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[AZA 7] 
H 348/00 Vr 
 
IV. Kammer 
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; 
Gerichtsschreiber Nussbaumer 
 
Urteil vom 4. Juni 2002 
 
in Sachen 
K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich, 
 
gegen 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- K.________ war einziger Verwaltungsrat und Direktor der X.________ AG. Die Gesellschaft produzierte zunächst das Musical Y.________. Mangels Nachfrage fand am 21. Mai 1995 die letzte Aufführung statt. Die nachfolgenden Sanierungsbemühungen blieben ohne Erfolg, zumal die Hausbank am 29. Juni 1995 den Betriebskredit kündigte. Am 22. März 1996 eröffnete der Konkursrichter des Bezirksgerichts über die Gesellschaft den Konkurs. Das Konkursamt teilte mit Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) vom ... mit, der Konkurs werde im summarischen Verfahren durchgeführt und die Konkursverwaltung beabsichtige, die beweglichen Sachen sowie Verlagsrechte zum Teil durch Freihandverkauf zu verwerten, wofür Angebote von insgesamt Fr. 16'000.- vorlägen. Am 10. Mai 1996 gab die Ausgleichskasse des Kantons Zürich verfügungsweise eine Forderung von Fr. 69'976. 40 für entgangene Sozialversicherungsbeiträge (inkl. FAK) ein. Ab 18. April 1997 lag der Kollokationsplan für die Dauer von 20 Tagen auf. Mit Verfügung vom 4. Juni 1997 verpflichtete die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Ausgleichskasse, K.________ zur Leistung von Schadenersatz in Höhe von Fr. 66'629. 10. In der Folge erhielt die Ausgleichskasse eine Dividende von Fr. 5185. 25 (Verlustausweis des Konkursamtes vom 12. Juni 1997). 
 
 
 
B.- Die auf Einspruch hin von der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Ausgleichskasse, über den Betrag von Fr. 61'443. 85 eingereichte Klage hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 31. August 2000 vollumfänglich gut. 
 
C.- K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Schadenersatzklage abzuweisen. 
Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese ein Beweisverfahren durchführe. 
Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden, als die Schadenersatzforderung kraft Bundesrechts streitig ist. Im vorliegenden Verfahren ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schadenersatzforderung für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse richtet (vgl. BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis). 
 
2.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
3.- a) Die rechtlichen Grundlagen (Art. 52 AHVG; Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV in der bis Ende 2000 gültig gewesenen Fassung) und die zur subsidiären Haftbarkeit der Arbeitgeberorgane (statt vieler BGE 123 V 15 Erw. 5b, 122 V 66 Erw. 4a, 119 V 405 Erw. 2, je mit Hinweisen) sowie zur Haftungsvoraussetzung des zumindest grobfahrlässigen Verschuldens (vgl. BGE 108 V 186 Erw. 1b, 193 Erw. 2b; ZAK 1985 S. 576 Erw. 2, 619 Erw. 3a) ergangene Rechtsprechung wurden im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
b) Nach der Rechtsprechung erlangt die Ausgleichskasse in dem Zeitpunkt Kenntnis des Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 AHVV, in welchem sie unter Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen muss, dass die tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr erlauben, die Beiträge einzufordern, wohl aber eine Schadenersatzpflicht begründen können. 
Im Falle eines Konkurses oder Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung besteht praxisgemäss in der Regel bereits dann ausreichend Kenntnis des Schadens, wenn die Kollokation der Forderungen eröffnet bzw. der Kollokationsplan (und das Inventar) zur Einsicht aufgelegt wird (BGE 126 V 444 Erw. 3a sowie 448 Erw. 4c, je mit Hinweisen). 
Eine Verlegung des Zeitpunkts der zumutbaren Schadenskenntnis vor die Auflage des Kollokationsplanes bejaht die Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen, so etwa dann, wenn die Ausgleichskasse aufgrund von Gläubigerversammlungen vernimmt, dass ihre Forderungen mit Sicherheit ungedeckt bleiben; dabei genügt die zumutbare Kenntnis eines Teilschadens (BGE 121 V 240 Erw. 3c; vgl. BGE 126 V 447 und 452 Erw. 2a). Stets aber bedarf es für ein Abgehen vom Regelzeitpunkt qualifizierter Umstände (unveröffentlichtes Urteil in Sachen S. und K. vom 2. Dezember 1999 [H 250/98 und H 252/98], Erw. 4b). 
Diese Grundsätze kommen auch bei der Durchführung des summarischen Konkursverfahrens zur Anwendung; dessen Anordnung als solche begründet praxisgemäss noch keine Kenntnis des Schadens (BGE 126 V 445 Erw. 3b und 447 in fine, je mit Hinweisen; Urteil I. vom 27. Juni 2000 [H 12/99], Erw. 5a). 
 
4.- Am 22. März 1996 wurde über die Arbeitgeberin der Konkurs eröffnet und das summarische Verfahren (Art. 231 SchKG) angeordnet. Der unter Erw. 3b hievor dargelegten Regel folgend hat das kantonale Gericht die zumutbare Schadenskenntnis auf den Zeitpunkt der Auflage des Kollokationsplanes am 18. April 1997 festgelegt. Da keine Gläubigerversammlungen stattfanden (Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 SchKG), kommt die hiezu ergangene Rechtsprechung zur Vorverlegung des Zeitpunkts der Schadenskenntnis nicht zur Anwendung. Der Beschwerdeführer erblickt hingegen den massgebenden Zeitpunkt für die Schadenskenntnis in den fehlgeschlagenen Sanierungsbemühungen und in der SHAB-Publikation vom ..., mit welcher die Konkursverwaltung ihre Absicht mitteilte, die beweglichen Sachen sowie die Verlagsrechte zum Teil durch Freihandverkauf zu verwerten. Die fehlgeschlagenen Sanierungsbemühungen fallen zum Vornherein ausser Betracht. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Beitragsforderung der Beschwerdegegnerin im Konkurs in der zweiten Klasse privilegiert war und die Ausgleichskasse im Unterschied zum Beschwerdeführer keinen Überblick über die finanziellen Verhältnisse der ihr angeschlossenen Gesellschaft hatte. Dies spricht auch gegen eine Schadenskenntnis im Zeitpunkt der Ankündigung des Freihandverkaufs im SHAB am ... Trotz der Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist die Betrachtungsweise des kantonalen Gerichts nicht bundesrechtswidrig, wonach aus der SHAB-Publikation nicht hervorgehe, dass es sich bei den für die Verwertung im Freihandverkauf mit Angeboten von rund Fr. 16'000.- vorgesehenen Kostümen, Dekor und Verlagsrechten um die gesamten Aktiven der Gesellschaft gehandelt habe. 
 
5.- a) Wie das kantonale Gericht verbindlich festgestellt hat (vgl. Erw. 2 hievor), entrichtete die konkursite Gesellschaft von den für 1995 geschuldeten Sozialversicherungsbeiträgen von insgesamt Fr. 68'581. 90 (inkl. Nebenkosten) lediglich Fr. 1952. 80. Zudem habe sich anlässlich der Arbeitgeberkontrolle vom 9. Mai 1996 herausgestellt, dass die Firma für das Jahr 1995 eine unvollständige Lohnbescheinigung eingereicht habe. Damit verstiess sie gegen die Beitragszahlungs- und Abrechnungspflicht und missachtete dadurch Vorschriften im Sinne von Art. 52 AHVG. Dieses Verschulden der Arbeitgeberin hat die Vorinstanz zu Recht dem Beschwerdeführer, welcher als einziger Verwaltungsrat und Delegierter geamtet hat, als grobfahrlässiges Verhalten angerechnet. Dadurch ist der Beschwerdegegnerin ein Schaden in Höhe von Fr. 61'443. 85 entstanden, der durch den vom Konkursamt am 12. Juni 1997 ausgestellten Verlustausweis erstellt ist. Im Übrigen kann auf die einlässlichen Ausführungen des kantonalen Gerichts verwiesen werden. 
 
b) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird wiederum der Einwand erhoben, mit der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich habe die falsche Partei verfügt und geklagt. 
Sowohl auf der Verfügung wie auch auf der Klage, ist neben der "Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich" ein Hinweis auf die Ausgleichskasse angebracht. Schon von daher ist die Auffassung des Beschwerdeführers unbegründet. Entgegen seiner Auffassung handelt es sich bei der "Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Ausgleichskasse" und der Ausgleichskasse des Kantons Zürich angesichts der gesetzlichen Lage (vgl. § 2 Abs. 2 des zürcherischen Einführungsgesetzes zu den Bundesgesetzen über die Alters- und Hinterlassenenversicherung und die Invalidenversicherung vom 20. Februar 1994 [831. 1]) um das gleiche Rechtssubjekt. 
Im Übrigen würde es sich um eine unrichtige Parteibezeichnung handeln, welche von Amtes wegen zu berichtigen wäre, weil - zumal angesichts der Hinweise auf die Ausgleichskasse - die Identität eindeutig ist (BGE 116 V 344 oben, 110 V 349 Erw. 2), wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in den Urteilen A. und B. (H 359+372/99) und Y. 
(H 157/99) vom 31. Mai 2001 gerade hinsichtlich der Sozialversicherungsanstalt und der Ausgleichskasse des Kantons Zürich entschieden hat. In den beiden erwähnten Urteilen hat das Eidgenössische Versicherungsgericht des Weitern festgehalten, dass die Ausgleichskasse entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung legitimiert ist, neben dem Schaden aus nicht abgelieferten AHV/IV-Beiträgen auch denjenigen hinsichtlich der [EO- und] AlV-Beiträge einzuklagen (Art. 6 AVIG; BGE 113 V 186; Nussbaumer, Die Haftung des Verwaltungsrates nach Art. 52 AHVG, in: AJP 1996 S. 1071; derselbe, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. Soziale Sicherheit, S. 28 Rz 69, S. 267 Rz 724, S. 268 Rz 724; vgl. auch Art. 21 Abs. 2 EOG). 
 
c) Auch die Einwendungen gegen die Annahme eines grobfahrlässigen Verhaltens sind unbehelflich. Der Beschwerdeführer war als einziger Verwaltungsrat und als Delegierter jederzeit über die finanzielle Lage seiner Firma im Bild. 
Namentlich wusste er um die Höhe der Lohnzahlungen, um die Nichtablieferung der Sozialversicherungsbeiträge und um den drastischen Zuschauerrückgang. Dass er trotzdem und angesichts des damals noch offenen Betriebskredites praktisch keine Sozialversicherungsbeiträge überwiesen oder diese wenigstens sichergestellt hat, ist ihm mit dem kantonalen Sozialversicherungsgericht als grobfahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Gerade in finanziell angespannten Zeiten muss der Verwaltungsrat darauf bedacht sein, nur so viel Lohn zur Auszahlung zu bringen, als die darauf unmittelbar ex lege entstandenen Beitragsforderungen gedeckt gewesen wären (SVR 1995 AHV Nr. 70 S. 214 Erw. 5). Nicht zu entlasten vermag ihn die Kündigung des Betriebskredites durch die Hausbank am 29. Juni 1995. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Beschwerdeführer weder Beitragszahlungen angeordnet noch entsprechende Rückstellungen getroffen, sondern auf den noch offenen Kredit vertraut. Insbesondere sind auch für die Zeit nach der letzten Aufführung am 21. Mai 1995 bis zur Kreditkündigung am 29. Juni 1995 keine Anstalten ersichtlich, um die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge mit dem noch nicht ausgeschöpften Kredit zu begleichen. 
Im Übrigen verhält es sich ähnlich, wie in dem vom Eidgenössischen Versicherungsgericht in H 379/99 beurteilten Fall (Urteil M. vom 8. September 2000), weil angesichts der sich verschlimmernden finanziellen Situation der Firma die Kreditkündigung durch die Bank nicht überraschend war und weil sich die Verstösse gegen die Beitragszahlungspflicht zum Kündigungszeitpunkt längst ereignet hatten. Der Beschwerdeführer kann sich daher nicht mit dem Verhalten der Hausbank nach der Kündigung des Kredits am 29. Juni 1995 entlasten. 
 
d) Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid ferner die einzelnen Positionen des Schadens festgelegt und die Höhe des Schadens berechnet. Die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen sind trotz den Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht offensichtlich unrichtig oder unvollständig im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG. Zwar sind die diesbezüglichen Akten nicht sehr zahlreich, doch durfte sich die Vorinstanz auf die Kontoblätter und die Lohnmeldungen stützen, um die nicht bezahlten Sozialversicherungsbeiträge zu ermitteln. 
Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Ausgleichskasse mit ihrer Beitragsforderung in Höhe von Fr. 69'976. 40 im Konkurs vollumfänglich zugelassen worden ist. Auf diese Akten durfte daher das kantonale Gericht ohne die Erhebung zusätzlicher Beweise und ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes abstellen. 
 
6.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario in Verbindung mit Art. 156 OG). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit 
darauf einzutreten ist. 
 
II.Die Gerichtskosten von Fr. 4000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. 
 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 4. Juni 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: