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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_237/2009 
 
Urteil vom 10. Juni 2009 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter L. Meyer, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jakob Ackermann, 
 
gegen 
 
Vormundschaftsbehörde A.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
aufschiebende Wirkung (Entmündigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung V, vom 5. März 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ (geb. 1937) ist Inhaber der Firma Z.________. Da er für die ausgeführten Arbeiten mehrfach keine Rechnung stellte, deswegen mit Betreibungen konfrontiert wurde und die Geschäftsschulden aus dem zunehmend schwindenden Privatvermögen begleichen musste, dabei aber überhaupt kein Problembewusstsein zeigte, entmündigte ihn die Vormundschaftsbehörde A.________ mit Beschluss vom 14. Januar 2009 nach Einholung eines Gutachtens gestützt auf Art. 369 ZGB, ernannte ihm einen Vormund und regelte die weiteren Modalitäten. Einem allfällig eingelegten Rechtsmittel wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. 
 
B. 
X.________ gelangte gegen die Entmündigung mit öffentlich-rechtlicher Klage vom 28. Januar 2009 an die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen und ersuchte darum, seiner Klage aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der Präsident der zuständigen Abteilung der Verwaltungsrekurskommission wies das Gesuch mit Verfügung vom 5. März 2009 ab. 
 
C. 
X.________ gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen, eventuell subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 3. April 2009 an das Bundesgericht im Wesentlichen mit dem Begehren, die Verfügung des Präsidenten der V. Abteilung der Verwaltungsrekurskommission vom 5. März 2009 aufzuheben und der Klage aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Die Vormundschaftsbehörde schliesst auf Abweisung der Beschwerde. 
 
D. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen, ist mit Verfügung vom 7. April 2009 abgewiesen worden. 
 
E. 
Der Beschwerdeführer hat seine durch einen Anwalt verfasste Beschwerde mit einem am 11. Mai 2009 der Post übergebenen Schreiben ergänzt. 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Angefochten ist eine Verfügung betreffend Verweigerung der aufschiebenden Wirkung, mithin ein Zwischenentscheid. Dieser hat für den Beschwerdeführer einen nicht wiedergutzumachenden rechtlichen Nachteil zur Folge, zumal damit seine Handlungsfähigkeit beschränkt wird (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Gegen diese Verfügung kann auf kantonaler Ebene kein weiteres Rechtsmittel ergriffen werden (Art. 51 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965; VRP). Sie ist somit letztinstanzlich (Art. 75 Abs. 1 BGG). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg der Hauptsache (vgl. Urteil 5D_60/2007 vom 9. August 2007, E. 1.2 und Urteil 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007, E. 1.2). Im vorliegenden Fall handelt es sich dabei um eine Entmündigung, die beim Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen angefochten werden kann (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Ist die Beschwerde in Zivilsachen in der Hauptsache zulässig, kann sie auch gegen den vorliegenden Zwischenentscheid ergriffen werden. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist damit unzulässig (Art. 113 BGG). 
 
1.2 Bei der Gewährung bzw. bei der Verweigerung der aufschiebenden Wirkung handelt es sich um eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG (Urteil 4A_452/2008 vom 6. November 2008 E. 1), d.h. es kann nur eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden. 
 
1.3 Das Bundesgericht wendet dabei das Recht nicht von Amtes wegen an, sondern prüft die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und hinreichend begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es gilt das Rügeprinzip. In der Beschwerdeschrift ist deshalb anzuführen, welches verfassungsmässige Recht verletzt sein soll und kurz darzulegen, worin die behauptete Verletzung besteht. Dabei hat der Beschwerdeführer klar und einlässlich darzulegen, weshalb der angefochtene Entscheid verfassungswidrig, insbesondere willkürlich (Art. 9 BV) sein soll. Macht er die Verletzung des Willkürverbotes geltend, muss er anhand der vorinstanzlichen Begründung dartun, weshalb der Entscheid an einem qualifizierten Mangel leidet und zudem im Ergebnis unhaltbar ist. Auf rein appellatorische Kritik tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 133 III 393 E. 6). 
 
1.4 Die angefochtene Verfügung ist dem Anwalt des Beschwerdeführers am 6. März 2009 zugegangen. Die 30-tägige Beschwerdeschrift ist demnach infolge des Sonntages, 5. April 2009, am Montag 6. April 2009 abgelaufen, zumal in Verfahren betreffend aufschiebende Wirkung keine Gerichtsferien gelten (Art. 46 Abs. 2 BGG). Die am 11. Mai 2009 der Post übergebene Ergänzung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist somit verspätet und bleibt unbeachtlich. 
 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, gemäss Art. 386 Abs. 1 ZGB könne die Vormundschaftsbehörde von sich aus die erforderlichen Massregeln treffen, wenn dies vor der Wahl (des Vormunds) notwendig werde; sie könne dabei insbesondere vorläufig die Handlungsfähigkeit entziehen und die Vertretung anordnen (Art. 386 Abs. 2 ZGB). Mit der Verweigerung der aufschiebenden Wirkung sei das in der Sache anwendbare Bundesrecht willkürlich nicht angewendet und damit Art. 9 BV verletzt worden. 
 
2.1 Sind vor der Wahl des Vormundes vormundschaftliche Geschäfte zu besorgen, so trifft die Vormundschaftsbehörde von sich aus die erforderlichen Massregeln (Art. 386 Abs. 1 ZGB). Sie kann insbesondere die vorläufige Entziehung der Handlungsfähigkeit aussprechen und eine Vertretung anordnen (Art. 386 Abs. 2 ZGB). Nach allgemeiner Rechtsauffassung ist allein die Vormundschaftsbehörde zum Erlass der vorgenannten vormundschaftlichen Massnahmen zuständig, nicht etwa die Entmündigungsbehörde; letztere selbst dann nicht, wenn das Verfahren unmittelbar bei ihr hängig gemacht wird (SCHNYDER/MURER, Berner Kommentar, N. 4 und 135 zu Art. 386 ZGB; BREITSCHMID, Basler Kommentar, 2. Aufl. 2002, N. 22 zu Art. 386 ZGB; DESCHENAUX/ STEINAUER, Personnes physiques et tutelle, 4. Aufl. 2001, Rz. 898; Urteil des Bundesgerichts 5P.372/1991 vom 18. Februar 1992, E. 2; Urteil 5P.178/2004 vom 10. Juni 2004 E. 4.2). 
 
2.2 Im vorliegenden Fall hat die Vormundschaftsbehörde mit Beschluss vom 14. Januar 2009 die Entmündigung des Beschwerdeführers ausgesprochen, den Vormund ernannt und die weiteren Modalitäten im Zusammenhang mit der Entmündigung geregelt. Mit dem Entscheid in der Sache durch die zuständige Vormundschaftsbehörde nahm das Verfahren ein Ende und bestand somit - wie sich bereits aus dem Wortlaut der genannten Bestimmung ("Vor der Wahl des Vormunds") ergibt - keine Möglichkeit mehr, vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 386 Abs. 2 ZGB zu erlassen. Im vorliegenden Fall konnte es im Rahmen des eingelegten Rechtsmittels nur darum gehen, ob die im Dispositiv angeordnete Rechtsfolge vorläufig nicht eintreten, sondern gehemmt werden soll (vgl. dazu GYGI, Bundesverwaltungsrecht 2. Aufl. 1983, S. 241; zum Verhältnis von aufschiebender Wirkung und vorsorglicher Massnahme: BGE 117 V 185 E. 1b S. 188). Ob dem gegen die Entmündigung eingelegten Rechtsmittel aufschiebende Wirkung zukommt, ergibt sich nicht aus Bundesrecht, sondern aus dem in der Sache anwendbaren kantonalen Recht. Eine willkürliche Nichtanwendung von Bundesrecht ist demnach zu verneinen. 
 
3. 
Nach Art. 51 Abs. 1 VRP hat der Rekurs aufschiebende Wirkung, wenn die Vorinstanz nicht aus wichtigen Gründen die Vollstreckbarkeit anordnet. Nach Absatz zwei dieser Bestimmung kann die Rekursinstanz eine gegenteilige Verfügung treffen. 
 
3.1 Wie sich aus dem Gesetzestext der kantonalen Bestimmung ("wichtige Gründe") ergibt, steht der verfügenden Behörde ein gewisses Ermessen zu, dessen Ausübung im Rahmen einer vorsorglichen Massnahme nach Art. 98 BGG das Bundesgericht nur auf Willkür überprüft. Willkürliche Ausübung des Ermessens liegt vor, wenn die urteilende Behörde das ihr zustehende Ermessen missbraucht oder es überschreitet. Das ist der Fall, wenn der Entscheid auf einer unhaltbaren Würdigung der Umstände des Falles beruht, gegen die Rechtsordnung oder die Gesetze der Billigkeit verstösst oder Umstände nicht berücksichtigt, die eine Rolle spielen, dagegen für den Fall unwesentliche Umstände in Betracht zieht (vgl. BGE 109 Ia 107 E. 2c S. 109 ; 126 III 8 E. 3c S. 10). 
 
3.2 Der Präsident der Verwaltungsrekurskommission hat erwogen, im Gutachten vom 19. März 2008 sei eine schwere Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung des Beschwerdeführers festgestellt worden, wobei der Gutachter davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer sein Geschäft nicht mehr betriebswirtschaftlich führen und seine vermögensrechtlichen Angelegenheiten nicht mehr besorgen könne. In einem neuen Gutachten vom 20. Dezember 2008 werde die Diagnose (schwere Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung und fehlendes Problembewusstsein) bestätigt, wobei dieses Gutachten im Gegensatz zum früheren eine Vormundschaft im Sinn von Art. 369 ZGB als unumgänglich erachte. Unter diesen Umständen bestehe eine erhebliche und unmittelbare Gefährdung des Vermögens des Beschwerdeführers und sei die von der ersten Instanz verfügte Entziehung der aufschiebenden Wirkung nicht zu beanstanden. 
 
3.3 Der Beschwerdeführer bestreitet im Wesentlichen die erhebliche Gefährdung seines Vermögens und beruft sich zum Beispiel auf das inzwischen erstellte Inventar, wonach keine offenen Rechnungen bestehen sollen. Er stützt sich dabei auf Tatsachen, die in der angefochtenen Verfügung nicht festgehalten sind, und zeigt auch nicht auf, dass er diese Tatsachen bereits im kantonalen Verfahren der Prozessordnung entsprechend vorgetragen hat bzw. dass erst der kantonale Entscheid Anlass zum Vorbringen gab (Art. 99 Abs. 1 BGG). Seine Vorbringen sind damit unzulässig. Im Übrigen setzt sich der Beschwerdeführer nicht rechtsgenügend mit der obergerichtlichen Erwägung auseinander und sagt nicht, inwiefern die darin getroffenen Feststellungen über den Gesundheitszustand und die daraus gezogenen Schlüsse verfassungsmässige Rechte verletzen; insbesondere wird nicht rechtsgenügend dargelegt, inwiefern das gesetzlich eingeräumte Ermessen willkürlich angewendet worden sein soll (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf die insoweit ungenügend begründete Beschwerde ist nicht einzutreten. 
 
3.4 Im Übrigen wäre der Entzug bzw. die Verweigerung der Gewährung der aufschiebenden Wirkung aufgrund der tatsächlichen Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers (BGE 81 II 263) im Lichte von Art. 9 BV auch nicht zu beanstanden, zumal der Beschwerdeführer an einer schweren Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung und an einem fehlenden Problembewusstsein leidet. Nach dem Gutachten ist der festgestellte Gesundheitszustand wahrscheinlich Ausdruck einer dementiellen Entwicklung, welche bewirkt, dass der Beschwerdeführer seinen geschäftlichen und privaten Verpflichtungen nicht mehr nachkommt. Nach dem angefochtenen Entscheid besteht eine im Gesundheitszustand begründete schwere Gefährdung der Vermögensinteressen des Inhabers einer Einzelfirma. Unter den gegebenen tatsächlichen Umständen kann von einer willkürlichen Ausübung des Ermessens durch die Vorinstanz nicht gesprochen werden. 
 
4. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin ersucht um eine Entschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren. Sie ist nicht anwaltlich vertreten. Zudem wird den Gemeinwesen in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
5. 
Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Er begründet seine Bedürftigkeit mit dem Umstand seiner am 14. Januar 2009 ausgesprochenen Entmündigung, so dass er von seinem Vormund keinen Vorschuss habe erhältlich machen können. 
 
Der Beschwerdeführer hat nicht substanziiert behauptet, dass er weder über genügendes Einkommen noch Vermögen verfügt, das ihm eine Bezahlung der Prozesskosten erlaubt. Seine Bedürftigkeit ist demnach nicht nachgewiesen, weshalb dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege bereits aus diesem Grund nicht entsprochen werden kann (Art. 64 Abs. 1 BGG; BGE 125 IV 161 E. 4b). Zudem hat sich das Verfahren als von Anfang an aussichtslos erwiesen, da die Vorinstanz ihr Ermessen offensichtlich nicht überschritten hat. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Abteilung V, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 10. Juni 2009 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Hohl Zbinden