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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_239/2020  
 
 
Urteil vom 18. Mai 2020  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Haag, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.________ Corporation, 
2. B.________ Corporation, 
3. C.________ Limited, 
4. D.________ Ltd, 
Beschwerdeführerinnen, 
alle vier vertreten durch die Rechtsanwälte 
Saverio Lembo und Louis Frédéric Muskens, 
 
gegen  
 
Bundesanwaltschaft. 
 
Gegenstand 
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Brasilien; 
Herausgabe von Beweismitteln; 
Dauer der Beschlagnahme, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer, 
vom 30. April 2020 (RR.2019.304-307). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die brasilianischen Behörden führen ein Strafverfahren gegen den ehemaligen Gouverneur von Rio de Janeiro, E.________, und weitere Personen. Sie wirft ihnen unter anderem Bestechung, Geldwäscherei und Beteiligung an einer kriminellen Organisation vor. Es handelt sich um die Untersuchung "Eficiencia", die Teil der Untersuchung "Operation Lava-Jato" im Zusammenhang mit der Gesellschaft Petrobras bildet. In diesem Zusammenhang gelangte Brasilien mit Rechtshilfegesuch vom 21. Juni 2018 an die Schweiz und ersuchte unter anderem um Herausgabe von Bankunterlagen zu verschiedenen Konten und um deren Sperrung. 
Die Bundesanwaltschaft erliess am 28. Januar 2019 eine Eintretensverfügung und forderte im Folgenden die Bank G.________ SA auf, ihr Unterlagen zu vier Konten, lautend auf A.________ Corporation, B.________ Corporation, C.________ Limited und D.________ Ltd, einzureichen und die Konten zu sperren. Die Bank G.________ SA kam der Aufforderung nach. Da das auf die A.________ Corporation lautende Konto in der Zwischenzeit saldiert worden war, sperrte sie jedoch nur die drei weiteren Konten. 
Mit Schlussverfügungen vom 17. Oktober 2019 ordnete die Bundesanwaltschaft die Herausgabe der Kontounterlagen und hielt die Kontosperren aufrecht. Dagegen erhoben die A.________ Corporation, die B.________ Corporation, die C.________ Limited und die D.________ Ltd Beschwerde ans Bundesstrafgericht. Dieses vereinigte mit Entscheid vom 30. April 2020 die Verfahren und wies die Beschwerde ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 11. Mai 2020 beantragen die A.________ Corporation, die B.________ Corporation, die C.________ Limited und die D.________ Ltd im Wesentlichen, der Entscheid des Bundesstrafgerichts sei aufzuheben und die Rechtshilfe zu verweigern. 
Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Gemäss Art. 54 Abs. 1 BGG wird das bundesgerichtliche Verfahren in einer der Amtssprachen geführt, in der Regel in der Sprache des angefochtenen Entscheids. Von dieser Regel abzuweichen besteht hier kein Grund. Das bundesgerichtliche Urteil ergeht deshalb in deutscher Sprache, auch wenn die Beschwerdeführerinnen die Beschwerde auf Französisch verfasst haben. 
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde nur zulässig, wenn er unter anderem eine Beschlagnahme oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Weiter ist erforderlich, dass sich um einen vor Bundesgericht anfechtbaren Entscheid handelt (Art. 90 ff. BGG).  
 
2.2. Insoweit als der Entscheid des Bundesstrafgerichts die Herausgabe der Kontounterlagen an Brasilien erlaubt, handelt es sich um einen nach Art. 90 BGG anfechtbaren Endentscheid. Insoweit, als er die Aufrechterhaltung der Kontosperre bestätigt, schliesst er jedoch das Rechtshilfeverfahren nicht ab (siehe Art. 33a IRSV [SR 351.11]). In dieser Hinsicht ist er als Zwischenentscheid betreffend eine Beschlagnahme zu qualifizieren und ist gemäss Art. 93 Abs. 2 BGG nur anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a), oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt hier ausser Betracht. Die Beschwerdeführerinnen legen nicht dar, weshalb ihnen aufgrund der Kontosperre ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG drohen soll. Auf die Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten, soweit sie sich gegen die Beschlagnahme richtet (Urteil 1C_387/2019 vom 29. Juli 2019 E. 1.1 mit Hinweis). Wie im Folgenden darzulegen ist, ist der Fall darüber hinaus auch nicht besonders bedeutsam.  
 
2.3. Ein besonders bedeutender Fall gemäss Art. 84 BGG liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2; BGE 145 IV 99 E. 1 S. 104 ff. mit Hinweisen).  
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Ein besonders bedeutender Fall ist deshalb mit Zurückhaltung anzunehmen. Dem Bundesgericht steht insofern ein weiter Ermessensspielraum zu (zum Ganzen: BGE 145 IV 99 E. 1.2 S. 104 f. mit Hinweisen). 
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Rechtsschrift in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein besonders bedeutender Fall nach Artikel 84 vorliegt, so ist auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (BGE 145 IV 99 E. 1.5 S. 107 mit Hinweisen). 
Erachtet das Bundesgericht eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen als unzulässig, so fällt es gemäss Art. 107 Abs. 3 BGG - abgesehen von einem hier nicht gegebenen Ausnahmefall - den Nichteintretensentscheid innert 15 Tagen seit Abschluss eines allfälligen Schriftenwechsels. 
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3). 
 
2.4. Die Beschwerdeführerinnen kritisieren, das Rechtshilfeersuchen komme einer sogenannten fishing expedition gleich. Die von den irregulären Finanzoperateuren ("doleiros") verschobenen Gelder beliefen sich auf USD 1,6 Mia. Dagegen betrage die Deliktssumme bei den E.________ vorgeworfenen Taten nur USD 100 Mio. Dies zeige, dass in Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips auch Gelder von Personen erfasst würden, die sich der "doleiros" lediglich zur Steuerhinterziehung bedienten. Für diese dürfe keine Rechtshilfe geleistet werden (Art. 3 Abs. 3 IRSG [SR 351.1]).  
Das Bundesstrafgericht führt aus, dass für die Bestimmung des Umfangs der zu übermittelnden Aktenstücke deren potenzielle Erheblichkeit massgeblich sei. Dem ersuchenden Staat seien alle diejenigen Aktenstücke zu übermitteln, die sich auf den im Rechtshilfeersuchen dargelegten Sachverhalt beziehen; nicht zu übermitteln sei nur, was für das ausländische Strafverfahren mit Sicherheit nicht erheblich sei. Dabei dürfe die Behörde über das Rechtshilfeersuchen zwar nicht hinausgehen, sie dürfe dieses aber nach Massgabe des Zwecks weit auslegen. Ziele das Rechtshilfeersuchen auf die Ermittlung des Wegs ab, auf dem Geldmittel möglicherweise strafbarer Herkunft verschoben worden seien, so seien die Behörden des ersuchenden Staats grundsätzlich über alle Transaktionen zu informieren, die über in die Angelegenheit verwickelte Konten getätigt worden seien. Diese Ausführungen entsprechen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 136 IV 82 E. 4 S. 85 ff.; 128 II 407 E. 6.3.1 S. 422 f.; 129 II 462 E. 5.3 S. 467 f.; je mit Hinweisen). Weiter hat das Bundesstrafgericht dargelegt, dass mit den Strafverfolgungsbehörden kooperierende Finanzoperateure ausgesagt hätten, zum Waschen von Korruptionsgeldern ein Netzwerk von Finanzagenten und ein computerisiertes System namens "BankDrop" geschaffen zu haben. Wenn es im vorliegenden Fall das Rechtshilfeersuchen in dem Sinne auslegt, dass um umfassende Angaben über jene Konten ersucht wird, die mit Zahlungen aus diesem Netzwerk alimentiert wurden, ist dies nicht bundesrechtswidrig. Das Bundesstrafgericht hat zudem hervorgehoben, dass gemäss Ersuchen E.________ nur einer der staatlichen Funktionäre gewesen ist, der auf die Dienstleistungen der Finanzoperateure zurückgegriffen habe. Dass die ihn betreffende Deliktssumme nur einen Bruchteil der durch das erwähnte System geschleusten Gelder ausmacht, lässt das Rechtshilfeersuchen vor diesem Hintergrund nicht als fishing expedition erscheinen. 
Rechtliche Grundsatzfragen stellen sich nicht. Auch der Umfang der auf den betroffenen Konten liegenden Gelder reicht allein nicht aus, um dem Fall eine besondere Bedeutung zu verleihen. 
 
3.   
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Damit wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Der Beschwerde kommt im vorliegenden Fall ohnehin schon von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu (Art. 103 Abs. 2 lit. c BGG). 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführerinnen die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Bundesanwaltschaft, dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Mai 2020 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold