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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
5A_3/2019  
 
 
Urteil vom 18. Februar 2019  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, 
Gerichtsschreiberin Friedli-Bruggmann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Dr. René Müller, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.B.________, 
vertreten durch seine Mutter C.B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Wick, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unterhaltsklage, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, 
vom 30. Oktober 2018 (ZVE.2018.27). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ (Beschwerdeführer) ist der Vater von B.B.________ (Beschwerdegegner; geb. 2015). Mit Entscheid des Gerichtspräsidiums Laufenburg vom 6. März 2018 wurde der Beschwerdeführer bis zur Volljährigkeit des Kindes zur Bezahlung von Kindesunterhalt an die Kindsmutter verpflichtet (monatlich zwischen Fr. 550.-- und Fr. 2'715.--, je nach Zeitperiode). Der Entscheid wurde ihm am 12. März 2018 in begründeter Fassung zugestellt. 
 
B.   
Am 15. April 2018 erhob der Beschwerdeführer Berufung an das Obergericht des Kantons Aargau mit folgenden Rechtsbegehren: 
 
"1. Ich beantrage, dass die gemachten Verfahrensfehler erkannt werden. 
2. Es soll, nach Vorliegen eines rechtskräftigen Beschlusses zum persönlichen Verkehr, der tatsächliche Betreuungsunterhalt, so wie er vom Gesetzgeber angedacht wurde, in einem neuen Entscheid berechnet und festgehalten werden. 
3. Ich bestreite aufgrund [ d]er gemachten Erwägungen die Höhe des berechneten Unterhalts und da ich mit meinem Sohn und der Kindsmutter wie angegeben zusammengelebt hatten, ich ihr auch während der Zeit des [A]useinanderlebens jeweils Geld zukommen liess und beim Zusammenkommen u.a. die Hypothekarschulden mehrere Monate übernommen hatte, einen Anspruch auf rückwirkende Zahlungen. (...) [es folgen weitere Ausführungen zur Anrechnung geleisteter Zahlungen]. 
4. Des Weiteren soll mir die Möglichkeit geboten werden, mich zu den angesprochenen Punkten detailliert, mit den angesprochenen Nachweisen äussern zu können. Da ich bereits Eingaben, bzw. Richtigstellungen bezüglich des laufenden Verfahrens XBE.2018.13/nl (persönlicher Verkehr) ausarbeiten musste, konnte ich nicht alle Punkte ausführlich, innert Beschwerdefrist begründen und mit allen Beweisen ausstatten. " 
 
C.   
Das Obergericht trat im Entscheid vom 30. Oktober 2018 mit der Begründung mangelnder Bezifferung auf die Berufung nicht ein. 
 
D.   
Gegen diesen Entscheid gelangt der Beschwerdeführer mit Beschwerde in Zivilsache vom 27. Dezember 2018 an das Bundesgericht. Er beantragt, "das Verfahren sei zur Durchführung gemäss Art. 56 ZPO und Anweisung an den Beschwerdeführer zur Stellung seiner Anträge vor Obergericht des Kantons Aargau an den Vorderrichter zurückzuweisen". Das Bundesgericht hat die Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend Kinderunterhalt, gegen den die Beschwerde in Zivilsachen offen steht (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). 
 
2.   
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 56 und Art. 296 ZPO. Er führt dazu aus, dass er die Rechtsbegehren der Berufung zwar nicht beziffert habe. Es sei aber klar gewesen, dass er eine Reduktion der Unterhaltsbeiträge begehre, was das Obergericht auch verstanden habe. Da es um Kinderunterhaltsbeiträge gehe, gälten Offizialmaxime und Untersuchungsgrundsatz. Indem das Obergericht auf sein Begehren um Reduktion nicht eingangen sei, habe es den Grundsatz der Offizialmaxime gemäss Art. 296 Abs. 3 ZPO verletzt. Das Obergericht hätte ihm gemäss Art. 56 ZPO Gelegenheit zur Klarstellung und Ergänzung einräumen oder ihm - da er damals noch nicht anwaltlich vertreten gewesen sei - dazu raten müssen, einen Anwalt beizuziehen. Durch Unterlassung der entsprechenden Fragen resp. der Beratungspflicht habe das Obergericht auch Art. 56 ZPO verletzt. 
 
3.   
Ein Rechtsbegehren muss so bestimmt sein, dass es im Falle der Gutheissung der Klage unverändert zum Urteil erhoben werden kann. Aus diesem Prozessgrundsatz folgt, dass auf Geldzahlung gerichtete Berufungsanträge zu beziffern sind. Dasselbe ergibt sich im Übrigen aus Art. 315 Abs. 1 ZPO, wonach die Berufung die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheids im Umfang der Anträge hemmt. Schliesslich ermöglichen erst klare und im Falle von Geldforderungen bezifferte Anträge der Gegenpartei, sich in der Berufungsantwort zu verteidigen (Art. 312 ZPO) und darüber zu entscheiden, ob sie - soweit dies möglich ist - Anschlussberufung erheben will (Art. 313 f. ZPO; siehe zur Bezifferung von Berufungsanträgen den Leitentscheid BGE 137 III 617 E. 4.3 S. 619 und zur Bezifferung von Klagen BGE 142 III 102 E. 5.3.1 S. 107 f.; je mit diversen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). 
Am Erfordernis bezifferter Begehren ändert die Geltung der Offizialmaxime im Bereich des Kinderunterhalts nichts (BGE 137 III 617 E. 4.5.1 S. 620). In Berufungsverfahren sind auch für den Kinderunterhalt Anträge erforderlich, die den aufgezeigten Anforderungen an die Bezifferung genügen müssen (BGE 137 III 617 E. 4.5.4 S. 621 mit Hinweisen). Die Untersuchungsmaxime betrifft nur die Art der Sammlung des Prozessstoffs, nicht aber die Frage der Einleitung und Beendigung des Verfahrens. Sie beschlägt auch nicht die Frage, wie das Rechtsbegehren formuliert sein muss, damit der Rechtsstreit überhaupt an die Hand genommen werden kann. Aus der Untersuchungsmaxime ergibt sich auch keine Pflicht des Gerichts, die Parteien in prozessualen Fragen zu beraten (BGE 137 III 617 E. 5.2 S. 621 mit Hinweis). Aus der Untersuchungsmaxime kann der Beschwerdeführer somit von vornherein nichts zu seinen Gunsten ableiten. 
 
4.   
Zu prüfen bleibt, ob die Vorinstanz unabhängig von der Untersuchungsmaxime gehalten gewesen wäre, den Beschwerdeführer auf das Fehlen eines bezifferten Antrags aufmerksam zu machen, damit er sein Versäumnis hätte korrigieren können. 
 
4.1. Ist das Vorbringen einer Partei unklar, widersprüchlich, unbestimmt oder offensichtlich unvollständig, so gibt ihr das Gericht durch entsprechende Fragen Gelegenheit zur Klarstellung und zur Ergänzung (Art. 56 ZPO). Nach der Verhandlungsmaxime tragen grundsätzlich die Parteien die Verantwortung für die Beibringung des Tatsachenfundaments. Der Zweckgedanke der allgemeinen gerichtlichen Fragepflicht nach Art. 56 ZPO besteht darin, dass eine Partei nicht wegen Unbeholfenheit ihres Rechts verlustig gehen soll, indem der Richter bei klaren Mängeln der Parteivorbringen helfend eingreifen soll. Die Ausübung der gerichtlichen Fragepflicht darf keine Partei einseitig bevorzugen und nicht zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Parteien führen. Vor allem dient die gerichtliche Fragepflicht nicht dazu, prozessuale Nachlässigkeiten der Parteien auszugleichen. Wie weit das Gericht eingreifen soll, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, namentlich von der Unbeholfenheit der betroffenen Partei. Bei anwaltlich vertretenen Parteien hat die richterliche Fragepflicht nur eine sehr eingeschränkte Tragweite (zum Ganzen: Urteil 4A_375/2015 vom 26. Januar 2016 E. 7.1, nicht publ. in: BGE 142 III 102, mit zahlreichen Hinweisen).  
 
4.2. Im vorliegenden Fall bestritt der Beschwerdeführer in seiner Berufung "die Höhe des berechneten Unterhalts" (Rechtsbegehren Ziff. 3; siehe Sachverhalt lit. B hiervor). Zu Recht macht der Beschwerdeführer geltend, dass der Vorinstanz damit klar gewesen sein musste, dass er weniger Unterhalt zahlen wollte, als das Familiengericht von ihm verlangte. Ebenso klar war aber auch, dass der Beschwerdeführer sich bewusst auf keinen bestimmten Betrag festlegen wollte. In dieser Situation war die Vorinstanz nicht gehalten, den Beschwerdeführer auf sein Versäumnis in Bezug auf die Bezifferung seiner Anträge hinzuweisen. Handlungsbedarf bestand für die Vorinstanz umso weniger, als der Beschwerdeführer in seiner Berufung dem Familiengericht zusätzlich vorwarf, Verfahrensfehler gemacht zu haben (Rechtsbegehren Ziff. 1). In dieser Situation lag es in der alleinigen Verantwortung des Beschwerdeführers, ob er das Risiko auf sich nehmen wollte, dass die Vorinstanz mangels Bezifferung nicht auf seine Berufung eintreten würde. Die Vorinstanz hat die richterliche Fragepflicht gemäss Art. 56 ZPO nicht verletzt.  
Damit kann offen bleiben, ob unzulängliche Anträge und Rechtsbegehren überhaupt Gegenstand der gerichtlichen Fragepflicht nach Art. 56 ZPO bilden können (verneinend: Daniel Glasl, in: Alexander Brunner, Dominik Gasser, Ivo Schwander [Hrsg.], Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Kommentar, 2. Aufl. 2016, N. 19 zu Art. 56 ZPO; bejahend und mit Hinweis auf weitere Autoren: Thomas Sutter-Somm/Alain Grieder, in: Thomas Sutter-Somm/Franz Hasenböhler/Christoph Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2016, N. 17 f. zu Art. 56 ZPO). 
 
5.   
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde insgesamt unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. 
Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da keine Vernehmlassung in der Sache eingeholt wurde, ist auf der Gegenseite kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Februar 2019 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Friedli-Bruggmann