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Urteilskopf

126 III 361


63. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Juli 2000 i.S. G. Schwegler AG in Konkurs gegen Kaufmann & Co. (Berufung)

Regeste

Art. 33 und 718a OR; Art. 120 ff. OR.
Gültigkeit der Vertretung bei einem Konflikt der Interessen der juristischen Person mit jenen des handelnden Organs (E. 3 und 5).
Voraussetzungen für die Annahme eines Verrechnungsvertrages (E. 6).

Sachverhalt ab Seite 361

BGE 126 III 361 S. 361
Am 20. März 1992 unterzeichneten Willi Kaufmann für die Kaufmann & Co. (nachfolgend Beklagte) als Unternehmer und Freddy Schwegler, damals einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat der G. Schwegler AG (heute G. Schwegler AG in Konkurs, nachfolgend Klägerin), unter der Bezeichnung "Freddy Schwegler, c/o Schwegler AG" als Bauherr, einen Werkvertrag über Baumeisterarbeiten in der Überbauung Bauholz in Wittenbach. Mit Vereinbarung vom 10. Juli 1992 verpflichtete sich die Beklagte sodann, einen Teilbetrag ihres Werklohnes stehen zu lassen. Dieser Stehbetrag von Fr. 400'000.- gelte als Rückhaltegeld zur Auslösung von einschlägigen Arbeitsleistungen der Klägerin gegenüber der Beklagten, deren Beteiligungsfirmen oder befreundeten Unternehmen und
BGE 126 III 361 S. 362
könne in Teilbeträgen oder gesamt jederzeit abgegolten werden. Die Stehbetragssumme sollte mit den erteilten Gegengeschäften um den jeweiligen Betrag verringert werden.
In der Folge schlossen die Beklagte selbst oder andere, mit ihr verbundene Unternehmen verschiedene Gegengeschäfte mit der Klägerin, wobei der jeweilige Werklohn vom Guthaben von ursprünglich Fr. 400'000.- in Abzug gebracht wurde. Mit Schreiben vom 24. Mai 1995 forderte die Beklagte "Freddy Schwegler c/o Schwegler AG" auf, die zu diesem Zeitpunkt noch offene Forderung sicherzustellen, worauf Gottfried Schwegler am 7. Juli 1995 einen Pfandvertrag über Fr. 144'938.20 im Grundbuch eintragen liess. Am 12. Juli 1995 wurde der Klägerin vom Bezirksgericht Unterrheintal die Nachlassstundung bewilligt. Gestützt auf eine Auftragsbestätigung vom 15. September 1995 lieferte sie der Beklagten in der Zeit zwischen September und November 1995 Fenster und stellte hierfür am 27. November 1995 einen Betrag von insgesamt Fr. 46'327.- in Rechnung. Am 5. Februar 1996 fiel die Klägerin schliesslich in Konkurs.
Die Beklagte errechnete im März 1996 ein Guthaben von Fr. 1'087.90. Diesen Betrag beglich Freddy Schwegler persönlich am 11. Februar 1997 durch Barzahlung. Danach erteilte die Beklagte ihr Einverständnis zur Löschung der Grundpfandverschreibung.
Am 9. Oktober 1998 belangte die Klägerin die Beklagte beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen auf Bezahlung von Fr. 46'327.- nebst Zins. Sie machte geltend, einerseits sei fraglich, ob die Klägerin überhaupt Schuldnerin der Stehbetragsforderung der Beklagten geworden war, mit der die Werklohnforderungen verrechnet wurden. Anderseits habe die Beklagte den eingeklagten, für Fensterlieferungen geschuldeten Betrag erst am 26. November bzw. 7. Dezember 1995 und damit nach Bewilligung der Nachlassstundung am 12. Juli 1995 zur Verrechnung gebracht. Die Bekanntmachung der Nachlassstundung sei gleich zu behandeln wie die Konkurseröffnung. Gemäss Art. 213 Abs. 2 SchKG sei aber die Verrechnung ausgeschlossen, wenn ein Gläubiger des Gemeinschuldners erst nach Konkurseröffnung Schuldner desselben oder der Konkursmasse werde. Das Handelsgericht wies die Klage mit Entscheid vom 19. Januar 2000 ab.
Die Klägerin gelangt mit Berufung ans Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Betrag von Fr. 46'327.- zuzüglich Zins zu bezahlen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
BGE 126 III 361 S. 363
Das Bundesgericht heisst die Berufung der Klägerin teilweise gut, hebt das handelsgerichtliche Urteil auf und weist die Streitsache gestützt auf Art. 64 Abs. 1 OG an die Vorinstanz zurück.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. a) Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist das Kontrahieren eines Vertreters mit sich selbst grundsätzlich unzulässig, weil es regelmässig zu Interessenkollisionen führt und somit vom Gesellschaftszweck nicht erfasst wird. Selbstkontrahieren hat deshalb die Ungültigkeit des betreffenden Rechtsgeschäftes zur Folge, es sei denn, die Gefahr einer Benachteiligung des Vertretenen sei nach der Natur des Geschäftes ausgeschlossen oder der Vertretene habe den Vertreter zum Vertragsschluss mit sich selbst besonders ermächtigt oder das Geschäft nachträglich genehmigt (BGE 95 II 442 E. 5 S. 452 f.; BGE 89 II 321 E. 5 S. 324 ff.; BGE 82 II 388 E. 4 S. 392 ff.; ZÄCH, Berner Kommentar, N. 80 ff. zu Art. 33 OR; WATTER, Basler Kommentar, 2. Aufl., N. 19 zu Art. 33 OR). Nichts anderes gilt für die gesetzliche Vertretung juristischer Personen durch deren Organe. Auch in diesem Fall bedarf es einer besonderen Ermächtigung oder einer nachträglichen Genehmigung durch ein über- oder nebengeordnetes Organ, wenn die Gefahr einer Benachteiligung besteht (BGE 95 II 442 E. 5 S. 452 f.; BGE 89 II 321 E. 5 S. 326; WATTER, a.a.O., N. 12 zu Art. 718a OR; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 30 N. 121 f.).
Daran schliesst die Frage an, wie es sich mit der Vertretungsmacht verhält, wenn zwar kein Selbstkontrahieren, aber ein Konflikt zwischen den Interessen der juristischen Person und jenen des handelnden Organs vorliegt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Vertretungsbefugnis nach dem mutmasslichen Willen der juristischen Person stillschweigend jene Geschäfte ausschliesst, welche sich als interessen- bzw. pflichtwidriges Vertreterhandeln erweisen (DIETER ZOBL, Probleme der organschaftlichen Vertretungsmacht, ZBJV 125 [1989] S. 289 ff., S. 295 f.). Eine stillschweigende Beschränkung der Vertretungsbefugnis kann aber dem gutgläubigen Dritten nicht entgegengehalten werden. Der Interessenkonflikt vermag die Vertretungsmacht nur zu begrenzen, wenn er für den Dritten erkennbar war oder dieser ihn wenigstens bei gebührender Sorgfalt hätte erkennen müssen (vgl. BGE 120 II 5 E. 2c S. 9; ZOBL, a.a.O., S. 306 ff.). Die Rechtslage ist bei einem Geschäft mit Interessenkonflikt
BGE 126 III 361 S. 364
mithin nicht dieselbe wie beim Selbstkontrahieren. Während beim Selbstkontrahieren und der Doppelvertretung die Vertretungsmacht grundsätzlich fehlt und nur ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände besteht, schliesst der blosse Interessenkonflikt aus Gründen der Verkehrssicherheit die Vertretungsmacht nicht von vornherein aus, sondern lässt sie nur entfallen, wenn der Dritte den Interessenkonflikt auch erkannt hat bzw. hätte erkennen müssen. Dann aber fehlt es an der Vertretungsmacht, selbst wenn sich der Interessenkonflikt im konkreten Fall nicht zum Nachteil der vertretenen Person ausgewirkt hat (vgl. zur analogen Rechtslage bei der gesetzlichen Vertretung: BGE 118 II 101 E. 4 S. 103 ff.; BGE 107 II 105 E. 4 S. 109 ff.; zu den Ausnahmen vgl. BGE 120 II 5 E. 2c S. 9 f.). Der Interessenkonflikt bewirkt, dass der rechtsgeschäftliche Wille nicht fehlerfrei zustande kommen und damit das Rechtsgeschäft für den Vertretenen nicht wirksam werden kann. Die Regeln des Selbstkontrahierens sind deshalb analog anzuwenden (vgl. WATTER, a.a.O., N. 19 zu Art. 33 OR; ZÄCH, a.a.O., N. 78 zu Art. 33 OR).
b) Nach den insofern unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz stellte die Beklagte mit der Vereinbarung vom 10. Juli 1992 Freddy Schwegler Fr. 400'000.- zur Verfügung, zu deren Rückerstattung sich jedoch die Klägerin verpflichtete. Dabei handelte Schwegler zugleich für sich persönlich und in seiner Eigenschaft als einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat für die Klägerin. Wirtschaftlich erzielten die Parteien dadurch im Ergebnis eine darlehensähnliche Begünstigung Schweglers zulasten der Klägerin, indem Letztere dessen Schuld gegenüber der Beklagten zu begleichen hatte. Um einen Fall von Selbstkontrahieren im eigentlichen Sinne handelt es sich indessen nicht, da dem fraglichen Rechtsgeschäft ein Dreipersonenverhältnis zugrunde liegt und der vorliegende Rechtsstreit zwischen dem Dritten und dem Vertretenen angehoben wurde. Die Gefahr eines Konflikts zwischen den Interessen des Organs und der Gesellschaft ist jedoch unübersehbar. Der vorliegende Fall ist somit mit demjenigen vergleichbar, der BGE 111 II 284 ff. zugrunde lag, wo eine durch ihren Hauptaktionär vertretene Gesellschaft in dessen Interesse kumulativ eine Schuld übernahm. Allerdings lagen damals keinerlei Anhaltspunkte für die Bösgläubigkeit des Dritten vor, weshalb das Bundesgericht keinen Anlass hatte, sich zu dieser Frage eingehend zu äussern (vgl. ZOBL, a.a.O., S. 307). Vorliegend behauptet die Klägerin jedoch, die Beklagte sei bösgläubig gewesen. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob diese den Interessenkonflikt erkannt hat oder hätte erkennen müssen.
BGE 126 III 361 S. 365

4. Das Handelsgericht hat - wenn auch in anderem Zusammenhang - festgestellt, beide Parteien seien davon ausgegangen, Freddy Schwegler habe nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um die Überbauung Bauholz zu realisieren. Während die Zahlungsfähigkeit der Beklagten nie bestritten worden sei, hätten bei Schwegler diesbezüglich Zweifel bestanden. Da er nicht über das notwendige Kapital verfügt habe und den Stehbetrag gleichzeitig frei für die Überbauung verwenden durfte, habe die Vereinbarung vom 10. Juli 1992 nur den Sinn haben können, eine tatsächliche Rückerstattung des Darlehens zu gewährleisten. Wie ferner aus dem angefochtenen Urteil hervorgeht, hat die Beklagte selbst im kantonalen Verfahren vorgebracht, nur unter der Bedingung bereit gewesen zu sein, einen Teil ihrer Werklohnforderungen als Darlehen stehen zu lassen, dass die Rückzahlung über Gegengeschäfte mit der Klägerin erfolgen würde. Die Beklagte war sich somit bewusst, dass die Bonität des Empfängers Schwegler zweifelhaft war, und liess sich gerade aus diesem Grund die Rückleistung durch die offenbar solvente Klägerin versprechen. Der Konflikt zwischen den persönlichen Interessen Schweglers und denjenigen der Klägerin war mithin auch für die Beklagte augenfällig. Soweit sie in der Berufungsantwort geltend macht, es habe kein objektiver Grund zur Annahme bestanden, Schwegler werde nicht in der Lage sein, die "peu à peu entstehenden Verpflichtungen gegenüber seinem Unternehmen (Subrogationsforderung) zu erfüllen", stehen ihre Ausführungen mit den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz in Widerspruch. Hätte sie Schwegler tatsächlich für zahlungsfähig gehalten, ist nicht einzusehen, weshalb es überhaupt zur Vereinbarung vom 10. Juli 1992 kommen musste, wie bereits das Handelsgericht ausgeführt hat. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Gefahr einer Benachteiligung der Klägerin für die Beklagte erkennbar und sie diesbezüglich nicht gutgläubig war.

5. Die Beklagte wendet allerdings ein, Freddy Schwegler sei der einzige Verwaltungsrat und "wirtschaftlicher Eigentümer" der Klägerin gewesen, was die Vermutung begründe, dass eine stillschweigende Bevollmächtigung bzw. Genehmigung durch die Generalversammlung vorliege. Sinngemäss macht sie damit geltend, zwischen Schwegler und der Klägerin habe gar kein Interessenkonflikt bestanden.
a) In einem Entscheid aus dem Jahre 1924, der einen Fall von Selbstkontrahieren betraf, hielt das Bundesgericht fest, die Gefahr einer Benachteiligung der vertretenen Gesellschaft entfalle, wenn
BGE 126 III 361 S. 366
neben dem Organ, welches das Eigengeschäft geschlossen habe, keine weiteren Aktionäre und keine Gesellschaftsgläubiger vorhanden seien. Auch wenn die Gesellschaft eine gesonderte Rechtspersönlichkeit habe und ihr Vermögen von demjenigen des Alleinaktionärs getrennt bleibe, so deckten sich doch die beidseitigen Interessensphären (BGE 50 II 168 E. 5 S. 183 f.). Diese Rechtsprechung ist in der Lehre überwiegend auf Zustimmung gestossen (ZÄCH, a.a.O., N. 81 zu Art. 33 OR; ZOBL, a.a.O., S. 312; ROLF PORTMANN, Das Selbstkontrahieren des Vertreters, Diss. Zürich 1941, S. 100 ff.; WALTER HEINRICH KEICHER, Das Selbstkontrahieren des Stellvertreters, Diss. Bern 1940, S. 54 f.; PAUL LEMP, Vertragsabschluss durch Organe in Doppelstellung, in: Festgabe für Wilhelm Schönenberger, Freiburg 1968, S. 309 ff., S. 327 f.).
Wie das Bundesgericht im zitierten Entscheid ausführt, ist die Möglichkeit einer Schädigung der Gesellschaft der einzige ausschlaggebende Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Eigengeschäftes (BGE 50 II 168 E. 5 S. 184). Ein Schutzbedürfnis entfällt deshalb, wenn der mit sich selbst kontrahierende Vertreter zugleich Alleinaktionär ist, ist doch unter diesen Umständen zwingend zu folgern, der Abschluss des betreffenden Eigengeschäftes entspreche zugleich dem Willen der Generalversammlung und werde deshalb von der Vertretungsmacht des Organs gedeckt. Dasselbe muss a fortiori für Rechtsgeschäfte mit potentiellen Interessenkonflikten wie dem vorliegenden gelten: Sind neben dem handelnden Organ keine weiteren Aktionäre vorhanden, fehlt es von vornherein an gegenläufigen Interessen. Anders verhält es sich, wenn das Organ nicht Allein-, sondern bloss Mehrheitsaktionär ist. Ein Interessenkonflikt ist diesfalls noch nicht per se ausgeschlossen. Zum Schutze der Minderheit ist deshalb zu fordern, dass eine Ermächtigung bzw. Genehmigung mittels eines anfechtbaren Beschlusses erteilt wurde (anders ZÄCH, a.a.O., N. 81 zu Art. 33 OR, der bereits bei Besitz der Aktienmehrheit von einer Vermutung der Bevollmächtigung ausgeht).
Soweit das Bundesgericht im angeführten Urteil auch die Interessen von Gesellschaftsgläubigern für erheblich erachtete, ist daran nicht festzuhalten. Zu Recht wurde in der Lehre darauf hingewiesen, dass das Verbot des Selbstkontrahierens bzw. die beschränkte Gültigkeit von Rechtsgeschäften mit Interessenkonflikten allein dem Schutz der Gesellschaft diene (ZOBL, a.a.O., S. 312 f.; PORTMANN, a.a.O., S. 102; KEICHER, a.a.O., S. 55). Den Gesellschaftsgläubigern stehen mit den paulianischen Anfechtungsklagen
BGE 126 III 361 S. 367
(Art. 285 ff. SchKG) und der Verantwortlichkeitsklage gegenüber Verwaltungsräten (Art. 754 OR) andere Rechtsbehelfe zur Durchsetzung ihrer Ansprüche zur Verfügung (ZOBL, a.a.O., S. 312).
b) Das angefochtene Urteil enthält keine Feststellungen zur Zusammensetzung des Aktionariats der Klägerin zur fraglichen Zeit. Die Beklagte macht in der Berufungsantwort zwar geltend, im kantonalen Verfahren sei ihre Behauptung unbestritten geblieben, Freddy Schwegler sei "wirtschaftlicher Eigentümer" der Klägerin. Was sie mit diesem Begriff im hier interessierenden Zusammenhang genau meint, bleibt indessen unklar; namentlich geht aus ihren Vorbringen nicht hervor, ob neben Schwegler noch andere Aktionäre vorhanden waren. Das aber ist für die Beurteilung der Frage, ob zwischen Freddy Schwegler und der Klägerin tatsächlich ein Interessenkonflikt bestanden hat, der den Abschluss der Vereinbarung vom 10. Juli 1992 ungültig macht, von ausschlaggebender Bedeutung. Sollte sich ergeben, dass Freddy Schwegler nicht Allein-, sondern bloss Mehrheitsaktionär war, ist zusätzlich erforderlich, dass eine spezifische Ermächtigung bzw. Genehmigung seines Handelns durch die Gesellschaft gültig stattgefunden hätte. Der vom Handelsgericht festgestellte Sachverhalt ist in diesem Sinne unvollständig, weshalb die Streitsache zur Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 OG).

6. Die Klägerin rügt auch die Auffassung der Vorinstanz als bundesrechtswidrig, wonach das Verrechnungsverbot gemäss Art. 213 Abs. 2 SchKG nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Sollte das Handelsgericht bei der erneuten Prüfung der Streitsache zum Schluss kommen, dass die Vereinbarung vom 10. Juli 1992 gültig ist, drängt es sich aus prozessökonomischen Gründen auf, die betreffenden Erwägungen des angefochtenen Urteils bereits hier auf ihre Konformität mit dem Bundesrecht hin zu überprüfen.
a) Das Handelsgericht hat die Vereinbarung vom 10. Juli 1992 als Verrechnungsvertrag qualifiziert. Demnach sollten künftig entstehende Werklohnforderungen der Klägerin erlöschen, sobald sie der Darlehensforderung der Beklagten gegenüber stehen. Im Rahmen dieses Verrechnungsvertrages habe es den Parteien auch freigestanden, auf die Erfordernisse der Gegenseitigkeit und der Gleichartigkeit von Verrechnungsforderung und Hauptforderung zu verzichten. Während sich die Klägerin dieser Auffassung anschliesst, wendet die Beklagte in der Berufungsantwort erneut ein, die Leistungen der Klägerin stellten reine Erfüllungshandlungen dar, so dass für die Konstruktion eines Verrechnungstatbestandes kein Raum bleibe.
BGE 126 III 361 S. 368
b) Bei der Verrechnung handelt es sich um einen besonderen, von der eigentlichen Erfüllung verschiedenen Untergangsgrund einer Forderung. Sie setzt den Bestand mindestens zweier Obligationen voraus, welche beide von der verrechnungsrechtlichen Wirkung erfasst werden (AEPLI, Zürcher Kommentar, 3. Aufl., Zürich 1991, N. 17 f. der Vorbemerkungen zu Art. 120-126 OR). Verrechnungs- und Hauptforderung müssen zudem grundsätzlich gleichartig sein und denselben Personen jeweils als Gläubiger bzw. Schuldner zustehen. Aufgrund der weitgehend dispositiven Natur der Normen des Verrechnungsrechts steht es den Parteien jedoch frei, abweichende Abreden zu treffen. So können sie - im Einverständnis aller Beteiligten - vom Erfordernis der Gegenseitigkeit abweichen oder die Verrechnung nicht gleichartiger Leistungsgegenstände zulassen. Wird die Voraussetzung der Gleichartigkeit vertraglich wegbedungen, liegt allerdings keine Verrechnung im eigentlichen Sinne mehr vor, sondern eine Tilgung durch Hingabe an Erfüllungs Statt (AEPLI, a.a.O., N. 206 der Vorbemerkungen zu Art. 120-126 OR; Urteil des Bundesgerichts vom 14. Dezember 1993 i.S. G., in: SJ 1994 S. 600 ff. E. 2c).
c) Mit der Vereinbarung vom 10. Juli 1992 verpflichtete sich die Klägerin zur Rückerstattung eines Betrages, welchen die Beklagte Freddy Schwegler persönlich zur Verfügung gestellt hatte. Ein Darlehen im Sinne von Art. 312 ff. OR wurde indessen nicht vereinbart, sollte doch die Rückerstattung nicht mittels Geldzahlung, sondern durch das Erbringen werkvertraglicher Leistungen erfolgen. Demnach war die Beklagte vertraglich für später zu erbringende Werkleistungen der Klägerin vorauszahlungspflichtig. Nur in diesem Sinne hatte die Überlassung von Fr. 400'000.- Darlehensfunktion. Eine Forderung der Klägerin aus Werkvertrag, welche anschliessend durch Verrechnung mit der Forderung der Beklagten untergehen sollte, kam somit gar nie zur Entstehung. Vielmehr bildeten die Werkleistungen den primären Leistungsinhalt der klägerischen Verpflichtung und standen im Synallagma zur Geldhingabe. In diesem wesentlichen Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall von BGE 115 III 65 : Dort wurde einem Mieter vertraglich das Recht eingeräumt, die Mietzinsschuld mit Kontokorrentforderungen gegenüber der Vermieterin zu verrechnen, soweit und solange er über ein Guthaben verfügte. Bei der Überlassung der Mietsache handelte es sich mithin nicht um eine Erfüllungshandlung, sie hatte ihre Grundlage vielmehr in einem eigenen Vertragsverhältnis. Bei der hier zu beurteilenden Streitsache hingegen sollte die Klägerin
BGE 126 III 361 S. 369
die Schuld Freddy Schweglers direkt durch werkvertragliche Leistungen tilgen, ohne dass es zusätzlich einer Verrechnungserklärung bedurft hätte, denn ein Recht der Beklagten, die Darlehensrückzahlung von Freddy Schwegler persönlich zu verlangen, war nicht vereinbart worden.
Hinzu kommt, dass es vorliegend sowohl an der Gegenseitigkeit als auch an der Gleichartigkeit der einander gegenüberstehenden Forderungen fehlt. Wohl können die Parteien mit dem Abschluss eines Verrechnungsvertrages auch Forderungen der Verrechnung unterstellen, welche diese beiden Voraussetzungen nicht erfüllen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist jedoch nicht leichthin anzunehmen, die Parteien würden das Erfordernis der Gleichartigkeit vertraglich wegbedingen (Urteil des Bundesgerichts vom 14. Dezember 1993 i.S. G., in: SJ 1994 S. 603). Der Umstand, dass die in Frage stehenden Forderungen weder gegenseitig noch gleichartig sind, spricht daher gegen das Vorliegen eines Verrechnungsvertrages. Bei der Verrechnung nicht gleichartiger Leistungsgegenstände handelt es sich richtig besehen um eine Tilgung durch Hingabe an Erfüllungs Statt. Die Werkvertragsleistungen der Klägerin aber stellten nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 10. Juli 1992 nicht etwa ein Erfüllungssurrogat, sondern den vertraglich vereinbarten normalen Erlöschensgrund der Darlehensforderung dar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte selbst in ihrer Abrechnung die Klägerin als "Verrechnungspartner" bezeichnete. Gebrauchen die Parteien eine unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise, ist dies für die Beurteilung des Vertragsinhaltes nicht massgeblich (Art. 18 Abs. 1 OR). Die von den Parteien vorgesehene Art und Weise der Rückerstattung des Darlehens ist nicht als Verrechnung zu qualifizieren und fällt somit von vornherein nicht unter das Verrechnungsverbot von Art. 213 Abs. 2 SchKG. Die Auffassung der Vorinstanz erweist sich deshalb im Ergebnis als bundesrechtskonform.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Erwägungen 3 4 5 6

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