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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_436/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 20. November 2017  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin, 
Gerichtsschreiber Leemann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thilo Pachmann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jean-Pierre Morand, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 
 
Beschwerde gegen den Schiedsentscheid ("Preliminary Arbitral Award") des Tribunal Arbitral du Sport (TAS) vom 14. Juni 2017 (CAS 2015/A/4276). 
 
 
In Erwägung,  
dass die Beschwerdegegnerin im Jahre 2013 entschied, eine bestimmte Anzahl Urinproben, die anlässlich eines früheren Wettkampfs in U.________ entnommen wurden, erneut zu untersuchen; 
dass die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin am 3. Dezember 2013mitteilte, bei der erneuten Untersuchung sei eine verbotene Substanz festgestellt worden; 
dass die Beschwerdegegnerin ein Disziplinarverfahren gegen die Beschwerdeführerin wegen Verletzung der anwendbaren Anti-Doping-Regeln einleitete; 
dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführerin in der Folge darüber informierte, dass sie aufgrund des neuen Testresultats auch die anlässlich eines Wettkampfs in V.________ entnommenen Urinproben erneut zu untersuchen beabsichtige; 
dass die Beschwerdeführerin bei staatlichen Gerichten unter anderem die Anordnung vorsorglicher Massnahmen beantragte, die in der Folge gewährt wurden, womit der Beschwerdegegnerin eine erneute Untersuchung der Urinproben vorläufig untersagt wurde; 
dass die Beschwerdeführerin beim Tribunal Arbitral du Sport (TAS) ein Schiedsverfahren gegen die Beschwerdegegnerin einleitete; 
dass die Parteien am 31. Juli bzw. 13. August 2015 eine Verfahrensvereinbarung unterzeichneten, nach der das von der Beschwerdegegnerin eingeleitete Disziplinarverfahren, das bereits hängige Verfahren vor dem TAS wie auch die Verfahren vor den staatlichen Gerichten durch ein neues Schiedsverfahren vor dem TAS ersetzt werden sollen; 
dass das TAS mit Schiedsentscheid ("Preliminary Arbitral Award") vom 14. Juni 2017 entschied, die Beschwerdegegnerin dürfe keine weiteren Untersuchungen der anlässlich des Wettkampfs in U.________ erhobenen Urinprobe durchführen (Dispositiv-Ziffer 1) und kein Disziplinarverfahren gegen die Beschwerdeführerin eröffnen oder weiterführen im Zusammenhang mit dem Wettkampf in U.________ (Dispositiv-Ziffer 2); 
dass das Schiedsgericht im Weiteren anordnete, die anlässlich des Wettkampfs in V.________erhobenen Proben seien nach dem in Abschnitt C Teil b der unterzeichneten Verfahrensvereinbarung festgehaltenen Verfahren zu untersuchen (Dispositiv-Ziffer 3), und es die von der Beschwerdeführerin gestellten Editionsbegehren abwies (Dispositiv-Ziffer 4); 
dass die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht mit Beschwerde vom 29. August 2017 beantragte, es sei der Schiedsentscheid des TAS vom 14. Juni 2017 im Umfang der Dispositiv-Ziffern 3 und 4 aufzuheben und es sei das TAS für unzuständig zu erklären, eventualiter seien Dispositiv-Ziffern 3 und 4 aufzuheben; 
dass sowohl die Beschwerdegegnerin als auch das TAS beantragen, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei diese abzuweisen; 
dass die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht unaufgefordert eine Replik eingereicht hat; 
dass das Gesuch der Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung mit Verfügung vom 30. Oktober 2017 abgewiesen wurde; 
dass die Voraussetzungen einer mündlichen Urteilsberatung nach Art. 58 Abs. 1 BGG nicht erfüllt sind, weshalb dem entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin in der Replik nicht stattgegeben werden kann; 
dass die Beschwerde innert der Beschwerdefrist vollständig begründet einzureichen ist (Art. 42 Abs. 1 BGG) und die beschwerdeführende Partei die Replik nicht dazu verwenden darf, ihre Beschwerde zu ergänzen oder zu verbessern (vgl. BGE 132 I 42 E. 3.3.4), weshalb insbesondere die in der Replik neu erhobene Rüge, das Schiedsgericht sei nach Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG vorschriftswidrig zusammengesetzt, unbeachtlich ist; 
dass es sich beim angefochtenen Entscheid, soweit damit in Dispositiv-Ziffer 3 der weitere Ablauf der Untersuchung der Urinproben geregelt und in Dispositiv-Ziffer 4 das Editionsbegehren der Beschwerdeführerin abgewiesen wird, entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht um einen Teilschiedsspruch handelt, sondern um einen Zwischen- bzw. Vorentscheid im Sinne von Art. 190 Abs. 3 IPRG, der nach dieser Bestimmung nur aus den in Art. 190 Abs. 2 lit. a und b IPRG genannten Gründen angefochten werden kann; 
dass die Beschwerde gegen einen Zwischenschiedsspruch wegen fehlender Zuständigkeit des Schiedsgerichts (Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG) vom Bundesgericht auf Grundlage von schiedsgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen zu beurteilen ist, die allfälligen Vorwürfen einer Verletzung fundamentaler Verfahrensrechte standhalten, weshalb im Rahmen einer solchen Beschwerde auch die weiteren Rügen nach Art. 190 Abs. 2 IPRG erhoben werden können, sofern sie unmittelbar die Zuständigkeit des Schiedsgerichts betreffen (BGE 140 III 477 E. 3.1, 520 E. 2.2.3 S. 525); 
dass der Einwand der fehlenden Zuständigkeit nach Art. 186 Abs. 2 IPRG vor der Einlassung auf die Hauptsache zu erheben ist, wobei es sich um einen Anwendungsfall des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) handelt, der auch im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit zu beachten ist; 
dass die Zuständigkeit ungeachtet der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung kraft Einlassung begründet wird, wenn eine entsprechende Einrede unterbleibt, und die Partei, die sich zur Sache geäussert hat, ohne einen entsprechenden Einwand zu erheben, demnach die Zuständigkeit des Schiedsgerichts anerkennt und sich in der Folge nicht mehr auf dessen Unzuständigkeit berufen kann (BGE 128 III 50 E. 2c/aa mit Hinweisen); 
dass treuwidrig und rechtsmissbräuchlich insbesondere die Partei handelt, die Rügegründe gleichsam in Reserve hält, um diese bei ungünstigem Prozessverlauf und voraussehbarem Prozessverlust nachzuschieben (vgl. BGE 136 III 605 E. 3.2.2 S. 609; 129 III 445 E. 3.1 S. 449; 126 III 249 E. 3c S. 254); 
dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des Schiedsverfahrens lediglich die Zuständigkeit der Beschwerdegegnerin zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens in Frage gestellt hat, die Zuständigkeit des TAS jedoch in keiner Weise bestritten, sondern im Gegenteil ausdrücklich anerkannt hat; 
dass das diesbezügliche Beschwerderecht der Beschwerdeführerin daher verwirkt ist; 
dass es sich damit erübrigt, die mit der Zuständigkeitsbeschwerde (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG) unmittelbar zusammenhängenden Rügen nach Art. 190 Abs. 2 IPRG zu prüfen, und andere Rügen gegen Zwischen- bzw. Vorentscheide nach Art. 190 Abs. 3 IPRG ausgeschlossen sind (BGE 140 III 477 E. 3.1, 520 E. 2.2.3 S. 525); 
dass daher auf die weiteren in der Beschwerdeerhobenen Rügen nach Art. 190 Abs. 2 lit. c und lit. d IPRG nicht einzutreten ist; 
dass sich die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 29. August 2017 als offensichtlich unzulässig erweist, weshalb darauf in Anwendung von Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG nicht eingetreten werden kann; 
dass das vorliegende Urteil nach Art. 27 Abs. 2 BGG zu anonymisieren ist, womit das - unter anderem unter Hinweis auf die zwischen den Parteien abgeschlossene Verfahrensvereinbarung - geltend gemachten Interesse der Gewährleistung der Privatsphäre und des Persönlichkeitsschutzes (vgl. Art. 59 Abs. 2 BGerR [SR 173.110.131]) hinreichend gewahrt wird, und dem Gesuch um Mitwirkung der Parteien bei der Anonymisierung nicht entsprochen werden kann; 
dass die Beschwerdeführerin bei diesem Verfahrensausgang kosten- und entschädigungspflichtig wird (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG); 
 
 
erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Tribunal Arbitral du Sport (TAS) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. November 2017 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Leemann