Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5C.222/2006 /blb
Urteil vom 14. Februar 2007
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, Hohl,
Bundesrichter Meyer,
Besetzung
Gerichtsschreiber Möckli.
Parteien
X.________,
Kläger und Berufungskläger,
vertreten durch Rechtsanwalt Jodok Wyer,
gegen
Bank Y.________,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
vertreten durch V.________.
Gegenstand
Klage aus SchKG,
Berufung gegen den Entscheid des Präsidenten des Zivilgerichtshofs I des Kantonsgerichts Wallis vom 16. August 2006.
Sachverhalt:
A.
Am 29. Oktober 2004 ersteigerte X.________ die Stockwerkeinheit S.________-GBB-xxxx (4-Zimmer-Duplexwohnung Nr. 12) für Fr. 605'000.--. Er leistete eine Anzahlung von Fr. 50'000.--. Nachdem er den restlichen Kaufpreis nicht geleistet hatte, hob das Betreibungsamt B.________ den Zuschlag auf. Am 8. April 2005 wurde die Wohnung für Fr. 695'000.-- an Dritte zugeschlagen. Das Betreibungsamt bezifferte den "Schaden, der durch die Aufhebung des Zuschlags entstanden ist", auf Fr. 27'972.30 und verrechnete diesen mit der geleisteten Anzahlung. Nachdem das Bezirksgericht B.________ auf eine dagegen erhobene Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG nicht eingetreten war, setzte das Betreibungsamt dem Kläger am 20. Februar 2006 Frist zur Widerspruchsklage gemäss Art. 107 SchKG gegen die Bank Y.________ auf Feststellung des Anspruchs auf Freigabe des Betrages von Fr. 27'972.30.
B.
Mit Klage vom 27. März 2006 verlangte X.________ die Feststellung, dass der Betrag von Fr. 27'972.30 exkl. Gebühren des Betreibungsamtes, d.h. Fr. 22'539.30, vom Betreibungs- und Konkursamt B.________ zu seinen Gunsten freizugeben sei.
In seinem Entscheid vom 16. August 2006 trat der Präsident des Zivilgerichtshofs I des Kantonsgerichts des Kantons Wallis auf die Klage nicht ein mit der Begründung, trotz Säumnis der Bank Y.________ sei die Zuständigkeit des Kantonsgerichts von Amtes wegen zu prüfen. Sie sei nicht gegeben, weil die Feststellungsklage gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b GestG am Sitz der Beklagten in T.________ hätte eingereicht werden müssen, weil dem Kläger wegen der Möglichkeit, direkt auf Leistung zu klagen, das Feststellungsinteresse fehle und weil er nicht in substanziierter Form dartue, wieso ihm die Beklagte den geforderten Betrag schulde.
C.
Gegen diesen Entscheid hat X.________ am 18. September 2006 Berufung erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und um Feststellung, dass der Betrag von Fr. 27'972.30 exkl. Gebühren des Betreibungsamtes, d.h. Fr. 22'539.30, vom Betreibungs- und Konkursamt B.________ zu seinen Gunsten freizugeben sei, eventualiter um Rückweisung der Sache an das Kantonsgericht zur neuen Beurteilung.
Die Bank Y.________ hat sich in ihrer Berufungsantwort vom 2. November 2006 auf die Aussage beschränkt, sie verweise für den Sachverhalt auf die Stellungnahme des Betreibungsamtes vom 6. Juli 2006 und sie bestätige im Übrigen dessen Abrechnung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid ist vorher ergangen, so dass noch die Bestimmungen des Bundesrechtspflegegesetzes (OG) anzuwenden sind (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).
2.
Der Kläger macht geltend, er habe nicht einfach aus eigener Initiative eine Klage auf Haftung aus Art. 143 Abs. 2 SchKG eingereicht, sondern ihm sei vom Betreibungsamt Frist zur Klage gemäss Art. 107 SchKG gegen die Bank Y.________ angesetzt worden. Das Kantonsgericht habe diese Bestimmung, welche eine Norm des Bundesrechts sei, bewusst oder fälschlicherweise nicht angewandt oder nicht anwenden wollen. Die Parteirollenverteilung sei durch die betreibungsamtliche Verfügung vorgegeben und als Drittansprecher müsse er nicht auf Feststellung klagen, sondern auf Entlassung des Vermögensstücks, von dem er glaube, dass es ihm gehöre. Die örtliche Zuständigkeit richte sich im Übrigen nach Art. 107 Abs. 5 SchKG und das Kantonsgericht sei folglich zuständig gewesen.
3.
Erfolgt die Zahlung des Zuschlagspreises nicht rechtzeitig, hat das Betreibungsamt diesen gemäss Art. 143 Abs. 1 SchKG rückgängig zu machen und eine neue Versteigerung anzusetzen. Sodann bestimmt Art. 143 Abs. 2 SchKG, dass der frühere Ersteigerer für einen allfälligen Ausfall und allen weiteren Schaden haftet, der aus der Wiederholung der Verwertung entstanden ist.
Die betreffende Forderung steht nicht etwa dem Gläubiger zu (BGE 38 II 582 E. 3 S. 585), sondern bildet ein Aktivum des Schuldners; indes darf dieser nicht darüber verfügen, denn sie unterliegt dem Pfändungs- bzw. Pfandbeschlag und kann ihrerseits verwertet werden (Fritzsche/Walder, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Zürich 1984, § 30 N. 14; Rutz, Basler Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N. 14 zu Art. 129 SchKG; Jaeger/Walter/Kull/Kottmann, Kommentar zum SchKG, 4. Aufl., Zürich 1997, N. 12 zu Art. 129 SchKG). Besteht über die Höhe des Ausfalls oder des Schadens Streit, darf dieser nicht vom Betreibungsamt beurteilt werden, sondern ist er vor den Gerichten auszutragen (BGE 82 III 137 E. 1 S. 141; Rutz, a.a.O., N. 15). Weil es sich bei der betreffenden Forderung um eine solche des Schuldners gegen den früheren Ersteigerer handelt, steht diesbezüglich weder den Betreibungs- noch den Pfandgläubigern ein direktes Klagerecht zu (Rutz, a.a.O., N. 15). Die vom Pfändungs- bzw. Pfandbeschlag erfasste strittige Forderung ist vielmehr betreibungsamtlich zu verwerten, indem das Betreibungsamt diese nach Art. 131 SchKG zur Eintreibung an die interessierten Gläubiger überweist oder indem sie bei fehlendem Abtretungsinteresse der Gläubiger öffentlich versteigert wird (BGE 38 II 582 E. 4 S. 588; Fritzsche/Walder, a.a.O., N. 14; Rutz, a.a.O., N. 16; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, a.a.O., N. 12).
Ob durch die Nichterfüllung der Pflichten aus der früheren Versteigerung ein Ausfall bzw. ein Schaden entstanden ist, wird festgestellt durch eine Vergleichung der Lage, wie sie sich bei richtiger Erfüllung präsentiert hätte, mit derjenigen, wie sie sich aus der Nichterfüllung ergibt (BGE 82 III 137 E. 2 S. 142). Ein Ausfall bzw. ein Schaden kann folglich nur dann entstehen, wenn der an der zweiten Versteigerung erzielte höhere Zuschlagspreis die zusätzlichen Zins-, Verwertungs-, Verwahrungs- und ähnliche Kosten nicht deckt; ist die positive Differenz grösser als diese Kosten, schuldet der frühere Ersteigerer nichts (Häusermann/Stöckli/Feuz, Basler Kommentar, N. 21 zu Art. 143 SchKG). Insbesondere dürfen ihm in diesem Fall auch nicht die aus der Nichterfüllung sich zusätzlich ergebenden Verwertungskosten oder die Kosten der ersten Versteigerung belastet werden (BGE 82 III 137 E. 4 S. 143) und wird hierdurch der den Betreibungs- bzw. Pfandgläubigern zustehende Versteigerungserlös nicht in unzulässiger Weise geschmälert, weil diese bei gehöriger Erfüllung der Pflichten des Erstersteigerers keinen Anspruch auf eine zweite Versteigerung hätten, die zu einem besseren Ergebnis führt.
4.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das Betreibungsamt - angesichts der Tatsache, dass der Mehrerlös aus der zweiten Versteigerung die zusätzlichen Kosten und Zinsen um ein Mehrfaches überstieg, für die Gläubiger aus der zweiten Ersteigerung also ein Gewinn resultierte, und nachdem sich die Schuldnerin auf Anfrage hin überhaupt nicht hatte vernehmen lassen, womit auch kein "Streit" über einen angeblichen Ausfall oder Schaden entstanden war - die gesamte Anzahlung ohne weiteres an den Kläger hätte herausgeben müssen, allenfalls nach einer Anfrage an die Gläubigerbank, ob sie eine der Schuldnerin zustehende Ausfall- oder Schadenforderung behaupte und sich diese gemäss Art. 131 SchKG zum Inkasso abtreten lassen möchte (vgl. Art. 72 Abs. 1 VZG).
Stattdessen hat das Betreibungsamt dem Ersteigerer Frist angesetzt zur Einreichung einer Widerspruchsklage gemäss Art. 107 SchKG, zu einer Klage also, bei der es um die Klärung geht, wem im Pfändungsverfahren eine bewegliche Sache oder eine Forderung zusteht. Über die Gläubigerschaft einer allfälligen Ausfallforderung kann aber a priori keine Unklarheit bestehen, würde sie doch nach dem in E. 3 Gesagten in jedem Fall der Schuldnerin zustehen, die sie allerdings infolge des Pfändungs- bzw. Pfandbeschlags nicht selbständig durchsetzen könnte.
Die Verfügung des Betreibungsamtes vom 20. Februar 2006 erweist sich deshalb als nichtig, und es besteht von vornherein kein Streitgegenstand, der in einer Widerspruchsklage ausgetragen werden könnte. Aus diesem Grund ist der Nichteintretensentscheid des Kantonsgerichts im Ergebnis richtig und lässt sich auch die Erwägung halten, der Kläger habe nicht in substanziierter Form dargetan, wieso ihm die Bank Y.________ den geforderten Betrag schulde. Jedenfalls verletzt der angefochtene Entscheid nicht, wie vom Kläger in der Berufung geltend gemacht, Art. 107 SchKG, weshalb die Berufung abzuweisen ist.
Soweit der klägerische Anwalt in der Berufung sinngemäss die Kostenauflage an ihn persönlich kritisiert, ist die Berufung nicht das richtige Rechtsmittel; die Kostenauflage stützt sich auf kantonales Zivilprozessrecht, dessen willkürliche Anwendung mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen wäre (Art. 84 Abs. 1 lit. c OG).
5.
Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, hat der Kläger aufgrund der Angaben der involvierten kantonalen Behörden in guten Treuen geklagt, weshalb aufgrund der besonderen Verhältnisse für das Berufungsverfahren von einer Gerichtsgebühr abgesehen wird und keine Partei der anderen eine Entschädigung schuldet (Art. 156 Abs. 3 und Art. 159 Abs. 3 OG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Es werden weder Gebühren erhoben noch Entschädigungen gesprochen.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Präsident des Zivilgerichtshof I des Kantonsgerichts Wallis schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Februar 2007
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: