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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_324/2022  
 
 
Urteil vom 17. Oktober 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt, 
Gerichtsschreiber Buss. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Benjamin Nüesch, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Betreibungsamt Bezirk Weinfelden, Bahnhofstrasse 22, Postfach 140, 8570 Weinfelden, 
 
1. C.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Sonja Rütimann, 
2. D.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Sonja Rütimann, 
3. E.________ SE, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Fabian Teichmann, 
4. Kanton Thurgau, 
vertreten durch das Steueramt U.________, 
5. Politische Gemeinde U.________, 
vertreten durch das Steueramt U.________, 
6. F.________ AG, 
7. G.________, 
 
Gegenstand 
Steigerungszuschlag, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 31. März 2022 (BS.2022.2). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.A.________ und B.A.________ waren Eigentümer der Parzelle Nr. xxx, eingetragen im Grundbuch U.________. Das Betreibungsamt Bezirk Weinfelden pfändete das Grundstück und publizierte im Mai 2021 im Amtsblatt des Kantons Thurgau und im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) die betreibungsamtliche Grundstückssteigerung. In beiden Publikationen wurde die Versteigerung auf den 30. September 2021, 13.30 Uhr, angesetzt. Die identischen Angaben enthielten die beiden Spezialanzeigen, welche A.A.________ und B.A.________ am 27. Mai 2021 zugestellt wurden. Mit Einschreiben vom 30. Juli 2021 (von A.A.________ und B.A.________ in Empfang genommen am 2. August 2021) stellte das Betreibungsamt den Beschwerdeführern Abschriften der Steigerungsbedingungen sowie des rechtskräftigen Lastenverzeichnisses zu. Während im Lastenverzeichnis die korrekte Uhrzeit des Beginns der Versteigerung genannt war, gab das Betreibungsamt in den Steigerungsbedingungen als Termin der Steigerung irrtümlich den 30. September 2021, 15.30 Uhr, an, wobei diese Information überdies in Fettschrift gesetzt wurde.  
 
A.b. Nach eigenen Angaben sind sich A.A.________ und B.A.________ der divergierenden Zeitangaben erst am Steigerungstag bewusst geworden. A.A.________ wies das Betreibungsamt am 30. September 2021 um ca. 11.30 Uhr alsdann telefonisch auf die unterschiedlichen Zeitangaben hin, worauf ihm das Betreibungsamt mitteilte, dass die Versteigerung um 13.30 Uhr stattfinde und es sich bei der Zeitangabe in den Steigerungsbedingungen wohl um einen Fehler handle.  
 
A.c. Im Rahmen der Zwangsverwertung erteilte das Betreibungsamt am 30. September 2021 den Steigerungszuschlag für die Parzelle Nr. xxx an C.________ und D.________. Die Versteigerung wurde an diesem Tag um 13.30 Uhr durchgeführt.  
 
B.  
Am 8. Oktober 2021 erhoben A.A.________ und B.A.________ beim Bezirksgericht Weinfelden als unterer Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungssachen Beschwerde gegen den Steigerungszuschlag vom 30. September 2021. Sie beantragten die Aufhebung des Zuschlags und die Rückweisung der Sache an das Betreibungsamt, damit dieses das Steigerungsverfahren wiederhole. Die untere Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Entscheid vom 3. Januar 2022 ab. 
 
C.  
Mit Eingabe vom 13. Januar 2022 führten A.A.________ und B.A.________ beim Obergericht des Kantons Thurgau (obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs) Beschwerde gegen den Entscheid vom 3. Januar 2022. Mit Entscheid vom 31. März 2022 wies die obere Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab. 
 
D.  
A.A.________ und B.A.________ sind am 5. Mai 2022 mit einer als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bezeichneten Eingabe an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung des Steigerungszuschlags und die Wiederholung des Pfändungs- und Steigerungsverfahrens. 
Mit Präsidialverfügung vom 5. Mai 2022 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
Das Bundesgericht hat die kantonalen Aktien beigezogen, in der Sache hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen unabhängig eines Streitwertes der Beschwerde in Zivilsachen (Art. 19 SchKG i.V.m. Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG), weshalb die Eingabe ungeachtet ihrer Bezeichnung als solche entgegenzunehmen ist (vgl. BGE 134 III 379 E. 1.2).  
 
1.2. Die Beschwerdeführer haben als Betreibungsschuldner ein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheides. Sie sind daher zur Beschwerde berechtigt (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).  
 
1.3. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4).  
 
1.4. Die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen sind für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG kann die Feststellung des Sachverhalts nur gerügt werden, wenn die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig - d.h. willkürlich (Art. 9 BV; BGE 135 III 127 E. 1.5 mit Hinweis) - ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann. Will die beschwerdeführende Partei die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten, muss sie substanziiert darlegen, inwiefern die genannten Voraussetzungen erfüllt sein sollen. Bei der Rüge der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 140 III 16 E. 1.3.1; 140 III 264 E. 2.3).  
 
1.5. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher auszuführen ist (BGE 133 III 393 E. 3).  
 
2.  
Die Beschwerdeführer werfen der oberen Aufsichtsbehörde eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, eine Missachtung von Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG und eine Verletzung des Novenrechts vor, weil sie ihre im Beschwerde-Weiterzug vorgebrachten Ausführungen zum Geschehensablauf vom 30. September 2021 nicht in ihre Beurteilung einbezogen habe. Bei bundesrechtskonformer Feststellung des Sachverhalts hätten die Vorinstanzen zum Schluss gelangen müssen, dass sie nach Kenntniserlangung des Mangels alles in ihrer Macht stehende getan hätten, um die Steigerung zu verhindern bzw. diese auf den richtigen Zeitpunkt zu verschieben. 
 
2.1. Für das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden gelten die bundesrechtlichen Minimalvorschriften von Art. 20a Abs. 2 SchKG. Im Übrigen regeln gemäss Art. 20a Abs. 3 SchKG die Kantone das Verfahren. Das kantonale Verfahrensrecht entscheidet insbesondere, inwiefern im Beschwerdeverfahren vor der oberen Aufsichtsbehörde neue Tatsachen vorgebracht werden können (Urteile 5A_342/2020 vom 4. März 2021 E. 4.4; 5A_15/2016 vom 14. April 2016 E. 2.4; COMETTA/MÖCKLI, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021, N. 40g zu Art. 20a SchKG; JENT-SØRENSEN, Das kantonale Verfahren nach Art. 20a Abs. 3 SchKG: ein Relikt und die Möglichkeit der Vereinheitlichung, in: BlSchK 2013 S. 103 f.). Noven müssen jedoch mindestens in dem Umfang vorgebracht werden können, wie dies noch vor Bundesgericht möglich wäre (Urteil 5A_57/2016 vom 20. April 2016 E. 3.2.1 mit Hinweisen).  
 
2.2. Die Vorinstanz hat festgehalten, dass im Kanton Thurgau subsidiär - als kantonales Verfahrensrecht - die Bestimmungen des Beschwerdeverfahrens nach Art. 319 ff. ZPO zur Anwendung gelangen würden. Im Beschwerdeverfahren seien deshalb neue Tatsachen und neue Beweismittel gemäss Art. 326 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Soweit die Beschwerdeführer neue tatsächliche Vorbringen in ihre Beschwerde einflechten würden, könne darauf nicht eingegangen werden. Dies betreffe insbesondere die neuen tatsächlichen Ausführungen zum Geschehensablauf vom 30. September 2021. Demnach bleibe es bei dem von der unteren Aufsichtsbehörde festgestellten Sachverhalt, zumal die Beschwerdeführer nicht substanziiert geltend machen würden, die untere Aufsichtsbehörde habe den Sachverhalt rechtsfehlerhaft festgestellt.  
 
2.3. Was die Beschwerdeführer hiergegen vorbringen, lässt die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung weder als willkürlich noch sonstwie als bundesrechtswidrig erscheinen. Zunächst kann der Auffassung der Beschwerdeführer nicht gefolgt werden, erst der Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde habe zu den neuen Vorbringen Anlass gegeben. So haben die Ersteigerer im erstinstanzlichen Verfahren mit Eingabe vom 16. November 2021 ausdrücklich auf die einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung hingewiesen und hierzu geltend gemacht, dass die Beschwerdeführer ihr Beschwerderecht mit ihrem passiven Verhalten im Vorfeld der Steigerung verwirkt hätten. Gleichwohl haben die Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren auch in ihrer Eingabe vom 8. Dezember 2021 nicht behauptet, dass sie vom Betreibungsamt nach Kenntniserlangung des Mangels eine Verschiebung der Versteigerung verlangt hätten. Soweit sich die bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer diesbezüglich auf den Untersuchungsgrundsatz (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG) berufen, ist ihnen einerseits entgegenzuhalten, dass die Aufsichtsbehörden nicht verpflichtet sind, von sich aus nach Tatsachen zu forschen, die nicht aktenkundig und von keiner Partei erwähnt sind (Urteile 5A_405/2017 vom 14. November 2017 E. 2.3; 5A_253/2015 vom 9. Juni 2015 E. 4.1; COMETTA/MÖCKLI, a.a.O., N. 7 zu Art. 20a SchKG) und andererseits, dass das Novenverbot gemäss Art. 326 Abs. 1 ZPO auch in Verfahren gilt, welche dem Untersuchungsgrundsatz unterstehen (Urteil 5A_405/2011 vom 27. September 2011 E. 4.5.3, nicht. publ. in: BGE 137 III 470; SPÜHLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 2 zu Art. 326 ZPO; JEANDIN, in: Commentaire romand, Code de procédure civile, 2. Aufl. 2019, N. 2 und 5 zu Art. 326 ZPO; JENT-SØRENSEN, a.a.O.).  
 
2.4. Es bleibt deshalb bei der tatsächlichen Feststellung der Vorinstanzen, wonach die Beschwerdeführer weder vom Betreibungsamt vor Durchführung der Versteigerung eine Verschiebung verlangt haben, noch zur Steigerung um 13.30 Uhr erschienen sind, um daselbst eine Verschiebung zu verlangen.  
 
3.  
In rechtlicher Hinsicht ist unstrittig, dass in den Steigerungsbedingungen neben dem Ort der Steigerung und dem Datum auch die Uhrzeit des Beginns der Versteigerung angegeben werden muss (vgl. Art. 45 Abs. 1 VZG) und die Angabe einer falschen Uhrzeit einen Verfahrensmangel im Vorbereitunsgsverfahren der Steigerung darstellt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hätten die Beschwerdeführer den von ihnen beanstandeten Mangel aber spätestens unmittelbar vor Beginn der eigentlichen Steigerung rügen und zudem unter Hinweis auf den gerügten Mangel deren Verschiebung verlangen müssen (Urteil 7B.141/2004 vom 24. November 2014 E. 4 mit Hinweis auf BGE 128 III 339 E. 5b). Da sie zumindest Letzteres nach den für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz nicht getan haben, haben sie ihr Beschwerderecht betreffend den geltend gemachten Mangel des Vorbereitungsverfahrens verwirkt. 
 
4.  
Damit bleibt einzig zu prüfen, ob der Zuschlag allenfalls im Sinne von Art. 22 Abs. 1 SchKG nichtig ist. Die Vorinstanzen verneinten auch dies zu Recht. So liegt nach ständiger Praxis auch in der Nichtzustellung der Spezialanzeige nach Art. 139 SchKG kein Nichtigkeitsgrund, sondern kann dies allenfalls zur Ungültigkeit des Zuschlags führen, welche mit Beschwerde gemäss Art. 17 ff. SchKG geltend zu machen ist (BGE 116 III 85 E. 2d; Urteile 5A_45/2015 vom 20. April 2015 E. 3.1.3; 7B.202/2005 vom 16. Januar 2006 E. 4.2; PIOTET, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 9 zu Art. 139 SchKG). Gründe dafür, weshalb im Gegensatz dazu eine falsche Zeitangabe (einzig) in den Steigerungsbedingungen zur Nichtigkeit des Zuschlags führen soll, sind nicht ersichtlich. 
 
5.  
Aus den dargelegten Gründen ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden. Die Beschwerdeführer werden damit kosten-, nicht hingegen entschädigungspflichtig, da keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Betreibungsamt Bezirk Weinfelden, C.________, D.________, der E.________ SE, dem Kanton Thurgau, der Politischen Gemeinde U.________, der F.________ AG, G.________ und dem Obergericht des Kantons Thurgau als kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Oktober 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Escher 
 
Der Gerichtsschreiber: Buss