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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_99/2008/bri 
 
Urteil vom 18. März 2008 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys, 
Gerichtsschreiber Willisegger. 
 
Parteien 
X._________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Roger Seiler, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Falsches ärztliches Zeugnis (Art. 318 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 25. Mai 2007. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Das Gerichtspräsidium Aarau erklärte X._________ am 14. Dezember 2005 des falschen ärztlichen Zeugnisses (Art. 318 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von einem Monat und einer Busse von Fr. 5'000.--. 
 
B. 
Das Obergericht des Kantons Aargau hiess am 25. Mai 2007 eine Berufung von X._________ teilweise gut. Es stellte das Verfahren in Bezug auf den Vorwurf des falschen ärztlichen Zeugnisses gemäss Ziff. 2.1 der Anklage (Zeugnis vom 18. Januar 1999) zufolge Eintritts der Verjährung ein. In Bezug auf Ziff. 2.2 der Anklage (Zeugnis vom 18. September 2001) sprach es X._________ dagegen schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu Fr. 900.--. 
 
C. 
X._________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 25. Mai 2007 sei aufzuheben. Er sei von Schuld und Strafe freizusprechen, eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zur korrekten, medizinisch fundierten Abklärung des Sachverhalts zurückzuweisen. 
 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Die Beschwerde an das Bundesgericht kann wegen Rechtsverletzungen im Sinne der Art. 95 und 96 BGG geführt werden. Die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich ist oder auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens von entscheidender Bedeutung sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
Die Beschwerde ist gemäss Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Begründungsanforderungen im Anwendungsbereich dieser Norm entsprechen denjenigen, die im früheren staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren galten (BGE 133 IV 286 E. 1.4). Nach ständiger Rechtsprechung prüft das Bundesgericht hier nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (vgl. nur BGE 125 I 492 E. 1b S. 495, mit Hinweisen). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe den Sachverhalt in doppelter Hinsicht offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 BGG festgestellt. Zum einen seien ihre Schlussfolgerungen "aktenwidrig". Die Vorinstanz stelle einzig auf die ärztlichen Berichte zuhanden der Eidgenössischen Invalidenversicherung ab, vermische Äusserungen zum psychischen und physischen Zustand der Patientin und lasse Arztberichte, welche die Richtigkeit des fraglichen Zeugnisses bestätigten, ausser Acht. Das Urteil sei unsorgfältig redigiert, spekulativ und müsse als tendenziös bezeichnet werden (Beschwerde, Ziff. 2.2 insbes. S. 12). Zum anderen hätte die Vorinstanz ein medizinisches Gutachten einholen müssen. Es gehe nicht um seine Glaubwürdigkeit, sondern um die Frage, ob das ärztliche Zeugnis vom 18. September 2001 wahr sei oder nicht (Beschwerde, insbes. Ziff. 2.3, S. 12 f.). 
 
2.1 Willkür in der Beweiswürdigung bzw. eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, auf einem offenkundigen Fehler beruhen oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen. Dabei genügt es nicht, wenn der angefochtene Entscheid sich nur in der Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen). 
2.2 
2.2.1 Die Vorinstanz führt zunächst die beiden ärztlichen Berichte des Beschwerdeführers über A._________ zuhanden der Eidgenössischen Invalidenversicherung an. Am 15. November 1991 verfasste er einen Bericht betreffend den Weiterbestand einer 50%-igen Invalidität (Rentenrevision). Darin beschrieb er den Gesundheitszustand der Patientin, wie folgt: 
"Immer wieder depressive Grundstimmung. Weichteilrheumatische Beschwerden, Magenbeschwerden, welche als Ausdruck der endogenen Depression somatisiert zu betrachten sind. Deutlich depressive Veranlagung, welche aber verstärkt wird durch ungünstige familiäre Verhältnisse im Rahmen eines Alkoholkonsums des Ehemannes. Weiterhin psychotherapeutische Therapie ist unbedingt erforderlich, wobei auch die psychosomatischen Beschwerden immer wieder ärztliches Intervenieren erforderlich machen." 
Am 5. Januar 1995 führte er erneut in einem Bericht betreffend den Weiterbestand der 50%-igen Invalidität zum Gesundheitszustand aus: 
"Immer wieder depressive Verstimmungen. Geprägt mit Schlafstörungen, deutlich reduzierter Leistungsfähigkeit im Haushaltsbereich. Schwere Probleme mit dem alkoholabhängigen Ehemann. Behandlung mit Lithium und Ludiomil. Psychotherapeutische Dauerbehandlung." 
2.2.2 Die Vorinstanz hält fest, die beiden ärztlichen Berichte stünden unbestrittenermassen in Widerspruch zum ärztlichen Zeugnis vom 18. September 2001. Im Auftrag und zuhanden der B._________ Versicherungen hielt der Beschwerdeführer darin unter anderem fest: 
"Solange ich Frau A._________ kannte, hatte sie nie Anzeichen einer depressiven Erkrankung (...). Ich konnte während der gesamten Behandlungszeit bis zum Unfallereignis nie schizophrene Symptome feststellen. Viel eher konnte ich davon ausgehen, dass die Expl. sich in einem psychopathologisch völlig ausgeglichenen Zustand befand, allen Ansprüchen ihres Lebens gewachsen war und auch den phasenweise latent vorhandenen ehelichen Schwierigkeiten gut gewachsen war, so dass sich nie Konflikte mit ihrem Ehepartner ergaben (...)." 
 
2.3 Die Vorinstanz prüft sonach den Einwand, das Zeugnis sei wahr, die ärztlichen Berichten vom 15. November 1991 bzw. 5. Januar 1995 dagegen unwahr. In Würdigung zahlreicher ärztlicher Berichte nimmt sie an, dass die Ärzte über all die Jahre von einer erheblichen Arbeitsunfähigkeit ausgingen. Die Behauptung, wonach die Patientin völlig gesund bzw. vollkommen kompensiert gewesen sei, sei aktenwidrig. Die verschiedenen Feststellungen der Ärzte deckten sich mit jenen des Beschwerdeführers in den fraglichen Berichten, dass sich auch äussere Symptome manifestiert haben und keine Rede davon sein kann, dass sie durch die Behandlung mit Lithium völlig kompensiert und gesund gewesen sei bzw. dass sie nie depressive Symptome gezeigt habe. Es habe ein klarer Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit und der diagnostizierten endogenen Depression bestanden, was die Richtigkeit des im IV-Verfahren erhobenen Sachverhalts bestätige. 
 
Zusammenfassend kommt die Vorinstanz zum Schluss, dass die Patientin aus gesundheitlichen Gründen bereits vor dem Unfall vom 7. Juni 1996 in ihrer Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt war und dies auch der Überzeugung des Beschwerdeführers entsprach, wie er in seinen Berichten vom 15. November 1991 und 5. Januar 1995 wiedergab. Der Einwand, das ärztliche Zeugnis vom 18. September 2001 sei wahr, die früheren Berichte dagegen unwahr, sei eine blosse Schutzbehauptung. Insbesondere mache er sich dadurch unglaubwürdig, dass er behauptete, das Bestehen einer IV-Rente sei ihm nicht mehr bewusst gewesen. Angesichts des Umstandes, dass A._________ eine langjährige Patientin und regelmässig bei ihm in Konsultation war, könne solches nicht stimmen und weise auf seine Absicht hin, Ausflüchte zu suchen. 
2.4 
2.4.1 Soweit der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, die Schlussfolgerungen der Vorinstanz seien "aktenwidrig", erschöpft sich die Rüge in unzulässiger appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid. So macht er beispielsweise geltend, es sei fraglich, ob der Rentenanspruch der Patientin bis Mitte der 90er Jahre bestanden habe, weil die Arztberichte zuhanden der Eidgenössischen Invalidenversicherung generell die Tendenz aufwiesen, den ursprünglich festgestellten Gesundheitszustand einfach als fortbestehend darzustellen (Beschwerde, S. 7 und 11). Damit stellt er der Beweiswürdigung der Vorinstanz lediglich seine eigene, abweichende Sicht der Dinge gegenüber, ohne aufzuzeigen, weshalb es im Einzelnen unhaltbar sein sollte, auf die ärztlichen Berichte abzustellen. Gleiches gilt, soweit er etwa vorbringt, die Vorinstanz lasse die ihn entlastenden ärztlichen Berichte ausser Acht. Der Beschwerdeführer legt nicht ansatzweise dar, inwiefern die von ihm erwähnten Berichte geeignet sein könnten, das Beweisergebnis zu erschüttern. Vielmehr beschränkt er sich darauf, seinen bereits im kantonalen Verfahren erhobenen Einwand zu erneuern. Auch insofern genügt er den minimalen Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 bzw. 106 Abs. 2 BGG nicht. Auf die appellatorisch begründete Rüge ist nicht einzutreten. 
2.4.2 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz wäre verpflichtet gewesen, ein medizinisches Gutachten einzuholen. 
 
Bei der Beurteilung, ob das Gesundheitszeugnis mit der Wahrheit übereinstimmt, ist zu berücksichtigen, dass es auf einem Sachverhalt beruht, der durch den Arzt interpretiert wird, und damit gezwungenermassen eine subjektive Komponenten enthält. Bezugspunkt für die Wahrheit ist nicht objektiv die Gesundheit oder Krankheit der Patientin, sondern subjektiv die diesbezügliche Ansicht bzw. Diagnose des Arztes (Markus Boog, in: Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, 2. Aufl. Basel 2007, Art. 318 N 3, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall ging es deshalb nicht um die Frage, ob es - wie beurkundet - objektiv zutrifft, dass sich die Patientin seit 1990 "in einem psychopathologisch völlig ausgeglichenen Zustand befand". Vielmehr war zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei der Beurkundung anderer Ansicht war. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung stellte sich dabei sehr wohl die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Urkundsperson. 
 
Die Vorinstanz kommt nach einlässlicher Beweiswürdigung und aus nachvollziehbaren Gründen zum Schluss, dass die Patientin schon vor dem Unfallereignis von 1996 in ihrer Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt war, unter depressiven Symptomen litt und der Beschwerdeführer darüber genau Bescheid wusste. Dies wird durch die medizinischen Akten, nicht zuletzt durch die Berichte des Beschwerdeführers vom 15. November 1991 und 5. Januar 1995 gestützt, und ist im Verfahren der Eidgenössischen Invalidenversicherung geprüft worden. Dem steht der beurkundete Sachverhalt ("Solange ich Frau A._________ kannte, hatte sie nie Anzeichen einer depressiven Erkrankung ... ") gegenüber, der hinreichend klar ist. Bei dieser Sachlage ist nicht zu ersehen, und wird vom Beschwerdeführer auch nicht näher begründet, dass und inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen sollte, wenn sie ohne (weiteres) medizinisches Gutachten feststellt, dass das Arztzeugnis vom 18. September 2001 nicht der Wahrheit entspricht. Die Rüge ist - soweit überhaupt hinreichend substantiiert - unbegründet. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe den Tatbestand des falschen ärztlichen Zeugnisses (Art. 318 StGB) weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht erfüllt. 
 
3.1 Den Tatbestand von Art. 318 Ziff. 1 Abs. 1 StGB verwirklichen Ärzte, die vorsätzlich ein unwahres Zeugnis ausstellen, das zum Gebrauch bei einer Behörde oder zur Erlangung eines unberechtigten Vorteils bestimmt, oder das geeignet ist, wichtige und berechtigte Interessen Dritter zu verletzen. Das Zeugnis ist unwahr, wenn es ein unzutreffendes Bild vom Gesundheitszustand des Menschen vermittelt, was auch der Fall ist, wenn wesentliche Umstände verschwiegen werden (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl., Bern 2000, § 58 Rz. 16 S. 374; Boog, a.a.O., Art. 318 N 3). 
 
3.2 Die Vorinstanz nimmt an, das ärztliche Zeugnis vom 18. September 2001 vermittle ein unzutreffendes Bild der Gesundheit, indem es namentlich festhält, dass die Patientin nie irgendwelche Anzeichen einer depressiven Erkrankung hatte bzw. wahrheitswidrig verschweigt, dass sie aus psychischen Gründen bereits vor dem Unfall von 1996 in ihrer Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Als Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie sei der Beschwerdeführer von der B._________ Versicherung mit der Begutachtung beauftragt worden, um Versicherungsansprüche aus dem Unfallereignis zu prüfen. Weil das ärztliche Zeugnis in unzutreffender Weise fast sämtliche Gesundheitsschädigungen dem Unfall und keine dem Vorzustand zuschreibe, sei es zur Erlangung eines unberechtigten Vorteils bestimmt. Damit sei der objektive Tatbestand erfüllt. 
 
In subjektiver Hinsicht stellt die Vorinstanz fest, dass der Beschwerdeführer über die erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung der Patientin vor dem Unfall genau Bescheid wusste. Als langjähriger Gutachter und Psychiater müsse ihm bewusst gewesen sein, dass er einen falschen Gesundheitszustand attestiere, und das Zeugnis dazu bestimmt war, eine unberechtigte Leistung zu erlangen. Gestützt darauf bejaht die Vorinstanz auch den subjektiven Tatbestand (angefochtenes Urteil, S. 14 mit Verweis auf das erstinstanzliche Urteil, S. 9). 
 
3.3 Diese Auffassung hält vor Bundesrecht stand. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die Vorinstanz den Tatbestand von Art. 318 Ziff. 1 Abs. 1 StGB unrichtig ausgelegt oder angewendet hätte, und solches ist auch nicht ersichtlich. 
 
4. 
Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird damit gegenstandslos. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 18. März 2008 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Schneider Willisegger