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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_233/2009 
 
Urteil vom 25. Februar 2010 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Parteien 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Martina Fausch, 
 
gegen 
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Eigerstrasse 65, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 19. Juni 2009 
des Bundesstrafgerichtes, I. Beschwerdekammer. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) führt eine besondere Steueruntersuchung unter anderem gegen X.________ wegen des Verdachts von schweren Steuerwiderhandlungen (in den Steuerperioden 2002-2006). Am 27. Januar 2009 erfolgten diverse Hausdurchsuchungen, insbesondere in der Privatwohnung seiner Ehefrau in St. Gallen. Die dort beschlagnahmten Papiere wurden vorsorglich versiegelt. 
 
B. 
Mit Schreiben vom 23. Februar 2009 erhob X.________ Einsprache gegen die Durchsuchung der versiegelten Akten und Gegenstände gemäss Beschlagnahmeprotokoll. Am 27. März 2009 stellte die EStV beim Bundesstrafgericht das Gesuch um Entsiegelung und Durchsuchung der beschlagnahmten Unterlagen. Mit Entscheid vom 19. Juni 2009 (BE.2009.5) hiess das Bundesstrafgericht, I. Beschwerdekammer, das Gesuch gut. 
 
C. 
Gegen den Entsiegelungsentscheid des Bundesstrafgerichtes gelangte X.________ mit Beschwerde vom 24. August 2009 an das Bundesgericht. Er beantragt in der Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Verweigerung der Entsiegelung und Durchsuchung. 
 
Das Bundesstrafgericht beantragt mit Stellungnahme vom 7. September 2009, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Die EStV schliesst mit Vernehmlassung vom 11. September 2009 ebenfalls auf Nichteintreten; eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Zu den nach Art. 79 BGG anfechtbaren Entscheiden gehören namentlich Verfügungen betreffend die Entsiegelung und Durchsuchung von Dokumenten und elektronischen Datenträgern zu Ermittlungs- und Beweiszwecken (BGE 132 IV 63 E. 4 S. 67 ff.; 131 I 52 E. 1.2.2 S. 54; 130 IV 154 E. 1.2 S. 158 f.; Urteil 1B_200/2007 vom 15. Januar 2008 E. 2.1 mit Hinweisen). 
 
1.1 Zu prüfen ist zunächst, ob die Beschwerde angesichts des Fristenstillstandes während den sogenannten Gerichtsferien (Art. 46 Abs. 1 BGG) rechtzeitig (innert der Frist von Art. 100 Abs. 1 BGG) erhoben wurde. 
 
1.2 Kein Fristenstillstand gilt (unter anderem) bei Verfahren betreffend "andere vorsorgliche Massnahmen" (Art. 46 Abs. 2 BGG). In BGE 135 I 257 E. 1.1-1.5 S. 259-261 hat das Bundesgericht entschieden, dass insbesondere strafprozessuale Beschlagnahmungen und Kontensperren als vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 46 Abs. 2 BGG zu behandeln sind, bei denen keine Gerichtsferien gelten. 
 
1.3 Vorsorgliche Massnahmen sind einstweilige Verfügungen; sie regeln eine Rechtsfrage nur vorläufig, bis darüber in einem späteren Hauptentscheid definitiv entschieden wird (vgl. BGE 135 I 257 E. 1.4-1.5 S. 260 f. mit Hinweisen). Das Siegelungsverfahren dient dem Schutz von Privat- und Berufsgeheimnissen. Es bezweckt, dass der Inhaber beschlagnahmter Dokumente bzw. Datenträger vor dem Hauptentscheid in der Strafsache nötigenfalls eine gerichtliche Entscheidung darüber herbeiführen kann, ob der von ihm geltend gemachte Geheimnisschutz dem strafprozessualen Beizug der Dokumente bzw. Dateien entgegensteht. Darüber ist vom Entsiegelungsrichter definitiv zu entscheiden (vgl. BGE 132 IV 63 E. 4.1-4.6 S. 65-68). Zwar handelt es sich auch bei Entsiegelungsentscheiden um strafprozessuale Zwischenverfügungen, deren Rechtmässigkeit (im Interesse der Verfahrensbeschleunigung) auf dem Beschwerdeweg möglichst zügig zu prüfen ist. Angesichts der streitigen Geheimnisschutzinteressen, die vom Entsiegelungsrichter (im dargelegten Sinne) abschliessend zu beurteilen sind, können Entscheide betreffend Entsiegelung und Durchsuchung von Dokumenten bzw. elektronischen Datenträgern jedoch grundsätzlich nicht als vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 46 Abs. 2 BGG eingestuft werden. Sie unterliegen deshalb dem Fristenstillstand gemäss Art. 46 Abs. 1 BGG
 
1.4 Nach dem Gesagten wurde die Beschwerde rechtzeitig erhoben. 
 
1.5 Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 79 ff. BGG geben zu keinen Vorbemerkungen Anlass. Gerügt werden kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 BGG). 
 
2. 
Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, dass die fragliche Hausdurchsuchung und Beschlagnahme in der Wohnung der Ehefrau des Beschwerdeführers durchgeführt worden sei. Dieser habe geltend gemacht, dass er in Spanien lebe, sich nicht mehr als 18 Tage im Jahr in der Schweiz aufhalte, hier keiner Erwerbstätigkeit nachgehe und die Adresse der Wohnung seiner Ehefrau als "Korrespondenzadresse" verwende. Zwar sei bei der Frage, ob der Beschwerdeführer als Inhaber der beschlagnahmten Unterlagen anzusehen sei, nicht allein auf seinen zivil- bzw. steuerrechtlichen Wohnsitz abzustellen. Aus seiner Sachdarstellung ergebe sich jedoch keine tatsächliche Verfügungsgewalt über die fraglichen Papiere. Als deren Inhaberin sei seine Ehefrau anzusehen. Eine Einsprache von ihr liege nicht bei den Akten, weshalb kein Entsiegelungs- und Durchsuchungshindernis ersichtlich sei. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer macht Folgendes geltend: Aus dem blossen Umstand, dass er seinen tatsächlichen Wohnsitz in Spanien habe und nur selten in der Schweiz weile, könne unmöglich geschlossen werden, dass er in der Wohnung seiner Ehefrau nicht Akten deponiert hätte, die in seinem Eigentum stünden. Er nehme seine Privatakten "nicht jedes Mal in die Schweiz" mit, sondern bewahre sie bei seiner Ehefrau auf. Wie die Vorinstanz darauf komme, dass er keinen jederzeitigen und uneingeschränkten Zugang zur Wohnung seiner Ehefrau habe, sei nicht nachvollziehbar. Seine Rechtsvertreterin habe im Übrigen auch Einsprache in Namen seiner Ehefrau erhoben. Der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 50 Abs. 3 VStrR
 
4. 
Art. 191 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990 (DBG; SR 642.11) verweist für das besondere Untersuchungsverfahren wegen des Verdachts von schweren Steuerwiderhandlungen auf die Bestimmungen von Art. 19-50 VStrR
 
4.1 Papiere sind mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse zu durchsuchen; insbesondere sollen sie nur dann durchsucht werden, wenn anzunehmen ist, dass sich Schriften darunter befinden, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (Art. 50 Abs. 1 VStrR). Bei der Durchsuchung sind das Amtsgeheimnis und die Berufsgeheimnisse zu wahren (Art. 50 Abs. 2 VStrR). Dem Inhaber der Papiere ist wenn immer möglich Gelegenheit zu geben, sich vor der Durchsuchung über ihren Inhalt auszusprechen. Erhebt er gegen die Durchsuchung Einsprache, so werden die Papiere versiegelt und verwahrt, und es entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes über die Zulässigkeit der Durchsuchung (Art. 50 Abs. 3 i.V.m Art. 25 Abs. 1 VStrR). 
 
4.2 Nach dem Wortlaut von Art. 50 Abs. 3 VStrR und der einschlägigen Praxis des Bundesgerichtes steht das Einspracherecht im Entsiegelungsverfahren nur dem jeweiligen Inhaber der Papiere bzw. Dateien zu (BGE 127 II 151 E. 4c/aa S. 155; 116 Ib 106 E. 2a/aa S. 110; 111 Ib 50 E. 3b S. 51; Urteile 1S.13/2006 vom 27. September 2006 E. 1.4.1; 1S.28/2005 vom 27. September 2005 E. 2.4.2-2.4.3; 1A.171/2001 vom 28. Februar 2002 E. 1.2). Dieser hat die Schriften (respektive Datenträger) zu benennen, die seiner Ansicht nach der Versiegelung und Geheimhaltung unterliegen, bzw. die Berufs-, Privat- oder Geschäftsgeheimnisse glaubhaft zu machen, die dem öffentlichen Interesse an der Aufklärung von mutmasslichen Straftaten vorgehen sollen (BGE 132 IV 63 E. 4.5-4.6 S. 67 f.; Urteile 1B_274/2008 vom 27. Januar 2009 E. 6.5; 1B_104/2008 vom 16. September 2008 E. 2.1; 1B_200/2007 vom 15. Januar 2008 E. 2.6; 1S.5/2005 vom 6. September 2005 E. 7.6; vgl. Robert Hauser/Erhard Schweri/Karl Hartmann, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Zürich 2005, § 70 Rz. 21-22; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, Rz. 734-736). 
 
4.3 Zur Frage, ob er Inhaber der fraglichen Papiere sei, stellt sich der Beschwerdeführer einerseits auf den Standpunkt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er in der Wohnung seiner Ehefrau Akten deponiert habe. Anderseits räumt er ein, dass er in Spanien wohnhaft sei und sich nur selten in der Schweiz aufhalte. Er bestreitet auch nicht, dass er getrennt von seiner Ehefrau lebt und die Beschlagnahme von Unterlagen in ihrer Wohnung stattfand. Zu den "die Schweiz betreffenden Privatakten", die er angeblich dort aufbewahren liess, macht er keine näheren Angaben. Ebenso wenig erklärt er, inwiefern er (trotz des dauerhaften Getrenntlebens) jederzeitigen und uneingeschränkten Zugang zur Wohnung seiner Ehefrau hätte. 
Es kann offen bleiben, ob der Ansicht des Beschwerdeführers zu folgen ist, seine Rechtsvertreterin habe am 23. Februar 2009 auch im Namen seiner Ehefrau (als Wohnungsmieterin) Einsprache erhoben. Selbst wenn dies zuträfe, hätte die Ehefrau ihrerseits Beschwerde gegen den (sie betreffenden) Entsiegelungsentscheid erheben müssen mit der Rüge, die Vorinstanz habe ihre separat erfolgte Einsprache zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Der Beschwerdeführer ist jedenfalls nicht legitimiert, diesbezüglich die Interessen seiner Ehefrau wahrzunehmen (vgl. Art. 81 BGG). Insofern ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten. 
Darüber hinaus legt der Beschwerdeführer auch keine konkreten schützenswerten Privat- oder Geschäftsgeheimnisse dar, welche das öffentliche Interesse an der Untersuchung von mutmasslichen schweren Steuerwiderhandlungen überwiegen würden. Die Auffassung der Vorinstanz, im vorliegenden Fall bestehe kein Entsiegelungshindernis, hält vor dem Bundesrecht stand. 
 
5. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde wird mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache hinfällig. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, I. Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 25. Februar 2010 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Forster