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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_214/2018  
 
 
Urteil vom 17. Juli 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Frank Goecke, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Hilflosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Januar 2018 (IV.2017.00008). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1963 geborene A.________ gründete im Jahr 2005 die B.________ AG. In diesem Kleinstunternehmen war er fortan als Getränkeauslieferer tätig. Am 30. November 2006 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich lehnte das Leistungsbegehren infolge ungenügender Mitwirkung ab (Verfügung vom 2. August 2007). Am 26. November 2012 stürzte er in die ungesicherte Öffnung eines Reparaturschachts. Dabei zog er sich Verletzungen an der rechten Schulter zu. Zufolge anhaltender Arbeitsunfähigkeit meldete er sich am 10. Juni 2013 (Eingangsstempel) erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle zog die Akten des Unfallversicherers, VAUDOISE ALLGEMEINE Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend: Vaudoise), bei und holte unter anderem ein polydisziplinäres Gutachten des Swiss Medical Assessment- and Business-Centers (SMAB) vom 12. August 2015 (mit ergänzender Stellungnahme der Dr. med. C.________, Eidg. Fachärztin FMH für Otorhinolaryngologie [nachfolgend: ORL], vom 7. September 2015) ein. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte sie mit Verfügung vom 23. November 2016 einen Rentenanspruch unter Hinweis auf einen 21%igen Invaliditätsgrad. 
Am 29. März 2016 hatte sich A.________ ausserdem zum Bezug einer Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung angemeldet. Die IV-Stelle verneinte im Anschluss an das Vorbescheidverfahren einen solchen Anspruch mit Verfügung vom 9. Februar 2017. 
 
B.   
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vereinigte die gegen beide Verfügungen vom 23. November 2016 und 9. Februar 2017 eingeleiteten Beschwerdeverfahren und wies die Rechtsmittel mit Entscheid vom 12. Januar 2018 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien ihm Rentenleistungen und eine Hilflosenentschädigung auszurichten. 
Die IV-Stelle pflichtet den Ausführungen im angefochtenen Gerichtsentscheid bei und schliesst ohne weitere Ausführungen auf Abweisung des Rechtsmittels. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig ist, ob das kantonale Gericht die von der IV-Stelle am 23. November 2016 und 9. Februar 2017 verfügte Ablehnung eines Rentenanspruchs und eines Anspruchs auf Hilflosenentschädigung zu Recht bestätigt hat. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die Vorinstanz gestützt auf das SMAB-Gutachten vom 12. August 2015 bundesrechtskonform sowohl hinsichtlich Rente als auch bezüglich Hilflosigkeit einen anspruchsbegründenden Gesundheitsschaden ausgeschlossen hat. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG), zur Invaliditätsbemessung bei im Gesundheitsfall voll erwerbstätigen Versicherten nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) sowie zur Hilflosigkeit (Art. 9 ATSG) und zum Anspruch auf Hilflosenentschädigung (Art. 42 Abs. 1 IVG) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
3.2. Bei der Beurteilung der Arbeits (un) fähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Ärztliche Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).  
 
4.  
 
4.1. Im SMAB-Gutachten werden - mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit - eine kombinierte Schwerhörigkeit rechts und ein dekompensierter chronischer Tinnitus aurium rechts diagnostiziert. Ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit bestehen gemäss Gutachten eine posttraumatische Schultersteife rechts, eine beginnende Hüftgelenksarthrose beidseits, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine akzentuierte Persönlichkeit mit narzisstischen Anteilen, eine Anpassungsstörung, eine chronische Atemwegserkrankung, eine arterielle Hypertonie und Adipositas.  
 
4.2. Nach umfassender Würdigung der medizinischen Aktenlage gelangt das kantonale Gericht zum Schluss, auf das SMAB-Gutachten könne abgestellt werden. Betreffend der bisher ausgeübten Tätigkeit seien die Experten jedoch von unzutreffenden Annahmen ausgegangen, wenn sie diese als ausschliesslich administrativ und kaufmännisch ausgestaltet betrachten würden. Dementsprechend seien auch ihre Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit nicht zu übernehmen. Abzustellen sei vielmehr darauf, was im Gutachten als angepasste Tätigkeit beschrieben werde. Aus orthopädisch-traumatologischer Sicht seien dies - ausgehend von einer zumindest graduellen Einschränkung der Funktion der rechten Schulter - keine den Einsatz der rechten Schulter ab Nabelhöhe erfordernden schweren Tätigkeiten, jedoch alle Arbeiten, welche keinen uneingeschränkten Einsatz der dominanten rechten oberen Extremität voraussetzen würden. Aus psychiatrischer Sicht müsse es sich um Tätigkeiten handeln, die keine besonderen Anforderungen stellten und aus ORL-Sicht sei auf eine dem Tinnitus-Leiden und der Schwerhörigkeit angepasste Tätigkeit zu achten. In der Gesamtbeurteilung bestehe in einer den Fähigkeiten und dem Belastungsprofil angepassten Arbeit eine 70%ige Arbeitsfähigkeit. Sowohl das Validen- als auch das Invalideneinkommen werden im angefochtenen Entscheid gestützt auf die Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) 2014 ermittelt. Ausgehend von einer Arbeitsfähigkeit von 70 % und in Berücksichtigung eines leidensbedingten Abzugs von 10 % beim Invalideneinkommen ergibt sich gemäss den kantonalgerichtlichen Berechnungen ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 31 %.  
 
4.3. Was der Beschwerdeführer dagegen - in weiten Teilen in Wiederholung der vorinstanzlichen Beschwerde - vorbringt, dringt nicht durch. Er macht (wie schon im kantonalen Gerichtsverfahren) geltend, das SMAB-Gutachten sei unverwertbar, weil die neurologische Expertin in ihrem Teilgutachten nicht erwähnt habe, dass sie ihn bei der Begrüssung geduzt und an der Hand gerissen habe, worauf dieser schmerzbedingt "zu Boden gegangen" sei. Ausserdem habe die neurologische Untersuchung maximal 15 Minuten (statt 80 Minuten) gedauert. Im angefochtenen Entscheid wird auf diese Rüge ausführlich eingegangen und - nach zusätzlichen Abklärungen - willkürfrei dargelegt, aus welchem Grund weder die geschilderte Begrüssungsszene noch die kurze Abklärungsdauer erwiesen sei. Soweit letztinstanzlich wiederum auf die Kritik der behandelnden Dr. med. D.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 21. Februar 2016 und Dr. med. E.________, Spezialarzt FMH für Orthopädische Chirurgie, vom 4. April 2016 und 6. März 2017 am Gutachten und deren abweichende Einschätzung der Arbeitsfähigkeit hingewiesen wird, verfängt dies nicht. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass im Hinblick auf die Beurteilung, ob ein psychisches Leiden invalidisierend wirkt, als Tatsachenfeststellungen, welche das Bundesgericht nur eingeschränkt überprüfen kann, alle Feststellungen der Vorinstanz zählen, die auf der Würdigung von ärztlichen Angaben und Schlussfolgerungen betreffend Diagnose und Folgenabschätzung beruhen (BGE 141 V 281 E. 7 S. 309). Von einem insoweit offensichtlich unrichtig festgestellten Sachverhalt kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass die ORL-Expertin in ihrem Teilgutachten von einer erst mit der Zeit und nur im Idealfall auf maximal 70 % steigerbaren Arbeitsfähigkeit ausgeht, hat sie sich doch mit den Schlussfolgerungen aus der Konsensbesprechung unterschriftlich einverstanden erklärt. Dies geschah, nachdem sie also unter anderem auch zur Kenntnis genommen hatte, dass die begutachtende Neurologin im Gegensatz zu ihr den für sie die Arbeitsfähigkeit einschränkenden Tinnitus für "überwindbar" hält.  
 
4.4. Schliesslich fordert der Beschwerdeführer im Rahmen der Invaliditätsbemessung einen Maximalabzug von 25 % vom LSE-Tabellenlohn zur Ermittlung des Invalideneinkommens. Die Frage nach der Höhe des Abzuges ist allerdings eine typische Ermessensfrage, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist, wo das Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f.; 132 V 393 E. 3.3 S. 39; Urteil 8C_439/2017 vom 6. Oktober 2017 E. 5.3). Entgegen der Ansicht des Versicherten kann dem kantonalen Gericht, indem es einen Leidensabzug von 10 % bestätigt, weder angesichts des von der ORL-Expertin beschriebenen erhöhten Pausenbedarfs, noch wegen der von ihm behaupteten kognitiven Einschränkungen oder der Beeinträchtigungen durch das Schulterleiden eine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung vorgeworfen werden. Nicht ersichtlich ist auch, aus welchem Grund sein Alter, die vorinstanzlich beigezogenen statistischen Werte und die nunmehr nur noch teilzeitlich zumutbare Erwerbstätigkeit den neben der Leistungseinschränkung von 30 % (vgl. zur nicht zulässigen doppelten Anrechnung desselben Gesichtspunktes: Urteile 8C_552/2017 vom 18. Januar 2018 E. 5.3.1; 8C_805/2016 vom 22. März 2017 E. 3.1) zusätzlich berücksichtigten 10%igen Leidensabzug als willkürlich erscheinen lassen sollten.  
 
5.   
Zur vom kantonalen Gericht bestätigten Ablehnung eines Anspruchs auf Hilflosenentschädigung erübrigen sich Weiterungen. Denn bereits aufgrund des vorinstanzlich willkürfrei als beweiskräftig qualifizierten SMAB-Gutachtens ergibt sich klar, dass das Schulterleiden nicht zu einer Hilfsbedürftigkeit führt. Die abweichende subjektive Einschätzung des Beschwerdeführers, der sich bei der Nahrungsaufnahme, bei der Körperpflege und beim An- und Ausziehen von seiner Ehefrau helfen lässt, vermag daran nichts zu ändern. 
 
6.   
Entsprechend dem Prozessausgang werden die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 17. Juli 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz