Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4P.276/2005 /ruo 
 
Urteil vom 12. Januar 2006 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch, 
Bundesrichter Nyffeler, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Parteien 
Spital X.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Fürsprecher Dieter Caliezi, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Fürsprecher Oliver Gafner, 
Z.________ 
Beschwerdegegnerin, 
Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 
2. Zivilkammer, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (Zivilprozess; Willkür), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof, 
2. Zivilkammer, vom 25. August 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Y.________ (Beschwerdegegner) war seit dem 1. Dezember 2000 beim Spital X.________ (Beschwerdeführerin) als diplomierter Rettungssanitäter IVR in der Funktion eines Teamchefs angestellt. Im April und im Juli 2003 verwendete er das Notfallhandy des Rettungsdienstes für private Auslandgespräche und SMS. Er wurde deswegen am 6. August 2003 unter Kündigungsandrohung verwarnt. Ab August 2003 verwendete der Beschwerdegegner das Notfallhandy nicht mehr für private Auslandgespräche. 
Anlässlich einer Weiterbildung im September 2003 wurde ein neuer Transportstuhl vorgestellt. Nach dem Kurs wurde unter den Teilnehmern über die Anschaffung eines solchen Stuhles gesprochen sowie darüber, dass diese für 2004 bereits budgetiert sei. Scherzhaft wurde auch bemerkt, dass der Transportstuhl schneller ersetzt würde, wenn der vorhandene vorher kaputt ginge. Namentlich äusserte auch der Leiter des Rettungsteams und Vorgesetzte des Beschwerdegegners, "der Stuhl müsse z' Bode". Der Beschwerdegegner überfuhr am 11. September 2003 den Transportstuhl absichtlich mit einem Allradfahrzeug, was er seinem Vorgesetzten sogleich telefonisch mitteilte. Dieser qualifizierte den Vorfall nicht, weder tadelnd noch lobend. 
B. 
Der Personalchef der Beschwerdeführerin erfuhr ca. am 15. September 2003 durch eine Arbeitskollegin des Beschwerdegegners vom erwähnten Ereignis, erklärte sich aber nicht bereit, Massnahmen zu ergreifen, so lange ihm nichts Schriftliches vorliege. Am 21. September 2003 gelangte er in den Besitz eines entsprechenden Schreibens, worauf er am 22. September 2003 die fristlose Entlassung des Beschwerdegegners aussprach. Vom gleichen Tag datiert die durch den Direktor und den Personalchef unterzeichnete fristlose Kündigung, welche nebst nicht spezifizierten "weiteren Verfehlungen" als Hauptgrund die Zerstörung eines Transportstuhls vom 11. September 2003 im Wert von Fr. 3'500.-- bezeichnet. Der Beschwerdegegner erhob am 23. September 2003 Einsprache gegen die fristlose Entlassung und bot seine Arbeitsleistung an. 
C. 
Mit Klage vom 6. November 2003 belangte der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin vor dem Gerichtskreis VII Konolfingen auf Zahlung eines schliesslich auf unter Fr. 30'000.-- herabgesetzten Betrages, und er verlangte eine Bereinigung des Arbeitszeugnisses. Die "Z.________" (Beschwerdegegnerin) wurde am 16. März 2004 als Intervenientin zugelassen. Der Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises VII Konolfingen verpflichtete die Beschwerdeführerin am 31. August 2004 zu einer Änderung des Arbeitszeugnisses und wies im Übrigen die Klage ab. Er hielt die Beschwerdeführerin mit Blick auf die wegen der unzulässigen Telefonate erfolgte Verwarnung für berechtigt, das Arbeitsverhältnis nach Art. 337 OR fristlos aufzulösen, wobei er offen liess, ob die Zerstörung des Transportstuhls für sich allein einen wichtigen Grund darstellen könnte. Auf Appellation des Beschwerdegegners und Anschlussappellation der Beschwerdeführerin verpflichtete das Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, am 25. August 2005 die Beschwerdeführerin, Fr. 8'367.95 an den Beschwerdegegner und Fr. 9'274.05 an die Beschwerdegegnerin zu bezahlen. Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Gericht kam das Obergericht zum Ergebnis, es habe an einem wichtigen Grund für die fristlose Kündigung gefehlt. 
D. 
Die Beschwerdeführerin hat das Urteil des Obergerichts sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde als auch mit Berufung beim Bundesgericht angefochten. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde verlangt sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Der Beschwerdegegner schliesst auf kostenfällige Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde und ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Auch das Obergericht des Kantons Bern beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Die Beschwerdegegnerin hat auf eine Stellungnahme verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Als willkürliche Tatsachenfeststellung beanstandet die Beschwerdeführerin in der staatsrechtlichen Beschwerde einzig folgenden im angefochtenen Urteil figurierenden Satz: 
"Nachdem der Kläger den Stuhl kaputt gefahren hatte, teilte er dies seinem direkten Vorgesetzten A.________ mit." 
 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Obergericht verweise in diesem Zusammenhang auf die Aussage des Vorgesetzten als Zeugen, die an der angeführten Stelle wie folgt protokolliert sei: 
"Herr Y.________ telefonierte mir, nachdem der Stuhl kaputt gegangen war. Er sagte mir nur, der Stuhl sei kaputt, nicht wie es geschehen war. Ich habe nicht gross nachgefragt, wie es denn geschehen sei, da ich frei hatte an diesem Tag. (...) Ich habe später durch Herrn B.________ erfahren, wie genau der Stuhl kaputt ging." 
 
Daraus lasse sich lediglich ableiten, dass der Beschwerdegegner seinem direkten Vorgesetzten mitgeteilt habe, dass der Transportstuhl kaputt gegangen sei, aber nicht wie. Die Annahme des Obergerichts, der Beschwerdegegner habe seinem Vorgesetzten auch die Art und Weise der Zerstörung des Stuhls mitgeteilt, stehe dazu in klarem Widerspruch und sei daher willkürlich. 
2. 
2.1 Willkürlich ist ein Entscheid nach konstanter Rechtsprechung nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen Willkür vielmehr nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 131 I 57 E. 2 S. 61; 129 I 8 E. 2.1 S. 9, je mit Hinweisen). Dabei genügt es nicht, wenn sich nur die Begründung des angefochtenen Entscheides als unhaltbar erweist. Eine Aufhebung rechtfertigt sich nur, wenn der Entscheid auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; 128 I 177 E. 2.1 S. 182; 127 I 38 E. 2a S. 41, je mit Hinweisen). Inwiefern der angefochtene Entscheid das Willkürverbot verletzt und inwiefern sich dies auf das Ergebnis des Entscheids auswirkt, ist gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG in der Beschwerde im Einzelnen aufzuzeigen. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 130 I 26 E. 2.1 S. 31; 258 E. 1.3 S. 261 f., je mit Hinweisen). 
2.2 Das Obergericht hielt zu Anfang der Erwägung, in welcher sich die kritisierte Feststellung findet, fest, die Kammer stütze sich auf die diversen Zeugenaussagen sowie jene des Klägers. Dieser aber hat anlässlich seiner Befragung angegeben, nach dem Kaputtmachen des Stuhls habe er den Vorgesetzten aufs Natel angerufen und ihm gesagt, der Stuhl sei kaputt, er habe ihn überfahren. Weshalb es geradezu stossend sein soll, diese Aussage des Beschwerdegegners als glaubwürdiger als jene des Vorgesetzten zu erachten, legt die Beschwerdeführerin nicht dar und ist nicht ersichtlich, zumal das Obergericht die Aussagen des Vorgesetzten auch in anderem Zusammenhang als eher zweifelhaft einstufte (E. III.1.4 des angefochtenen Urteils). Tatsächlich wirkt zumindest erstaunlich, dass der Vorgesetzte nach eigenen Angaben auf die Mitteilung, der Stuhl sei kaputt gegangen, "nicht gross nachgefragt" haben will, wie dies geschehen sei, auch wenn er an jenem Tag frei hatte. Da in seiner Anwesenheit im Team die Möglichkeit, den Transportstuhl absichtlich unbrauchbar zu machen, um die Anschaffung des neuen Stuhls zu beschleunigen, mehrfach im Scherz erwogen worden war, hätte sich eine entsprechende Nachfrage geradezu aufgedrängt. Da keinerlei Anhaltspunkte in den Akten darauf schliessen lassen, der Beschwerdegegner habe die Tat nicht aus freien Stücken eingestanden, verfiel das Obergericht jedenfalls nicht in Willkür, wenn es auf die Angaben des Beschwerdegegners abstellte, zumal der Vorgesetzte bei seiner Einvernahme nicht mehr wusste, wie er auf die Mitteilung der Zerstörung des Transportstuhls reagierte, sich mithin nur ungenau an das mit dem Beschwerdegegner geführte Telefongespräch erinnerte. Die Willkürrüge ist daher unbegründet. 
3. 
Nachdem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen. Da der Streitwert unter Fr. 30'000.-- liegt, ist das Verfahren kostenlos (Art. 343 Abs. 3 OR). Da die Beschwerdegegnerin sich nicht hat vernehmen lassen, steht ihr keine Parteientschädigung zu. Hingegen hat die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegner für das Verfahren vor Bundesgericht zu entschädigen (BGE 115 II 30 E. 5c S. 42 mit Hinweisen). In Bezug auf die Kosten ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtpflege gegenstandslos. Da die Voraussetzungen der Gewährung der unentgeltliche Prozessführung im Sinne von Art. 152 OG beim Beschwerdegegner offensichtlich gegeben sind, behält es aber seine Bedeutung für die Parteientschädigung. Sollte sich diese als uneinbringlich erweisen, ist sie dem Vertreter des Beschwerdegegners aus der Bundesgerichtskasse auszurichten. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. Bei Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung wird dieser Betrag Fürsprecher Olivier Gafner von der Bundesgerichtskasse bezahlt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Z.________ und dem Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 12. Januar 2006 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: