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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_590/2020  
 
 
Urteil vom 12. April 2021  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Stadt Zürich, 
vertreten durch Verlustscheininkasso der Stadt Zürich, Gotthardstrasse 62, Postfach, 8022 Zürich. 
 
Betreibungsamt Zürich 4, 
Hohlstrasse 35 (Kollerhof), 8004 Zürich, 
 
Gegenstand 
Pfändungsankündigung / Vollzug der Pfändung in Abwesenheit, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 30. Juni 2020 (PS190253-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Zahlungsbefehl des Betreibungsamts Zürich 4 vom 18. Januar 2019 betrieb die Stadt Zürich A.________ in der Betreibung Nr. xxx für eine Forderung über Fr. 820.10 aus einem im Jahr 2014 ausgestellten Verlustschein. Der Zahlungsbefehl wurde dem Schuldner am 14. Februar 2019 zugestellt. Am 21. Februar 2019erhob A.________ Beschwerde beim Bezirksgericht Zürich als unterer kantonaler Auf sichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, welche diese mit Endentscheid vom 9. September 2019 abwies, soweit sie darauf eintrat. Dagegen wehrte sich der A.________ vor dem Obergericht des Kantons Zürich und dem Bundesgericht erfolglos (s. Urteil 5A_882/2019 vom 7. November 2019). 
 
B.   
Der Schuldner erhob innert Frist keinen Rechtsvorschlag. Am 6. Juni 2019 "vollzog" das Betreibungsamt in der Betreibung Nr. xxx in Abwesenheit des Schuldners die Pfändung und stellte den Verlustschein Nr. yyy über Fr. 1'103.50 aus. Dagegen erhob A.________ am 5. Juli 2019 erneut Beschwerde beim Bezirksgericht Zürich als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs und machte neben materiellen Einwänden gegen die Forderung insbesondere auch Einwände geltend gegen das Vorgehen des Betreibungsamts beim Pfändungsvollzug und bei der Ausstellung des Verlustscheins. Mit Entscheid vom 3. Dezember 2019 wies die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat. 
 
C.   
Gegen diesen Entscheid reichte A.________ am 21. Dezember 2019 eine Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs ein. Mit Beschluss und Urteil vom 30. Juni 2020 wies das Obergericht das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands für das obergerichtliche Verfahren ab und wies die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten wurde. Es wurden keine Kosten erhoben. 
 
D.   
Mit Eingabe vom 17. Juli 2020 ist A.________ an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer bestreitet im Wesentlichen die Gültigkeit der Forderung und der Betreibung. Zudem rügt er das Vorgehen beim Pfändungsvollzug bzw. bei der Ausstellung des Verlustscheins. 
Er stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Ernennung eines Rechtsbeistandes. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen, jedoch keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen unabhängig eines Streitwertes der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). Die Beschwerde ist fristgerecht erhoben worden (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG) und grundsätzlich zulässig.  
 
1.2. Auf die Beschwerde ist allerdings insofern nicht einzutreten, soweit sie sich auf eine Überprüfung des von der Stadt Zürich geltend gemachten Anspruchs richtet. Bereits die Vorinstanzen haben den Beschwerdeführer wiederholt darauf hingewiesen, dass im Verfahren nach Art. 17 ff. SchKG über Bestand und Höhe einer in Betreibung gesetzten Forderung nicht zu befinden ist. Soweit der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen behauptet, dass er gar nie Schulden gehabt habe, ist er damit nicht zu hören.  
 
1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
2.  
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die Betreibung und damit der Pfändungsvollzug seien im Sinne von Art. 22 SchKG nichtig, weil er als mittelloser Sozialhilfeempfänger von der Stadt Zürich gar nie habe betrieben werden dürfen. Ein Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB liegt rechtsprechungsgemäss allerdings nur dann vor, wenn mit der Betreibung offensichtlich Ziele verfolgt werden, die nicht das Geringste mit der Zwangsvollstreckung zu tun haben (BGE 140 III 481 E. 2.3.1 mit Hinweisen). Anhaltspunkte hierfür hat die Vorinstanz nicht festgestellt und sind auch nicht ersichtlich. Auch wenn eine Betreibung - abgesehen vom legitimen Zweck der Verjährungsunterbrechung bzw. der Erwirkung eines Verlustscheins - bei Sozialhilfebeziehenden häufig nicht zielführend sein mag, kann nicht generell ausgeschlossen werden, dass von der Sozialhilfe unterstützte Personen über pfändbare Vermögenswerte verfügen oder ein nach Betreibungsrecht pfändbares Einkommen aufweisen. Ob das Gemeinwesen gestützt auf kantonale Weisungen der Finanzdirektion auf das Inkasso der Verlustscheinforderung hätte verzichten können oder sollen, ist vom Betreibungsamt nicht zu prüfen. Eine Überprüfung der finanziellen Verhältnisse des Schuldners und ein Absehen von der Ausstellung des Zahlungsbefehls bei Mittellosigkeit - wie es der Beschwerdeführer verlangt - hat nicht zu erfolgen (vgl. Urteile 5A_277/2015 vom 5. Juni 2015 E. 3, in: Pra 2015 Nr. 87 S. 697; 5A_119/2013 vom 16. April 2013 E. 3). 
 
3.   
Wie schon im kantonalen Verfahren, so stellt sich der Beschwerdeführer auch vor Bundesgericht auf den Standpunkt, dass das Betreibungsamt ihn der Möglichkeit beraubt habe, am Vollzug der Pfändung teilzunehmen, weil ihm die Pfändung nicht ordnungsgemäss angekündigt worden sei. 
 
3.1. Gemäss Art. 34 Abs. 1 SchKG erfolgt die Zustellung von Mitteilungen, Verfügungen und Entscheiden der Betreibungs- und Konkursämter sowie der Aufsichtsbehörden durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung, sofern das Gesetz nicht etwas anderes vorschreibt. Es handelt sich bei Art. 34 SchKG um eine Ordnungsvorschrift, die sicherstellen will, dass dem Beamten jederzeit der Beweis für die Mitteilung zur Verfügung steht (BGE 121 III 11 E. 1; Urteil 7B.75/2006 vom 6. Juli 2006 E. 2.2.2). Diese Vorschrift gilt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers insbesondere auch für die Pfändungsankündigung (Urteil 5A_837/2016 vom 6. März 2017 E. 3.1; nicht publiziertes Urteil 7B.235/1998 vom 20. Oktober 1998 E. 2 mit Hinweis auf JOST, Handbuch für die Betreibungsbeamten der Schweiz, 1964, S. 122; KREN KOSTKIEWICZ, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 3. Aufl. 2018, § 5 Rz. 656; LEBRECHT, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 10 zu Art. 90 SchKG). Eine qualifizierte Zustellung - offene Übergabe an den Schuldner - ist im Gegensatz zum Zahlungsbefehl und zur Konkursandrohung nicht erforderlich (PETER, Communication et notification en droit des poursuites, in: Le droit en action, Festschrift der juristischen Fakultät der Universität Lausanne zum schweizerischen Juristen- und Anwaltstag 1996, S. 302 ff., insbes. S. 324; auch BlSchK 1997 S. 9 ff.).  
 
3.2. Im vorliegenden Fall hat das Betreibungsamt die Pfändungsankündigung aufgrund des am 28. März 2019 eingegangenen Fortsetzungsbegehrens gleichentags mit A-Post versandt. Der Schuldner wurde darin aufgefordert, bis am 4. April 2019 zur Einvernahme über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse auf dem Amt zu erscheinen. Am 5. April 2019 und am 29. April 2019 verschickte das Betreibungsamt zwei weitere Aufforderungen an den Schuldner, dem Pfändungsvollzug beizuwohnen. Auch diese Vorladungen enthielten alle erforderlichen Informationen, insbesondere auch den Hinweis auf Art. 91 SchKG, wobei die letzte Ankündigung per Einschreiben versandt wurde. Gemäss dem der unteren Aufsichtsbehörde eingereichten Bericht des Betreibungsamts erfolgten schliesslich zwei erfolglose Versuche, den Beschwerdeführer in seiner Wohnung persönlich zu erreichen.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer hat in Abrede gestellt, die Sendungen vom 28. März 2019 (Pfändungsankündigung) und 5. April 2019 (Vorladung) erhalten zu haben. Unbestritten geblieben ist aber, dass er betreffend die Ankündigung vom 29. April 2019 (2. Vorladung) eine Abholungseinladung erhalten hat, wie dies auch durch den aktenkundigen Track & Trace-Auszug der Schweizerischen Post bestätigt wird. Der Beschwerdeführer begründet die geltend gemachte Verletzung seines Mitwirkungsrechts im Wesentlichen damit, dass die von den Vorinstanzen zur Anwendung gebrachte postalische Zustellungsfiktion bei der Pfändungsankündigung nicht zum Tragen komme. Die Vorinstanzen würden verkennen, dass in jedem Fall die polizeiliche Zustellung zu erfolgen habe, wenn ein Schuldner die Sendung nicht abhole und andere Zustellversuche erfolglos geblieben seien.  
 
3.4. Wie bereits dargelegt, stellt die Pfändungsankündigung nach der Konzeption des Gesetzes keine formell zustellbedürftige Betreibungsurkunde dar und untersteht folglich den allgemeinen Zustellvorschriften von Art. 34 f. SchKG. Unschädlich ist, dass die Pfändung erst mit der 2. Vorladung durch eingeschriebene Post angekündigt wurde; inwiefern die Rechte des Beschwerdeführers dadurch beeinträchtigt worden sein könnten, ist nicht ersichtlich. Verfügungen, die nicht abgeholt werden, gelten sodann am letzten Tag der siebentägigen Abholfrist als zugestellt, wenn der Adressat mit der Zustellung rechnen musste (BGE 127 I 31 E. 2a/aa; Urteil 5A_633/2014 vom 6. Januar 2015 E. 2.5; NORDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 8 zu Art. 34 SchKG; KREN KOSTKIEWICZ, a.a.O., § 3 RZ. 424; JOST, a.a.O., S. 123). Dies ist bei einem Schuldner, der keinen Rechtsvorschlag erhoben hat, grundsätzlich der Fall. Dem gegen die Geltung der Zustellungsfiktion bei postalischer Zustellung der Pfändungsankündigung angeführten Argument, dass das Pfändungsverfahren einen neuen Verfahrensabschnitt darstelle (so WINKLER, in: Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 90 SchKG), ist entgegenzuhalten, dass es nicht zu einer Änderung der Zuständigkeit kommt und das Betreibungsverfahren mithin weiterhin vom Betreibungsamt geführt wird. Die Situation ist insoweit mit derjenigen beim Rechtsöffnungs- und gerichtlichen Konkurseröffnungsverfahren nicht vergleichbar (s. dazu A. STAEHELIN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 9 zu Art. 138 ZPO mit Hinweis auf BGE 138 III 225 E. 3). Damit haben die Vorinstanzen entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kein Bundesrecht verletzt, indem sie die Pfändung als ordnungsgemäss angekündigt erachtet haben.  
 
4.   
Die untere Aufsichtsbehörde hat erwogen, der Gläubiger habe, sofern keine pfändbaren Aktiven vorhanden sind, Anspruch auf Ausstellung eines Verlustscheins. Indem er geltend mache, er hätte als mittelloser Sozialhilfeempfänger gar nie betrieben werden dürfen und die betriebene Forderung sei ohnehin uneinbringlich, habe der Beschwerdeführer die Richtigkeit der vom Betreibungsamt festgestellten Vermögens- und Einkommensverhältnisse gerade bestätigt. Es sei folglich nicht zu beanstanden, dass das Betreibungsamt mangels pfändbaren Vermögens und künftigen (ausreichenden) Einkommens die leere Pfändungsurkunde nach Art. 115 SchKG bzw. den Verlustschein ausgestellt habe. Weshalb die untere Aufsichtsbehörde seine Ausführungen zu den protokollierten Aussagen und zu den Abklärungen über seine Einkommensverhältnisse zu Unrecht als unbehelflich erachtet haben soll, nachdem er die Richtigkeit der festgestellten Einkommensverhältnisse selber bestätigt hat, legt der Beschwerdeführer - wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren - auch vor Bundesgericht nicht in nachvollziehbarer Weise dar. 
 
5.   
Der Beschwerdeführer rügt sinngemäss eine Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV, weil ihm im Verfahren vor der oberen Aufsichtsbehörde kein unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Seite gestellt wurde. Er setzt sich allerdings nicht mit der vorinstanzlichen Begründung auseinander, dass die Beschwerde von Anfang an aussichtslos gewesen sei. Darauf ist nicht einzutreten (Art. 106 Abs. 2 BGG). Im Übrigen waren im vorinstanzlichen Verfahren nach der Einreichung der vom Beschwerdeführer selbst verfassten Beschwerde keine weiteren Vorkehren zu treffen, womit bereits aus diesem Grund die Notwendigkeit der Bestellung einer anwaltlichen Vertretung zu verneinen gewesen wäre, welche Voraussetzung kumulativ zur fehlenden Aussichtslosigkeit der gestellten Begehren gegeben sein muss (vgl. Urteil 5A_649/2011 vom 3. Februar 2012 E. 5). 
 
6.   
Der Beschwerde ist aus den dargelegten Gründen kein Erfolg beschieden. Ausnahmsweise kann vorliegend von einer Kostenauflage abgesehen werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird damit gegenstandslos. 
Soweit der Beschwerdeführer um Bestellung eines unentgeltlichen Anwalts für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht, ist das Gesuch mangels Notwendigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Zürich 4 und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. April 2021 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss