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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_307/2008/don 
 
Urteil vom 11. Juni 2008 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
X.________ AG, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Bolzern. 
 
Gegenstand 
Rechtsöffnung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als Rekursinstanz, vom 8. April 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Vertrag vom 20. Juni 2006 gewährte Y.________ der Z.________ AG ein Darlehen von Fr. 100'000.--. Im Darlehensvertrag sind die X.________ AG als "Bürge 2. Rang" und weitere Personen als "Bürge 3. Rang" aufgeführt; sie haben den Darlehensvertrag ebenfalls unterzeichnet. In Art. 4 des Vertrages ist festgehalten: Bei Nichteinhaltung der Rückzahlungspflicht kann der Darlehensgeber auf die Bürgen 2. und 3. Ranges 30 Tage nach Verfall ohne weitere Ankündigungen zurückgreifen. 
 
B. 
Mit Zahlungsbefehl Nr. 20712873 des Betreibungsamtes Luzern vom 8. Oktober 2007 leitete Y.________ gegen die X.________ AG für Fr. 100'000.-- nebst Zins die Betreibung ein. 
 
Mit Entscheid vom 24. Januar 2008 erteilte der Amtsgerichtspräsident III von Luzern-Stadt für den gewünschten Betrag die provisorische Rechtsöffnung. Den hiergegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 8. April 2008 ab. 
 
C. 
Gegen den obergerichtlichen Entscheid hat die X.________ AG am 6. Mai 2008 Beschwerde eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung und um Verweigerung der provisorischen Rechtsöffnung. Mit Präsidialverfügung vom 22. Mai 2008 wurde der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende Wirkung erteilt. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der angefochtene Rechtsöffnungsentscheid ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid mit Fr. 30'000.-- übersteigendem Streitwert, gegen den grundsätzlich die Beschwerde in Zivilsachen ergriffen werden kann (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). 
 
Rechtsöffnungen sind keine vorsorglichen Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG, weshalb alle Rügen gemäss Art. 95 f. BGG zulässig sind und das Bundesgericht behauptete Rechtsverletzungen mit freier Kognition prüft (BGE 133 III 399 E. 1.5 S. 400). 
 
2. 
Das Obergericht hat festgehalten, es gelte als akzeptiert, dass der als Rechtsöffnungstitel angerufene und von der Beschwerdeführerin unterzeichnete Darlehensvertrag diese in ihrer Rolle als Bürgin ausdrücklich als Vertragspartnerin des Gläubigers nenne und nach dem Wortlaut des Vertrages von einer Kaskadenhaftung auszugehen sei, d.h. den als Bürgen im 3. Rang bezeichneten Personen die Stellung von Nachbürgen im Sinn von Art. 498 OR zukomme. Unangefochten seien auch die vorinstanzlichen Feststellungen, dass der Darlehensvertrag zugleich den Bürgschaftsvertrag enthalte, die Höhe des Darlehens und des Zinses genau beziffert seien und der Rückgriff auf die Bürgen in Ziff. 4 unmissverständlich vorgesehen sei. Die Bürgschaftsverpflichtung der Beschwerdegegnerin sei damit gültig und im Übrigen seien die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Belangung als Bürgin gegeben. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Bürgschaft bedürfe der öffentlichen Beurkundung, sobald natürliche Personen involviert seien (Art. 493 Abs. 2 OR), und zwar gelte dies für sämtliche Bürgschaftsformen, also entgegen dem von den kantonalen Gerichten zitierten Basler Kommentar auch für die Nachbürgschaft im Sinn von Art. 498 Abs. 1 OR. Dies ergebe sich sowohl aus der grammatikalischen Auslegung von Art. 498 Abs. 1 OR, wonach der Nachbürge neben dem Vorbürgen in gleicher Weise wie der einfache Bürge neben dem Hauptschuldner hafte, als auch aus einer teleologischen, systematischen und rechtsvergleichenden Auslegung. Damit sei aber der ganze Darlehensvertrag als Bürgschaft im Sinn von Art. 20 Abs. 1 OR (recte: Art. 11 Abs. 2 OR) nichtig; eine Teilnichtigkeit nach Art. 20 Abs. 2 OR komme nicht in Frage, da anzunehmen sei, dass der Vertrag ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. 
 
4. 
Art. 20 Abs. 2 OR stellt den Grundsatz auf, dass nur die vom Mangel betroffenen Teile eines Vertrages nichtig sind. Er betrifft primär die inhaltliche Teilnichtigkeit von Verträgen, kann aber analog auf die Fälle teilweiser Formungültigkeit übertragen werden (vgl. BGE 117 II 382 E. 2b S. 386). 
 
 
Die Beschwerdeführerin behauptet, einem Rechtsirrtum unterlegen zu sein, und macht geltend, im Wissen um die Ungültigkeit der Nachbürgschaft hätte sie die (Vor-)bürgschaft nie abgeschlossen. 
 
Nun ginge aber dem Wissen um allfällige Formfehler - so diese gegeben sein sollten, was vorliegend offen gelassen werden kann - einer nachrangigen Verpflichtung von vornherein jede Eignung ab, den Willensentschluss zum Eingehen einer vorrangigen zu beeinflussen, denn allfällige Rückgriffsmöglichkeiten ergeben sich einzig im Verhältnis des nachrangig zum vorrangig Haftenden, d.h. immer nur dann, wenn der Bürge für die Hauptschuld oder der Nachbürge für die Bürgschaftsschuld in Anspruch genommen wird, nie aber im umgekehrten Verhältnis: Wird erfolgreich der Hauptschuldner in Anspruch genommen, geht die akzessorische Bürgschaftsverpflichtung ebenso unter wie die Nachbürgschaftsverpflichtung für den Fall, dass der Vorbürge erfolgreich belangt werden konnte. Mit der Nachbürgschaft wird also die Stellung des Vorbürgen in keiner Weise verbessert und entsprechend ist nicht zu sehen, inwiefern allfällige Formmängel auf dieser Stufe den Willensentschluss der Beschwerdeführerin hätten beeinflussen können; ihre dahingehende Behauptung ist abwegig. Dass die von ihr eingegangene Bürgschaftsverpflichtung als solche formgültig ist, weil sie eine juristische Person ist und es deshalb mit Bezug auf diese Verpflichtung so oder anders keiner öffentlichen Beurkundung bedurfte, anerkennt sie implizit selbst. 
 
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, der Beschwerdegegner als Gläubiger hätte den Darlehensvertrag - und damit auch den akzessorischen Bürgschaftsvertrag - nicht abgeschlossen, wenn er um die Formnichtigkeit der Nachbürgschaft gewusst hätte, so ist dieser Einwand eine blosse Behauptung und damit nicht "sofort glaubhaft gemacht" im Sinn von Art. 82 Abs. 2 SchKG (Stücheli, Die Rechtsöffnung, Diss. Zürich 2000, S. 349; zur Kasuistik vgl. Panchaud/Caprez, Die Rechtsöffnung, Bern 1980, § 26 Ziff. 1, 6 und 10;). Nach allgemeiner Definition erfordert die Glaubhaftmachung, dass der Richter überwiegend von der Wahrheit einer vorgebrachten Tatsache überzeugt ist (Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl., Bern 2006, Kap. 10 N. 26), wofür jedenfalls objektive Anhaltspunkte erforderlich sind (BGE 88 I 11 E. 5a S. 14). Vorliegend bestehen für einen Gläubigerwillen in dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Sinn keinerlei Anhaltspunkte, und ein dahingehender subjektiver Parteiwille liegt auch nicht in einer Weise auf der Hand, dass objektive Anhaltspunkte geradezu entbehrlich schienen. Die Einwendung der Beschwerdeführerin kann folglich weder im Allgemeinen als glaubhaft gemacht gelten noch ist im Speziellen eine Verletzung von Art. 82 Abs. 2 SchKG ersichtlich. 
 
5. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass sowohl für die Hauptschuld als auch für die Bürgschaftsverpflichtung ein Rechtsöffnungstitel vorliegt, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Bürgin gegeben sind und allfällige Formmängel der Nachbürgschaft keinen Einfluss auf die (Vor-)bürgschaft hätten bzw. für den behaupteten Einfluss auf den Darlehensvertrag keine Anhaltspunkte bestehen. Das Obergericht hat folglich mit der Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung kein Bundesrecht verletzt. 
 
Zufolge Abweisung der Beschwerde sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner ist in der Sache selbst kein Aufwand entstanden; ebenso wenig ist er für die Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung entschädigungsberechtigt, weil diesbezüglich nicht in seinem Sinn entschieden worden ist. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als Rekursinstanz, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 11. Juni 2008 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Raselli Möckli