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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.253/2005 /hum 
 
Urteil vom 25. November 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, 
Gerichtsschreiber Thommen. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwältin Corinne Todesco, 
 
gegen 
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Sicherheitseinziehung (Art. 31 Abs. 3 WG, Art. 58 StGB), 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, 
vom 1. April 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Berufungsurteil vom 1. April 2005 wurde X.________ vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Drohung nach Art. 180 StGB sowie nebst weiteren Schuldsprüchen wegen mehrfacher Widerhandlungen gegen das Waffengesetz (Art. 33 Abs. 1 lit. a; Art. 27; Art. 4 Abs. 1 lit. a; Art. 5 Abs. 1 lit. d; Art. 34 Abs. 1 lit. d; Art. 11) verurteilt und mit 14 Monaten Gefängnis bestraft. Ferner beschloss das Gericht die Einziehung diverser sichergestellter Waffen und Munitionsteile, um diese der Kantonspolizei Zürich zur 'gutscheinenden' Verwendung zu überlassen (Ziff. 2; S. 35). 
B. 
Mit Beschluss vom 8. Mai 2006 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich eine dagegen erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat. 
C. 
X.________ erhebt Nichtigkeitsbeschwerde gegen das obergerichtliche Urteil. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf Ziff. 2. Ferner ersucht er um Erlass der Kostenvorschusspflicht sowie um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Ausserdem sei der Verkauf durch gerichtliche Anordnung an A.________ zu delegieren. Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten beide auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit dem Gesuch den Verkauf der eingezogenen Waffen per Anordnung an eine von ihm bezeichnete Person zu delegieren, verlangt der Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Auf seine Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten (Art. 277ter Abs. 1 BStP; BGE 129 IV 276 E. 1.2). 
2. 
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 31 Abs. 3 des Waffengesetzes (WG) falsch ausgelegt, unter Verletzung von Art. 59 f. StGB und des bundesrechtlichen Verhältnismässigkeitsgrundsatzes. Die sichergestellten Waffen hätten verwertet und der Erlös zur Kostendeckung herangezogen werden müssen. Die Vorinstanz schliesse eine Verwertung mit dem Hinweis aus, dass sie im Gesetz nicht vorgesehen sei. Das Waffengesetz weise jedoch bezüglich der Verwertung und Entschädigung eine Lücke auf. Aus dieser Nichtregelung im Gesetz folge nur, dass eine solche nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Es sei deshalb auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 58 f. StGB abzustellen (BGE 117 IV 345). Der Sinn von Art. 31 Abs. 3 WG bestehe nicht darin, dem Täter einen Vermögensschaden zuzufügen. Mit der Einziehung soll vielmehr die Gefahr missbräuchlicher Verwendung der beschlagnahmten Gegenstände gebannt werden. Da ein Teil der Waffen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Strafverfahren eingezogen worden seien, sei diesbezüglich nicht Art. 31 Abs. 3 WG sondern Art. 58 StGB anwendbar. 
2.2 Die Vorinstanz bestätigt den erstinstanzlichen Einziehungsbeschluss vorab unter Verweis auf deren Erwägungen. Angesichts der beurteilten Straftaten bejaht sie eine Gefahr missbräuchlicher Verwendung der Waffen im Sinne von Art. 31 Abs. 3 WG. Eine Entschädigung oder die Verwendung des Verwertungserlöses zur Kostendeckung seien nicht vorgesehen. 
2.3 Nach Art. 31 Abs. 3 WG werden die beschlagnahmten Waffen, deren Bestandteile und Zubehör sowie Munition definitiv eingezogen, wenn die Gefahr missbräuchlicher Verwendung besteht. Nach Art. 58 Abs. 1 StGB verfügt der Richter ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer strafbaren Handlung gedient haben oder bestimmt waren, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen oder die öffentliche Ordnung gefährden. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Einziehung richte sich (zumindest teilweise) nach Art. 58 StGB und nicht nach Art. 31 WG. In Bezug auf die Voraussetzungen der Einziehung geht das Waffengesetz als spezielleres und späteres Recht grundsätzlich vor. Hinsichtlich der Folgen der Einziehung enthält das Waffengesetz keine Regelung, weshalb subsidiär auf Art. 58 Abs. 2 StGB abzustellen ist (Art. 333 Abs. 1 StGB; vgl. Philippe Weissenberger, Die Strafbestimmungen des Waffengesetzes, AJP 2000 164). Im Übrigen sind offene Fragen nach der zur strafrechtlichen Einziehung entwickelten Rechtsprechung zu entscheiden. 
2.4 Der Beschwerdeführer hat unter Zuhilfenahme einer 'Kalaschnikow' eine Drohung begangen. Zurecht ging die Vorinstanz deshalb davon aus, dass beim Beschwerdeführer eine Gefahr missbräuchlicher Verwendung von Waffen im Sinne von Art. 31 Abs. 3 WG besteht. Nach dem im vorangehenden Absatz Gesagten kann sich - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers - auch die strafrichterliche Einziehung auf das Waffengesetz stützen. Allerdings kann der Strafrichter nach der Rechtsprechung nur diejenigen Waffen einziehen, welche im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung stehen. Als strafbare Handlungen kommen Delikte des Strafgesetzbuchs und des Nebenstrafrechts (z.B. des Waffengesetzes) in Frage. Die Einziehung von nicht im Zusammenhang mit Straftaten stehenden Waffen wird von den zuständigen Verwaltungsbehörden angeordnet, wenn die Gefahr missbräuchlicher Verwendung besteht (BGE 129 IV 81 E. 4; 112 IV 71, E. 1a; 103 IV 76). 
 
2.5 Dem vorinstanzlichen Urteil lässt sich nicht entnehmen, welche der eingezogenen Waffen im Zusammenhang mit einer Straftat stehen. Ob es sich bei der eingezogenen Faustfeuerwaffe SIG P220 um diejenige Pistole ('Marke SIG', Modell 220, Kaliber 9 mm) handelte, welche der Beschwerdeführer anlässlich der Verkehrskontrolle vom 9. Oktober 2002 trug (vgl. erstinstanzliches Urteil, S. 17), ist zwar wahrscheinlich, ergibt sich jedoch mangels Ausführungen nicht schlüssig aus der vorinstanzlichen Begründung der Einziehung. Gleiches gilt für das anlässlich der selben Verkehrskontrolle entdeckte Kleinkalibergewehr "Jäger", für den am 7. August 2001 erworbenen Schussapparat (Kaliber 6,35), für die am 28. Mai 2003 erworbene Handfeuerwaffe Marke SIG (Modell StGw 57, Kaliber 7,5 mm) sowie für die im Januar 2003 erworbene Flinte der Marke Franchi (vgl. erstinstanzliches Urteil, S. 19-25). Die übrigen eingezogenen Waffen (Faustfeuerwaffe, Marke SIG Sauer, Modell JP 226, Kaliber 9 mm Para, inkl. Zubehör; Handfeuerwaffe, Marke Samopal, Modell 58 V, Kaliber 7, 62 mm * 39 mm RUSS sowie die Faustfeuerwaffe, Marke Ruger, Modell P 85, Kaliber 9 mm Para) lassen sich anhand der vorinstanzlichen Feststellungen keiner strafbaren Handlung zuordnen. Andererseits befinden sich soweit ersichtlich weder die am 12. November 2003 für die Drohung verwendete 'Kalaschnikow' noch die am 31. August 2002 unter Verletzung waffenrechtlicher Bestimmungen erworbene Waffe der Marke Colt, Kaliber 9 mm (erstinstanzliches Urteil S. 26) unter den eingezogenen Waffen. 
2.6 Unter diesen Umständen lässt sich die Bundesrechtskonformität der beschlossenen Einziehung nicht überprüfen. Das angefochtene Urteil ist in Anwendung von Art. 277 BStP aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei der neuerlichen Befassung wird aufzuzeigen sein, welche Waffen in Zusammenhang mit strafbaren Handlungen stehen und deshalb einer strafrichterlichen Sicherungseinziehung unterliegen. Der Entscheid über eine allfällige Einziehung der nicht mit Straftaten im Zusammenhang stehenden Waffen ist der zuständigen Verwaltungsbehörde zu überlassen. 
3. 
Aus Gründen der Prozessökonomie ist auch noch auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage einzugehen, ob die Waffen entschädigungslos eingezogen werden dürfen oder ob sie allenfalls zu verwerten sind. 
3.1 Nach Art. 58 Abs. 2 StGB kann der Richter die Vernichtung oder Unbrauchbarmachung eingezogener Gegenstände anordnen. Aus dieser Formulierung ergibt sich bereits, dass auch andere Anordnungen denkbar sind. So können eingezogene Gegenstände etwa der Polizei oder deren wissenschaftlichen Diensten zu Demonstrations- oder Ausbildungszwecken überlassen werden (Niklaus Schmid, Art. 58 StGB N. 72 ff., in: Kommentar Einziehung etc., Bd. I, Zürich 1998). Nach der Rechtsprechung untersteht die Einziehung jedoch dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit, weshalb unter Umständen auch zu prüfen ist, ob eine Verwertung in Frage kommt und wie ein allfälliger Verwertungserlös zu verwenden ist (vgl. BGE 117 IV 345 E. 2a; Entscheid 2A.358/2000 vom 30. März 2001 E. 6c). 
3.2 Im angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz entgegen dem Verwertungsantrag des Beschwerdeführers beschlossen, die Waffen der Kantonspolizei zur 'gutscheinenden Verwendung' zu überlassen. Diese Möglichkeit der Überlassung der Waffen an die Polizei steht ihr auch in einem erneuten Beschluss offen. Allerdings ist die Überlassung gegenüber der Verwertung und Entschädigung der gravierendere Eingriff in die Eigentumsfreiheit. Sie würde sich in diesem Fall deshalb zur Verwertung und zur Verhältnismässigkeit äussern müssen. Eine Verwertung ist etwa bei Waffen ausgeschlossen, deren Erwerb als solcher verboten ist (vgl. Entscheid 2A.358/2000 vom 30. März 2001 E. 6c.bb.). In Bezug auf die verwertbaren Waffen wäre zu begründen, aus welchen (z.B. wissenschaftlichen) Überlegungen die Überlassung an die Kantonspolizei vorgezogen, resp. inwiefern eine Verwertung für undurchführbar oder vorhersehbar zu aufwändig eingestuft wird. 
4. 
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde im Verfahren nach Art. 277 BStP gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang sind keine Kosten zu erheben und ist dem Beschwerdeführer eine angemessene Entschädigung auszurichten (Art. 278 Abs. 2 und 3 BStP). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos; die Entschädigung ist jedoch der Vertreterin des Beschwerdeführers, Rechtsanwältin Corinne Todesco, zuzusprechen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, gemäss Art. 277 BStP gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 1. April 2005 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 25. November 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: