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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1D_3/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 7. April 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
handelnd durch ihren Sohn B.________, und dieser vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler, 
 
gegen  
 
Bürgerrechtskommission Schlieren, 
vertreten durch Rechtsanwältin Prof. Dr. Isabelle Häner. 
 
Gegenstand 
Einbürgerung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 19. Dezember 2016 des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 
4. Abteilung. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1929 geborene Iranerin A.________ reiste 2001 in die Schweiz ein und wohnt seit 2008 in Schlieren. Im August 2013 stellte sie ein Einbürgerungsgesuch, welches am 27. Oktober 2015 von der Bürgerrechtskommission Schlieren abgelehnt wurde. 
Am 20. Juli 2016 wies der Bezirksrat Dietikon den Rekurs von A.________ gegen den Entscheid der Bürgerrechtskommission ab. 
Am 19. Dezember 2016 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde von A.________ gegen diesen Rekursentscheid ab. Es wies das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ab und auferlegte ihr die Verfahrenskosten. 
 
B.   
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde beantragt A.________, den verwaltungsgerichtlichen Entscheid aufzuheben und die Sache an die Bürgerrechtskommission Schlieren zu neuer Beurteilung zurückzuweisen. Ausserdem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung sowohl für das bundesgerichtliche als auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren. 
 
C.   
Das Verwaltungsgericht verzichtet auf Vernehmlassung. Die Bürgerrechtskommission Schlieren beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Gegen letztinstanzliche Entscheide der Kantone in Einbürgerungsangelegenheiten steht einzig die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 ff. BGG offen. Das vorinstanzliche Urteil kann mit keinem kantonalen Rechtsmittel angefochten werden und ist daher kantonal letztinstanzlich (Art. 113 i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG; BGE 135 I 265 E. 1 S. 269). 
 
1.1. Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 116 BGG die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden.  
 
1.2. Zur Beschwerde ist gemäss Art. 115 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vermittelt der abgewiesenen Bewerberin bereits das eidgenössische Bürgerrechtsgesetz die Legitimation zur subsidiären Verfassungsbeschwerde (BGE 138 I 305 E. 1.4 S. 309 ff.). Die Beschwerdeführerin hat als abgewiesene Bewerberin am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert, weshalb sie zur Beschwerde befugt ist.  
 
2.  
 
2.1. Für die ordentliche Einbürgerung muss die Gesuchstellerin die gesetzlichen Wohnsitzerfordernisse erfüllen (vgl. Art. 15 BüG), die hier nicht strittig sind. Überdies ist gemäss Art. 14 BüG vor Erteilung der Bewilligung zu prüfen, ob die Bewerberin zur Einbürgerung geeignet ist, insbesondere ob sie in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist (lit. a), mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist (lit. b), die schweizerische Rechtsordnung beachtet (lit. c) und die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet (lit. d). Die Kantone sind in der Ausgestaltung der Einbürgerungsvoraussetzungen insoweit frei, als sie hinsichtlich der Wohnsitzerfordernisse oder der Eignung Konkretisierungen des bundesgesetzlich vorgeschriebenen Rahmens vornehmen können (BGE 140 I 99 E. 2.1 S. 101; 138 I 305 E. 1.4.3 S. 311).  
 
2.2. Im Kanton Zürich werden die bundesrechtlichen Voraussetzungen umgesetzt in Art. 20 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 (KV; SR 131.211), in den §§ 20-31 des zürcherischen Gemeindegesetzes vom 6. Juni 1926 (GG; LS 131.1) sowie in der kantonalen Bürgerrechtsverordnung vom 25. Oktober 1978 (BüV; LS 141.11). Danach müssen die Bewerber unter anderem über angemessene Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen (Art. 20 Abs. 3 lit. a KV), in der Lage sein, für sich und ihre Familien aufzukommen (Art. 20 Abs. 3 lit. b KV, § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 GG und § 5 BüV), in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert sein (§ 21 Abs. 2 lit. a BüV), mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut sein (§ 21 Abs. 2 lit. b BüV, Art. 20 Abs. 3 lit. c KV), die schweizerische Rechtsordnung beachten (Art. 20 Abs. 3 lit. d KV, § 21 Abs. 2 lit. c BüV) sowie über einen unbescholtenen Ruf verfügen (§ 21 Abs. 1 GG und § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 BüV; vgl. auch BGE 140 I 99 E. 2.2 S. 101).  
 
2.3. Die Gemeinde verfügt beim Entscheid über eine ordentliche Einbürgerung über ein gewisses Ermessen. Obwohl diesem Entscheid auch eine politische Komponente innewohnt, ist das Einbürgerungsverfahren kein rechtsfreier Vorgang, wird doch darin über den rechtlichen Status von Einzelpersonen entschieden. Zu beachten sind daher die einschlägigen Verfahrensbestimmungen, und die Gemeinde darf nicht willkürlich, rechtsungleich oder diskriminierend entscheiden und muss ihr Ermessen insgesamt pflichtgemäss ausüben (vgl. BGE 140 I 99 E. 3.1 S. 101 f.; 138 I 305 E. 1.4.3 S. 311).  
 
3.   
Das Verwaltungsgericht hat die Abweisung des Einbürgerungsgesuchs der Beschwerdeführerin durch die Gemeinde geschützt mit der Begründung, sie sei in der Schweiz nicht in genügendem Mass integriert (E. 3.4 S. 8). Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei wegen ihres Alters und ihrer zunehmenden gesundheitlichen Probleme gar nicht in der Lage gewesen, sich stärker zu integrieren; sie habe das ihr Zumutbare getan, die Abweisung ihrer Einbürgerung verstosse gegen das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV und das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV
 
3.1. Der Beschwerdeführerin wurde 2012 eine Hilflosenentschädigung zugesprochen. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass es ihr seither nicht mehr zumutbar war, Kontakte ausserhalb des eigenen Haushalts zu pflegen. Heute ist sie unbestrittenermassen dement und in Bezug auf ihre Einbürgerung nicht mehr urteilsfähig; eine Besserung dieses Zustands ist nicht zu erwarten. Das Verwaltungsgericht hat unter diesen Umständen zu Recht geprüft, ob sie das ihr Zumutbare unternahm, sich in der Schweiz zu integrieren, als ihr ihre Gesundheit dies noch erlaubte. Es kam zum Schluss, sie habe im gesamten Verfahren nicht substanziiert dargelegt, "inwiefern sie seit ihrer Einreise ausserhalb der Kernfamilie Beziehungen zu ihrer Umgebung gepflegt und sich damit in gesellschaftlicher Hinsicht im Rahmen des ihr trotz körperlichen Einschränkungen noch Zumutbaren integriert" habe (E. 3.3 S. 7 2. Absatz).  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, aus dem Arztbericht des Spitals Limmattal vom 5. September 2016 gehe hervor, dass sie seit 2009 regelmässig Patientin des Spitals sei. Dr. C.________ bestätige ausdrücklich, dass sich bereits anlässlich der ersten Konsultation herausgestellt habe, dass sie multimorbid sei. Sie sei bereits bei ihrer Flucht im Alter von 72 Jahren gesundheitlich stark angeschlagen gewesen; für die Flucht habe sie ihre letzten Ressourcen mobilisiert, es sei ihr nicht mehr möglich gewesen, sich ins gesellschaftliche Leben zu integrieren und Deutsch zu lernen. Die Hilflosenentschädigung sei ihr im Übrigen rückwirkend per März 2011 zugesprochen worden.  
 
4.  
 
4.1. Aus dem Arztzeugnis des Spitals Limmattal vom 5. September 2016 und dem Umstand, dass ihr per März 2011 eine Hilflosenentschädigung zugesprochen wurde, ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin seit Beginn ihrer Behandlung am Spital Limmattal 2009 mulitmorbid und in einem körperlich schlechten Zustand war - ihre Bewegungsfreiheit zu Fuss war auf wenige 100 Meter beschränkt - und sich ihre körperliche Verfassung zunehmend verschlechterte. Zudem wurde ein demenzielles Syndrom festgestellt. Heute sei sie örtlich, zeitlich und autopsychisch nicht mehr orientiert, erkenne ihren Sohn nicht mehr. Sie müsse rund um die Uhr betreut werden und realisiere meist nicht mehr, was um sie herum passiere.  
 
4.2. Damit steht fest, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls seit 2009 kaum mehr in der Lage war, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen bzw. Schritte zu unternehmen, sich in der Schweiz zu integrieren. Aus dem Arztzeugnis ergibt sich weiter, dass die Beschwerdeführerin auch schon vor der Einreise 2001 teilweise grössere medizinische Probleme hatte; es ergibt sich daraus aber nicht, dass ihr Allgemeinzustand bereits in diesem Zeitpunkt so schlecht war, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, angemessene Anstrengungen zu unternehmen, namentlich sich in der Schweiz zu integrieren, Deutsch zu lernen, am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben teilzunehmen, sich mit den politischen Verhältnissen vertraut zu machen, private Kontakte ausserhalb ihrer engsten Familie und ihrer iranischen Landsleute zu suchen und zu pflegen. Nach ihrer eigenen Darstellung waren ihre geistigen Fähigkeiten damals nicht beeinträchtigt, und diese blieben noch jahrelang jedenfalls teilweise erhalten, sonst wäre die Beschwerdeführerin 2013 nicht in der Lage gewesen, um ihre Einbürgerung nachzusuchen.  
 
4.3. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass sie in den Jahren nach ihrer Einreise in die Schweiz im Rahmen ihrer Möglichkeiten irgendwelche Anstrengungen unternommen hätte, sich hier zu integrieren und wenigstens zu versuchen, Deutsch zu lernen. Sie begnügt sich damit, unter Hinweis auf das ärztliche Gutachten vom 5. September 2016 kategorisch zu behaupten, nach der Flucht aus dem Iran seien ihre körperlichen und geistigen Reserven vollständig erschöpft gewesen, sodass es ihr nicht möglich gewesen sei, Schritte für ihre Integration zu unternehmen. Das lässt sich indessen aus dem Arztzeugnis nicht ableiten. Das Verwaltungsgericht hat weder das Will- kür- noch das Diskriminierungsverbot verletzt, indem es zum Schluss kam, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitraum, als sie dazu gesundheitlich noch in der Lage war, nicht bzw. jedenfalls nicht ausreichend darum bemüht, sich hier zu integrieren, und aus diesem Grund die Ablehnung des Einbürgerungsgesuchs schützte. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
5.   
Die Beschwerde ist abzuweisen. Ebenfalls abzuweisen ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Unter den vorliegenden Umständen rechtfertigt es sich jedoch, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Bürgerrechtskommission Schlieren und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. April 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi