können (vgl. BGE 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41; 139 IV 179 E. 22. S. 183). 
An einer substanziierten Begründung mangelt es auch dem Vorwurf, wonach die Vorinstanz den Beschuldigten bevorzugen und die Beschwerdeführer diskriminieren soll. Der Umstand allein, dass ihre Beschwerden gegen die Nichtanhandnahme nicht zum gewünschten Ergebnis geführt haben, vermag jedenfalls keine Zweifel an der Neutralität und Objektivität der Vorinstanz zu begründen. Aus den gleichen Gründen geht die Behauptung, die Vorinstanz habe ihre Kognition unzulässig eingeschränkt, an der Sache vorbei. 
 
9.   
Ohne dass sich das Bundesgericht zu allen weitschweifigen und teilweise schwer nachvollziehbaren Ausführungen, Vorbringen und Rügen der Beschwerdeführer ausdrücklich äussern müsste, sind die Beschwerden im Verfahren nach Art. 109 BGG als offensichtlich unbegründet abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Ausgangsgemäss tragen die Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Verfahren 6B_435/2020 und 6B_436/2020 werden vereinigt. 
 
2.   
Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Juli 2020 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill