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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
2C_683/2017  
 
 
Urteil vom 18. Juli 2018  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichter Zünd, Stadelmann, 
Gerichtsschreiberin Genner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Hazeraj, 
 
gegen  
 
Amt für Migration des Kantons Luzern, 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 30. Juni 2017 (7H 17 39/7U 17 6). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ (geb. 1976), kubanischer Staatsanghöriger, verheiratete sich am 10. Juli 2012 in Havanna (Kuba) mit der Schweizer Bürgerin B.________ (geb. 1987). Am 2. Februar 2013 reiste er in die Schweiz ein und erhielt im Kanton Bern eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei seiner Ehefrau. Nach einem Kantonswechsel erneuerte das Amt für Migration des Kantons Luzern am 1. Juli 2015 die Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit bis 1. Juli 2016. Am 28. März 2017 wurde die Ehe durch das Bezirksgericht Luzern geschieden. 
 
B.  
Am 2. September 2016 wies das Amt für Migration des Kantons Luzern das Gesuch um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ab und wies A.________ aus der Schweiz weg. Die dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements des Kantons Luzern vom 25. Januar 2017, Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 30. Juni 2017). 
 
C.  
A.________ erhebt am 14. August 2017 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Das Kantonsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die übrigen Verfahrensbeteiligten haben sich nicht vernehmen lassen. Mit Präsidialverfügung vom 16. August 2017 ist der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung beigelegt worden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG (SR 142.20), subsidiär auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG. Diese Ansprüche fallen ernsthaft in Betracht, weshalb sich die Beschwerde als zulässig erweist. Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerdeführung legitimiert, und auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Ausländische Ehegatten und ledige Kinder unter 18 Jahren von Schweizerinnen und Schweizern haben Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen (Art. 42 Abs. 1 AuG). Nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft besteht der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den Art. 42 und 43 AuG weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG) oder wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG "nachehelicher Härtefall").  
Das Erfordernis des Zusammenwohnens nach den Art. 42-44 AuG besteht nicht, wenn für getrennte Wohnorte wichtige Gründe geltend gemacht werden und die Familiengemeinschaft weiter besteht (Art. 49 AuG). Wichtige Gründe für eine Ausnahme vom Erfordernis des Zusammenwohnens können insbesondere durch berufliche Verpflichtungen oder durch eine vorübergehende Trennung wegen erheblicher familiärer Probleme entstehen (Art. 76 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]). 
 
2.2. Für die Anrechnung der dreijährigen Frist gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG ist auf die in der Schweiz gelebte Ehegemeinschaft abzustellen (BGE 140 II 345 E. 4.1 S. 348; 140 II 289 E. 3.5.1 S. 294; 136 II 113 E. 3.3 S. 117 ff.). Massgeblicher Zeitpunkt für die retrospektive Berechnung der Dauer der ehelichen Gemeinschaft ist in der Regel die Aufgabe der Haushaltsgemeinschaft (BGE 136 II 113 E. 3.2 S. 117). Eine (relevante) Ehegemeinschaft liegt vor, solange die eheliche Beziehung tatsächlich gelebt wird und ein gegenseitiger Ehewille besteht (BGE 138 II 229 E. 2 S. 231). Ist eine ernsthafte Führung des Ehe- und Familienlebens nicht (mehr) beabsichtigt, werden Zeiten sporadischen und kurzen Zusammenwohnens bei der Berechnung der dreijährigen Ehedauer im Sinn von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG nicht mitgezählt (BGE 140 II 345 E. 4.5.2 S. 351; 140 II 289 E. 3.5.1 S. 294 f.; Urteil 2C_847/2016 vom 5. April 2017 E. 2.3.4). Die Frist nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG gilt absolut; bereits das Fehlen weniger Wochen oder Tage schliesst den Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung aus (Urteile 2C_281/2017 vom 26. März 2018 E. 2.2; 2C_985/2014 vom 5. November 2014 E. 2.2).  
 
2.3. Die "wichtigen persönlichen Gründe" nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG müssen den weiteren Aufenthalt "erforderlich" machen. Art. 50 Abs. 2 AuG nennt exemplarisch einige derartige Gründe. Aus der zugehörigen Rechtsprechung erhellt, dass nur Tatsachen bzw. Nachteile von einigem Gewicht eine Bewilligungserteilung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG rechtfertigen (vgl. BGE 143 I 21 E. 4 und BGE 140 II 289 E. 3.4.1 [Interessen gemeinsamer Kinder]; BGE 138 II 229 E. 3.2 S. 231 [eheliche Gewalt]; Urteil 2C_671/2017 vom 29. Mai 2018 E. 2 [Zwangsheirat]; BGE 137 II 1 E. 3 und 4 [Tod des Ehepartners]).  
Hat der Aufenthalt nur kürzere Zeit gedauert und wurden keine engen Beziehungen zur Schweiz geknüpft, lässt sich ein Anspruch auf weiteren Verbleib nicht begründen, wenn die erneute Integration im Herkunftsland keine besonderen Probleme bereitet. Entscheidend ist, ob die persönliche, berufliche und familiäre Wiedereingliederung als stark gefährdet zu gelten hat, und nicht, ob ein Leben in der Schweiz einfacher wäre. Ein persönlicher, nachehelicher Härtefall setzt aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls eine erhebliche Intensität der Konsequenzen für das Privat- und Familienleben der ausländischen Person voraus, die mit ihrer Lebenssituation nach dem Dahinfallen der gestützt auf Art. 42 Abs. 1 bzw. Art. 43 Abs. 1 AuG abgeleiteten Anwesenheitsberechtigung verbunden sind (BGE 138 II 229 E. 3.1; 137 II 345 E. 3.2.3). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe seit der Eheschliessung bis zum 1. März 2016 mit seiner damaligen Ehefrau zusammengelebt. Die Dreijahresfrist sei eingehalten. 
 
3.1. Die Frist nach Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG hat am 2. Februar 2013 (Beginn des ehelichen Zusammenlebens in der Schweiz) zu laufen begonnen. Sie ist erfüllt, wenn die Ehegemeinschaft bis und mit 1. Februar 2016 angedauert hat.  
 
3.2. Die Vorinstanz ist gestützt auf die Aussagen beider Ehegatten zum Schluss gekommen, das eheliche Zusammenleben habe Anfang Januar 2016, spätestens aber mit der Abreise des Beschwerdeführers nach Kuba am 1. Februar 2016 geendet. Dem Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartements vom 25. Januar 2017 kann entnommen werden (Art. 105 Abs. 2 BGG), dass die Ehegatten anlässlich der am 8. bzw. 13. Juni 2016 durchgeführten Befragung durch das Amt für Migration übereinstimmend angegeben haben, sie hätten sich im Januar 2016 zum letzten Mal gesehen und der Beschwerdeführer habe fast den ganzen Monat Februar in Kuba verbracht. Der Beschwerdeführer räumte auch ein, dass die Ehefrau bei seiner Rückkehr nicht mehr in der ehelichen Wohnung gelebt und auf seine Kontaktversuche nicht (mehr) reagiert habe. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hatte die damalige Ehefrau aufgrund eines heftigen Streits (welcher u.a. Gegenstand einer am 1. April 2016 eingereichten Strafanzeige bildete) Anfang Januar 2016 die gemeinsame Wohnung verlassen und war "noch im Januar" - so die Erwägungen der Vorinstanz - zu ihrer Mutter gezogen. Bei dieser Sachlage ist es nicht willkürlich anzunehmen (vgl. Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG, Art. 97 Abs. 1 BGG, BGE 140 III 115 E. 2), dass der Ehewille der damaligen Gattin des Beschwerdeführers im Januar 2016 erloschen war. Daran ändert auch nichts, dass die Gatten noch am 1. Januar 2016 vereinbart hatten, nach der Rückkehr des Beschwerdeführers Ende Februar 2016 eine Paartherapie zu beginnen. Der besagte Streit fand nach dem 1. Januar 2016 statt, und es deutet nichts darauf hin, dass danach noch ein gegenseitiger Ehewille bestanden hätte.  
 
3.3. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist über weite Strecken nicht sachbezogen, weshalb darauf nicht einzugehen ist. Entgegen seiner Auffassung kann die Phase ab 1. Februar 2016 (Abreise nach Kuba) nicht unter dem Gesichtspunkt von Art. 49 AuG gewürdigt werden, da er nicht darzutun vermochte, dass während dieser Zeit ein  gegenseitiger Ehewille vorhanden war (vgl. E. 3.2). Es bleibt somit bei der Feststellung, wonach die Ehegemeinschaft wohl Anfang Januar 2016, spätestens aber am 1. Februar 2016 aufgegeben worden ist.  
 
3.4. Die Dreijahresfrist gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG ist nicht erfüllt. Es erübrigt sich zu prüfen, ob eine erfolgreiche Integration vorliegt.  
 
4.  
Der Beschwerdeführer beruft sich sinngemäss auf Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG. Eine berufliche Wiedereingliederung als Musiker sei in Kuba für ihn nahezu unmöglich; zudem habe er mit Repressalien zu rechnen. 
 
4.1. Der Beschwerdeführer vermochte diese Behauptungen vor der Vorinstanz nicht zu untermauern. Welche Art von Repressalien er geltend machte, geht aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor; der Beschwerdeführer rügt aber diesbezüglich keine unvollständige Sachverhaltsprüfung durch die Vorinstanz. Es kann daher offen bleiben, ob dieses Vorbringen ein unzulässiges Novum im Sinn von Art. 99 Abs. 1 BGG ist. Hinsichtlich der beruflichen Wiedereingliederung ist nicht massgeblich, ob der Beschwerdeführer in Kuba seinen angestammten Beruf als Musiker wird ausüben können (was er übrigens in der Schweiz auch nicht tat), sondern, ob es ihm zumutbar ist, sich um den Wiederaufbau einer Existenz zu bemühen (vgl. E. 2.3). Dies hat die Vorinstanz ohne Willkür bejaht, weshalb ein nachehelicher Härtefall im Sinn von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG zu verneinen ist.  
 
4.2. Es trifft sodann nicht zu, dass die Vorinstanz keine Verhältnismässigkeitsprüfung vorgenommen hat. Im Rahmen der Prüfung einer Härtefallbewilligung nach Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG (im Verfahren vor dem Bundesgericht nicht zu prüfen, vgl. E. 1) hat die Vorinstanz dargelegt, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Kuba ohne weiteres zumutbar ist, weil er nur vier Jahre in der Schweiz gelebt hat, die Gepflogenheiten in seiner Heimat nach wie vor bestens kennt und seine Familie dort lebt. Diese Erwägungen gelten gleichermassen für die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 AuG, weshalb das angefochtene Urteil auch in Bezug auf die Verhältnismässigkeit der Entfernungsmassnahme als rechtsgenüglich begründet gelten kann.  
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Juli 2018 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Die Gerichtsschreiberin: Genner