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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
4A_389/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. September 2014  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille, 
Gerichtsschreiber Kölz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________ und B.A.________,  
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Lüthi, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mietrecht, Ausweisung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Zivilabteilung, 1. Zivilkammer, vom 5. Juni 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 23. Juli 2012 schloss C.________ (Vermieterin, Beschwerdegegnerin) mit A.A.________ und B.A.________ (Mieter, Beschwerdeführer) einen Mietvertrag über ein 7-Zimmer-Einfamilienhaus an der Strasse U.________ in V.________. Der monatliche Mietzins beträgt Fr. 3'900.--. Gemäss dem Vertrag ist das Mietverhältnis unbefristet und kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten gekündigt werden, erstmals per 31. August 2013. Am 16. Mai 2013 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs per 30. Juni 2013 sowie ordentlich per 31. August 2013. 
 
B.  
Am 28. August 2013 verlangte die Vermieterin beim Regionalgericht Oberland die Ausweisung der Mieter im Verfahren gemäss Art. 257 ZPO (Rechtsschutz in klaren Fällen). Mit Entscheid vom 15. Oktober 2013 gab der Gerichtspräsident des Regionalgerichts dem Ausweisungsbegehren statt und verurteilte die Mieter unter Strafandrohung, das Mietobjekt bis spätestens am 29. Oktober 2013 um 12.00 Uhr zu räumen und zu verlassen; gleichzeitig ermächtigte er die Vermieterin nötigenfalls zur Ersatzvornahme. Dagegen erhoben die Mieter Berufung an das Obergericht des Kantons Bern mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und es sei auf das Gesuch um Ausweisung durch Rechtsschutz in klaren Fällen nicht einzutreten. Das Obergericht befand mit Entscheid vom 20. November 2013, dass die ordentliche Kündigung, auf die sich die Vermieterin berufe, weder angefochten worden noch nichtig sei, das Mietverhältnis somit gültig per 31. August 2013 geendet habe. Da es die Voraussetzungen für eine Ausweisung erfüllt sah, verurteilte das Obergericht die Mieter, das Mietobjekt bis spätestens am 30. November 2013 um 12.00 Uhr zu räumen und zu verlassen; gleichzeitig ermächtigte es die Vermieterin nötigenfalls zur Ersatzvornahme. 
 
 Gegen diesen Entscheid erhoben die Mieter Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht. Dieses trat mit Urteil vom 7. April 2014 auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht ein. Die Beschwerde in Zivilsachen hiess es gut und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Die Gutheissung erfolgte wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtgewähren des Replikrechts hinsichtlich der Berufungsantwort (Verfahren 4A_581/2013). 
 
 Am 5. Juni 2014 entschied das Obergericht erneut, nachdem es den Mietern Gelegenheit zur Stellungnahme zur Berufungsantwort gewährt hatte. Es gelangte zum selben Ergebnis wie in seinem ersten Entscheid und verurteilte demgemäss die Mieter, das Mietobjekt bis spätestens am 30. Juni 2014 um 12.00 Uhr zu räumen und zu verlassen (Dispositivziffer 1); gleichzeitig ermächtigte es die Vermieterin nötigenfalls zur Ersatzvornahme, mit Gültigkeit der Ermächtigung bis 15. August 2014 (Dispositivziffer 2). 
 
C.  
Die Mieter beantragen mit Beschwerde in Zivilsachen vom 24. Juni 2014, den Entscheid des Obergerichts vom 5. Juni 2014 aufzuheben. Es sei festzustellen, dass die Kündigungen vom 16. Mai 2013 nichtig seien und dass auf das Exmissionsgesuch vom 28. August 2013 nicht einzutreten sei. Am 14. Juli 2014 reichten sie einen Nachtrag zur Beschwerdeschrift mit gleichbleibendem Antrag (in der Sache) ein. 
 
 Die Vermieterin begehrt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Ferner beantragt sie, die Mieter seien zu verurteilen, das Mietobjekt innert 10 Tagen nach Erlass des Entscheids zu räumen und zu verlassen, unter Androhung der Straffolgen nach Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall. Für den Fall, dass die Mieter der Aufforderung hiervor nicht nachkommen sollten, sei ihr in Anwendung von Art. 236 Abs. 3 ZPO i.V.m. Art. 337 Abs. 1 ZPO bereits heute das Recht zur zwangsweisen Räumung unter Beizug der Polizei zu gewähren. Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde. 
 
 Die Mieter reichten eine Replik ein. Die Vermieterin verzichtete auf Gegenbemerkungen. 
 
D.  
Mit Präsidialverfügung vom 25. August 2014 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung gewährt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz (vgl. Art. 90 BGG i.V.m. Art. 75 BGG). Sie wurde rechtzeitig (Art. 100 BGG) von der mit ihren Rechtsbegehren unterlegenen und damit beschwerdeberechtigten Partei (Art. 76 Abs. 1 BGG) eingereicht. Auch der Nachtrag zur Beschwerde erging innerhalb der Beschwerdefrist und ist damit zu berücksichtigen. Wie im Urteil 4A_581/2013 vom 7. April 2014 festgehalten, ist die in mietrechtlichen Fällen geltende Streitwertgrenze nach Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG erreicht. Auf die Beschwerde in Zivilsachen ist demnach einzutreten, unter Vorbehalt einer rechtsgenügenden Begründung (vgl. Erwägung 2). 
 
2.  
 
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten. In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt.  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
 
 Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen. Auf eine Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die diesen Anforderungen nicht genügt, ist nicht einzutreten (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18; 133 II 249 E. 1.4.3). 
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 266l Abs. 2 OR. Sie bringen vor, am 16. Mai 2013 seien zwei Kündigungen mit demselben Formular ausgesprochen worden. Die Verwendung von bloss einem Formular für zwei Kündigungen mache dieselben nichtig, was die Vorinstanz verkannt habe.  
 
3.2. Vermieter und Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen müssen schriftlich kündigen (Art. 266l Abs. 1 OR). Die Kündigung durch den Vermieter muss mit einem amtlich genehmigten Formular erfolgen, das angibt, wie der Mieter vorzugehen hat, wenn er die Kündigung anfechten oder eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen will (Art. 266l Abs. 2 OR). Missachtung der Formvorschrift hat gemäss Art. 266o OR zur Folge, dass die Kündigung nichtig ist.  
 
3.3. Die Vorinstanz stellte fest, dass die Vermieterin die Ausweisung gestützt auf die ordentliche Kündigung per 31. August 2013 begehre, weshalb alleine deren Gültigkeit in Frage stehe. Für diese Kündigung jedenfalls sei das amtliche Formular verwendet worden und die Formvorschrift von Art. 266l OR erfüllt, weshalb die Kündigung nicht nichtig sei. Unter diesen Umständen könne offen bleiben, ob auch die ausserordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs formgültig ausgesprochen worden sei.  
 
3.4. Die Beschwerdeführer monieren, die Vorinstanz blende aus, dass beide Kündigungen auf ein einziges amtliches Formular zurückgingen. Sie meinen, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unrichtig festgestellt, wenn sie davon ausgegangen sei, "das amtliche Kündigungsformular per 31. August 2013 beziehe sich lediglich auf die ordentliche Kündigung".  
 
 Eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung wird damit nicht hinreichend gerügt (vgl. Erwägung 2.2). Die Vorinstanz nahm in Übereinstimmung mit der Aktenlage an, dass mit dem vorliegenden amtlichen Kündigungsformular vom 16. Mai 2013 lediglich die - hier einzig relevante - ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. 
 
3.5. Auszugehen ist somit von der für das Bundesgericht verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass die ordentliche Kündigung per 31. August 2013 den Mietern je separat mit dem amtlichen Formular mitgeteilt wurde. Die Formvorschrift von Art. 266l Abs. 2 OR ist insofern erfüllt, und eine Verletzung dieser Bestimmung ist nicht dargetan.  
 
4.  
Ferner erwähnen die Beschwerdeführer, im Begleitschreiben sei die ordentliche Kündigung für den Fall ausgesprochen worden, dass "die Mietzinszahlung April 2013" noch vor Ende Juni 2013 geleistet werde. 
 
 Die Vorinstanz hat unter Bezugnahme auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 137 III 389 E. 8.4.2 S. 392) nachvollziehbar begründet, weshalb keine unzulässige bedingte Kündigung vorliege. Sie gelangte zum Ergebnis, dass die ordentliche Kündigung bedingungslos ausgesprochen worden sei. Bedingt sei nämlich nicht die Ausübung des Gestaltungsrechts gewesen, sondern dessen "zukünftige Wirkung in Anbetracht des möglichen Wegfalls des Streitgegenstandes" zufolge der ausserordentlichen Kündigung. Die Beschwerdeführer setzen sich mit diesen Erwägungen mit keinem Wort auseinander und begründen nicht, weshalb sie bundesrechtswidrig sein sollen. Sofern man im besagten Hinweis überhaupt eine Rüge erblicken wollte, wäre darauf mangels hinreichender Begründung nicht einzutreten (vgl. Erwägung 2.1). 
 
5.  
Die Beschwerdeführer bestreiten sodann, dass eine klare Rechtslage vorliege. Sie meinen, der Fall hätte daher nicht im Verfahren nach Art. 257 ZPO (Rechtsschutz in klaren Fällen) entschieden werden dürfen. Auch diese Rüge entbehrt jeglicher Berechtigung: 
 
 Eine klare Rechtslage im Sinne von Art. 257 Abs. 1 lit. b ZPO ist gegeben, wenn sich die Rechtsfolge bei der Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung der Lehre und Rechtsprechung ohne Weiteres ergibt und damit die Rechtsanwendung zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Dagegen ist die Rechtslage in der Regel nicht klar, wenn die Anwendung einer Norm einen Ermessens- oder Billigkeitsentscheid des Gerichts mit wertender Berücksichtigung der gesamten Umstände erfordert (BGE 138 III 123 E. 2.1.2 mit Hinweisen). 
 
 Vorliegend ist von einer klaren Rechtslage in diesem Sinne auszugehen. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz stützt sich das Ausweisungsbegehren auf die in jeder Hinsicht gültige - unangefochten gebliebene - ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses per 31. August 2013. An diesem Datum endete das Mietverhältnis. Das Ausweisungsbegehren war damit ohne Weiteres aufgrund klarer Rechtslage gutzuheissen. Davon, dass die Rechtslage unklar gewesen wäre, weil die Rechtsanwendung vorliegend "zwingend eine wertende Betrachtung der gesamten Umstände" erfordert hätte, wie die Beschwerdeführer vorbringen, kann keine Rede sein. Eine Verletzung von Art. 257 ZPO liegt nicht vor. 
 
6.  
Schliesslich monieren die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 ZGB. Die Vorinstanz soll diese Bestimmung verletzt haben, indem sie die Berufung der Beschwerdeführer auf die Formnichtigkeit der Kündigung als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen habe. 
 
 Diese Rüge stösst ins Leere. Die Vorinstanz erkannte, dass die Kündigung formgültig erfolgt sei. Entsprechend brauchte sie sich gar nicht zur Frage zu äussern, ob die Berufung auf Formnichtigkeit allenfalls rechtsmissbräuchlich wäre. 
 
7.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
 Da der Beschwerde an das Bundesgericht die aufschiebende Wirkung gewährt wurde, ist die Frist zur Räumung und zum Verlassen des Mietobjekts neu anzusetzen. In Anbetracht dessen, dass die Beschwerdeführer bereits seit mehr als einem Jahr vom Ausweisungsbegehren Kenntnis haben und demnach mit der Möglichkeit einer Räumung rechnen mussten, ist eine Frist bis 15. Oktober 2014 angemessen. Ebenfalls anzupassen ist die Gültigkeitsdauer der Ermächtigung zur Ersatzvornahme, und zwar bis 31. Dezember 2014. 
 
 Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden die Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig, in solidarischer Haftbarkeit (Art. 66 Abs. 1 und 5 sowie Art. 68 Abs. 2 und 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern vom 5. Juni 2014 wird bestätigt, unter Anpassung der Räumungs- und Auszugsfrist gemäss Dispositivziffer 1 auf den 15. Oktober 2014 um 12.00 Uhr sowie unter Anpassung der Gültigkeitsdauer der Ermächtigung zur Ersatzvornahme gemäss Dispositivziffer 2 bis 31. Dezember 2014. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt, in solidarischer Haftbarkeit. 
 
3.  
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen, in solidarischer Haftbarkeit. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. September 2014 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Kölz