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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.169/2002 /sta 
 
Urteil vom 25. April 2002 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesrichter Nay, Aeschlimann, 
Gerichtsschreiber Pfäffli. 
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Pablo Blöchlinger, Postfach 3176, 8021 Zürich, 
 
gegen 
 
Bezirksanwaltschaft Zürich, Büro D-5, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich, 
Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, Wengistrasse 28, Postfach, 8026 Zürich. 
 
Haftentlassung 
 
(Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichter, vom 25. Februar 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die Behörden des Kantons Zürich führen gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. X.________, der sich seit dem 12. Mai 2001 in Untersuchungshaft befindet, wird vorgeworfen, am 8. Mai 2001 zusammen mit Y.________ über ein Kilogramm Kokain, in Fingerlingen verpackt, in seinem Körper in die Schweiz eingeführt zu haben. 
 
Am 21. Februar 2002 stellte X.________ ein Gesuch um Entlassung aus der Untersuchungshaft. Die Bezirksanwaltschaft Zürich beantragte am 22. Februar 2002 dem Haftrichter die Abweisung des Haftentlassungsgesuchs, da der dringende Tatverdacht gegeben sei und Fluchtgefahr bestehe. Mit Verfügung vom 25. Februar 2002 wies der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich das Haftentlassungsgesuch ab. Er erwog, der dringende Tatverdacht habe sich im Verlauf der Untersuchung erhärtet und es bestehe Fluchtgefahr. 
B. 
Dagegen gelangte X.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 27. März 2002 an das Bundesgericht. Er rügt eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 BV sowie Art. 5 Ziff. 1 EMRK und beantragt, die Verfügung des Haftrichters vom 25. Februar 2002 aufzuheben und ihn aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
C. 
Die Bezirksanwaltschaft Zürich liess sich nicht vernehmen. Der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich wies in seiner Vernehmlassung vom 2. April 2002 darauf hin, dass die Bezirksanwaltschaft am 20. März 2002 gegen X.________ Anklage erhoben und eine Zuchthausstrafe von vier Jahren beantragt habe. Gestützt auf die Anklageschrift vom 20. März 2002 habe die zuständige Haftrichterin am 22. März 2002 Sicherheitshaft angeordnet und zur Begründung auf Fluchtgefahr verwiesen. Da die angefochtene Untersuchungshaft inzwischen aufgehoben und durch Sicherheitshaft ersetzt worden ist, sei die staatsrechtliche Beschwerde wohl gegenstandslos geworden. Der Beschwerdeführer replizierte am 19. April 2002. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich erachtet die vorliegende Beschwerde als gegenstandslos, da die angefochtene Untersuchungshaft mit Verfügung vom 22. März 2002 durch Sicherheitshaft ersetzt worden sei. 
Im Kanton Zürich wird für die im Strafverfahren verhängte Haft zwischen Untersuchungs- und Sicherheitshaft unterschieden (vgl. § 58 ff. und § 67 ff. der Strafprozessordnung des Kantons Zürich; StPO). Während der Untersuchung wird die Haft als Untersuchungshaft und nach Erhebung der Anklage als Sicherheitshaft bezeichnet (vgl. § 67 StPO). Die Haftvoraussetzungen für die Untersuchungs- und die Sicherheitshaft sind identisch (§ 58 StPO bzw. § 67 in Verbindung mit § 58 StPO). Die Verfügung vom 22. März 2002, mit welcher der Beschwerdeführer von der Untersuchungshaft in die Sicherheitshaft versetzt wurde, änderte an der Haftsituation des Beschwerdeführers grundsätzlich nichts. Dies und der Anspruch des Beschwerdeführers auf einen raschestmöglichen Entscheid (vgl. Art. 5 Ziff. 4 EMRK) lassen es als fraglich erscheinen, ob die vorliegende Beschwerde gemäss den Ausführungen des Haftrichters gegenstandslos geworden ist. Diese Frage kann indessen offen bleiben, da sich die vorliegende Beschwerde gemäss den nachfolgenden Ausführungen als unbegründet erweist. 
2. 
Der Beschwerdeführer beantragt neben der Aufhebung des angefochtenen Entscheids seine Haftentlassung. Dieses Begehren ist in Abweichung vom Grundsatz der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde zulässig, da im Falle einer nicht gerechtfertigten strafprozessualen Haft die von der Verfassung geforderte Lage nicht schon mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheids, sondern erst durch eine positive Anordnung hergestellt werden kann (BGE 124 I 327 E. 4b/aa S. 332; 115 Ia 293 E. 1a, je mit Hinweisen). 
3. 
Die Anordnung und Fortdauer von Untersuchungshaft bzw. Sicherheitshaft setzt nach zürcherischem Strafprozessrecht voraus, dass der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und ausserdem ein besonderer Haftgrund, nämlich Flucht-, Kollusions-, Wiederholungs- oder Ausführungsgefahr vorliegt (§ 58 StPO). 
4. 
Im Gegensatz zu seiner staatsrechtlichen Beschwerde vom 27. März 2002 bestreitet der Beschwerdeführer in seiner Replik vom 19. April 2002 das Vorliegen des dringenden Tatverdachts ausdrücklich nicht mehr. Umstritten ist somit einzig, ob der Haftrichter ohne Verfassungsverletzung Fluchtgefahr annehmen konnte. 
4.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe für sich allein nicht für die Annahme von Fluchtgefahr. Eine solche darf nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr müssen konkrete Gründe dargetan werden, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe kann immer nur neben anderen, eine Flucht begünstigenden Tatsachen herangezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a mit Hinweisen). Die Fluchtgefahr entfällt nicht, wenn sich der Angeschuldigte in ein Land begeben will, das die Auslieferung an die Schweiz bewilligen oder selbst ein Strafverfahren durchführen würde. Dem Staat, welchem die Strafhoheit zusteht, ist es nicht zuzumuten, auf die Sicherung der Person des Angeschuldigten zu verzichten und bei dessen Flucht den langwierigen Weg des Auslieferungsbegehrens oder eines Ersuchens um Übernahme der Strafverfolgung zu beschreiten (BGE 123 I 31 E. 3d). 
4.2 Es ist unbestritten, dass der spanische Beschwerdeführer keinen festen Wohnsitz in der Schweiz hat. Der Beschwerdeführer macht auch nicht geltend, er habe zur Schweiz enge familiäre oder persönliche Beziehungen, die ihn von einer Flucht, sei es in seinen Heimatstaat oder in einen Drittstaat, abhalten können. Unter solchen Umständen darf bei der in Aussicht stehenden empfindlichen Freiheitsstrafe ohne weiteres angenommen werden, er würde sich bei der Entlassung aus der Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft ins Ausland absetzen. Der Umstand, dass Spanien aufgrund des Europäischen Auslieferungsübereinkommens den Beschwerdeführer ausliefern bzw. gegen ihn selbst ein Straf-verfahren durchführen müsste, vermag daran - wie bereits ausgeführt - nichts zu ändern. 
 
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. 
5. 
Der Beschwerdeführer stellte ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da die gesetzlichen Voraussetzungen als gegeben erscheinen, ist dem Begehren stattzugeben (Art. 152 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt: 
2.1 Es werden keine Kosten erhoben. 
2.2 Rechtsanwalt Pablo Blöchlinger, Zürich, wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit einem Honorar von Fr. 1'200.-- entschädigt. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Bezirksanwaltschaft und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 25. April 2002 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: