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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 315/01 
 
Urteil vom 1. September 2003 
I. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Frésard; Gerichtsschreiber Grünvogel 
 
Parteien 
F.________ AG, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Rudolf Diesel-Strasse 28, 8404 Winterthur, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 28. September 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich zahlte der Firma F.________ AG für die Monate Oktober bis Dezember 1999 Kurzarbeitsentschädigung aus. Dabei zog sie eine Karenzzeit vom anrechenbaren Arbeitsausfall ab. 
B. 
Eine dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher die Firma den Berechnungsmodus für den Abzug der Karenzzeit in Frage stellte, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. September 2001 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde rügt die Firma erneut die Berechnung des Abzuges für die Karenzzeit und vertritt dabei den Standpunkt, für die Karenztage sei der prozentuale Arbeitsausfall durch Kurzarbeit zu berücksichtigen. 
 
Die Kasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Gemäss Art. 32 Abs. 2 AVIG wird vom anrechenbaren Arbeitsausfall für jede Abrechnungsperiode eine vom Bundesrat festgelegte Karenzzeit (délai d'attente, periodo d'attesa) von höchstens drei Tagen abgezogen. Der Abzug beträgt nach Art. 50 AVIV in der bis Ende Juni 2003 gültigen Fassung pro Abrechnungsperiode zwei Karenztage (jours d'attente, giorni d'attesa) für die 1.-6. Abrechnungsperiode und anschliessend drei Karenztage. Gemäss dem sich ebenfalls auf Art. 32 Abs. 2 AVIG stützenden Art. 49 AVIV gilt als voller Arbeitstag der fünfte Teil der normalen wöchentlichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers. 
2. 
Streitig ist, ob die genannte Gesetzesbestimmung dahingehend zu verstehen ist, dass - so Vorinstanz und Verwaltung - vom anrechenbaren Arbeitsausfall die bestimmte Anzahl von Arbeitstagen entsprechend der (ohne Kurzarbeit) üblichen Dauer abgezogen und damit nicht von der Arbeitslosenversicherung entschädigt wird, oder dass - so die Beschwerdeführerin - Arbeitstage im Umfang der Kurzarbeit abgezogen werden mit der Folge, dass der Arbeitsausfall erst nach Ablauf der bestimmten Anzahl von Arbeitstagen, an denen Kurzarbeit durchgeführt wird, angerechnet und entschädigt wird. 
3. 
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen ausgelegt werden. Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend. Anderseits vermag aber nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Richters und der Richterin bleibt, auch wenn sie das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten Umständen anpassen oder es ergänzen (BGE 129 I 15 Erw. 3.3, 129 V 98 Erw. 2.2 mit Hinweisen). 
4. 
4.1 Der Wortlaut von Art. 32 Abs. 2 AVIG in der aktuell geltenden Fassung vom 23. Juni 1995, in Kraft seit 1. Januar 1996, gibt keine klare Antwort auf die im Raum stehende Frage. Während der Begriff der Karenzzeit für sich allein eher das Verständnis der Beschwerdeführerin stützt (vgl. etwa Duden, Das grosse Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 4: Frist, innerhalb deren etwas Bestimmtes nicht getan, z. B. kein Ersatz geleistet, werden darf), spricht die gesetzliche Formulierung, dass vom an sich anrechenbaren Ausfall etwas abgezogen wird, eher gegen das Verständnis eines rein zeitlichen Aufschubs der Leistungspflicht. 
4.2 Die ursprüngliche Fassung von Art. 32 Abs. 2 AVIG vom 25. Juni 1982 lautete dahingehend, dass je Abrechnungsperiode ein voller Arbeitstag als Karenztag abzuziehen sei (AS 1982 2196). Der Arbeitgeber sollte eine Beteiligung von 5 Prozent, berechnet auf dem Lohn für die Normalarbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers, tragen (Botschaft des Bundesrates zu einem neuen Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 2. Juli 1980, BBl 1980 III 593). Auch die spätere Fassung vom 5. Oktober 1990, mit welcher die Karenzzeit zur Herabsetzung der Belastung des Arbeitgebers (Botschaft des Bundesrates zu einer Teilrevision des AVIG vom 23. August 1989, BBl 1989 III 392) von bisher einem auf einen halben Arbeitstag gesenkt wurde, war diesbezüglich eindeutig (AS 1991 2127). Erst anlässlich der letzten Revision von Art. 32 Abs. 2 AVIG (Änderung vom 23. Juni 1995, AS 1996 273, 280) wurde der Begriff "Arbeitstag" durch "Tage" ersetzt. Mit dieser Änderung des Wortlautes sollte nach dem Willen des Gesetzgebers nicht ein Systemwechsel zum Ausdruck kommen. Ziel dieser Gesetzesänderung war einzig, durch das Erhöhen der - neu vom Bundesrat festzulegenden - Karenzzeit eine Ausgabensenkung zu Lasten der finanziell zusätzlich in die Pflicht genommenen Arbeitgeber zu erwirken und dabei gleichzeitig zu verhindern, dass die Kurzarbeit wegen der durch die Wirtschaftslage notwendig gewordenen Verlängerung der Bezugsdauer nunmehr als billige Alternative zur Durchführung notwendiger Strukturbereinigungen missbraucht wird (Botschaft des Bundesrates zur zweiten Teilrevision des AVIG vom 29. November 1993, BBl 1994 I 361). 
 
Gerade im Bestreben des Gesetzgebers, die Kurzarbeit nicht als billige Alternative zur Vornahme notwendiger Strukturbereinigungen erscheinen zu lassen, ist die Begründung zu finden, weshalb die Belastung des Arbeitgebers auch vom Zweck der Karenztage her ungeachtet des Umfangs des täglichen Arbeitsausfalls festgesetzt werden sollte, mit der Konsequenz, dass Arbeitgeber mit geringen Ausfällen durch die Kurzarbeitsentschädigung weniger entlastet sind als jene mit umfassender Kurzarbeit (vgl. auch Botschaft des Bundesrates zu einem neuen Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 2. Juli 1980, BBl 1980 III 593). Der Arbeitgeber, der nur einen geringen Arbeitsausfall aufzuweisen hat, wird damit zu einem echten unternehmerischen Entscheid gezwungen und davon abgehalten, allzu leicht Kurzarbeit einzuführen (ebenso: Gerhards, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. III, N 4 f. zu Art. 32 in der ab 1. Januar 1992 gültig gewesenen Fassung). Die finanzielle Belastung muss spürbar sein (BBl 1994 I 361). Dieses gesetzgeberische Ziel wird besser erreicht, wenn die Karenzfrist nach den (vollen) Arbeitstagen bestimmt wird, als wenn, wie vom Beschwerdeführer gefordert, man sich an die Kalendertage, während denen Kurzarbeit durchgeführt wird, anlehnt. 
4.3 Zusammenfassend ist die Bestimmung von Art. 32 Abs. 2 AVIG dahingehend auszulegen, dass als Karenzzeit von höchstens drei Tagen, welche vom anrechenbaren Arbeitsausfall abgezogen wird, die verordnungsmässig näher bestimmte Anzahl von vollen Arbeitstagen entsprechend der normalen Arbeitszeit des Arbeitnehmers gilt (im Ergebnis ebenso: Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Stand: Frühjahr 1998, S. 166 Rz 433). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
 
Luzern, 1. September 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: Der Gerichtsschreiber: