Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_614/2011 
 
Urteil vom 28. November 2011 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Zingg. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Victor Benovici, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Z.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Wilfried Caviezel, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arrest, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Graubünden, Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, vom 8. August 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Z.________ stellte am 14. April 2011 beim Bezirksgerichtspräsidenten Plessur gestützt auf Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG ein Arrestgesuch gegen X.________ für zwei Forderungen in der Höhe von Fr. 2'727'191.63 und von Fr. 1'394'893.--, jeweils zuzüglich 5 % Zins seit 16. März 2010. Z.________ begründete seine Forderungen damit, X.________ über Jahre hinweg hohe Geldbeträge überwiesen zu haben, wobei er von ihr getäuscht worden sei. Sie habe ihm tiefe Zuneigung vorgespielt, es aber vor und während der Ehe lediglich auf sein Geld abgesehen. Sie sei im selben Zeitraum mit verschiedenen anderen Männern eng liiert gewesen. Der Bezirksgerichtspräsident Plessur erliess am 15. April 2011 den Arrestbefehl; das Betreibungsamt des Kreises Chur vollzog den Arrest gleichentags in einem Umfang von Fr. 5 Mio. 
 
B. 
X.________ erhob am 26. April 2011 Einsprache gegen den Arrestbefehl und verlangte seine Aufhebung. Der Einzelrichter SchKG am Bezirksgericht Plessur wies die Einsprache am 6. Mai 2011 ab. 
 
C. 
Am 23. Mai 2011 legte X.________ gegen den Einspracheentscheid Beschwerde an das Kantonsgericht von Graubünden ein. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 8. August 2011 ab. 
 
D. 
Gegen dieses Urteil hat X.________ (Beschwerdeführerin) am 12. September 2011 Beschwerde in Zivilsachen, eventuell subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei das Arrestbegehren von Z.________ (Beschwerdegegner) abzuweisen. Am 16. September 2011 und am 11. Oktober 2011 hat sie zusätzliche Beilagen eingereicht (Arresteinspracheentscheid des Pretore della Giurisdizione di Locarno-Campagna vom 14. September 2011 und die entsprechende Rechtskraftbestätigung). 
 
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die rechtzeitig erhobene Beschwerde (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 45 Abs. 1 BGG) richtet sich gegen den Entscheid eines oberen Gerichts, das kantonal letztinstanzlich auf Rechtsmittel hin geurteilt hat (Art. 75 BGG). Der Entscheid betrifft eine Schuldbetreibungssache (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG) und der erforderliche Streitwert ist erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die Eingabe ist folglich als Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 ff. BGG) zu behandeln, womit für die eventualiter erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde kein Raum bleibt (Art. 113 BGG). 
 
Der Entscheid gemäss Art. 278 Abs. 3 SchKG ist ein Endentscheid nach Art. 90 BGG (Urteil 5D_112/2007 vom 11. Februar 2008 E. 1.1; vgl. auch BGE 133 III 589 E. 1 S. 590). Er beschlägt ausschliesslich das jeweilige Arrestverfahren und befindet ebenso wenig wie der Arrest selbst endgültig über Bestand und Fälligkeit der Arrestforderung. Er gilt damit wie der Arrestentscheid (BGE 133 III 589 E. 1 S. 590 f.) als vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG (BGE 135 III 232 E. 1.2 S. 234). Damit kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Verfassungsrügen müssen in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 397 E. 1.4 S. 400 f.; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen). Dies bedeutet, dass anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 135 III 232 E. 1.2 S. 234 mit Hinweisen). 
 
2. 
2.1 Die Vorinstanz hat das Bestehen einer Arrestforderung als glaubhaft erachtet. Die Überweisung hoher Geldbeträge durch den Beschwerdegegner an die Beschwerdeführerin sei unstreitig, ebenso, dass die Beträge zum grössten Teil als Schenkungen gedacht gewesen seien. Aus den Unterlagen ergäben sich gegenseitige Liebesschwüre, aber ebenso, dass die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegner oft direkt oder angedeutet zu Überweisungen aufgefordert habe. Es erscheine glaubhaft, dass der Beschwerdegegner diesen Wünschen nur nachkam, weil er zur Beschwerdeführerin grosse Zuneigung empfand und auf eine gemeinsame Zukunft hoffte. Die Beschwerdeführerin habe ein ausgeprägtes Augenmerk auf die finanziellen Aspekte der Beziehung gerichtet. Es bestehe zudem eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschwerdeführerin Drittbeziehungen aufrechterhalten habe während der Zeit, in der sie eine Beziehung mit dem Beschwerdegegner unterhielt. Diese Erkenntnis beruhe auf einer eidesstattlichen Erklärung von Y.________ und auf weiteren Unterlagen. Aufgrund all dieser Umstände erscheine glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin vor allem bezweckte, an einen möglichst grossen Teil des Vermögens des Beschwerdegegners zu gelangen, ohne dass sie effektiv mit ihm habe zusammenleben wollen. Die Forderung des Beschwerdegegners sei fällig und weder verwirkt noch verjährt. 
 
Auch den Arrestgrund von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG erachtete die Vorinstanz als gegeben. Es sei glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin keinen Wohnsitz in der Schweiz habe. Ihre familiären Bezugspunkte lägen in Hamburg und dort habe sie auch weiterhin berufliche Interessen. Sie habe - zumindest für das Jahr 2010 - selber zum Ausdruck gebracht, dass ihr Wohnsitz in Hamburg liege. Die Wohnsitzabmeldung in Hamburg im Jahre 2006 sei für sich genommen wenig aussagekräftig. Dass der polizeilichen Niederlassung keine grosse Bedeutung zukomme, zeige sich daran, dass die Beschwerdeführerin gemäss den Unterlagen ihren Wohnsitz in A.________ (Kanton Graubünden) angemeldet habe, ohne dass ein Lebensmittelpunkt an diesem Ort geltend gemacht würde. Der behauptete neue Wohnsitz in B.________ (Kanton Tessin) sei nicht hinreichend nachgewiesen. Bezüglich des vorgebrachten Arbeitsverhältnisses mit dem Hotel C.________ bestünden gewichtige Unstimmigkeiten. Unbestritten sei zwar, dass sie in B.________ eine Eigentumswohnung besitze, doch bestünden Zweifel an der Selbstnutzung, und schliesslich lege sie keinerlei soziale Bezugspunkte zu B.________ dar. Ebenso wenig sei ein gewöhnlicher Aufenthalt in der Schweiz anzunehmen: Ein Verweilen in A.________ sei weder behauptet noch bestünden hiefür Anhaltspunkte und auch für einen längeren Aufenthalt in B.________ bestünden keine Hinweise. Aufgrund der genannten Unstimmigkeiten könne insbesondere nicht auf den Arbeitsvertrag abgestellt werden. 
 
Ein genügender Bezug der Forderung zur Schweiz sei vorhanden, da der Gläubiger in A.________ Wohnsitz habe. Im Übrigen seien die Beträge von der Schweiz aus überwiesen worden und es seien zwei Rückforderungsklagen beim Bezirksgericht Albula hängig. 
 
2.2 In prozessualer Hinsicht hat die Vorinstanz zudem Folgendes erwogen: Die Beschwerdeführerin habe mit der Beschwerde an das Kantonsgericht zahlreiche neue Akten eingereicht. Gemäss Art. 278 Abs. 3 Satz 2 SchKG könnten im Beschwerdeverfahren gegen den Arresteinspracheentscheid neue Tatsachen geltend gemacht werden. Damit seien aber nur echte Noven gemeint, Tatsachen also, die erst nach dem Einspracheentscheid eingetreten seien. Soweit die Beschwerdeführerin unechte Noven eingereicht habe, seien sie aus dem Recht zu weisen. Es sei auch nicht entschuldbar, dass sie diese Unterlagen nicht bereits dem Bezirksgericht eingereicht habe. Die Beschwerdeführerin hätte anlässlich der bezirksgerichtlichen Hauptverhandlung die Möglichkeit gehabt, eine Unterbrechung und Verschiebung zu beantragen, falls sie die Urkunden des Beschwerdegegners nicht an Ort und Stelle hätte prüfen können. Sie könne nicht erst im Beschwerdeverfahren auf die Unterlagen des Beschwerdegegners reagieren, indem sie dort beliebige neue Akten einreiche. 
 
3. 
3.1 Die Beschwerdeführerin macht Willkür und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Konkret bringt sie vor, gemäss Art. 278 Abs. 3 Satz 2 SchKG könnten im kantonalen Beschwerdeverfahren nicht nur echte Nova, sondern auch unechte Nova beigebracht werden. Sie beruft sich dabei auf Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG. Sie habe der Vorinstanz neu ein Schreiben des Hamburger Amtsgerichts vom 18. Juli 2006 eingereicht, welches strafrechtliche Verurteilungen von Y.________ betreffe. Zwar sei dieses Schreiben vor dem Arresteinspracheentscheid verfasst worden, doch habe sie es erst später einreichen können. Das Kantonsgericht habe das rechtliche Gehör verletzt, indem es dieses Beweismittel, das die Glaubwürdigkeit von Y.________ erschüttere, übergangen habe. Des Weiteren habe die Vorinstanz den Arbeitsvertrag der Beschwerdeführerin missachtet, zu dessen Erfüllung ihre Präsenz in B.________ erforderlich sei. Umgekehrt fehle ein Beweis für soziale Kontakte in Hamburg. Die Vorinstanz habe diesbezüglich falsche Informationen verwendet. Indem die Vorinstanzen die Beschwerdeführerin dazu nicht - wie beantragt - befragt hätten, sei das rechtliche Gehör verweigert worden. Auch ein Augenschein hätte durchgeführt werden müssen. Im Übrigen schildert sie über mehrere Seiten die Geschichte ihrer Beziehung und des Prozesses. Sie verweist schliesslich auf das Arrestverfahren im Kanton Tessin, in welchem dieselben Fragen zu prüfen seien. 
 
3.2 In der Sache rügt die Beschwerdeführerin nicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV), sondern eine willkürliche Beweiswürdigung, insbesondere eine willkürliche antizipierte Beweiswürdigung, sowie eine willkürliche Auslegung prozessualer Bestimmungen. Ihre Rügen sind deshalb unter dem Aspekt der Willkür (Art. 9 BV) zu prüfen. 
3.2.1 Eine Verletzung des Willkürverbots liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5; 129 I 173 E. 3.1 S. 178; je mit Hinweisen). Im Rahmen der Beweiswürdigung und der Sachverhaltsfeststellung liegt Willkür demgemäss vor, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es aufgrund der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 136 III 552 E. 4.2 S. 560 mit Hinweisen). 
3.2.2 Soweit sich die Beschwerdeführerin darauf beschränkt, den Sachverhalt aus ihrer eigenen Sicht zu schildern, ohne im Einzelnen aufzuzeigen, worin der festgestellte Sachverhalt in klarem Widerspruch mit der tatsächlichen Situation liegen soll, genügt sie den Begründungsanforderungen nicht. Darauf kann nicht eingegangen werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
Sie zeigt ausserdem nicht auf, inwiefern die Vorinstanz Art. 278 Abs. 3 SchKG hinsichtlich des Novenrechts in unhaltbarer Weise ausgelegt haben soll, zumal sich das Kantonsgericht dabei auf eine einschlägige Literaturmeinung stützt (REISER in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 46 und 49 zu Art. 278 SchKG). Sie legt auch nicht detailliert dar, was die Regelung des bundesgerichtlichen Revisionsverfahrens (Art. 123 BGG) mit Art. 278 SchKG zu tun haben soll. Sie übergeht des Weiteren, dass die Vorinstanz nicht schlechterdings ausgeschlossen hat, unechte Noven zu berücksichtigen. Sie hat dies im Ergebnis vielmehr offen gelassen und festgehalten, dass es hiefür jedenfalls an der Entschuldbarkeit der verspäteten Akteneingabe fehle. Die Beschwerdeführerin schildert zwar vor Bundesgericht die angeblichen Gründe für die verspätete Einreichung eines Aktenstücks (Schreiben des Hamburger Amtsgerichts vom 18. Juli 2006). Sie behauptet aber nicht, die Verspätung bereits vor der Vorinstanz zu entschuldigen versucht zu haben, abgesehen davon, dass ihre Ausführungen keinerlei Zusammenhang mit den Erwägungen der Vorinstanz zur Unentschuldbarkeit der Verspätung haben. 
Soweit sie geltend macht, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in B.________ zu haben, beschränkt sie sich darauf, einzelne Elemente der vorinstanzlichen Gesamtwürdigung herauszugreifen und zu kritisieren. Sie übergeht aber etwa, dass die Vorinstanz Zweifel an ihrem Arbeitsvertrag hatte. Darauf geht sie nicht ein. Sie zeigt auch nicht auf, inwiefern das Kantonsgericht falsche Informationen verwendet haben soll, als es ihre sozialen Kontakte in Hamburg lokalisiert hat. Die Ausführungen erschöpfen sich in unzulässiger appellatorischer Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung bzw. an der antizipierten Beweiswürdigung, zumal sie - im Hinblick auf Letztere - nicht einmal detailliert aufzeigt, dass sie tatsächlich rechtzeitig zusätzliche Beweisanträge gestellt hat. Die Beschwerde genügt damit den Begründungsanforderungen insgesamt nicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
An der mangelnden Begründung ändert auch nichts, wenn der Pretore von Locarno-Campagna in einem Parallelverfahren in einzelnen Punkten zu anderen Schlüssen gekommen sein sollte als die Vorinstanz, zumal das Vorbringen verspätet ist. Auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden. 
 
4. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner sind keine zu entschädigenden Aufwendungen entstanden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 10'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Graubünden, Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 28. November 2011 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Hohl 
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg