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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_139/2009 
 
Urteil vom 26. August 2009 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, 
Gerichtsschreiber Lanz. 
 
Parteien 
G.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dean Kradolfer, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 3. Dezember 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1954 geborene G.________ verunfallte am 6. September 1980 mit dem Motorroller. Er litt danach namentlich an belastungsabhängigen Kopf- und Nackenschmerzen sowie kognitiven Beeinträchtigungen und bezog ab 1981 eine halbe Invalidenrente der Invalidenversicherung (IV). Die Genfer Allgemeine Versicherungsgesellschaft richtete als Unfallversicherer anstelle einer Invalidenrente eine Kapitalabfindung aus. Ab August 1981 war G.________ in einem 50%-Pensum als Verwaltungsangestellter bei der Vereinigung X.________ tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Unfallfolgen versichert. Am 19. November 2002 erlitt er einen ersten Velounfall. Es wurden nebst verschiedenen Bagatellverletzungen eine Schädelkontusion mit Commotio cerebri sowie ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule (HWS) diagnostiziert. Am 31. Juli 2003 endete des Arbeitsverhältnis bei der Vereinigung X.________. G.________ blieb im Rahmen der Nachdeckung und durch Abredeversicherung bei der SUVA unfallversichert. Am 26. Oktober 2003 zog er sich bei einem erneuten Velounfall Schürfwunden an der Stirn rechts, ein beidseitiges Monokelhämatom und eine Kontusion an der rechten Schulter zu. Überdies wurde die Verdachtsdiagnose einer Commotio cerebri gestellt. In der Folge erhöhte die IV mit Wirkung ab 1. Januar 2004 die laufende halbe auf eine ganze Invalidenrente. Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht für die beiden Velounfälle, gewährte Heilbehandlung und richtete Taggeld aus. Mit Verfügungen vom 27. Juli und 31. August 2007 sprach sie dem Versicherten mit Wirkung ab 1. August 2007 eine Invalidenrente (mit Zusatzrente für die Ehefrau) entsprechend einer Erwerbsunfähigkeit von 70 % als Komplementärrente zur IV-Rente sowie eine Integritätsentschädigung für eine Integritätseinbusse von 15 % zu. Am 18. September und 12. Dezember 2007 erliess sie zudem Verfügungen betreffend Überentschädigung/Rückforderung und - infolge einer Gesetzesänderung - Wegfall der Zusatzrente für die Ehefrau. G.________ reichte gegen alle vier Verfügungen Einsprache ein. Die SUVA hob hierauf die Verfügung betreffend Überentschädigung/Rückforderung auf. An den anderen drei Verfügungen hielt sie fest (Einspracheentscheid vom 18. April 2008). 
 
B. 
G.________ führte hiegegen Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau hiess diese mit Entscheid vom 3. Dezember 2008 teilweise gut und wies die Sache mit der Feststellung, der unfallbedingte Invaliditätsgrad betrage 100 %, zur Neuberechnung der Invalidenrente an die SUVA zurück. Hinsichtlich der Integritätsentschädigung bestätigte es den Einspracheentscheid. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt G.________ beantragen, es seien der Entscheid des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die Integritätsentschädigung sowie der Einspracheentscheid vom 18. April 2008 aufzuheben und es sei eine Integritätsentschädigung gestützt auf einen Integritätsschaden von 55 % zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und zur neuen Festsetzung der Integritätsentschädigung an den Versicherer zurückzuweisen. 
 
Die SUVA beantragt die Abweisung der Beschwerde, ohne sich weiter zur Sache zu äussern. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der vorinstanzliche Entscheid lautet unter anderem auf Rückweisung der Sache an den Unfallversicherer, dies in Bezug auf den Rentenanspruch. Es stellt sich im Lichte der Art. 90 ff. BGG und der dazu ergangenen Rechtsprechung die Frage, ob ein mittels Beschwerde anfechtbarer Entscheid vorliegt. Das ist zu bejahen. Die Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen die vom kantonalen Gericht - in Bestätigung des Einspracheentscheids - vorgenommene Festsetzung der Integritätsschadens, welcher dem Anspruch auf Integritätsentschädigung zugrunde zu legen ist. Der vorinstanzliche Entscheid stellt diesbezüglich einen selbstständig anfechtbaren Teilentscheid im Sinne Art. 91 lit. a BGG dar (vgl. BGE 135 V 141 E. 1.4.1 S. 144 mit Hinweisen; Urteil 8C_420/2008 vom 31. März 2009 E. 1.3). 
 
2. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (Urteil 8C_934/2008 vom 17. März 2009 E. 1 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 135 V 194, aber in: SVR 2009 UV Nr. 35 S. 120). Das Bundesgericht kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
3. 
Im Einsprache- und im angefochtenen Entscheid sind die Bestimmungen über den Anspruch auf eine Integritätsentschädigung (Art. 24 und 25 UVG; Art. 36 UVV) und die Grundsätze über die Feststellung des Integritätsschadens durch Anwendung der Skala in Anhang 3 zur UVV sowie der von der Medizinischen Abteilung der SUVA erarbeiteten Tabellen (sog. Feinraster) zutreffend dargelegt. Zu ergänzen ist, dass in dem seit Anfang 2004 geltenden Wortlaut der genannten Bestimmungen nebst der bereits davor ausdrücklich erwähnten Schädigung der körperlichen und geistigen Integrität nunmehr auch die Schädigung der psychischen Integrität ausdrücklich erwähnt wird. Ein Anspruch auf Integritätsentschädigung bei Schädigung der psychischen Integrität war bis dahin bereits aufgrund der Rechtsprechung (BGE 124 V 29 und 209) anerkannt worden. 
 
4. 
Die SUVA hat eine Integritätsentschädigung einzig für die Kopfschmerzen zugesprochen und die Integritätseinbusse auf 15 % festgesetzt. Sie stützte sich dabei namentlich auf den Bericht der Frau Dr. med. A.________, Fachärztin für Neurologie FMH, Abteilung Versicherungsmedizin der SUVA, vom 27. August 2007. Das kantonale Gericht hat dies bestätigt. 
 
5. 
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, der Integritätsschaden aufgrund der Kopfschmerzen sei höher anzusetzen. 
 
5.1 Die SUVA hat den entsprechenden Integritätsschaden in hilfsweiser Anwendung der SUVA-Tabelle 7 "Integritätsschaden bei Wirbelsäulenaffektionen" bestimmt. Das kantonale Gericht ist ihr darin gefolgt. Dagegen werden keine Einwendungen erhoben. Umstritten ist, wie hoch der Integritätsschaden innerhalb dieser Tabelle anzusetzen ist. 
 
Im Bericht der Frau Dr. med. A.________ vom 27. August 2007 wird ausgeführt, die Kopfschmerzen seien auf der Schmerzfunktionsskala gemäss Tabelle 7 zwischen der Kategorie ++ (geringe Dauerschmerzen, bei Belastung verstärkt, auch in Ruhe) und der Kategorie +++ (+/- starke Dauerschmerzen, Zusatzbelastung nicht möglich, auch nachts und in Ruhe) auszugehen. Das Spektrum des Integritätsschadens betrage zwischen 5 % und 40 %, wobei es sich im höheren Bereich um Schmerzen mit Funktionseinschränkung und organischem Korrelat handle. Pathologisch-anatomische Veränderungen hätten beim Versicherten nicht nachgewiesen werden können. Es bestehe somit ein Integritätsschaden von 15 %, entsprechend dem Mittelwert der Kategorie ++ und einem Wert aus dem unteren Bereich der Kategorie +++, was sich durch die fehlende strukturelle Läsion begründe. 
 
5.2 Das kantonale Gericht ist wie bereits die SUVA zum Ergebnis gekommen, dies sei plausibel und nachvollziehbar. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liege keine schwere Funktionseinschränkung vor und treffe nicht zu, dass dem Nachweis eines organischen Korrelats bei Tabelle 7 keine Bedeutung zukomme. Der Versicherte könne auch keine ärztlichen Berichte anführen, welche die Bemessung des Integritätsschadens durch die SUVA widerlegten oder zumindest in Frage stellten. 
 
Die vorinstanzliche Würdigung der Sach- und Rechtslage ist nicht zu beanstanden. Was in der Beschwerde vorgebracht wird, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Der Versicherte beschränkt sich im Wesentlichen auf die im angefochtenen Entscheid, auf den verwiesen wird, überzeugend entkräfteten Vorbringen. Namentlich sind entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung die Aussagen der Frau Dr. med. A.________ als verlässliche Beurteilungsgrundlage anzusehen (zu den Anforderungen an einen beweiswertigen Arztbericht: BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff., insbes. E. 3a S. 352 und E. 3b/ee S. 353 f.). Auch ist von weiteren medizinischen Abklärungen abzusehen, da diese keinen entscheidrelevanten neuen Aufschluss erwarten lassen. 
 
6. 
6.1 Der Versicherte macht weiter geltend, er leide auch an mittelschweren bis schweren neuropsychologischen Funktionsstörungen und manifesten Wesensveränderungen resp. einem selbstständigen psychischen Krankheitsbild. Dadurch werde die Integrität ebenfalls beeinträchtigt, was in Anwendung der SUVA-Tabelle 8 "Integritätsschaden bei psychischen Folgen von Hirnverletzungen" zu berücksichtigen sei. 
 
Das kantonale Gericht hat hiezu erwogen, die neuropsychologischen Funktionsstörungen stammten in einem nicht unerheblichen Masse vom nicht SUVA-versicherten Unfall von 1980. Sodann sei die SUVA-Tabelle 8 nicht anwendbar, weil keine strukturelle Hirnschädigung dokumentiert sei. Die durchgeführten Untersuchungen mittels CT, EEG und MRI hätten völlig unauffällige Befunde ergeben. 
 
Nach Lage der Akten trifft zu, dass kein unfallbedingter organischer Gesundheitsschaden nachweisbar ist. Das Auftreten von neuropsychologischen Funktionsstörungen genügt entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung nicht, um auf einen solchen Gesundheitsschaden schliessen zu können. Damit ist die vom Versicherten für massgeblich erachteten Tabelle 8, welche eine medizinisch dokumentierte hirnorganische Schädigung voraussetzt, nicht anwendbar. Weitere medizinische Abklärungen sind auch hiezu nicht erforderlich. Dass in anderen Fällen Integritätsentschädigungen aufgrund von neuropsychologischen Störungen zugesprochen wurden, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise, zumal sich die jeweiligen Konstellationen kaum mit der vorliegenden vergleichen lassen. 
 
6.2 Soweit in der Beschwerde mit einer psychischen Unfallfolge argumentiert wird, ist zu beachten, dass nach der auf die herrschende psychiatrische Lehrmeinung gestützten Rechtsprechung nur Unfallereignisse von aussergewöhnlicher Schwere zu dauerhaften Beeinträchtigungen der Integrität führen können (BGE 124 V 29 E. 5c/bb S. 44 und 209 E. 4b S. 213; vgl. auch RKUV 2000 Nr. U 381 S. 251, U 172/99). Dieses Erfordernis ist mit Blick auf die beiden hier zur Diskussion stehenden Velounfälle zweifellos nicht erfüllt. 
 
7. 
Der angefochtene Entscheid ist demnach in allen Teilen rechtmässig. An diesem Ergebnis vermögen sämtliche weiteren Vorbringen des Versicherten nichts zu ändern. 
 
8. 
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 26. August 2009 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Lanz