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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_270/2021  
 
 
Urteil vom 30. Dezember 2021  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Stötzer, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse Schweizerischer Baumeister verband, Sumatrastrasse 15, 8006 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 25. Februar 2021 (AB.2020.00011). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1961 geborene A.________ erhielt im Jahre 2014 als Alleinaktionär der B.________ AG eine Dividende von Fr. 10'000'000.- und im Jahre 2015 eine solche von Fr. 20'000'000.- zuzüglich einer Sachdividende von Fr. 2'050'000.-. Zudem erzielte er im Jahre 2015 durch den Verkauf einer qualifizierten Beteiligung an der C.________ AG einen Kapitalgewinn von Fr. 3'500'000.-. Da die entsprechenden Beteiligungen zum Geschäftsvermögen zählten, setzte die Ausgleichskasse Schweizerischer Baumeisterverband die Beiträge von A.________ mit Verfügungen vom 4. Oktober 2019 und Einspracheentscheiden vom 6. Dezember 2019 basierend auf einem Einkommen von Fr. 12'799'794.- (für das Jahr 2014) und von Fr. 27'089'203.80 (für das Jahr 2015) - und damit unter vollumfänglicher Anrechnung der Dividendenzahlungen und des erzielten Kapitalgewinnes - fest. 
 
B.  
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 25. Februar 2021 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, es sei unter Aufhebung der Einspracheentscheide und des kantonalen Gerichtsurteils das massgebende Einkommen für das Jahr 2014 auf Fr. 7'262'695.- und für das Jahr 2015 auf Fr. 12'977'905.- anzusetzen. 
Die Ausgleichskasse Schweizer Baumeisterverband und das Bundesamt für Sozialversicherungen beantragen die Abweisung der Beschwerde. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig ist die Höhe der Beiträge, welche der Beschwerdeführer als selbständig Erwerbender für die Jahre 2014 und 2015 zu entrichten hat. Zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es die Dividendenzahlungen und den erzielten Kapitalgewinn aus Beteiligungen im Geschäftsvermögen des Beitragspflichtigen vollumfänglich zum Einkommen zählte, oder ob diese Geldflüsse in Anwendung von Art. 18b Abs. 1 DBG (in der bis 31. Dezember 2019 in Kraft gestandenen Fassung) nur hälftig anzurechnen sind. 
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 4 Abs. 1 AHVG werden die Beiträge der erwerbstätigen Versicherten in Prozenten des Einkommens aus unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit festgesetzt. Vom Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit wird nach Art. 8 AHVG ein Beitrag des Selbständigerwerbenden erhoben. Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist gemäss Art. 9 Abs. 1 AHVG jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt. Als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 AHVG gelten nach Art. 17 AHVV (SR 831.101) alle in selbständiger Stellung erzielten Einkünfte aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Land- und Forstwirtschaftsbetrieb, aus einem freien Beruf sowie aus jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit, einschliesslich der Kapital- und Überführungsgewinne nach Art. 18 Abs. 2 DBG und der Gewinne aus der Veräusserung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken nach Art. 18 Abs. 4 DBG, mit Ausnahme der Einkünfte aus zu Geschäftsvermögen erklärten Beteiligungen nach Art. 18 Abs. 2 DBG.  
 
3.2. Das massgebende Einkommen wird ermittelt, indem vom rohen Einkommen die in Art. 9 Abs. 2 AHVG aufgeführten Abzüge vorgenommen werden, wobei der Bundesrat befugt ist, weitere Abzüge zuzulassen. Für die Ausscheidung und das Ausmass der nach Art. 9 Abs. 2 AHVG zulässigen Abzüge sind nach Art. 18 AHVV die Vorschriften über die direkte Bundessteuer massgebend.  
Art. 9 Abs. 2 AHVG sieht folgende Abzüge vom rohen Einkommen vor: 
 
- die zur Erzielung des rohen Einkommens erforderlichen Gewinnungskosten (lit. a); 
- die der Entwertung entsprechenden, geschäftsmässig begründeten Abschreibungen und Rückstellungen geschäftlicher Betriebe (lit. b); 
- die eingetretenen und verbuchten Geschäftsverluste (lit. c); 
- die vom Geschäftsinhaber in der Berechnungsperiode vorgenommenen Zuwendungen an Vorsorgeeinrichtungen zugunsten des eigenen Personals, sofern jede zweckwidrige Verwendung ausgeschlossen ist, sowie Zuwendungen für ausschliesslich gemeinnützige Zwecke (lit. d); 
- die persönlichen Einlagen in Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, soweit sie dem üblichen Arbeitgeberanteil entsprechen (lit. e); 
- der Zins des im Betrieb eingesetzten eigenen Kapitals; der Zinssatz entspricht der jährlichen Durchschnittsrendite der Anleihen der nicht öffentlichen inländischen Schuldner in Schweizer Franken (lit. f). 
 
3.3. Dividenden, Gewinnanteile, Liquidationsüberschüsse und geldwerte Vorteile aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaftsanteilen und Partizipationsscheinen sowie Gewinne aus der Veräusserung solcher Beteiligungsrechte sind gemäss Art. 18b Abs. 1 DBG (in der hier interessierenden, in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2019 in Kraft gestandenen Fassung) nach Abzug des zurechenbaren Aufwandes im Umfang von 50 Prozent steuerbar, wenn diese Beteiligungsrechte mindestens 10 Prozent des Grund- oder Stammkapitals einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft darstellen.  
 
3.4. Das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit und das im Betrieb eingesetzte eigene Kapital werden in Anwendung von Art. 9 Abs. 3 AHVG von den kantonalen Steuerbehörden ermittelt und den Ausgleichskassen gemeldet. Die betreffenden Angaben der Steuerbehörden sind kraft Art. 23 Abs. 4 AHVV für die Ausgleichskasse absolut, für das kantonale Sozialversicherungsgericht relativ verbindlich (Urteile 9C_819/2011 vom 19. Januar 2012 E. 1 und 9C_186/2014 vom 16. April 2014 E. 5.1 mit Hinweisen). Die Einkünfte aus Beteiligungen des Geschäftsvermögens nach Art. 18b DBG sind nach Rz. 4021 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen in der AHV, IV und EO (WSN) von den Steuerbehörden brutto - d.h. vor den steuerrechtlichen Bemessungskorrekturen - zu melden.  
 
3.5. Verwaltungsweisungen richten sich an die Durchführungsstellen und sind für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Dieses soll sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht ohne triftigen Grund nicht von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen (BGE 140 V 299 E. 3 mit Hinweis).  
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer rügt, Rz. 4021 WSN, welcher zu einer von der direkten Bundessteuer abweichenden vollen Anrechnung des Kapitalertrages führt (vgl. E. 3.4 hievor), verstosse gegen das in Art. 18 AHVV festgeschriebene Prinzip der Parallelität des Beitragsrechts der Sozialversicherungen mit dem Steuerrecht. In seiner Argumentation übersieht er jedoch, dass Art. 18 AHVV gemäss seinem Wortlaut eine Parallelität lediglich für die in Art. 9 Abs. 2 AHVG aufgeführten Abzüge festschreibt; auch die vom Beschwerdeführer zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung bezieht sich auf solche Abzüge. In der in Art. 9 Abs. 2 AHVG enthaltenen Aufzählung der parallel zur Anwendung kommenden Abzüge findet sich keine Art. 18b Abs. 1 DBG entsprechende Regelung. Zu prüfen ist daher lediglich, ob es sich dabei um eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzestextes, mithin um eine allenfalls durch die Rechtsprechung zu füllende Lücke handelt.  
 
4.2. Art. 18b Abs. 1 DBG (sowie weitere, analoge Vorschriften: vgl. Art. 20 Abs. 1bis DBG und Art. 7 Abs. 1 Satz 3 StHG) wurde im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2 in das Gesetz eingefügt und auf den 1. Januar 2009 in Kraft gesetzt. In der Botschaft zu dieser Gesetzesnovelle (vgl. Botschaft vom 22. Juni 2005 zum Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen [Unternehmenssteuerreformgesetz II], BBl 2005 4733) finden sich keine Ausführungen zu finanziellen Folgen der Reform auf die AHV und die anderen über Lohnbeiträge finanzierten Sozialversicherungen. Dies ist insofern bemerkenswert, als solche finanziellen Folgen der Reform so oder anders zu erwarten waren: Geht man mit dem Beschwerdeführer davon aus, eine Art. 18b Abs. 1 DBG entsprechende Regelung finde auch bei den sozialversicherungsrechtlichen Beiträgen Anwendung, so führte dies offenkundig zu Mindereinnahmen für die über Einkommensbeiträge finanzierten Sozialversicherungen; verneint man eine solche Parallelität, so führte die Reform - da gemäss Bundesrat durch sie höhere Dividendenausschüttungen der entsprechenden Unternehmen zu erwarten sind (Botschaft, S. 4852) - zu Mehreinnahmen für die Sozialversicherungen. Es ist somit davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber der vorliegend streitigen Problematik nicht bewusst war.  
 
4.3. Sinn und Zweck der Teilbesteuerung nach Art. 18b Abs. 1 DBG (und der analogen Bestimmungen [Art. 20 Abs. 1bis DBG und Art. 7 Abs. 1 Satz 3 StHG]) ist es, die Folgen der Doppelbelastung, welche - nach nicht unumstrittener Ansicht (vgl. BGE 136 I 65 E. 5.4 mit weiteren Hinweisen) - bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften und Genossenschaften entsteht, abzumildern. Diese wirtschaftliche Doppelbelastung besteht darin, dass der Gewinn zunächst auf der Ebene der Körperschaft und das davon in das Geschäftsvermögen einer natürlichen Person ausgeschüttete Substrat auf Ebene der Anteilsinhaber erneut als Einkommen besteuert wird (vgl. PETER LOCHER, Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 2. Aufl. 2019, N 1 zu Art. 18b DBG; JULIA VON AH, in: Zweifel/Beusch [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 3. Aufl. 2017, N 1 zu Art. 18b DBG). Eine entsprechende Problematik besteht im Sozialversicherungsrecht nicht, werden doch hier die Beiträge lediglich auf dem Einkommen natürlicher Personen, nicht jedoch auf den Gewinnen von Unternehmen erhoben. Damit besteht auch kein Anlass, im Sozialversicherungsrecht eine entsprechende Regelung einzuführen. Der Umstand, dass Art. 9 Abs. 2 AHVG keine Art. 18b Abs. 1 DBG entsprechende Teilbeitragserhebung kennt, erweist sich damit als folgerichtig; eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes im Sinne einer von der Rechtsprechung zu füllenden Lücke ist somit zu verneinen.  
 
4.4. Erweist sich damit Rz. 4021 WSN, welcher zu einer vollen Anrechnung des Kapitalertrages zur Bemessung des massgebenden Einkommens bei der Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge führt, als nicht dem höherrangigen Recht widersprechend, so ist die gestützt auf eine solche volle Anrechnung vorgenommene Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden. Entsprechend besteht das kantonale Urteil zu Recht; die Beschwerde des Beitragspflichtigen ist abzuweisen.  
 
5.  
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 18000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. Dezember 2021 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold