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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
4A_296/2020  
 
 
Urteil vom 6. August 2020  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Niquille, May Canellas, 
Gerichtsschreiber Gross. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jörg Schenkel, Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Josef Flury, Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arbeitsvertrag, fristlose Kündigung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 29. April 2020 (1B 19 52). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ (Arbeitnehmer, Beschwerdegegner) arbeitete ab dem 3. Juni 2017 als Küchenchef in U.________ im Hotel X.________ bei der A.________ AG (Arbeitgeberin, Beschwerdeführerin). Am 29. Januar 2018 sprach die Arbeitgeberin gegenüber dem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung aus, nachdem er am Freitagabend 26. Januar 2018 seinen Arbeitsplatz während laufendem Service verlassen hatte. 
 
B.  
Mit Klage vom 15. November 2018 beim Arbeitsgericht Luzern beantragte der Arbeitnehmer u.a., die Arbeitgeberin sei zu verpflichten, ihm brutto Fr. 12'566.70 nebst Zins zu 5 % seit 1. April 2018 zu bezahlen. 
Mit Urteil vom 12. November 2019 verpflichtete der Einzelrichter des Arbeitsgerichts die Arbeitgeberin, dem Arbeitnehmer netto Fr. 11'784.40 nebst 5 % Zins seit 1. April 2018 zu bezahlen. 
Eine dagegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin wies das Kantonsgericht Luzern, Einzelrichterin, mit Urteil vom 29. April 2020 ab. Es erwog, das Arbeitsgericht habe zu Recht eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung des Arbeitnehmers durch die Arbeitgeberin angenommen. Auch unter Berücksichtigung seiner Stellung als Küchenchef vermöge das Verhalten des Arbeitnehmers vom 26. Januar 2018 und dem darauffolgenden Wochenende für sich alleine keine derart grobe Pflichtverletzung zu begründen, welche eine fristlose Kündigung als ausserordentliche Massnahme rechtfertigen würde. Bei Pflichtverletzungen wie dem unentschuldigten Verlassen des Arbeitsplatzes bzw. dem Fernbleiben von diesem bedürfe es nach ständiger Rechtsprechung wiederholter Vorkommnisse und einer entsprechenden Kündigungsandrohung durch die Arbeitgeberin. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 4. Juni 2020 beantragt die Arbeitgeberin dem Bundesgericht sinngemäss, es sei die Klage des Beschwerdegegners betreffend Entschädigung infolge ungerechtfertigter fristloser Auflösung des Arbeitsverhältnisses vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 141 III 395 E. 2.1 S. 397). 
 
1.1. Die Beschwerde betrifft eine Zivilsache (Art. 72 BGG) und richtet sich gegen den Endentscheid (Art. 90 BGG) eines oberen kantonalen Gerichts, das als Rechtsmittelinstanz entschieden hat (Art. 75 BGG). Da es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit handelt, ist die Beschwerde in Zivilsachen nur zulässig, sofern der Streitwert mindestens Fr. 15'000.-- beträgt (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG). Vorliegend beträgt der Streitwert Fr. 11'784.40, womit der vorausgesetzte Mindestbetrag nicht erreicht wird.  
 
1.2. Erreicht der Streitwert den erforderlichen Betrag nicht, ist die Beschwerde in Zivilsachen unter anderem dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nur zurückhaltend anzunehmen. Sie liegt vor, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen (BGE 144 III 164 E. 1 S. 165; 141 III 159 E. 1.2 S. 161; 137 III 580 E. 1.1 S. 582 f.; je mit Hinweisen). Die Anwendung rechtsprechungsgemässer Prinzipien auf einen Einzelfall stellt keine Grundsatzfrage dar. Der blosse Umstand, dass die aufgeworfene Rechtsfrage noch nie entschieden wurde, genügt nicht. Es muss sich um eine Rechtsfrage handeln, deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann und die von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft (BGE 143 II 425 E. 1.3.2 S. 428; 141 II 14 E. 1.2.2.1 S. 21; 138 I 143 E. 1.1.2 S. 147).  
Im Rahmen ihrer Begründungspflicht hat die beschwerdeführende Partei darzutun, dass die Voraussetzung nach Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG), ansonsten auf die Beschwerde nicht einzutreten ist (BGE 136 II 489 E. 2.6 S. 494; 133 III 439 E. 2.2.2.1 S. 442; vgl. auch BGE 143 II 425 E. 1.3.2 S. 428). 
 
1.3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, es würden sich gleich zwei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen. Einerseits gelte es zu klären, wie viel Aufwand eine Arbeitgeberin zu betreiben habe, um einen Arbeitnehmer, der sich unentschuldigt vom Arbeitsplatz entfernt habe, zu kontaktieren bzw. ob der Versuch, ihn zu kontaktieren, ausreichend sei. Andererseits müsse höchstrichterlich die Frage entschieden werden, ob das unentschuldigte einmalige Verlassen des Arbeitsplatzes eines leitenden Angestellten eine schwere Pflichtverletzung darstelle, die eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen vermöge.  
 
1.3.1. Nach der Rechtsprechung zu Art. 337 OR ist eine fristlose Kündigung durch die Arbeitgeberin nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits auch tatsächlich dazu geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein (BGE 142 III 579 E. 4.2 S. 579; 130 III 28 E. 4.1 S. 31, 213 E. 3.1 S. 220 f.). Die Treuepflicht des Arbeitnehmers (Art. 321a Abs. 1 OR) gilt für leitende Angestellte in erhöhtem Masse, weshalb eine Verletzung dieser Pflicht durch solche Angestellte schwerer wiegt (BGE 130 III 28 E. 4.1 S. 31; 127 III 86 E. 2c S. 89; 104 II 28 E. 1 S. 29 f.; Urteil 4A_349/2017 vom 23. Januar 2018 E. 4.2). Ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung die erforderliche Schwelle erreicht, lässt sich nicht allgemein sagen, sondern hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (BGE 142 III 579 E. 4.2 S. 580; 127 III 153 E. 1a S. 155; zit. Urteil 4A_349/2017 E. 4.2).  
Daraus ergibt sich, dass die Frage, wie bei einem leitenden Angestellten das unentschuldigte Verlassen des Arbeitsplatzes zu beurteilen ist, nicht unabhängig vom konkreten Einzelfall beurteilt werden kann. Dies gilt erst recht auch für die erste von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage. Es kann offensichtlich nicht abstrakt festgelegt werden, welchen Aufwand die Arbeitgeberin zu betreiben hat, um einen Arbeitnehmer, der sich unentschuldigt vom Arbeitsplatz entfernt hat, zu kontaktieren. 
Die Anwendung rechtsprechungsgemässer Prinzipien auf einen Einzelfall stellt aber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG dar. Die Beschwerdeführerin zeigt somit keine konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, an deren höchstrichterlicher Klärung ein allgemeines und dringendes Interesse bestünde, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung der massgebenden Bestimmungen herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen. 
 
1.3.2. Die Beschwerde in Zivilsachen ist somit nicht zulässig. Eine Entgegennahme der Beschwerde als subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113-119 BGG) kommt mangels hinreichend begründeter Rügen der Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 116 BGG) nicht in Frage.  
 
2.  
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet, da keine Vernehmlassung eingeholt wurde. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. August 2020 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Gross