Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_869/2022  
 
 
Urteil vom 22. März 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Stadler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Schlegel, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, 
Spisergasse 15, 9001 St. Gallen, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Schultz, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (Veruntreuung, versuchte Nötigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen, vom 23. Mai 2022 
(AK.2021.415-AK). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 6. August 2021 reichte A.________ beim Untersuchungsamt St. Gallen Strafanzeige gegen B.________ wegen Verdachts der Veruntreuung, der versuchten Nötigung und allfälliger weiterer Delikte ein. 
In der Strafanzeige wird zusammengefasst ausgeführt, dass sich A.________ mit Vertrag vom 4. März 2019 verpflichtet habe, B.________ 5'000 Namenaktien der C.________ AG mit einem Nennwert von je Fr. 1.-- zu übertragen, sobald die Gründung der C.________ AG erfolgt sei. Mit Zession vom 2. September 2019 habe A.________ die Namenaktien mit allen Rechten und Pflichten und mit sofortiger Wirkung an B.________ abgetreten. Am 6. Dezember 2019 hätten die Parteien sodann eine weitere schriftliche Vereinbarung getroffen, in der sich B.________ verpflichtet habe, 5'000 Namenaktien mit einem Nennwert von je Fr. 1.-- zum Kaufpreis von Fr. 0.-- an A.________ zu verkaufen, sobald dieser Fr. 250'000.-- des bestehenden Darlehens zurückbezahlt habe. 
Hinter- und Rechtsgrund für die Übertragung der Aktien an B.________ sei eine Sicherungsabrede gewesen. A.________ habe die 5'000 Namenaktien im Rahmen eines Sicherungsgeschäftes an B.________ übertragen. B.________ habe die Aktien als Sicherheit für eine Darlehensforderung von Fr. 250'000.-- verwendet, weshalb er sich verpflichtet habe, die Aktien nach Rückzahlung des Darlehens an A.________ zurückzuübertragen. B.________ sei treuhänderischer Eigentümer der Aktien geworden und aufgrund der Sicherungszession als Aktionär im Aktienbuch der C.________ AG eingetragen worden. Wirtschaftlich Berechtigter und damit Inhaber aller über den Sicherungszweck hinausgehenden Rechte sei indessen A.________ geblieben. B.________ habe in verschiedenen Schreiben wiederholt bestätigt, dass es sich um eine Sicherungsübereignung handle. Erst nachdem A.________ am 2. Februar 2021 mitgeteilt habe, dass der aktuelle Preis der Aktien der C.________ AG Fr. 400.-- pro Aktie betrage, habe B.________ mit Schreiben vom 10. Februar 2021 an den damals aus A.________ und D.________ bestehenden Verwaltungsrat der Gesellschaft klargestellt, dass die Aktien nie sicherungsübereignet gewesen seien und A.________ rechtmässiger und uneingeschränkter Eigentümer der 5'000 Namenaktien sei. 
Aufgrund dieses widersprüchlichen Verhaltens habe sich der Verwaltungsrat der C.________ AG gezwungen gesehen, den Eintrag betreffend B.________ im Sinne von Art. 686a OR im Aktienbuch zu streichen, da er durch falsche Angaben zustande gekommen sei. In der Folge habe B.________ den Verwaltungsrat der C.________ AG mit Schreiben vom 18. Mai 2021 aufgefordert, schriftlich zu bestätigen, dass er nach wie vor als Inhaber von 5'000 Namenaktien im Aktienbuch eingetragen sei, ansonsten ohne weitere Korrespondenz strafrechtliche Schritte eingeleitet würden. Der Verwaltungsrat sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen. 
B.________ werde deshalb vorgeworfen, sich der Veruntreuung schuldig gemacht zu haben, indem er sich als rechtmässiger und unbelasteter Eigentümer der 5'000 Aktien ausgegeben habe, die frei von Rechten Dritter sein sollen. Weiter wird B.________ vorgeworfen, sich der versuchten Nötigung schuldig gemacht zu haben, indem er dem Verwaltungsrat mit einer Strafanzeige gedroht habe, falls dieser seiner Forderung, ihn als rechtmässigen Eigentümer und wirtschaftlich Berechtigten der 5'000 Aktien im Aktienbuch der C.________ AG einzutragen, nicht nachkomme. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 16. August 2021 nahm das Untersuchungsamt St. Gallen die Strafanzeige gegen B.________ nicht anhand, weil die fraglichen Tatbestände offensichtlich nicht erfüllt seien. 
Mit Entscheid vom 23. Mai 2022 wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen die von A.________ gegen die Nichtanhandnahmeverfügung eingereichte Beschwerde ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei der Beschwerdeentscheid aufzuheben und die Staatsanwaltschaft St. Gallen sei anzuweisen, gegen B.________ eine Strafuntersuchung zu eröffnen und durchzuführen. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Zur Beschwerde in Strafsachen ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG legitimiert, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat oder nicht teilnehmen konnte (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Die Privatklägerschaft ist dann legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid für die Beurteilung ihrer Zivilansprüche von Bedeutung sein kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Zivilansprüche im Sinne dieser Bestimmung sind Ansprüche, die sich unmittelbar aus der Straftat ergeben und vor den Zivilgerichten geltend zu machen sind, in erster Linie Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche nach Art. 41 ff. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 6B_787/2022 vom 5. Oktober 2022 E. 2.2.1; jeweils mit Hinweisen).  
Richtet sich die Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft im Strafverfahren nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden Zivilansprüche geltend gemacht. Im Verfahren vor Bundesgericht muss sie deshalb darlegen, weshalb und inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf welche Zivilansprüche auswirken kann (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen ohne vertiefte materielle Prüfung und stellt an deren Begründung strenge Anforderungen (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteile 6B_1244/2021 vom 12. April 2022 E. 1.1.1; 6B_787/2022 vom 5. Oktober 2022 E. 2.2.2; jeweils mit Hinweisen). 
 
1.2. Zur Beschwerdelegitimation macht der Beschwerdeführer geltend, eine widerrechtlich zugefügte, zivilrechtliche Ansprüche begründende Schädigung liege vorliegend darin, dass der Beschwerdegegner 2 die Sicherungseigenschaft der ihm vom Beschwerdeführer übergebenen 5'000 Aktien der C.________ AG in Abrede gestellt habe, um sich diese zu unbeschränktem Eigentum anzueignen. Zudem bestünden Genugtuungsansprüche gegen den Beschwerdegegner 2 wegen Persönlichkeitsverletzung in der Höhe von Fr. 1'000.--, indem der Beschwerdegegner 2 in einem an den Beschwerdeführer gerichteten Schreiben diesem mit einer Strafanzeige wegen "Urkundenfälschung" und allenfalls "Diebstahls und unrechtmässiger Aneignung" gedroht habe, falls dieser nicht einen für ihn günstigen Eintrag im Aktienbuch der C.________ AG vornehme. Die Auswirkungen dieser Drohung würden über das Mass einer alltäglichen Aufregung oder Besorgnis hinausgehen. Der Beschwerdeführer sei Verwaltungsrat des Startups C.________ AG, das seine Haupterwerbsquelle darstelle. Durch die Androhung einer (ungerechtfertigten) Strafanzeige wegen Urkundenfälschung müsse der Beschwerdeführer befürchten, dass sich Investoren aus der Finanzierung zurückziehen und dadurch sein Unternehmen wirtschaftlich gefährdet und damit seine gesamte wirtschaftliche Existenz vernichtet werde.  
 
1.3. Diese Ausführungen gehen fehl:  
 
1.3.1. Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner 2 5'000 Namenaktien der C.________ AG zwecks Sicherung eines Darlehens von Fr. 250'000.-- übereignet hat. Eine Simulation macht der Beschwerdeführer nicht geltend.  
Wesensmerkmal einer Sicherungsübereignung ist, dass die Sicherungsobjekte vom Sicherungsnehmer treuhänderisch gehalten werden und nach Rückzahlung des Kredites ins Eigentum des Sicherungsgebers rückübertragen werden sollen; der Sicherungsnehmer ist deshalb im Innenverhältnis durch das pactum fiduciae obligatorisch gebunden (Urteil 5A_420/2008 vom 28. Mai 2009 E. 5 mit Hinweisen). Nichtsdestotrotz führt die Sicherungsübereignung nach ständiger Rechtsprechung zum vollen Rechtserwerb des Sicherungsnehmers, sofern sie ernsthaft gewollt und nicht bloss simuliert ist (BGE 117 II 463 E. 3). Der Sicherungsnehmer wird dadurch gegenüber Dritten, die sich um die internen Rechtsbeziehungen zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer nicht zu kümmern haben (BGE 115 II 468 E. 2c), als Rechtsträger legitimiert und zu Verfügungen berechtigt (BGE 117 II 463 E. 3 mit weiteren Hinweisen).  
Die Aktiengesellschaft führt über die Namenaktien ein Aktienbuch, in welches die Eigentümer und Nutzniesser mit Namen und Adresse eingetragen werden (Art. 686 Abs. 1 Satz 1 OR). Die Eintragung in das Aktienbuch setzt einen Ausweis über den Erwerb der Aktie zu Eigentum oder die Begründung einer Nutzniessung voraus (Art. 686 Abs. 2 OR). 
Damit ist es aber zivil- und handelsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beschwerdegegner 2 während der Zeit, in der ihm die Aktien sicherungshalber - also fiduziarisch ( fiducia cum creditore) - übertragen sind, die Eintragung ins Aktienbuch verlangt, da er während dieser Zeit nach der Theorie des vollen Rechtserwerbs Eigentümer der Aktien ist. Inwiefern dem Beschwerdeführer dadurch ein wie auch immer gearteter Schaden im Sinne der obligationenrechtlichen Differenzhypothese entstanden sein soll, ist nicht ersichtlich. Ein Anspruch nach Art. 41 OR scheidet somit bereits mangels Schaden aus.  
 
1.3.2. Nach Art. 49 OR ist eine Genugtuung nur geschuldet, sofern die Schwere der Verletzung dies rechtfertigt. Der Eingriff muss aussergewöhnlich schwer sein und in seinen Auswirkungen das Mass einer Aufregung oder einer alltäglichen Sorge klar übersteigen. Leichte Persönlichkeitsverletzungen, wie beispielsweise unbedeutende Ehrverletzungen, rechtfertigen keine finanzielle Genugtuung. Dass die angebliche Persönlichkeitsverletzung sodann objektiv und subjektiv schwer wiegt (vgl. Urteile 6B_515/2021 vom 2. November 2021 E. 1.1; 6B_880/2020 vom 1. Februar 2021 E. 1.3), behauptet der Beschwerdeführer zwar, ist aber keineswegs ersichtlich. Es ist notorisch, dass in der kompetitiven Gründerszene auch juristisch mit harten Bandagen gekämpft wird; selbst wenn sich die Anzeige wegen Urkundenfälschung als ungerechtfertigt erweisen sollte, vermag dies einen zivilrechtlichen Genugtuungsanspruch noch nicht zu indizieren.  
 
1.4. Damit gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, seine Beschwerdelegitimation darzutun, womit auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.  
 
2.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer die Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. März 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Stadler