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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_541/2022  
 
 
Urteil vom 8. Mai 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Nicolas Kuonen, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente; Valideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 6. Juli 2022 (S2 22 4). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1979 geborene A.________ war seit dem 2. Mai 2007 vollzeitlich als Maschinist bei der B.________ AG angestellt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 18. November 2016 stürzte er beim Beladen eines Lastkraftwagens von der Pritsche auf die Strasse. Gemäss Bericht des Spitals C.________ vom 24. November 2016 zog er sich unter anderem ein kompliziertes Schädel-Hirn-Trauma mit diversen Frakturen am Schädel und am Gesicht zu. Die Suva erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung; Taggeld) und klärte den Sachverhalt in medizinischer und beruflicher Hinsicht ab. Mit Verfügung vom 3. Februar 2020 und Einspracheentscheid vom 27. November 2021 sprach sie A.________ - nebst einer Integritätsentschädigung basierend auf einer Integritätseinbusse von 25 % - ab 1. Februar 2020 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 17 % zu. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Wallis mit Urteil vom 6. Juli 2022 teilweise gut und sprach A.________ eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 20 % zu. 
 
C.  
Die Suva beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und ihr Einspracheentscheid vom 27. November 2021 zu bestätigen.  
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6; vgl. auch BGE 141 V 234 E. 1; 140 V 136 E. 1.1).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den Invaliditätsgrad in Abänderung des Einspracheentscheids der Beschwerdeführerin vom 27. November 2021 auf 20 % statt auf 17 % festlegte. Prozessthema bildet dabei einzig die Frage, wie das Einkommen, das der Beschwerdegegner bei Rentenbeginn am 1. Februar 2020 hätte erzielen können, wenn er nicht invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG; Valideneinkommen), zu bestimmen ist. Die Beschwerdeführerin setzte es in ihrer Verfügung vom 3. Februar 2020 und im Einspracheentscheid vom 27. November 2021 auf Fr. 73'812.-, die Vorinstanz auf Fr. 76'602.95 fest. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht erwog, gemäss den Angaben der Arbeitgeberin zuhanden der IV-Stelle habe der Beschwerdegegner von November 2015 bis November 2016 ein Jahressalär von Fr. 76'602.95 erzielt. Die Familienzulagen seien ausser Acht zu lassen. An geleisteten Überstunden seien für den fraglichen Zeitraum lediglich Fr. 189.05 verbucht; ein höherer Betrag für zusätzliche Überstunden sei nicht zu berücksichtigen. Ein 13. Monatslohn sei im erwähnten Betrag bereits enthalten.  
 
 
3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz sei ohne Begründung von ihrer eigenen Ermittlung des Valideneinkommens abgewichen. Offenbar sei das kantonale Gericht von ihrer Berechnung des versicherten Verdienstes als Basis für die Rentenbemessung ausgegangen (Fr. 83'443.- beziehungsweise Fr. 83'442.95 gemäss Aufstellung vom 6./21. November 2019) und habe davon die Familienzulagen (Fr. 6'840.-) abgezogen. Sie selber, so die Beschwerdeführerin, habe ihrer Berechnung des Valideneinkommens gestützt auf die ihrerseits eingeholte Auskunft der Arbeitgeberin mit Hinweis auf den massgeblichen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) einen Stundenlohn von Fr. 31.35 im Jahr 2020 (ausgehend von Fr. 30.45 im Jahr 2018 mit einer Erhöhung von je Fr. 0.45 in den Jahren 2019 und 2020) zugrundegelegt, diesen mit der Jahresstundenzahl von 2174 gemäss GAV multipliziert und zudem eine Aufrechnung um 8,3 % für den 13. Monatslohn vorgenommen.  
 
3.3. Gestützt auf die rudimentären Ausführungen der Vorinstanz ist mit der Beschwerdeführerin davon auszugehen, dass die Ermittlung des Valideneinkommens im angefochtenen Urteil auf deren Berechnungsblatt vom 6./21. November 2019 beruht. Darauf wird der Lohn im Zeitraum vom 18. November 2015 bis 17. November 2016, dem Tag vor dem Unfall vom 18. November 2016, je monatlich abgebildet, wobei die Familienzulagen und die Ferienentschädigung (nebst Feiertagen und Überzeit) separat ausgewiesen sind. Die entsprechenden Zahlen stimmen, unter Abzug jeweils der Familienzulagen, überein mit den Angaben der Arbeitgeberin über die monatlichen Bezüge zuhanden der IV-Stelle. Dass die Familienzulagen beim Valideneinkommen ausser Acht zu lassen sind, wird vom Beschwerdegegner zu Recht nicht bestritten (vgl. Urteile 8C_569/2009 vom 19. März 2010 E. 2.1.2; U 154/04 vom 16. Januar 2006 E. 5.2).  
 
3.4. Der in den 365 Tagen vor dem Unfall tatsächlich bezogene Lohn ist nach Art. 15 Abs. 2 UVG massgeblich für den der Rentenbemessung zugrundezulegenden versicherten Verdienst. Die erwähnte Aufstellung vom 6./21. November 2019 diente offensichtlich diesem Zweck. Zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach Art. 16 ATSG hingegen ist als Valideneinkommen massgeblich, was die versicherte Person hypothetisch erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre, wobei auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns, hier am 1. Februar 2020, abzustellen ist (BGE 128 V 174; 129 V 222).  
 
3.5. Wenn der von der Beschwerdeführerin für das Kalenderjahr 2020 ermittelte hypothetische Verdienst von dem in den 365 Tagen vor dem Unfall vom 18. November 2016 tatsächlich ausgerichteten Lohn im Umfang eines Betrages von Fr. 2'791.- abwich, ist dies auf tatsächlich noch nicht bezogene - aber bereits mit der ausbezahlten Entschädigung auf Stundenlohnbasis abgegoltene - Ferientage zurückzuführen. Hingegen bestehen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür und wird auch nicht geltend gemacht, dass der Beschwerdegegner in höherem Umfang als von der Vorinstanz angenommen ein entsprechendes Zusatzeinkommen zufolge regelmässiger Überstundenarbeit erzielt hätte (vgl. Urteil 8C_771/2019 vom 19. Mai 2020 E. 5.1). Andere Gründe, weshalb der tatsächliche Verdienst nach den Vorgaben des GAV in den 365 Tagen vor dem Unfall höher ausgefallen sein sollte als der in einem Kalenderjahr ebenfalls gemäss GAV geschuldete, inzwischen in den Jahren 2019 und 2020 jeweils erhöhte, vermag der Beschwerdegegner nicht aufzuzeigen und ist nicht erkennbar. Insbesondere dringt er auch nicht durch mit seinem Einwand, dass die Aufstellung der Beschwerdeführerin vom 6./21. November 2019 das Valideneinkommen besser abbilde als die "theoretische" Berechnung gestützt auf den GAV.  
 
3.6. Indem die Vorinstanz für die Ermittlung des Valideneinkommens alleine auf die Zahlen des von der Beschwerdeführerin berechneten versicherten Verdienstes zurückgriff, ohne mögliche Ferientage zu berücksichtigen, verletzte sie Bundesrecht. Demgegenüber ermittelte die Beschwerdeführerin den hypothetischen Verdienst bei Rentenbeginn im Jahr 2020 in ihrer Verfügung vom 3. Februar 2020 und im Einspracheentscheid vom 27. November 2021 praxisgemäss aufgrund der jährlichen Bruttoarbeitszeit von 2174 Stunden gemäss GAV, das heisst der Sollarbeitszeit vor Abzug von Ferien und Feiertagen, und des damals gemäss GAV geschuldeten Stundenlohns (Fr. 31.35; in BGE 139 V 592 nicht publ. E. 5.2 und 5.3 des Urteils 8C_541/2012 vom 31. Oktober 2013; Urteile 8C_662/2019 vom 26. Februar 2020 E. 3.2; 8C_882/2014 vom 23. April 2015 E. 4.2). Die Beschwerde erweist sich damit als begründet und es hat mit dem von der Beschwerdeführerin ermittelten Invaliditätsgrad von 17 %, resultierend aus dem Vergleich des von ihr auf Fr. 73'812.- festgesetzten Valideneinkommens mit dem stets unbestritten gebliebenen Invalideneinkommen von Fr. 61'274.-, sein Bewenden. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Einspracheentscheid der Beschwerdeführerin zu bestätigen.  
 
4.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 6. Juli 2022 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) vom 27. November 2021 bestätigt. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Wallis und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 8. Mai 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo