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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_44/2012 
 
Urteil vom 31. August 2012 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Maillard, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
K.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Kettiger, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Regierungsrat des Kantons Bern, Staatskanzlei, Postgasse 68, 3000 Bern 8, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Verordnung über die öffentliche Sozialhilfe, 
Änderung vom 2.11.2011, 
 
Beschwerde gegen die Änderung der Verordnung über die öffentliche Sozialhilfe des Regierungsrats des Kantons Bern vom 2. November 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der seit 1. Januar 2011 in Kraft stehende Art. 25a Abs. 5 KVG statuiert unter dem Titel "Pflegeleistungen bei Krankheit", dass der versicherten Person von den nicht von Sozialversicherungen gedeckten Pflegekosten höchstens 20 Prozent des höchsten vom Bundesrat festgesetzten Pflegebeitrages überwälzt werden dürfen. Die Kantone regeln die Restfinanzierung. 
Der Regierungsrat des Kantons Bern verabschiedete am 2. November 2011 die revidierten Bestimmungen der Verordnung über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfeverordnung, SHV; BSG 860.111) und setzte deren Inkrafttreten grundsätzlich auf den 1. Januar 2012 fest. Der gestützt auf Art. 25a Abs. 5 KVG erlassene Art. 25d SHV, der sich einzig auf die Pflegekosten im ambulanten Bereich bezieht, lautet wie folgt: 
2. Kostenbeteiligung der Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger 
1 Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger, die das 65. Altersjahr vollendet haben, beteiligen sich im Rahmen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit an den Pflegekosten. 
2 Die Kostenbeteiligung entspricht maximal der nach Artikel 25a Absatz 5 KVG zulässigen Beteiligung. 
3 Bis zu einem massgebenden Einkommen von 50'000 Franken sind die Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger von der Kostenbeteiligung befreit. 
4 Ab einem massgebenden Einkommen von 100'000 Franken wird die maximale Kostenbeteiligung erhoben. 
5 Das massgebende Einkommen setzt sich zusammen aus dem steuerbaren Einkommen zuzüglich eines Zehntels des steuerbaren Vermögens. 
6 Die Kostenbeteiligung wird linear zwischen dem Minimalansatz von einem Franken bei einem massgebenden Einkommen von 50'001 Franken und dem Maximalansatz entsprechend dem tatsächlichen massgebenden Einkommen und Vermögen gemäss der im Anhang 1 enthaltenen Formel festgelegt. 
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2011 schob der Regierungsrat das Inkrafttreten des Art. 25d SHV auf den 1. April 2012 hinaus. 
 
B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt K.________, der neue Art. 25d Abs. 1 SHV sei aufzuheben. Der Beschwerdegegner schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. 
 
C. 
Mit Verfügung vom 29. März 2012 wies der Präsident der I. sozialrechtlichen Abteilung das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde ab. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Kantonale Erlasse können unmittelbar beim Bundesgericht angefochten werden, sofern - wie dies hier der Fall ist - kein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung steht (Art. 82 lit. b und Art. 87 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde wurde im Übrigen rechtzeitig eingereicht (Art. 101 BGG). 
 
1.2 Gemäss Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG ist zur Anfechtung eines kantonalen Erlasses legitimiert, wer durch den Erlass aktuell oder virtuell besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Änderung oder Aufhebung hat. Das schutzwürdige Interesse kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein. Virtuelles Berührtsein setzt voraus, dass der Beschwerdeführer von der angefochtenen Regelung früher oder später einmal mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit unmittelbar betroffen ist (BGE 137 I 77 E. 1.4 S. 81). 
Der Beschwerdeführer wurde am 21. März 2012 86 Jahre alt. Gemäss seinen Angaben wurde seine Ehefrau, von der er mittlerweile getrennt ist, im Frühling 2011 in ein Altersheim eingewiesen. Seither lebt er alleine in einer 3-Zimmer-Wohnung im ersten Stock eines Mietshauses. Bei Beschwerdeeinreichung konnte er den Haushalt noch ohne fremde Hilfe besorgen. Bei einer schwereren Erkrankung müsste er jedoch allenfalls auch nur kurzfristig ambulante Pflege in Anspruch nehmen. In den nächsten Jahren stehen orthopädisch-chirurgische Eingriffe an Hüfte und Knie an. Weiter ist nicht auszuschliessen, dass der Kanton Bern die Beteiligung der Patienten an den Pflegekosten finanziell günstiger hätte ausgestalten können, wenn er auf die Altersgrenze von 65 Jahren verzichtet hätte. In diesem Lichte ist der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 89 Abs. 1 lit. b BGG zumindest virtuell betroffen und hat ein Interesse an der Aufhebung von Art. 25d Abs. 1 SHV. Seine Beschwerdelegitimation ist denn auch unbestritten. 
 
2. 
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Rügen wegen Verletzung von Grundrechten sind gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG im Einzelnen vorzubringen und zu begründen. Die Beschwerdeschrift muss darlegen, welche verfassungsmässigen Rechte inwiefern durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene Rügen (Urteil 2C_415/2011 vom 3. Juli 2012 E. 1.6, zur Publikation vorgesehen; BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). Diese Grundsätze gelten auch bei der abstrakten Normenkontrolle (BGE 131 I 291 E. 1.5 S. 297; 125 I 71 E. 1c S. 76; BERNARD CORBOZ, in: Commentaire de la LTF, 2009, N. 37 zu Art. 106 BGG). 
 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, Art. 25d Abs. 1 SHV verletze das Gebot der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV). In diesem Rahmen wendet er ein, die Altersgrenze müsse die allgemeinen Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe gemäss Art. 36 BV erfüllen. 
 
3.2 Art. 36 BV, der die kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für die Einschränkung von Grundrechten aufzählt, ist im Wesentlichen auf Freiheitsrechte zugeschnitten, das heisst auf diejenigen Grundrechte, die sich auf die Ausübung gewisser menschlicher Fähigkeiten beziehen, deren Schutzbereich und Inhalt sich aus ihnen selber ergeben (BGE 129 I 12 E. 6.2 S. 19). Nicht konzipiert ist die Eingriffsregelung insbesondere für das Grundrecht der Rechtsgleichheit, bei dem es nicht um Einschränkungen, sondern um erlaubte oder unerlaubte Kriterien der Differenzierung geht (Botschaft des Bundesrates über eine neue Bundesverfassung vom 20. November 1996, BBl 1997 I 194 f.; PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Aufl., 2011, S. 134 f. Rz. 94 f.; HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl. 2008, S. 90 ff. Rz. 302 f.). Die Berufung des Beschwerdeführers auf Art. 36 BV ist somit nicht stichhaltig. 
 
4. 
Der Beschwerdeführer wendet ein, Art. 25d Abs. 1 SHV führe zu einer Altersungleichbehandlung/Altersdiskriminierung (Art. 8 Abs. 1 und 2 BV). 
 
4.1 Ein Erlass verletzt das Gebot der Rechtsgleichheit, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen (BGE 136 II 120 E. 3.3.2 S. 127 mit Hinweisen). Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter Spielraum der Gestaltung, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert (BGE 136 I 1 E. 4.1 S. 5, 134 I 23 E. 9.1 S. 42 mit Hinweisen). Leitbild ist eine grundsätzlich differenzierte Ordnung (YVO HANGARTNER, Diskriminierung - ein neuer verfassungsrechtlicher Begriff, ZSR 122/2003 I S. 97 ff., insbesondere S. 110 f.; Urteil 8C_1074/2009 vom 2. Dezember 2010 E. 3.4.1). 
4.2 
4.2.1 Gemäss Art. 8 Abs. 2 BV darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Das Diskriminierungsverbot lehnt sich in den Grundzügen an die internationalen Grundrechtsgarantien an, wie sie insbesondere in Art. 14 EMRK und verschiedenen Bestimmungen des UNO-Paktes II enthalten sind (vgl. Jörg Paul Müller/Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 679; Rainer J. Schweizer, St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung, 2. Aufl. 2008, N. 43 zu Art. 8 BV; YVO HANGARTNER, a.a.O., S. 98 f.). Indessen macht das Diskriminierungsverbot die Anknüpfung an ein gemäss Art. 8 Abs. 2 BV verpöntes Merkmal nicht absolut unzulässig. Vielmehr begründet dieser Umstand zunächst den blossen Verdacht einer unzulässigen Differenzierung, der nur durch eine genügende Rechtfertigung umgestossen werden kann. Das Diskriminierungsverbot hat also rechtlich die Bedeutung, dass ungleiche Behandlungen einer besonders qualifizierten Begründungspflicht unterstehen (BGE 136 I 121 E. 5.2 S. 127, 135 I 49 E. 4.1 S. 53, 129 I 392 E. 3.2.2 S. 397; Urteil 8C_169/2009 vom 28. Juli 2009 E. 4.2.1; je mit Hinweisen). Anders als beim allgemeinen Gleichheitsgebot (vgl. vorstehende E. 4.1 i.f.) ist somit im Bereich der für das Diskriminierungsverbot typischen Anknüpfungstatbestände die absolute Gleichbehandlung der Normalfall, die Differenzierung die Ausnahme (Urteil 8C_1074/2009 E. 3.4.2). 
4.2.2 Art. 8 Abs. 2 BV verbietet nicht nur die direkte, sondern auch die indirekte Diskriminierung. Letztere ist dann gegeben, wenn eine Regelung, die keine offensichtliche Benachteiligung von spezifisch gegen Diskriminierung geschützter Gruppen enthält, in ihren tatsächlichen Auswirkungen Angehörige einer solchen Gruppe besonders stark benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre (BGE 136 I 297 E. 7.1 S. 306). Angesichts der Schwierigkeit, für alle Fälle generell und abstrakt den Umfang des Eingriffs zu definieren, den die erlittene Verletzung für eine durch Art. 8 Abs. 2 BV geschützte Gruppe im Vergleich zur Mehrheit der Bevölkerung erreichen darf, kann die Erkennung einer Diskriminierung nur aus einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls resultieren. Auf jeden Fall muss der Eingriff eine signifikante Bedeutung erreichen; das indirekte Diskriminierungsverbot kann nur dazu dienen, die offenkundigsten negativen Auswirkungen einer staatlichen Regelung zu korrigieren (BGE 138 I 205 E. 5.5 S. 213 f. mit Hinweisen). 
 
4.3 Die Lehre unterscheidet jedoch zu Recht zwischen den einzelnen in Art. 8 Abs. 2 BV genannten Kriterien. Während bei Anknüpfungstatbeständen wie dem Geschlecht, der Rasse, der Religion u.Ä. eine Differenzierung im oben (E. 4.2.1) dargelegten Sinn im Prinzip unzulässig ist und einer besonderen Rechtfertigung bedarf, ist insbesondere das Kriterium Alter anderer Natur. Es knüpft nicht an eine historisch schlechtergestellte oder politisch ausgegrenzte Gruppe an. Hier handelt es sich daher um einen atypischen Diskriminierungstatbestand, der sich in der praktischen Anwendung dem allgemeinen Gleichheitssatz von Art. 8 Abs. 1 BV nähert (IVO HANGARTER, a.a.O., S. 110; BERNHARD WALDMANN, Das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV als besonderer Gleichheitssatz, Bern 2003, S. 327 und S. 733; RAINER J. SCHWEIZER, a.a.O., N. 48 zu Art. 8 BV). Ein Teil der Lehre geht denn auch davon aus, dass bezüglich des Alters praktisch kein Unterschied zum Schutz gemäss Art. 8 Abs. 1 BV besteht (Jörg Paul Müller, Die Diskriminierungsverbote nach Art. 8 Abs. 2 der neuen Bundesverfassung, in: BTJP 2000, S. 103 ff., insbesondere S. 120; PASCAL MAHON, in: JEAN-FRANÇOIS AUBERT/PASCAL MAHON, Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse, Zürich/ Basel/Genf 2003, N. 16 zu Art. 8 BV; ETIENNE GRISEL, Egalité, Les garanties de la Constitution fédérale du 18 avril 1999, Bern 2000, S. 78 f.). Ein anderer Teil nimmt an, mit Bezug auf die Gründe, die eine Schlechterstellung wegen des Alters rechtfertigen können, gehe Art. 8 Abs. 2 BV nicht über die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes hinaus; hingegen soll im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung ein etwas strikterer Massstab gelten, um so dem mit Art. 8 Abs. 2 BV gewollten höheren Schutz Rechnung zu tragen (MARKUS SCHEFER/RENÉ RHINOW, Zulässigkeit von Altersgrenzen für politische Ämter aus Sicht der Grundrechte, Gutachten im Auftrag des Schweizerischen Seniorenrats, in: Jusletter 7. April 2003, Rz. 60 f.; wohl auch IVO HANGARTNER, a.a.O., S. 116 und VINCENT MARTENET, Géométrie de l'égalité, Bern 2003, Rz. 898). Von Letzterem ist auszugehen. Nachfolgend ist somit zu prüfen, ob der kantonale Erlass in unverhältnismässiger Weise Unterscheidungen trifft, die sachlich nicht gerechtfertigt werden können (Urteil 8C_1074/2009 E. 3.4.3). 
 
5. 
5.1 Die in Art. 25d Abs. 1 SHV statuierte Altersgrenze von 65 Jahren für die Patientenbeteiligung im Krankheitsfall an den Kosten der ambulanten Pflege gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG ist - wie die folgenden Erwägungen zeigen - nicht diskriminierend: Sie steht im Einklang mit der Zielsetzung des KVG, mit einer Limitierung der Kostenbeteiligung den Schutz der Betroffenen vor Verarmung zu gewährleisten (vgl. GEBHARD EUGSTER, Bundesgesetz über die Krankenversicherung [KVG], 2010, N. 13 zu Art. 25a KVG). Die Kantone sind innerhalb des bundesgesetzlichen Rahmens frei, weitere Abstufungen vorzunehmen. Das Rechtsgleichheitsprinzip schliesst nicht aus, dass die einzelnen Kantone zur gleichen Materie unterschiedliche Regelungen erlassen: dies ist eine Folge der föderalistischen Staatsstruktur (BGE 136 I 1 E. 4.4.4 S. 12). 
Beispielhaft seien die Regelungen von folgenden drei anderen Kantonen angeführt: 
- Kanton Zürich: § 9 des Pflegegesetzes vom 27. September 2010 (LS 855.1) statuiert Folgendes: Die Kosten der Pflegeleistungen gehen im von der Bundesgesetzgebung über die Sozialversicherung vorgeschriebenen Umfang zulasten der Versicherer (Abs. 1). Die verbleibenden Kosten werden bei Pflegeleistungen von Pflegeheimen im gemäss Art. 25a Abs. 5 KVG höchstzulässigen Umfang und bei Pflegeleistungen ambulanter Leistungserbringer zur Hälfte des höchstzulässigen Umfangs den Leistungsbezügerinnen und -bezügern überbunden. Für Personen bis zum vollendeten 18. Altersjahr wird keine entsprechende Kostenbeteiligung erhoben. 
- Kanton Luzern: Gemäss § 5 des Gesetzes vom 13. September 2010 über die Finanzierung der Pflegeleistungen der Krankenversicherung (Pflegefinanzierungsgesetz; SRL 867) leistet die anspruchsberechtigte Person einen Beitrag an die Kosten der ambulanten Krankenpflege oder der Krankenpflege im Pflegeheim, soweit diese nicht von Sozialversicherungen gedeckt sind, höchstens jedoch von 20 Prozent des höchsten vom Bund für die Krankenversicherer festgesetzten Pflegebeitrages pro Tag (Abs. 1); für die ambulante Krankenpflege von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Altersjahr ist kein Beitrag geschuldet (Abs. 2). 
- Kanton Freiburg: Laut Art. 2 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes vom 9. Dezember 2010 zum Bundesgesetz über die Neuordnung der Pflegefinanzierung (SGF 820.6) wird bei Leistungen, die von einem Pflegeheim erbracht werden, der von der obligatorischen Krankenversicherung nicht übernommene Kostenanteil der im Heim untergebrachten Person in Rechnung gestellt, und zwar bis höchstens 20 % des für die einzelnen Pflegestufen festgelegten Beitrags der Krankenversicherer. Art. 3 dieses Gesetzes statuiert Folgendes: Von der obligatorischen Krankenversicherung nicht übernommene Kosten für Pflegeleistungen, die von einer Organisation der Hilfe und Pflege zu Hause mit Leistungsauftrag nach dem Gesetz über die Hilfe und Pflege zu Hause erbracht werden, werden nach Artikel 16 des Gesetzes vom 8. September 2005 über die Hilfe und Pflege zu Hause finanziert (Abs. 1). Von der obligatorischen Krankenversicherung nicht übernommene Kosten für Pflegeleistungen, die von anderen Organisationen der Hilfe und Pflege zu Hause erbracht werden, werden den Patientinnen und Patienten zu höchstens 20 % des Beitrags der Krankenversicherer in Rechnung gestellt. Die Restkosten gehen zulasten des Staates (Abs. 2). 
5.2 
5.2.1 Der Kanton Bern hat im Rahmen der KVG-Vorgabe zwei Kriterien für die Beteiligung an den Kosten für die ambulante Pflege aufgenommen, nämlich das Alter und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Person. Dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ein geeignetes Kriterium im Rahmen des gesetzlichen Schutzgedankens darstellt, ist offensichtlich und wird nicht bestritten. Betroffen von der Kostenbeteiligung sind Personen ab 65 Jahren, die ein massgebendes Einkommen von mehr als Fr. 50'000.- pro Jahr erzielen; erst ab einem massgebenden Einkommen von mehr als Fr. 100'000.- schulden sie die maximale Kostenbeteiligung nach Art. 25a Abs. 5 KVG (Art. 25d Abs. 3-6 SHV). Die Differenzierung liegt mithin darin, dass die unter 65-jährigen Personen unabhängig von ihrer Einkommens- und Vermögenssituation von der Kostenbeteiligung befreit sind. 
5.2.2 Das Alter 65 als zusätzliche Limitierung ist ebenfalls ein sachbezogenes Kriterium, weil ab diesem Zeitpunkt fast alle Personen über eine Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) verfügen. Bei einen Grossteil dieser Personen kommt noch die Rente aus der beruflichen Vorsorge dazu. Reichen diese Einkommen und allfälliges Vermögen zur sozialen Absicherung nicht aus, erhalten sie nötigenfalls Ergänzungsleistungen (EL) zur AHV-Rente. Die EL decken insbesondere auch allfällige Pflegekosten ab. Damit ist dafür gesorgt, dass diese Personen wegen einer Pflegekostenbeteiligung nicht der Fürsorge zur Last fallen. Dies ist bei den unter 65-jährigen Personen nicht der Fall. Sie sind im Krankheitsfall - für welchen Art. 25a KVG und Art. 25d Abs. 1 SHV gelten - vielfach nicht durch Leistungen anderer Sozialversicherungszweige abgedeckt, weshalb sie Gefahr laufen, ihre Lebenshaltungskosten nicht mehr decken zu können. 
Art. 25d Abs. 1 SHV beinhaltet somit keine generelle Benachteiligung der über 65-jährigen Personen, sondern eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Einkommens- und Vermögenssituation von Personen in verschiedenen Lebensphasen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers erweist sich die Regelung als sachlich gerechtfertigt und verhältnismässig (vgl. E. 4.3 hievor); der Schutz vor Verarmung wird damit in geeigneter, erforderlicher und für die Betroffenen zumutbarer Weise erreicht (zum Verhältnismässigkeitsprinzip vgl. BGE 136 I 87 E. 3.2 S. 91 f.). Sie werden durch die sachlich begründete Altersgrenze insbesondere nicht menschenunwürdig, demütigend oder erniedrigend behandelt, d.h. in ihrer Wertschätzung als Person herabgesetzt (vgl. BGE 126 II 377 E. 6a S. 392 f., 116 V 198 E. 2a/bb S. 207 f.; Urteil 2A.292/2004 vom 7. Juni 2004 E. 2.2.2). Sämtliche Einwendungen des Beschwerdeführers vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. 
 
5.3 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, bei den über 65-jährigen Personen müssten sich die SPITEX-Organisationen im Lichte von Art. 25d Abs. 3-6 SHV die vollständige Information über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse beschaffen; gestützt auf Art. 8c (in Kraft seit 1. Januar 2012) des Gesetzes des Kantons Bern vom 11. Juni 2001 über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz, SHG; BSG 860.1) dürften sie dies auch. Dies stelle für die Betroffenen eine Stigmatisierung dar. Hierzu ist Folgendes festzuhalten: Gemäss Art. 25d Abs. 5 SHV müssen die betroffenen Personen nicht ihre gesamte Einkommens- und Vermögenslage, sondern nur ihr steuerbares Einkommen und Vermögen deklarieren. Im Kanton Bern werden die steuerbaren Einkommen und Vermögen der Steuerpflichtigen in einem öffentlichen Steuerregister aufgeführt (Art. 164 des bernischen Steuergesetzes vom 21. Mai 2000; [StG; BSG 661.11]). Zwar kann die steuerpflichtige Person die Bekanntgabe von Steuerdaten sperren lassen, was aber nur bei überwiegenden öffentlichen Interessen möglich ist (z.B. bei prominenten Personen mit entsprechendem Gefährdungspotential). Auch kann die Sperrung für die Veröffentlichung verlangt werden (d.h. keine öffentliche Auflage und keine Liste); die Pflicht der Gemeinde zur Auskunft auf Einzelanfragen hin bleibt dabei aber bestehen (vgl. Öffentlichkeit des Steuerregisters von natürlichen Personen, TaxInfo der Finanzdirektion des Kantons Bern vom 29. Juni 2012 http:/www.taxinfo.sv.fin.be.ch). Im Lichte dieser Regelung kann die Pflicht zur Bekanntgabe des steuerbaren Einkommens und Vermögens an die SPITEX-Organisationen nicht als stigmatisierend angesehen werden. 
 
6. 
Der Beschwerdeführer macht weiter eine inhärente Geschlechterdiskriminierung nach Art. 8 Abs. 3 BV geltend. 
 
6.1 Mit der Annahme von Art. 4 Abs. 2 aBV - seit 1. Januar 2000: Art. 8 Abs. 3 BV - hat der Verfassungsgeber autoritativ festgestellt, dass die Zugehörigkeit zum einen oder andern Geschlecht grundsätzlich keinen rechtserheblichen Aspekt darstellt. Mann und Frau haben somit für die ganze Rechtsordnung im Wesentlichen als gleich zu gelten. Das Bundesgericht hat daher wiederholt erklärt, seit dem Inkrafttreten von Art. 4 Abs. 2 aBV sei es dem kantonalen wie auch dem eidgenössischen Gesetzgeber grundsätzlich verwehrt, Normen zu erlassen, welche Mann und Frau ungleich behandeln; die erwähnte Verfassungsbestimmung schliesse die Geschlechtszugehörigkeit als taugliches Kriterium für rechtliche Differenzierungen aus (z.B. BGE 134 V 131 E. 7.1 S. 136 mit Hinweisen). Eine unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau sei nur noch zulässig, wenn auf dem Geschlecht beruhende biologische oder funktionale Unterschiede eine Gleichbehandlung absolut ausschlössen (BGE 108 Ia 22 E. 5a S. 29 und seitherige Rechtsprechung). Der Vorbehalt funktionaler Unterschiede in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung - biologische Unterschiede fallen vorliegend zum Vornherein ausser Betracht - bedeutet insbesondere nicht, dass überkommenen Rollenverständnissen, so sie denn heute noch der Realität entsprechen, ohne Weiteres auch in Zukunft rechtliche Relevanz verliehen werden dürfte (Urteil 9C_617/2011 vom 4. Mai 2012 E. 3.4 mit weiteren Hinweisen). 
 
6.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Altersgrenze von 65 Jahren sei in Art. 25d Abs. 1 SHV vermutlich in der Annahme gewählt worden, dies entspreche dem Beginn des ordentlichen Rentenalters. Indessen trete dieses bei Frauen mit 64 und bei Männern mit 65 Jahren ein (Art. 21 Abs. 1 AHVG). Mithin würden Frauen gegenüber Männern im ersten Rentenjahr bevorzugt behandelt. Man hätte die Altersgrenze strikt beim Rentenalter nach Art. 21 Abs. 1 AHVG ansetzen müssen. 
Die Tatsache, dass sich die Frauen nicht bereits ab Eintritt des Rentenalters an den Pflegekosten im ambulanten Bereich beteiligen müssen, stellt keine Diskriminierung im Sinne des Art. 8 Abs. 3 BV dar. Eine solche läge nur vor, wenn die Kostenpflicht für Frauen und Männer ab dem 64. Altersjahr begänne: Diesfalls wären die 64-jährigen, nicht AHV-rentenberechtigten Männer diskriminiert. Anzufügen ist, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse von 64-jährigen Frauen in der Regel schlechter sind als diejenigen der Männer, da ihnen im privaten Sektor bis heute durchschnittlich tiefere Löhne ausbezahlt werden (vgl. Schweizerische Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik [LSE] 2010, Tabelle TA1); dies führt zu tieferen Leistungen aus der 2. und 3. Säule. 
 
7. 
7.1 Der Beschwerdeführer wendet schliesslich ein, die Einführung der Patientenbeteiligung bedürfe im Kanton Bern - unabhängig von einer Altersgrenze - dem Grundsatz nach der Regelung in einem formellen Gesetz; die Festlegung der Patientenbeteiligung ausschliesslich in einer Verordnung verletze kantonales Verfassungsrecht. Er beruft sich auf Art. 69 Abs. 4 lit. a und b KV/BE, wonach alle grundlegenden und wichtigen Rechtssätze des kantonalen Rechts in der Form des Gesetzes zu erlassen sind. Dazu gehören Bestimmungen, für welche die Verfassung ausdrücklich das Gesetz vorsieht, sowie Bestimmungen über: a. die Grundzüge der Rechtsstellung der Einzelnen; b. den Gegenstand von Abgaben, die Grundsätze ihrer Bemessung und den Kreis der Abgabepflichtigen mit Ausnahme von Gebühren in geringer Höhe. Der Beschwerdeführer bringt vor, Art. 25a Abs. 5 KVG schaffe keine grundsätzliche Rechtsgrundlage auf Gesetzesstufe für die Patientenbeteiligung bei der ambulanten Pflege. Er lege lediglich den bundesrechtlichen Rahmen fest und überlasse die Regelung den Kantonen. Die Patientenbeteiligung stelle zwar keine Abgabe im Rechtssinne dar, sei aber für die Betroffenen in ihrer Wirkung gleich wie eine Gebühr. Sie könne bei den Leistungsempfängerinnen und -empfängern zu jährlichen Mehrkosten von bis zu Fr. 5'820.- führen. Dies entspreche ungefähr dem gegenwärtigen Bruttomedialohn in der Schweiz von Fr. 5'979.-. Dies stelle einen wesentlichen Eingriff in die Rechtsstellung des Einzelnen dar, zumal der Kanton frei sei, die Kostenbeteiligung einzuführen oder nicht. 
 
7.2 Der Kanton Bern hat mit der Revision des SHG in dessen Art. 75a eine gesetzliche Grundlage für die Finanzierung der Pflegekosten geschaffen: Nach dieser Norm vergütet die Gesundheits- und Fürsorgedirektion den Leistungserbringern die nicht von den Sozialversicherungen und den Leistungsempfängern gedeckten Pflegekosten gemäss Artikel 25a KVG (Abs. 1); der Regierungsrat kann Pauschalen festsetzen und regelt die Kostenbeteiligung der Leistungsempfänger durch Verordnung (Abs. 2). Damit hat der kantonale Gesetzgeber den Grundsatzentscheid getroffen, dass der Regierungsrat mittels Verordnung eine Kostenbeteiligung der Leistungsempfänger einführen kann. Deren Rahmen wurde bereits mit Art. 25a Abs. 5 KVG festgesetzt (höchstens 20 % des höchsten vom Bundesrat festgesetzten Pflegebeitrags). Art. 75a SHG enthält zwar keine näheren Vorgaben für die Ausgestaltung der Kostenbeteiligung. Indem die Regelung in das SHG eingefügt wurde, hat sich deren Ausgestaltung aber an den darin enthaltenen Wirkungszielen zu orientieren (vgl. Art. 3 f. SHG). Die vom Regierungsrat erlassene, nach der unterschiedlichen finanziellen Belastung im Lebensalter vor und nach 65 sowie nach der wirtschaftlichen Leitungsfähigkeit differenzierte Regelung des Art. 25d SHV orientiert sich an diesen gesetzlichen Wirkungszielen. Sie korrespondiert mit dem auf Verfassungsstufe (Art. 5a und Art. 6 BV) sowie in Art. 9 SHG festgehaltenen Subsidiaritätsprinzip. Art. 25d SHV beruht somit auf einer genügenden formellen Gesetzesgrundlage. 
 
7.3 Da der Regierungsrat des Kantons Bern Art. 25d Abs. 1 SHV im Rahmen seiner Zuständigkeit erlassen hat, ist der Einwand des Beschwerdeführers, sein Stimmrecht sei verletzt worden, ebenfalls unbehelflich. 
 
8. 
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Regierungsrat des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 31. August 2012 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Ursprung 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar