Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 1/2} 
1C_385/2009 
 
Urteil vom 29. September 2009 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Haag. 
 
Parteien 
Hanspeter Heeb, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Regierungsrat des Kantons Thurgau, Staatskanzlei, Regierungsgebäude, Postfach, 8510 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Botschaft zum Gesetz vom 25. März 2009 betreffend die Änderung des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern (Steuergesetz), 
 
Beschwerde gegen die Botschaft vom 23. Juni 2009 
des Regierungsrats des Kantons Thurgau. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die Erläuterungen des Regierungsrats des Kantons Thurgau zur Volksabstimmung vom 27. September 2009 enthalten die Botschaft zum kantonalen Gesetz vom 25. März 2009 betreffend die Änderung des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern (Steuergesetz). An einer Medienkonferenz vom 2. September 2009 orientierten die zuständigen Regierungsräte über die Vorlage. 
 
B. 
Mit Beschwerde an das Bundesgericht vom 4. September 2009 beantragt Hanspeter Heeb, das Ergebnis der Abstimmung vom 27. September 2009 sei aufzuheben oder im Falle einer Ablehnung der Vorlage seien die Mängel in der Botschaft und die Unzulässigkeit des Eingreifens des Regierungsrats mittels unkorrekten Informationen anlässlich der Medienkonferenz vom 2. September 2009 festzustellen. 
 
C. 
An der Volksabstimmung vom 27. September 2009 lehnten die Stimmberechtigten die Änderung des Steuergesetzes mit 33'329 Nein-Stimmen (54.7%) zu 27'632 Ja-Stimmen (45.3%) ab. 
 
D. 
Gleichzeitig mit der Beschwerde beim Bundesgericht gelangte Hanspeter Heeb auch mit Beschwerde an das kantonale Departement für Inneres und Volkswirtschaft. Dieses sistierte das Verfahren im Hinblick auf die beim Bundesgericht hängige Beschwerde. 
 
E. 
Die Staatskanzlei des Kantons Thurgau beantragt die Abweisung der beim Bundesgericht eingereichten Beschwerde. Der Beschwerdeführer hält in seiner Stellungnahme an seiner Rechtsauffassung fest und beantragt zusätzliche vorsorgliche Massnahmen. In einer weiteren Eingabe vom 25. September 2009 ersucht er um Anonymisierung des bundesgerichtlichen Urteils. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 lit. c BGG kann die Verletzung politischer Rechte geltend gemacht werden. Dazu zählen die Rügen, in den Abstimmungserläuterungen und den Äusserungen von Behördenmitgliedern werde falsch oder nicht objektiv informiert (vgl. BGE 130 I 290 E. 3.2 S. 294 mit Hinweisen). 
 
1.1 Der Beschwerdeführer hat zusätzlich zur Beschwerde beim Bundesgericht eine Beschwerde beim kantonalen Departement für Inneres und Volkswirtschaft eingereicht. Nach § 81 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 15. März 1995 über das Stimm- und Wahlrecht (StWG, RB 161.1) sind Botschaften des Regierungsrats zu kantonalen Vorlagen mit keinem kantonalen Rechtsmittel anfechtbar. Die Staatskanzlei des Kantons Thurgau vertritt die Auffassung, auch die Informationen von Regierungsmitgliedern an der Medienkonferenz unterlägen keinem kantonalen Rechtsmittel, da dort im Wesentlichen über den in der Botschaft enthaltenen Standpunkt des Regierungsrats orientiert werde. Dieser Ansicht kann gefolgt werden. Sie wird auch vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt. 
Die vorliegende Beschwerde richtet sich somit gegen Akte der Regierung im Sinne von Art. 88 Abs. 2 Satz 2 BGG, gegen welche die Kantone kein Rechtsmittel vorsehen müssen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig. 
 
1.2 Der Beschwerdeführer beantragt zunächst, das Ergebnis der Abstimmung vom 27. September 2009 sei aufzuheben. Dieses Begehren ist zulässig (Art. 107 Abs. 2 BGG). Weiter verlangt der Beschwerdeführer für den Fall der Ablehnung der Abstimmungsvorlage, die Mängel in der Botschaft und die Unzulässigkeit des Eingreifens des Regierungsrats mittels unkorrekten Informationen anlässlich der Medienkonferenz seien festzustellen. Auf diese Begehren kann nur eingetreten werden, wenn der Beschwerdeführer über ein entsprechendes Feststellungsinteresse zur Regelung konkreter Rechte und Pflichten verfügt (vgl. BGE 126 II 300 E. 2c S. 303 f. mit Hinweisen). Ein solches Interesse macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern er mit dem Feststellungsantrag die Regelung konkreter Rechte und Pflichten anstrebt. Auf das Feststellungsbegehren kann somit nicht eingetreten werden. 
 
1.3 Zur Beschwerde ist gemäss Art. 89 Abs. 3 BGG legitimiert, wer in der betreffenden Angelegenheit stimmberechtigt ist (vgl. BGE 130 I 290 E. 1.1 S. 292). Dieses Erfordernis ist beim stimmberechtigten Beschwerdeführer erfüllt. 
 
1.4 Die Beschwerdefrist von Art. 100 Abs. 1 BGG ist eingehalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Mängel bei Vorbereitungshandlungen im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen sofort und vor Durchführung des Urnenganges zu rügen. Diese Praxis bezweckt, dass Mängel möglichst noch vor der Wahl oder Abstimmung behoben werden können und der Urnengang nicht wiederholt werden muss (BGE 118 Ia 271 E. 1d S. 274; 118 Ia 415 E. 2a S. 417; 110 Ia 176 E. 2a S. 178 ff.). Diese Grundsätze gelten auch für das bundesgerichtliche Verfahren gemäss Art. 82 lit. c BGG
 
1.5 Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die vorliegende Beschwerde unter Vorbehalt der Ausführungen in E. 1.2 hiervor einzutreten. 
 
2. 
2.1 Aus Art. 34 Abs. 2 BV folgt namentlich eine Verpflichtung der Behörden auf korrekte und zurückhaltende Information im Vorfeld von Abstimmungen (vgl. BGE 121 I 138 E. 3 S. 141 f. mit Hinweisen). Bei Wahlen ist die Praxis strenger als bei Abstimmungen, da den Behörden bei Sachentscheiden auch eine (beschränkte) Beratungsfunktion zukommt (vgl. BGE 118 Ia 259 S. 262 f. E. 3 mit Hinweisen). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind zwar gewisse behördliche Interventionen in den Meinungsbildungsprozess vor Sachabstimmungen zulässig. Dazu gehören namentlich die Abstimmungserläuterungen der Exekutive, in denen eine Vorlage zur Annahme oder Ablehnung empfohlen wird. Hingegen stellt es eine unerlaubte Beeinflussung dar, wenn die Behörde ihre Pflicht zu objektiver Information verletzt und über den Zweck und die Tragweite der Vorlage falsch orientiert oder wenn sie in unzulässiger Weise in den Abstimmungskampf eingreift und dabei (stimm- und wahlrechtliche) gesetzliche Vorschriften verletzt oder sich in anderer Weise verwerflicher Mittel bedient (BGE 130 I 290 E. 3.2 S. 294 mit Hinweisen). 
 
2.2 Stellt das Bundesgericht bei Stimmrechtsangelegenheiten Verfahrensmängel fest, so hebt es die betroffenen Wahlen oder Abstimmungen nur auf, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten erheblich sind und das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Die Beschwerdeführen-den müssen in einem solchen Fall allerdings nicht nachweisen, dass sich der Mangel auf das Ergebnis der Abstimmung entscheidend ausgewirkt hat; es genügt, dass nach dem festgestellten Sachverhalt eine derartige Auswirkung im Bereich des Möglichen liegt. Mangels einer ziffernmässigen Feststellbarkeit der Auswirkung eines Verfahrensmangels ist nach den gesamten Umständen und grundsätzlich mit freier Kognition zu beurteilen, ob der gerügte Mangel das Wahl- oder Abstimmungsergebnis beeinflusst haben könnte. Dabei ist auch die Grösse des Stimmenunterschiedes, die Schwere des festgestellten Mangels und dessen Bedeutung im Rahmen der Abstimmung mitzuberücksichtigen (BGE 130 I 290 E. 3.4 S. 296; 129 I 185 E. 8.1 S. 204; mit Hinweisen). 
 
2.3 Die Thurgauer Stimmberechtigten lehnten die Änderung des Steuergesetzes nach dem von der Staatskanzlei bekannt gegebenen provisorischen Ergebnis mit 33'329 Nein-Stimmen (54.7 %) zu 27'632 Ja-Stimmen (45.3 %) ab. Bei diesem eindeutigen Ausgang der Abstimmung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Beschwerdeführer gerügten Mängel das Abstimmungsergebnis beeinflusst haben. Der Regierungsrat trat für die nun abgelehnte Vorlage ein. Der Beschwerdeführer wirft ihm vor, er habe dabei unzutreffende Angabe gemacht, die von den Gegnern nur schwer zu entkräften gewesen seien. Der Ausgang der Volksabstimmung zeigt deutlich, dass die beanstandeten Äusserungen des Regierungsrats keine ausschlaggebende Bedeutung für das ablehnende Endresultat hatten. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
3. 
Mit dem vorliegenden Entscheid erübrigt es sich, auf die beantragten zusätzlichen vorsorglichen Massnahmen näher einzugehen. 
Urteile in Stimmrechtssachen werden praxisgemäss nicht anonymisiert. Es bestehen keine hinreichenden Gründe, von dieser Praxis abzuweichen. 
Dem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE 133 I 141). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Regierungsrat des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 29. September 2009 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Féraud Haag