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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.284/2004 /bri 
 
Urteil vom 16. Mai 2005 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, 
Gerichtsschreiber Näf. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Werner Meier, 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Bedingter Strafvollzug (Art. 41 StGB), Behandlung von Trunk- und Rauschgiftsüchtigen (Art. 44 StGB), 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Oberge-richts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 24. Mai 2004. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 8. November 2001, um zirka 16.15 Uhr, lenkte X.________ seinen Personenwagen von Tobel nach Winterthur, obwohl er zuvor alkoholische Getränke konsumiert hatte und im rechtlich relevanten Zeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von minimal 2.49 Ge-wichtspromillen aufwies. 
 
B. 
Das Bezirksgericht Winterthur sprach X.________ am 9. Juli 2003 vom Vorwurf des Fahrens in angetrunkenem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1 SVG frei. 
 
C. 
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin fand das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, X.________ mit Urteil vom 24. Mai 2004 des Fahrens in angetrunkenem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1 SVG schuldig. Es bestrafte ihn mit 6 Monaten Gefängnis (ohne Aufschub des Vollzugs der Freiheitsstrafe) und sah von der Anordnung einer Massnahme ab. 
 
D. 
Gegen dieses Urteil reichte X.________ sowohl kantonale wie auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein. 
 
Mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde beantragt er die Auf-hebung des angefochtenen Urteils. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
E. 
Am 24. Dezember 2004 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer macht eine "unrichtige" Anwendung von Art. 41 und 44 StGB geltend. 
 
1.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe die Tatsache nicht gewürdigt, dass er im Zeitpunkt der Verhandlung bewiesener-massen bereits ein Jahr lang erneut eine streng kontrollierte Alko-holabstinenz eingehalten gehabt habe (die er nach wie vor einhalte und kontrollieren lasse). Nicht gewürdigt worden sei ferner, dass seit der Straftat zweieinhalb Jahre vergangen seien. In Bezug auf die zwei einschlägigen Vorstrafen sei darauf hinzuweisen, dass die erste aus dem Jahre 1991 stamme. Was die Vorstrafe wegen Fahrens ohne Führerausweis betreffe, habe er sich damals in einer eigentlichen Zwangslage befunden. Ferner werde keine zutreffende prognostische Würdigung der aktuellen Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers vor-genommen, und schliesslich werde mit keinem Wort gewürdigt, dass er eine lange Probezeit beantragt und angeregt habe, sie könne mit der Weisung verbunden werden, die Alkoholtotalabstinenz während der ganzen Probezeit weiterzuführen (Beschwerdeschrift S. 4/5). 
 
1.2 Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann der Richter den Vollzug einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als 18 Monaten aufschieben, wenn Vorleben und Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde auch durch eine bedingt vollziehbare Strafe von weiteren Delikten abgehalten. Der Richter hat somit eine Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters zu stellen. Dabei steht dem Sachrichter ein erhebliches Ermessen zu, wobei die Gründe im Urteil so wieder-gegeben sein müssen, dass sich die richtige Anwendung des Bundes-rechts überprüfen lässt. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid auf, wenn die Vorinstanz von rechtlich nicht massgebenden Gesichts-punkten ausgegangen ist oder wenn sie wesentliche Faktoren in Ver-letzung ihres Ermessens falsch gewichtet, vernachlässigt oder ganz ausser Acht gelassen hat (BGE 118 IV 97 E. 2b). Bei der Prüfung, ob der Betroffene Gewähr für ein dauerndes Wohlverhalten bietet, sind alle wesentlichen Umstände in ihrer Gesamtheit und nicht bloss isoliert voneinander zu würdigen. In die Beurteilung mit einzubeziehen sind neben den Tatumständen das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen (BGE 118 IV 97 E. 2b). Um ein vollständiges Bild der Täterpersönlichkeit zu erhalten, sind unter anderem die strafrechtliche Vorbelastung, die Sozialisations-biografie und das Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer Bindungen sowie mögliche Hinweise auf Suchtgefährdungen zu untersuchen. Massgebend sind insoweit die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeit-punkt des Entscheides (eingehend Roland M. Schneider, Basler Kom-mentar StGB I, Basel usw. 2003, Art. 41 N. 75 ff., mit zahlreichen Hinweisen). 
 
Die Vorinstanz hat sich ausführlich mit der Frage des bedingten Strafvollzugs auseinander gesetzt (angefochtenes Urteil S. 41-44). Es kann darauf verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Vorinstanz dessen nun länger als ein Jahr währende Alkoholtotalabstinenz nicht entgangen. Sie räumt ihr aber angesichts der verschiedenen Vorgänge betreffend den Beschwerdeführer keine Bedeutung zu (dazu angefochtenes Urteil S. 43/44). Wenn seit dem zu beurteilenden Vorfall im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung wiederum zweieinhalb Jahre vergangen waren, so ist dem entgegenzuhalten, dass noch am 30. Mai 2003, also längst nach dem Vorfall vom 8. November 2001, beim Beschwerdeführer wiederum pathologische Blutwerte vorgelegen haben (angefochtenes Urteil S. 44 oben). Die Vorinstanz hat insbesondere auf die Vorstrafe verwiesen, die nur kurze Zeit zurückliegt (angefochtenes Urteil S. 42/43). Ob der Beschwerdeführer beim Fahren trotz Führer-ausweisentzuges (angefochtenes Urteil S. 39) sich in einer "eigent-lichen Zwangslage" (Beschwerde S. 5 oben) befunden hat, geht aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor und ist im Übrigen auch unerheblich. Die Vorinstanz hat im Weiteren auf die Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers verwiesen, ohne diese - wie er anzudeuten scheint - prognostisch negativ zu werten. Unerheblich ist schliesslich, dass der Beschwerdeführer eine lange Probezeit beantragt hat, nachdem eine solche - wenn überhaupt die Gewährung des bedingten Strafvollzuges in Frage gekommen wäre - angesichts seines Vorlebens in jedem Fall angeordnet worden wäre. 
 
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Vorinstanz durch die Verweigerung des bedingten Strafvollzugs Bundesrecht nicht verletzt hat. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach in diesem Punkt abzu-weisen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer rügt zudem, dass die Vorinstanz keine Massnahme nach Art. 44 StGB angeordnet hat. Er macht insbe-sondere geltend, sie habe undifferenziert das Negative hervor-gehoben, und der eigentliche Zweck einer Heilbehandlung, nämlich die Verminderung der Deliktsgefahr, bleibe praktisch unreflektiert. Gegen-über dem eine Massnahme ablehnenden neuen Gutachten der Integ-rierten Psychiatrie Winterthur vom 20. Januar 2004 (act. 44/6) sei festzuhalten, dass er sein Alkoholproblem mit einer länger andauern-den abstinenten Lebensführung überwinden wolle, dass er schon früher zu einer Antabuseinnahme bereit gewesen und dass er willens sei, sich einer - geeigneten - Therapie zu unterziehen (Beschwerde-schrift S. 6-8). 
 
2.2 Ist der Täter trunksüchtig und steht die von ihm begangene Tat damit im Zusammenhang, so kann der Richter seine Einweisung in eine Trinkerheilanstalt oder, wenn nötig, in eine andere Heilanstalt anordnen, um die Gefahr künftiger Verbrechen oder Vergehen zu verhüten. Der Richter kann auch ambulante Behandlung anordnen. Art. 43 Ziff. 2 StGB ist entsprechend anwendbar. Der Richter holt, soweit erforder-lich, ein Gutachten über den körperlichen und geistigen Zustand des Täters sowie über die Zweckmässigkeit der Behandlung ein (Art. 44 Ziff. 1 StGB). 
 
Die Vorinstanz durfte ohne Verletzung von Bundesrecht von der Anordnung einer Massnahme nach Art. 44 StGB absehen. Es kann auf ihre sorgfältigen und ausführlichen Erwägungen verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG, angefochtenes Urteil S. 45-47). Im Vordergrund steht dabei das oben erwähnte Gutachten vom 20. Januar 2004, das zum klaren Schluss kommt, eine erneute Anordnung einer Massnahme gemäss Art. 44 StGB sei nicht sinnvoll. Es kommt dazu, dass bereits eine früher angeordnete ambulante Therapie vom Beschwerdeführer Ende August 2001 abgebrochen worden war. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Vorinstanz "undifferenziert das Negative" hervorgehoben hat. Der Beschwerdeführer ist als nicht ausreichend therapiewillig anzusehen, nachdem bei seiner Akoholproblematik Ver-drängungstendenzen auszumachen sind (angefochtenes Urteil S. 43), er sich während formell noch laufender Therapie erneut stark betrun-ken und alkoholisiert ans Steuer eines Fahrzeugs gesetzt beziehungs-weise noch während der Fahrt Alkohol konsumiert hat (angefochtenes Urteil S. 47) und sich auch keiner intensiven Gesprächstherapie unterziehen will (Beschwerdeschrift S. 7). 
 
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist somit auch in diesem Punkt abzu-weisen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer beantragt die unentgeltliche Rechtspflege. Seine Anträge sind indes als von Anfang an aussichtslos zu be-zeichnen, was zur Abweisung des Gesuchs führt. 
 
4. 
Entsprechend diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwer-deführer die Kosten vor Bundesgericht zu tragen. Seinen finanziellen Verhältnissen ist mit einer reduzierten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf ein-zutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer aufer-legt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 16. Mai 2005 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: