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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_365/2013 {T 0/2}  
   
   
 
 
 
Urteil vom 25. Juli 2013  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B.________, vertreten durch Rechtsanwalt und Notar Claude Wyssmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Amthaus 1, 4500 Solothurn,  
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (unentgeltliche Rechtspflege, kantonales Verfahren), 
 
Beschwerde gegen die Entscheide des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 10. April 2013 und vom 10. Mai 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Verfügung vom 2. Oktober 2012 verneinte die IV-Stelle des Kantons Solothurn einen Rentenanspruch des B.________. Für das dagegen am 2. November 2012 eingeleitete Beschwerdeverfahren beantragte der Versicherte u.a. die unentgeltliche Rechtspflege. Mit Entscheid vom 10. April 2013 wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn u.a. das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab (Dispositiv-Ziffern 3 und 4). 
 
Das daraufhin am 10. Mai 2013 gestellte Gesuch um revisions-, eventuell wiedererwägungsweise Aufhebung der Dispositiv-Ziffern 3 und 4 des Entscheids vom 10. April 2013 wies das kantonale Gericht mit Entscheid vom gleichen Tag ab, wobei es ausdrücklich am Entscheid vom 10. April 2013 über die unentgeltliche Rechtspflege festhielt (Dispositiv-Ziffer 2). Es nahm die Eingabe des Versicherten als neues Gesuch an die Hand und verzichtete vorläufig auf die Erhebung des Kostenvorschusses von Fr. 600.- (Dispositiv-Ziffern 3 und 4). 
 
B.  
B.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, die Dispositiv-Ziffern 3 und 4 des Entscheids vom 10. April 2013 und die Dispositiv-Ziffer 2 des Entscheids vom 10. Mai 2013 seien aufzuheben und es sei ihm für das kantonale Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege ab 2. November 2012 zu bewilligen. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung der prozessualen Bedürftigkeit an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Das kantonale Gericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde; das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der kantonale Entscheid über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege gehört zu den Zwischenverfügungen, die einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Er kann daher selbstständig mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 133 IV 335 E. 4 S. 338; SVR 2009 UV Nr. 12 S. 49, 8C_530/2008 E. 2.4).  
 
1.2. Die Beschwerde kann u.a. wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140).  
 
2.  
 
2.1. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 61 lit. f ATSG [SR 830.1]). Eine Person ist bedürftig, wenn sie nicht in der Lage ist, für die Prozesskosten aufzukommen, ohne dass sie Mittel beanspruchen müsste, die zur Deckung des Grundbedarfs für sie und ihre Familie notwendig sind (BGE 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232; 127 I 202 E. 3b S. 205 mit weiteren Hinweisen).  
 
2.2. Art. 29 Abs. 3 BV schreibt der Behörde, die mit einem Rechtspflegegesuch befasst ist, den Untersuchungsgrundsatz nicht vor (Urteil 5P.376/2003 vom 23. Dezember 2003 E. 2.4, in: Pra 2004 Nr. 110 S. 616, bestätigt in Urteil 5A_ 65/2009 vom 25. Februar 2009 E. 4.1 und Urteil 5A_668/2009 vom 25. November 2009 E. 4.2.4.2). Insbesondere ist die mit dem Gesuch befasste Behörde weder verpflichtet, den Sachverhalt von sich aus nach jeder Richtung hin abzuklären, noch muss sie unbesehen alles, was behauptet wird, von Amtes wegen überprüfen. Sie muss indessen den Sachverhalt dort (weiter) abklären, wo noch Unsicherheiten und Unklarheiten bestehen, sei es, dass sie von einer Partei auf solche - wirkliche oder vermeintliche - Fehler hingewiesen wird, sei es, dass sie sie selbst feststellt (Urteil 5A_382/2010 vom 22. September 2010 E. 3.1 mit Hinweisen). Ob der Untersuchungsgrundsatz im Anwendungsbereich von Art. 61 lit. f ATSG weiter geht (vgl. Art. 61 lit. c ATSG; Urteil I 491/02 vom 10. Februar 2003 E. 3.2.3), braucht an dieser Stelle nicht geprüft zu werden.  
 
3.  
Das kantonale Gericht hat bei der Beurteilung der finanziellen Bedürftigkeit für den Beschwerdeführer einen durchschnittlichen Monatslohn von Fr. 2'282.-, für seine Frau einen solchen von Fr. 1'282.-, einen Anteil vom 13. Monatslohn von Fr. 297.- und schliesslich Ergänzungsleistungen der Ehefrau von Fr. 1'272.-, somit monatliche Einnahmen von insgesamt Fr. 5'133.- berücksichtigt. Demgegenüber hat es Grundbeträge samt prozessualem Zuschlag von insgesamt Fr. 2'040.-, Wohnkosten von Fr. 1'345.-, Auslagen für den Arbeitsweg des Beschwerdeführers von Fr. 390.- und für jenen seiner Ehefrau von Fr. 304.- sowie Mehrkosten für auswärtige Verpflegung von Fr. 90.-, mithin insgesamt Fr. 4'169.- als anrechenbare monatliche Auslagen anerkannt. Beim resultierenden Überschuss von Fr. 964.- hat es den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen. 
 
4.  
 
4.1. Was die Ergänzungsleistungen anbelangt, so trifft zu, dass die Ausgleichskasse Solothurn bei Erlass der Verfügung vom 8. Oktober 2012 ein Jahreseinkommen des Beschwerdeführers von lediglich Fr. 3'716.- annahm, was die Auszahlung von monatlich Fr. 1'272.- zur Folge hatte. Diesen Umstand korrigierte die Ausgleichskasse denn auch mit Verfügung vom 3. Mai 2013, womit sie sämtliche ausgerichteten Ergänzungsleistungen zurückforderte. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass die Anrechnung der Ergänzungsleistungen im Ergebnis einer unzulässigen doppelten Veranschlagung seines Lohnes gleichkommt - jedenfalls sofern seine Ehefrau der Rückforderung tatsächlich nachkommt (vgl. BGE 135 I 221). Indessen unterliess es die Vorinstanz, die Invalidenrente der Ehefrau von monatlich Fr. 1'187.- anzurechnen. Somit betragen die Einnahmen mindestens, d.h. ohne Berücksichtigung der Ergänzungsleistungen, Fr. 5'048.-.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Handelt es sich bei den Fahrzeugen des Beschwerdeführers und seiner Frau um Kompetenzgüter, d.h. sind sie etwa für die Zurücklegung des Arbeitsweges oder die Berufsausübung unabdingbar, so sind die Leasingraten für das prozessuale Existenzminimum zu berücksichtigen (Urteil 5A_27/2010 vom 15. April 2010 E. 3.2). Hingegen ist es nicht sachgemäss, in solchen Fällen bei den zusätzlich anfallenden Kilometerkosten einen Amortisationsanteil einzurechnen (vgl. Urteil 5A_27/2010 vom 15. April 2010 E. 3.2.4 in fine). Weist ein Fahrzeug Kompetenzcharakter auf, sind konsequenterweise die (notwendigen) Parkplatzkosten, soweit sie nicht bereits in der Kilometerentschädigung veranschlagt wurden, ebenfalls als Zuschlag zum Grundbetrag in die Bedürftigkeitsberechnung einzubeziehen.  
 
4.2.2. Die Vorinstanz hat die für den Arbeitsweg geltend gemachten Autokosten mit einem Ansatz von Fr. 0.50/km übernommen. Dabei hat sie sich weder zur Frage nach der Kompetenzqualität der Fahrzeuge oder zur Höhe der Kilometerkosten geäussert, noch hat sie diesbezüglich Feststellungen getroffen. Insofern fehlt es im angefochtenen Entscheid an einer nachvollziehbaren Begründung (Art. 61 lit. h ATSG; Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
Im Kontoauszug ist ein Dauerauftrag über Fr. 493.35 und einer über Fr. 482.75 ausgewiesen; die Beträge entsprechen ungefähr der Höhe der geltend gemachten Leasingkosten von Fr. 493.25 und Fr. 487.50. Somit wurden zumindest konkrete Anhaltspunkte für diese Kosten belegt, weshalb bei weiterhin bestehenden Unsicherheiten zusätzliche Abklärungen erforderlich gewesen wären (E. 2.2). Die vorinstanzliche Begründung, Leasingkosten seien "nicht gesondert zu den bereits berücksichtigten Kosten für den Arbeitsweg anzurechnen", ist nicht ohne Weiteres bundesrechtskonform (E. 4.2.1). Ausschlaggebend ist wohl insbesondere die Frage, ob der Beschwerdeführer und seine Ehefrau auf die Fahrzeuge angewiesen sind oder ob sie ihre jeweiligen Arbeitsplätze auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen könnten. Dabei ist etwa zu beachten, dass in der Arbeitslosenversicherung für den Arbeitsweg grundsätzlich eine Dauer von bis zu zwei Stunden (je für Hin- und Rückweg) als zumutbar gilt (vgl. Art. 16 Abs. 2 lit. f AVIG). 
 
4.2.3. Was schliesslich die geforderte zusätzliche Berücksichtigung der Prämien für die Hausrat- und Haftpflichtversicherung anbelangt, kann dem Beschwerdeführer nicht beigepflichtet werden: Diese Kosten sind als allgemein übliche Auslagen bereits im angerechneten Grundbetrag enthalten.  
 
4.3. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz - nach allfälligen zusätzlichen Abklärungen - weitere Feststellungen zur Bedürftigkeit des Beschwerdeführers zu treffen und in der Folge erneut über dessen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege zu entscheiden.  
 
5.  
Die unterliegende Vorinstanz resp. der Kanton Solothurn hat keine Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Die Dispositiv-Ziffern 3 und 4 des Entscheids vom 10. April 2013 und die Dispositiv-Ziffer 2 des Entscheids vom 10. Mai 2013des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Beschwerdegegner hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. Juli 2013 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann