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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 1/2} 
2A.161/2006 /bie 
 
Urteil vom 12. Oktober 2006 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Betschart, Müller, 
Gerichtsschreiber Küng. 
 
Parteien 
Cablecom GmbH, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Dr. Jürg Borer und/oder 
Michael Cartier, Rechtsanwälte, 
 
gegen 
 
1. Swisscom Fixnet AG, 
vertreten durch Dr. Reto Jacobs und 
Dr. Monika Ruggli, Rechtsanwälte, 
2. CT Cinetrade AG, 
vertreten durch Dr. Marcel Meinhardt und/oder 
Dr. Judith Bischof, Rechtsanwälte 
Beschwerdegegnerinnen, 
 
Wettbewerbskommission, 
Monbijoustrasse 43, 3003 Bern, 
Rekurskommission für Wettbewerbsfragen, 
3202 Frauenkappelen. 
 
Gegenstand 
Unternehmenszusammenschluss, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission für Wettbewerbsfragen vom 
15. Februar 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Swisscom AG ist im Bereich der Telekommunikation tätig. Sie betreibt neben dem fixen ein mobiles Telefonnetzwerk und bietet Dienstleistungen aller Art in den Bereichen Telekommunikation, Datenübertragung und Internet an. 
 
Die CT Cinetrade AG erwirbt und verwaltet Beteiligungen an Unternehmungen aller Art, insbesondere aus den Bereichen Kultur, Information, Unterhaltung, Kino und Video. Sie umfasst die Teleclub AG, die KITAG Kino Theater AG und den Homevideoanbieter PlazaVista. Die Teleclub AG ist in der Schweiz führende Anbieterin von Pay-TV; sie verbreitet ihr Angebot über Kabelfernsehnetze und Satellit. 
 
Nachdem sie dies bereits am 24. September 2004 in den Medien angekündigt hatte, meldete die Swisscom AG am 25. Oktober 2004 der Wettbewerbskommission, sie beabsichtige, 49 % der Aktien der CT Cinetrade AG und später die Kontrolle über diese zu erwerben. 
 
Die Wettbewerbskommission entschied, diesen Unternehmenszusammenschluss einem (vertieften) Prüfungsverfahren gemäss Art. 33 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) zu unterziehen, was sie im Bundesblatt vom 14. Dezember 2004 veröffentlichte. Nach Anhörung der zusammengehenden Unternehmungen sowie der Cablecom GmbH, die am 14. Dezember 2004 auch eine schriftliche Stellungnahme zum gemeldeten Zusammenschluss eingereicht hatte, und des Verbandes Swisscable gab die Wettbewerbskommission mit Medienmitteilung vom 10. März 2005 bekannt, dass sie den Beteiligungserwerb von Swisscom an der Filmrechtevermarkterin Cinetrade am 7. März 2005 - mangels Anhaltspunkten für eine Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, durch die wirksamer Wettbewerb beseitigt werden könnte - ohne Auflagen zugelassen habe. Das ausführlich begründete Ergebnis des Prüfungsverfahrens wurde in "Recht und Politik des Wettbewerbs" (RPW [Publikationsorgan der schweizerischen Wettbewerbsbehörden] 2005, S. 363 ff.) publiziert. 
Dagegen wandte sich die Cablecom GmbH am 10. März 2005 mit einer Beschwerde an die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen. Diese trat mit Entscheid vom 15. Februar 2006 auf die Beschwerde nicht ein. 
B. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 20. März 2006 beantragt die Cablecom GmbH dem Bundesgericht, den Beschwerdeentscheid der Rekurskommission für Wettbewerbsfragen vom 15. Februar 2006 aufzuheben und diese anzuweisen, auf ihre Verwaltungsbeschwerde vom 10. März 2005 einzutreten. 
 
Die Swisscom AG und die CT Cinetrade AG beantragen, die Beschwerde abzuweisen. 
 
Die Wettbewerbskommission, unter Verweisung auf ihre Beurteilung des Unternehmenszusammenschlusses vom 7. März 2005, und die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Nichteintretensentscheid der Vorinstanz kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (BGE 131 II 497 E. 1, mit Hinweisen). Auf die form- und fristgerechte Beschwerde ist einzutreten. 
2. 
2.1 Die Wettbewerbskommission ist in ihrer Beurteilung des hier in Frage stehenden Unternehmenszusammenschlusses zum Ergebnis gelangt, durch den ihr gemeldeten geplanten Zusammenschluss werde im geprüften Markt keine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, durch die wirksamer Wettbewerb beseitigt werden könnte; der Zusammenschluss werde deshalb im Sinne von Art. 16 Abs. 1 der Verordnung vom 17. Juni 1996 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (VKU; SR 251.4) für unbedenklich erklärt und könne vollzogen werden (RPW 2005 S. 380). 
2.2 Untersagt die Wettbewerbskommission den Zusammenschluss oder bewilligt sie ihn mit Bedingungen und Auflagen (vgl. Art. 10 Abs. 2 KG), so ist dieser Entscheid eine Verfügung im Sinne von Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021), die gemäss Art. 44 KG mit Beschwerde bei der Vorinstanz angefochten werden kann (BGE 131 II 497 E. 4.2). Ob die Zulassung des Zusammenschlusses ohne Bedingungen und Auflagen ebenfalls eine anfechtbare Verfügung sei, hat das Bundesgericht im zitierten Entscheid offen gelassen. Es hat indessen auf Grund einer historischen und teleologischen Auslegung von Art. 43 Abs. 4 KG erkannt, diese Bestimmung gehe Art. 48 VwVG vor. Allein die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen seien im Prüfungsverfahren Parteien. Dritten komme hingegen keine Parteistellung zu, weshalb sie auch nicht legitimiert seien, gegen Zusammenschlussvorhaben, denen die Wettbewerbskommission nicht opponiert habe, Beschwerde zu führen. Dritte seien damit indessen nicht aller Mittel beraubt, sich gegen allfällige Missbräuche von Konkurrenten zu wehren; denn sie könnten unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen (unzulässige Wettbewerbsabreden oder Verhaltensweisen im Sinne der Art. 5 ff. KG) bei der zuständigen Behörde zur Anzeige bringen; werde daraufhin eine Untersuchung eröffnet, könnten sie in deren Verlauf Parteirechte (vgl. Art. 43 Abs. 1 bis 3 KG) wahrnehmen (E. 5). 
2.3 Die Vorinstanz hat gestützt auf dieses Urteil die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin in Anwendung von Art. 43 Abs. 4 KG verneint. 
2.4 Es besteht kein Anlass, auf die in BGE 131 II 497 publizierte Rechtsprechung zurückzukommen. Wesentliche neue Argumente, die nicht bereits in jenem Urteil berücksichtigt worden sind, bringt die Beschwerdeführerin nicht vor. Soweit sie geltend macht, der vorliegende und der im erwähnten Bundesgerichtsurteil beurteilte Fall seien in Bezug auf den Sachverhalt nicht vergleichbar, ist dieser Einwand unbehelflich, denn entscheidend ist in beiden Fällen die (abstrakte) Auslegung von Art. 43 Abs. 4 KG, die ungeachtet der Konstellation des Einzelfalles vorzunehmen ist. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin hat das Bundesgericht in BGE 124 II 499 E. 3a die Anwendbarkeit von Art. 48 VwVG auf Zusammenschlussverfahren ausdrücklich offen gelassen. Die Beschwerdeführerin verkennt zudem, dass einige der Autoren, auf die sie sich hierzu beruft, davon ausgehen, die Unbedenklichkeitsmitteilung sei keine Verfügung (vgl. etwa Roger Zäch, Schweizerisches Kartellrecht, 2. Aufl., Bern 2005, N 1032 ff.; Patrik Ducrey, Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, in: SIWR V/2, Basel 2000, S. 303), womit die Anwendung von Art. 48 VwVG von vornherein ausser Betracht fällt. 
 
 
Da im vorliegenden Fall für den Ausgang des Verfahrens nicht relevant, kann auch darauf verzichtet werden, erneut zu prüfen, ob das Nichtuntersagen des Zusammenschlusses eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG sei und ob Dritte aufgrund der allgemeinen Umschreibung der Legitimation in Art. 48 VwVG zur Beschwerde legitimiert wären (vgl. dazu die ständige Praxis des Bundesgerichts, nach welcher Konkurrenten eines Bewilligungsempfängers nicht schon aufgrund der blossen Befürchtung, einer verstärkten Konkurrenz ausgesetzt zu sein, zur Beschwerde legitimiert sind: BGE 127 II 264 E. 2c, mit Hinweis), denn die Verneinung der Legitimation des nicht am Zusammenschluss beteiligten Dritten ergibt sich aus der vorgehenden speziellen Regelung des Unternehmenszusammenschlusses im Kartellgesetz. 
3. 
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt, die Verneinung ihrer Beschwerdelegitimation verletze die Rechtsweggarantie von Art. 6 EMRK
3.2 Art. 6 EMRK ist nur anwendbar, wenn das anwendbare nationale Recht dem Beschwerdeführer einen entsprechenden Rechtsanspruch einräumt, der auch durchsetzbar ist (BGE 125 II 293 E. 5b S. 312, mit Hinweisen). Dies ist hier nicht der Fall. Drittunternehmen haben nach dem Ausgeführten gerade kein Recht, Unternehmenszusammenschlüsse zu verhindern. Es muss ihnen deshalb zur Verfolgung dieses nicht bestehenden Anspruchs auch keine gerichtliche Instanz zur Verfügung stehen bzw. keine Legitimation, an eine solche gelangen zu können, zuerkannt werden. 
 
Das Drittunternehmen ist trotz dieses fehlenden Anspruches nicht schutzlos. Denn es stehen ihm, wie ebenfalls schon erwähnt, alle privatrechtlichen und zivilprozessualen Mittel zur Verfügung, die das Kartellgesetz (vgl. Art. 12 ff. KG) vorsieht (BGE 131 II 497 E. 5.5 S. 513 f.). 
Es kann im Übrigen auf die insoweit zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (angefochtenes Urteil E. 3.6.2). 
4. 
4.1 Die Beschwerdeführerin erblickt sodann im vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid eine Verletzung der Rechtsbehelfsgarantie von Art. 13 EMRK. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang auf eine Verletzung ihrer Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 10 EMRK). 
4.2 Art. 13 EMRK kommt nur dann zur Anwendung, wenn die Verletzung von sich aus der Konvention bzw. den Zusatzprotokollen ergebenden Rechten und Freiheiten (vgl. BGE 130 I 369 E. 7.1 S. 380) vertretbar behauptet ("arguable claim") wird (Jochen Frowein, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar Frowein/ Peukert, 2. Aufl., 1996, N 2 zu Art. 13 EMRK). Die Vorinstanz ist in diesem Zusammenhang zum Schluss gelangt, die Beschwerdeführerin habe nicht dargelegt, inwiefern ihre Informationsfreiheit durch die Genehmigung des Zusammenschlusses verletzt werden sollte. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben, denn eine Verletzung des von der Beschwerdeführerin angerufenen Art. 10 EMRK liegt offensichtlich nicht vor. Die Beschwerdeführerin - welche im Bereich des Kabelfernsehens übrigens selber marktbeherrschend ist (vgl. Urteil 2A.142/ 2003 vom 5. September 2003 E. 3.3 und 4.2.3) - wird durch den genehmigten Unternehmenszusammenschluss nicht in ihrer Informationsfreiheit bzw. in der Freiheit, Fernsehprogramme zu verbreiten, gehindert. Auch ihre Möglichkeiten, Fernsehprogramme zur Weiterverbreitung zu erhalten, wird dadurch nicht wesentlich erschwert. Sollte sie diesbezüglich tatsächlich vom Angebot des Teleclubs abhängig sein, wie sie geltend macht, so war dies schon bisher der Fall. Die Wettbewerbskommission hat sich jedoch ausschliesslich mit den wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen eines Unternehmenszusammenschlusses zu befassen. Über allfällige - grundsätzlich in Art. 93 BV sowie im Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) geregelte - medienrechtliche Aspekte, die die Beschwerdeführerin vorbringt (bspw. unzulässige Schaffung eines "staatlichen Medienmonopols", fehlende Unabhängigkeit der Medien bzw. von Radio und Fernsehen vom Staat und von staatlich kontrollierten Unternehmen, usw.), haben hingegen andere Behörden zu befinden (das Bundesamt für Kommunikation, das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation oder der Bundesrat als Aufsichts- bzw. Konzessionsbehörden); es bestehen hier parallele Zuständigkeiten (vgl. Urteil 2A.142/2003 vom 5. September 2003 E. 4.1.3). Soweit die Beschwerdeführerin daher ihre Bedenken gegen den Unternehmenszusammenschluss nicht wettbewerbsrechtlich, sondern medienpolitisch bzw. medienrechtlich begründet, hat sie ihre Bedenken bei den zuständigen konzessionsrechtlichen Aufsichtsbehörden anzumelden. Sie kann sich folglich auch nicht darüber beschweren, dass ihr dafür im wettbewerbsrechtlichen Verfahren keine Beschwerdeinstanz zur Verfügung gestellt wird. Auch aus medienpolitischer Sicht dürfte es im Übrigen zu begrüssen sein, dass Fernsehprogramme nicht nur drahtlos und über Kabel, sondern auch über das Telefonnetz verbreitet werden können, was durch den streitigen Zusammenschluss möglicherweise erleichtert wird. Im vorliegenden Fall hat der Bundesrat denn auch die Konzession des Teleclubs - in Kenntnis des hier in Frage stehenden Unternehmenszusammenschlusses - erneuert, und zwar bis zum 31. Mai 2013. Inwiefern der Beschwerdeführerin der Zugang zum "Content" bzw. zum Abschluss entsprechender Verträge erschwert oder verunmöglicht wird, ist deshalb hier nicht zu prüfen. 
4.3 Nach dem Ausgeführten hat die Vorinstanz weder Bundesrecht noch die EMRK verletzt, indem sie auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin nicht eingetreten ist. 
5. 
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Entsprechend diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat zudem den Beschwerdegegnerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 OG). Bei deren Bemessung ist zu berücksichtigen, dass die Parteien zwar in der Sache selbst ein sehr hohes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens haben, dass aber einstweilen einzig die Frage der Beschwerdelegitimation streitig ist. In Bezug auf diese Frage ist die Rechtslage nach der publizierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung überdies klar. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 10'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerinnen mit je 
Fr. 10'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Wettbewerbskommission und der Rekurskommission für Wettbewerbsfragen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 12. Oktober 2006 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: