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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
4A_539/2020  
 
 
Urteil vom 16. März 2021  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Kiss, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Niquille, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Stähle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ Ltd., 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Simon Holzer und Rechtsanwältin Louisa Galbraith, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Rudolf A. Rentsch, Ernst J. Brem und Dr. Ronny Banchik, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Patentverletzung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Bundespatentgerichts vom 16. September 2020 (O2020_006). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 6. Dezember 2017 erhob die A.________ Ltd. (Beschwerdeführerin) am Bundespatentgericht eine Patentverletzungsklage gegen die B.________ AG (Verfahren O2017_024). Die A.________ Ltd. warf der B.________ AG vor, den Schweizer Teil ihres europäischen Patents EP 2 121 272 B1 (Streitpatent) verletzt zu haben. Dieses Verfahren ist noch hängig.  
 
A.b. Am 29. April 2020 reichte die B.________ AG beim Bundespatentgericht eine Patentnichtigkeitsklage gegen die A.________ Ltd. ein. Sie beantragte die Feststellung, dass der Schweizer Teil des europäischen Patents EP 2 121 272 B1 nichtig und entsprechend ex tunc zu widerrufen sei.  
Mit Widerklage vom 28. August 2020 machte die A.________ Ltd. (erneut) eine Patentverletzung geltend. Sie stützte sich wiederum auf den Schweizer Teil des europäischen Patents EP 2 121 272 B1, schränkte den (als verletzt gerügten) Patentanspruch indes - so argumentierte zumindest die A.________ Ltd. - verbal ein (auf eine "gegenüber der erteilten Fassung mit zusätzlichen Merkmalen eingeschränkte[] Version dieses Patents"). 
 
A.c. Mit Beschluss vom 16. September 2020 trat das Bundespatentgericht auf die Widerklage nicht ein. Es berief sich auf Art. 59 Abs. 1 lit. d ZPO und erwog, zwischen denselben Parteien sei bereits eine Patentverletzungsklage betreffend dasselbe Streitpatent rechtshängig.  
 
B.  
Die A.________ Ltd. verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, der Beschluss des Bundespatentgerichts sei aufzuheben. Die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen mit der Auflage, das Widerklageverfahren im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen weiterzuführen, eventualiter einen neuen Entscheid über die Frage einer allenfalls vorbestehenden Rechtshängigkeit des gleichen Streitgegenstands der Widerklage zu fällen. 
Das Bundespatentgericht verzichtete auf Vernehmlassung. Die Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten und sie eventualiter abzuweisen. 
Die Beschwerdeführerin replizierte, worauf die Beschwerdegegnerin eine Duplik eingereicht hat. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde betrifft eine Zivilsache (vgl. Art. 72 BGG) und richtet sich gegen einen Teilentscheid (vgl. Art. 91 BGG) des Bundespatentgerichts (vgl. Art. 75 Abs. 1 BGG). Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in Zivilsachen offen, gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. e BGG unabhängig vom Streitwert. 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerdegegnerin bringt in ihrer Beschwerdeantwort (vom 7. Dezember 2020) vor, der Beschwerdeführerin mangle es an einem Rechtsschutzinteresse im Sinne von Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG. Sie (die Beschwerdeführerin) habe das Streitpatent nämlich mit Teilverzichtsantrag vom 8. Oktober 2020 an das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) nach Art. 24 PatG (SR 232.14) eingeschränkt. Diese Einschränkung werde nach Angaben des IGE am 15. Dezember 2020 veröffentlicht und gelte ex tunc. Das Streitpatent - wie es der Widerklage zugrunde gelegt worden sei - existiere damit nicht mehr.  
 
2.2. Am 15. Dezember 2020 hat das IGE den genannten Teilverzicht veröffentlicht.  
 
2.3. In der Replik vom 8. Januar 2021 wendet die Beschwerdeführerin ein, im vorliegenden Verfahren vor Bundesgericht gehe es einzig um die Frage, ob die Sache im Zeitpunkt der Einreichung der Widerklage im Sinne von Art. 59 Abs. 2 lit. d ZPO bereits anderweitig rechtshängig gewesen sei. Später eingetretene Sachverhalte seien irrelevant. Beim Teilverzicht auf das Streitpatent handle es sich um ein echtes Novum, das erst nach dem angefochtenen Urteil entstanden sei. Es habe daher im bundesgerichtlichen Verfahren unbeachtlich zu bleiben.  
 
3.  
 
3.1. Mit der Beschwerde in Zivilsachen dürfen die Parteien keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorbringen, es sei denn, erst der Entscheid der Vorinstanz habe dazu Anlass gegeben (Art. 99 Abs. 1 BGG). Diese Voraussetzung ist von vornherein nicht erfüllt, soweit sich eine Tatsache zwar auf das vorinstanzliche Prozessthema bezieht, jedoch erst nach dem Zeitpunkt eingetreten ist, in welchem sie im vorinstanzlichen Verfahren letztmals hätte berücksichtigt werden können. Solch "echte" Noven sind im bundesgerichtlichen Verfahren grundsätzlich unzulässig (BGE 139 III 120 E. 3.1.2). Indes gibt es Ausnahmen, wozu namentlich jene Tatsachen gehören, welche die Sachurteilsvoraussetzungen im Verfahren vor dem Bundesgericht betreffen. Dieses berücksichtigt Noven insbesondere dann, wenn sie einen Einfluss auf die Beschwerdelegitimation haben (zum Ganzen: Urteil 4F_6/2019 vom 18. März 2020 E. 2.1 mit Hinweisen; sodann zur Publikation vorgesehenes Urteil 4A_318/2020 vom 22. Dezember 2020 E. 5.2 und ferner Urteil 5A_730/2019 vom 27. Oktober 2020 E. 1.7; in diesem Punkt nicht einschlägig daher das von der Beschwerdeführerin zitierte Urteil 4A_541/2013 vom 2. Juni 2014 E. 2.4).  
 
3.2. In Frage steht, ob die Beschwerdeführerin ein aktuelles und praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses hat. Dies beurteilt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Urteils (vgl. BGE 143 III 578 E. 3.2.2.2 S. 587) - denn eine Beurteilung abstrakter Rechtsfragen ohne Wirkung auf konkrete Rechtsverhältnisse kann (auch vor Bundesgericht) nicht verlangt werden. Soweit der von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte, am 15. Dezember 2020 veröffentlichte Teilverzicht einen Einfluss auf das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin an der Behandlung ihrer Beschwerde hat, ist er zu berücksichtigen. Dass der Teilverzicht zufolge Novenschranke nicht mehr in das (bundesgerichtliche) Verfahren eingeführt werden konnte - das Bundesgericht die Patentverletzungsklage mithin nicht gestützt auf die geänderte Fassung des Streitpatents beurteilen kann -, ändert daran nichts (vgl. zur Publikation vorgesehenes Urteil 4A_583/2019 vom 19. August 2020 E. 7.4 mit Hinweis darauf, dass zwischen materiellem Recht und der prozessualen Situation zu unterscheiden ist).  
 
3.3. Nachdem die Beschwerdeführerin auf das Streitpatent in Anwendung von Art. 24 Abs. 1 lit. b und lit. c PatG teilweise verzichtet hat (siehe auch Art. 28a PatG), existiert dieses in der ursprünglichen Fassung nicht mehr. Damit ist - was auch die Beschwerdeführerin nicht bestreitet - das materielle Recht, auf das sich die Widerklage im vorliegenden Fall stützt, (mit Wirkung ex tunc) untergegangen und fehlt es ihr nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung an einem Rechtsschutzinteresse an der Beurteilung ihrer Widerklage (zur Publikation vorgesehenes Urteil 4A_583/2019 vom 19. August 2020 E. 7.4). Gegenteiliges tut die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht dar. Dass sie ihre Patentansprüche in der Widerklage verbaleingeschränkt hat, ändert nichts am Umstand, dass das Patent in der ursprünglichen Fassung - auf der die Widerklage nach wie vor basiert - nicht mehr besteht. Die "verbale" Einschränkung eines mit Wirkung ex tunc untergegangenen Patents ändert mit anderen Worten nichts am Untergang desselben und damit am fehlenden Rechtsschutzinteresse. Darauf weist die Beschwerdegegnerin zu Recht hin.  
Ob die Beschwerdeführerin allenfalls insofern ein Interesse an der Behandlung der Beschwerde haben könnte, als sie den vorinstanzlichen Nichteintretensbeschluss durch einen Abschreibungsentscheid ersetzt haben möchte (siehe etwa Art. 106 Abs. 1versus Art. 107 Abs. 1 lit. e ZPO; vgl. zur Publikation vorgesehenes Urteil 4A_583/2019 vom 19. August 2020 E. 7.4), kann dahingestellt bleiben, denn sie äussert sich hierzu nicht. 
 
3.4. Die Beschwerdeführerin ist nicht zur Beschwerde gegen den Nichteintretensbeschluss des Bundespatentgerichts berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
4.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die - allerdings reduzierten - Gerichtskosten gemäss Art. 66 Abs. 1 BGG der Beschwerdeführerin aufzuerlegen und ist diese zur Zahlung einer Parteientschädigung zu verurteilen (vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 12'000.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundespatentgericht schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. März 2021 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Kiss 
 
Der Gerichtsschreiber: Stähle