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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_218/2018  
 
 
Urteil vom 2. November 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Kneubühler, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Erbengemeinschaft A. A.________, 
bestehend aus: 
B., C.. u. D. A.________, 
E. A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Fey, 
 
gegen  
 
Rhätische Bahn AG, 
Bahnhofstrasse 25, 7002 Chur, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Bundesamt für Verkehr (BAV), 
Bollwerk 27, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Lärmimmissionen am Bahnhofplatz, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 22. März 2018 (A-604/2017). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Eingabe vom 25. August 2010 ersuchte die Rhätische Bahn AG (RhB) beim Bundesamt für Verkehr (BAV) um Genehmigung eines Bauvorhabens zum Ausbau des Bahnhofs Davos Platz. Das Bauvorhaben wurde mit Planungsgenehmigungsverfügung vom 14. Juli 2011 nach Durchführung des ordentlichen Plangenehmigungsverfahrens nach Art. 18 ff. des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (EBG; SR 742.101) genehmigt. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. 
Die Erbengemeinschaft A. A.________ (bestehend aus: B., C., D. und E. A.________) ersuchte mit Eingabe vom 17. Februar 2016 das BAV um die teilweise Wiedererwägung und den teilweisen Widerruf der Plangenehmigung vom 14. Juli 2011. Sie beantragte die Durchführung einer Untersuchung über das Auftreten übermässiger Lärmimmissionen durch Quietschgeräusche bei ihren beiden Wohn- und Geschäftshäusern an der X.________strasse "..." und "..." in 7270 Davos (Parzelle Nr. 171 GB Davos), welche sich in unmittelbarer Nähe zur Gleisanlage der RhB befinden. Weiter stellte sie den Antrag, gegebenenfalls technisch und betrieblich mögliche und wirtschaftlich tragbare Massnahmen zur Begrenzung der übermässigen Immissionen umzusetzen. 
Mit Verfügung vom 28. Dezember 2016 trat das BAV auf das teilweise Wiedererwägungs- und Widerrufsgesuch der Erbengemeinschaft nicht ein. Im Rahmen eines Anstandsverfahren nach Art. 40 Abs. 1 lit. b EBG wies es die Beschwerde und die Beweisanträge der Erbengemeinschaft ab und hiess die Begehren der RhB gut, soweit diese nicht gegenstandslos oder abgewiesen wurden. 
Gegen diese Verfügung erhob die Erbengemeinschaft am 27. Januar 2017 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Diese wurde mit Urteil vom 22. März 2018 abgewiesen. 
 
B.   
Die Erbengemeinschaft führt mit Eingabe vom 7. Mai 2018 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragt, das angefochtene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 2018 sei aufzuheben und das Bundesamt für Verkehr sei anzuweisen, in Bezug auf das Grundstück Davos Nr. 171 eine Untersuchung auf übermässige Lärmimmissionen durch Quietschgeräusche, unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung, durchzuführen und allenfalls technisch und betrieblich mögliche sowie wirtschaftlich tragbare Massnahmen zur Begrenzung der übermässigen Emissionen anzuordnen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil zur Neubeurteilung an die Vorinstanz, oder allenfalls direkt an das BAV, zurückzuweisen. 
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde und verzichtet auf eine weitergehende Stellungnahme. Das Bundesverwaltungsgericht verweist auf den angefochtenen Entscheid. Das BAV verweist auf seine bisherigen Ausführungen. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) erachtet in seiner Vernehmlassung das angefochtene Urteil als konform mit der Umweltschutzgesetzgebung des Bundes. Die Beschwerdeführerin nahm dazu Stellung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführerin (Sammelbezeichnung für die Mitglieder der Erbengemeinschaft) hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist mit ihren Anträgen nicht durchgedrungen. Sie ist als Eigentümerin des von den Lärmemissionen der RhB unmittelbar betroffenen Grundstücks zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
Unbestritten ist, dass die von der Beschwerdeführerin beanstandeten Quietschgeräusche der RhB die Immissionsgrenzwerte (IGW) vorliegend nicht überschreiten. Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (vgl. E. 5.2). Strittig ist hingegen, ob aufgrund des Vorsorgeprinzips die Lärmemissionen, trotz Einhaltung der IGW, weitergehend zu begrenzen sind. 
 
2.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 11 Abs. 2 USG (SR 814.01). Die Vorinstanz habe es zu Unrecht abgelehnt, die bestehenden Lärmimmissionen der RhB näher zu untersuchen. Insbesondere habe sie es unterlassen, ein unabhängiges Lärmgutachten am Bahnhof Davos Platz zur Untersuchung weitergehender Lärmimmissionen zu erstellen bzw. erstellen zu lassen sowie ein unabhängiges Gutachten über die Wirksamkeit und die wirtschaftliche Tragbarkeit der anbegehrten Lärmschutzmassnahmen vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen.  
 
2.2. Die Vorinstanz stützte demgegenüber den Entscheid des BAV, wonach unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge nach Art. 11 Abs. 2 USG keine Veranlassung bestehe, die Lärmemissionen durch zusätzliche Massnahmen weitergehend zu begrenzen. Insbesondere erweise sich die Installation einer Schienenschmieranlage zur Schienenkopfkonditionierung als wirtschaftlich nicht tragbar.  
 
3.  
Nach Art. 11 Abs. 2 USG sind Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (vorsorgliche Emissionsbegrenzung). 
Im Bereich des Lärmschutzes gelten nach dem klaren Wortlaut von Art. 7 LSV und in Übereinstimmung mit den Anforderungen von Art. 11 Abs. 2 und Art. 23 USG die Voraussetzungen der Einhaltung der Planungswerte und der vorsorglichen Emissionsbegrenzung kumulativ. Die unter den IGW liegenden Planungswerte stellen keine Emissionsbegrenzungen im Sinne von Art. 12 USG dar und legen daher nicht das Mass der vorsorglichen Emissionsbegrenzung gemäss Art. 11 Abs. 2 USG fest, sondern konkretisieren als zusätzliche Belastungsgrenzwerte, d.h. Begrenzung der Immissionen, den vorsorglichen und vorbeugenden Immissionsschutz im Sinne des Planungsgrundsatzes gemäss Art. 3 Abs. 3 lit. b RPG (SR 700). Ihre Einhaltung belegt nicht ohne weiteres, dass alle erforderlichen vorsorglichen Emissionsbegrenzungen gemäss Art. 11 Abs. 2 USG getroffen worden sind. Ein Vorhaben vermag somit vor der Umweltschutzgesetzgebung nicht schon deswegen zu bestehen, weil es die einschlägigen Belastungsgrenzwerte einhält. Vielmehr ist im Einzelfall anhand der in Art. 11 Abs. 2 USG bzw. Art. 7 Abs. 1 lit. a der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) genannten Kriterien zu prüfen, ob die Vorsorge weitergehende Beschränkungen erfordert (zum Ganzen: BGE 141 II 476 E. 3.2 S. 479 f.; 124 II 517 E. 4b S. 521 f.; je mit Hinweisen). 
Bei Anlagen, welche die lärmschutzrechtlichen Planungswerte einhalten, kommen zusätzliche Massnahmen zum Lärmschutz im Sinne der Vorsorge jedoch nur in Betracht, wenn sich dadurch mit relativ geringem Aufwand eine wesentliche zusätzliche Reduktion der Emissionen erreichen lässt (BGE 127 II 306 E. 8 S. 318; Urteil 1C_283/2016 vom 11. Januar 2017 E. 6.3; je mit Hinweisen). 
 
4.  
 
4.1. Das BAFU hat im vorinstanzlichen Verfahren ausgeführt, als vorsorgliche Lärmschutzmassnahme stehe vorliegend einzig die Installation einer fixen Schienenschmieranlage zur Schienenkopfkonditionierung zur Diskussion. Die Beschwerdegegnerin habe im Rahmen des Vorsorgeprinzips bereits unterschiedliche Massnahmen wie den Einbau von Radschallabsorbern und mobile Schmieranlagen bei neuen Zugkompositionen (sog. Spurkranzschmieranlagen) getroffen, welche sich bewährt hätten.  
 
4.2. Während die Beschwerdegegnerin den tatsächlichen Nutzen der vom BAFU zur Prüfung vorgeschlagenen fixen Schienenschmieranlage zur Schienenkopfkonditionierung als nicht gesichert einstufte, wies das BAFU darauf hin, durch eine korrekte Bedienung einer solchen Anlage könnten Quietschgeräusche bzw. Kurvenkreischen grundsätzlich reduziert werden. Das BAV hielt in seiner Verfügung vom 28. Dezember 2016 jedoch fest, insbesondere gestützt auf Erfahrungen der Schweizerischen Bundesbahnen lägen keine eindeutigen Ergebnisse vor, wonach durch den Einbau einer fixen Schienenschmieranlage zur Schienenkopfkonditionierung eine nachhaltige und absolute Verbesserung der Lärmemissionen erreicht werden könne. Soweit die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid festhielt, die Wirksamkeit der Schienenschmieranlage sei beschränkt, kann dies nicht als offensichtlich unrichtig bezeichnet werden. Dies insbesondere mit Blick auf die vorinstanzlich festgestellte Tatsache, dass die störenden Geräusche vorliegend nur durch alte Triebfahrzeuge und Wagen verursacht werden und gemäss den Ausführungen der Beschwerdeführerin lediglich bei warmen und trockenen Verhältnissen auftreten.  
Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Rüge der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz und das BAV hätten die lärmreduzierende Wirkung der technischen Möglichkeiten einer Schienenschmieranlage gar nicht geprüft, ist unbegründet. Die tatsächlichen Auswirkungen dieser Massnahme im konkreten Fall könnten nur festgestellt werden, wenn die Anlage realisiert werden würde. Will man ihre hypothetische Wirksamkeit beurteilen, kann man sich - wie dies die Vorinstanz mit Verweis auf die Fachbehörden gemacht hat - hingegen nur auf Hypothesen und Erfahrungswerte stützen. Nicht zielführend ist es unter diesen Umständen, ein Gutachten zur Wirksamkeit der vorsorglichen Lärmreduktionsmassnahmen einzuholen. 
 
4.3. Die von der Vorinstanz gestützte Kostenschätzung der Beschwerdegegnerin, wonach sich die Installationskosten einer fixen Schienenschmieranlage zur Schienenkopfkonditionierung auf Fr. 55'000.-- und die jährlichen Unterhaltskosten auf Fr. 7'500.-- beliefen, erachtete sowohl das BAFU als auch das BAV als plausibel. Das BAV hielt in seiner Verfügung fest, die von der Beschwerdegegnerin angegebenen Kosten lägen erfahrungsgemäss im üblichen Rahmen einer solchen Anlage. Es trifft zwar zu, dass die Vorinstanz keine eigenen Abklärungen vorgenommen hat und keine Belege vorliegen. Sie durfte sich aber diesbezüglich auf die Einschätzungen der Fachbehörden stützen, zumal in der Beschwerdebegründung nicht rechtsgenüglich aufgezeigt wird, inwiefern dieses Vorgehen unhaltbar bzw. die Annahmen offensichtlich unrichtig sein sollen. Zuverlässigere Annahmen als eine Kostenschätzung, die von zwei Fachbehörden als plausibel erachtet wird, sind nicht ersichtlich. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe betreffend die Kosten "unhinterfragt" die Behauptungen der Beschwerdegegnerin übernommen, weshalb sie ihre Pflicht zur Sachverhaltsabklärung in willkürlicher Weise missachtet habe, ist mithin nicht zu hören.  
 
4.4. Die Vorinstanz hielt weiter zu Recht fest, bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Tragbarkeit habe ein strenger Massstab zu gelten, da die Planungswerte bei den Liegenschaften der Beschwerdeführerin relativ deutlich unterschritten werden. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind in solchen Fällen weitergehende Emissionsbeschränkungen nur dann als wirtschaftlich tragbar anzusehen, wenn sie mit relativ geringem Aufwand eine wesentliche zusätzliche Reduktion der Emissionen erreichen können (vgl. E. 3 hiervor). Dies ist aber vorliegend gerade nicht der Fall. Zusammenfassend ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die wirtschaftliche Tragbarkeit der Massnahme verneint hat.  
Nach der Auffassung des BAFU ist aufgrund der deutlichen Unterschreitung der IGW auch keine weiterführende Sachverhaltsabklärung bezüglich des Lärmpegels (inkl. der Berücksichtigung des Kurvenkreischens) angezeigt. Dieser Einschätzung des BAFU ist zuzustimmen. Es besteht vorliegend kein Anlass für das von der Beschwerdeführerin beantragte Lärmgutachten, zumal ein solches im Rahmen der Vorsorge keine weiteren Massnahmen auszulösen vermöchte (vgl. E. 3 hiervor). 
 
4.5. Im Übrigen sind, wie die Vorinstanz zu Recht festgestellt hat, keine weiteren verhältnismässigen Lärmschutzmassnahmen ersichtlich.  
Die Vorinstanz hat demnach kein Bundesrecht verletzt, wenn sie festgehalten hat, dass gestützt auf das Vorsorgeprinzip nach Art. 11 Abs. 2 USG keine Veranlassung bestehe, die Lärmemissionen durch zusätzliche Massnahmen weitergehend zu begrenzen. 
 
5.   
Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet und ist abzuweisen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesamt für Verkehr (BAV), dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. November 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier